Aktenzeichen M 3 S 16.50594
§ 34 a AsylG
Leitsatz
1 Aus derzeitiger Sicht ist – jedenfalls soweit es sich nicht um besonders schutzbedürftige Personen wie Familien mit kleinen Kindern handelt – nicht davon auszugehen, dass Asylantragsteller in Ungarn aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GRCh ist nicht unmittelbarer Prüfmaßstab im Rahmen einer Entscheidung gem. §§ 27a, 34a AsylG im „Dublin-Verfahren“ (wie BayVGH BeckRS 2015, 48019). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Systemische Mängel sind nicht unter dem Gesichtspunkt von möglichen Überstellungen nach Serbien erkennbar. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der am … 1997 in Damaskus geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste am 22. Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 22. Januar 2016 einen Asylantrag stellte.
Im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Antragsteller am 22. Januar 2016 an, dass er sein Heimatland am 2. Juli 2015 verlassen habe und über den Libanon, die Türkei (6 Tage), Griechenland (4 Tage), Mazedonien, Serbien, Ungarn Österreich auf dem Landweg nach Deutschland gelangt sei.
Mit Blick auf die obigen Angaben und einem Treffer am 22. Januar 2016 der Kategorie 2 bezüglich Ungarns im EURODAC-Fingerabdrucksystem wandte sich das Bundesamt am 15. März 2016 mit dem Ersuchen um Übernahme an die zuständigen ungarischen Behörden; eine Reaktion von Ungarn erfolgte hierauf nach Aktenlage nicht.
Bei seiner Zweitbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens im Bundesamt am 14. Juni 2016 gab der Kläger an, er sei mit seiner Schwester unterwegs gewesen und sie seien zusammen in Deutschland angekommen. Er wolle nicht nach Ungarn überstellt werden, da er sein Studium in Deutschland weitermachen wolle; in Ungarn habe er keine Zukunft.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2016, dem Antragsteller zugestellt am 27. Juli 2016, lehnte das Bundesamt den in Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2016, eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 19. Juli 2016 (M 3 K 16.50593) zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und weiter beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nur zweimal fünf Minuten durch die Beklagte befragt worden. In dieser kurzen Zeit könnten die notwendigen Informationen über die Person, die Fluchtgründe, die persönlichen familiären Beziehungen und die Ängste des Klägers nicht ausreichend erfragt und dargestellt werden. Das zeige sich auch darin, dass der Kläger, der sehr nervös gewesen sei, eindeutige Fragen zur Familie unzutreffend beantwortet habe. Obwohl der Kläger zusammen mit seiner Schwester geflüchtet sei, diese in der gleichen Unterkunft untergebracht worden und auch zum ersten Interviewtermin zur gleichen Zeit eingeladen worden sei, sei diese durch die Beklagte nicht in den Angaben zur Familie des Klägers aufgenommen worden. Die Schwester des Klägers habe zwischenzeitlich einen positiven Bescheid der Beklagten erhalten.
Neben der Schwester des Klägers seien auch zwei seiner Cousins in München in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht.
Hinsichtlich der Familie des Klägers liege somit ein massiver Aufklärungsmangel vor.
Der Kläger bestreite, in Ungarn einen tatsächlichen Asylantrag gestellt zu haben.
Die „antizipierte Zustimmung“ Ungarns könne keine Anwendung mehr finden, da durch die geschichtlichen Ereignisse und die politischen Geschehnisse der vergangenen Monate deutlich sei, dass andere Mitgliedsstaaten, auch Schengen-Staaten, die Flüchtlinge nicht mehr zurücknähmen und auch keinen entsprechenden Kontingentierungen zustimmten. In Bezug auf andere Staaten, wie Italien oder Spanien, würden seitens der Beklagten selbst diese Antizipationen nicht mehr angewendet. Der Kläger werde insoweit willkürlich ungleich behandelt.
Aufgrund der Aufklärungsdefizite lägen hinsichtlich der Prüfung des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte erhebliche Ermessensfehler vor.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. August 2016, eingegangen am selben Tag, beantragt der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Antrags- und Klagefrist.
Der angefochtene Bescheid sei dem Antragsteller am 27. Juli 2016 durch Niederlegung zugegangen. Die Antragsfrist sei daher bis 3. August 2016 gelaufen. Der Antrag am 4. August 2016 sei daher wahrscheinlich verspätet gewesen. Der Antragsteller sei aber unverschuldet an der Fristeinhaltung verhindert gewesen. Die Frist sei von einer ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten des Bevollmächtigten des Antragstellers, die mit dieser Aufgabe betraut gewesen sei und diese bisher immer zuverlässig erledigt habe, versehentlich falsch eingetragen worden. Ein derartiger Fehler sei bisher noch nie vorgekommen, weswegen der Bevollmächtigte des Antragstellers auf die eingetragene Frist vertrauen durfte. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Bevollmächtigten des Antragstellers wurde vorgelegt.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 2. August 2016 die Behördenakte vor und äußerte sich im Übrigen nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wegen Nichteinhaltung der Wochenfrist unzulässig; nachdem der Bescheid dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 27. Juli 2016 zugestellt worden war, endete die Klage und Antragsfrist am 3. August 2016. Die Antragstellung erst am 4. August 2016 war vor diesem Hintergrund zu spät. Jedoch wird dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf Grund der geltend gemachten Falscheintragung der Frist durch eine ansonsten immer zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei des Bevollmächtigten des Antragstellers war der Antragsteller im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde auch fristgemäß gemäß § 60 Abs. 2 VwGO gestellt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Juli 2016 ist voraussichtlich rechtmäßig.
Nach dem gemäß § 77 AsylG zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 31.7.2016 (BGBl I S. 1939) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben.
Die Überstellung an Ungarn ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Nach den hiernach maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO ist Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil der Antragsteller in diesen Mitgliedsstaat eingereist ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO). Dass er dort tatsächlich einen Asylantrag gestellt hat, ist nicht erforderlich. Bereits die illegale Einreise nach Ungarn von einem Drittstaat kommend wirkt nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO zuständigkeitsbegründend.
Auch ist gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO von der Stattgabe Ungarns hinsichtlich des Aufnahmegesuchs vom 15. März 2016 auszugehen, da hierauf keine fristgemäße Reaktion erfolgte.
Eine Überstellung an Ungarn als den grundsätzlich zuständigen Mitgliedstaat (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin-III-VO) hat auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin-III-VO zu unterbleiben. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Ungarn infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta) ausgesetzt wäre:
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Zwar ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011, a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist aus derzeitiger Sicht – jedenfalls soweit es sich nicht um besonders schutzbedürftige Personen wie Familien mit kleinen Kindern handelt – nicht davon auszugehen, dass Asylantragsteller in Ungarn aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. ebenso: VG SH, U.v. 31.8.2016 – 5 A 343/16 – juris Rn. 63 ff.; VG München, B.v. 5.8.2016 – M 1 S 16.50383 – juris Rn. 14 ff.; VG Bayreuth, U.v. 26.7.2016 – B 5 K 15.50227 – S. 6 ff.; VG Ansbach, B.v. 28.6.2016 – AN 3 S 16.50214 – juris Rn. 22; VG Ansbach, B.v. 3.5.2016 – AN 3 S 16.50118 – Rn. 35 ff.; VG Augsburg, B.v. 27.1.2016 – Au 4 S 16.50004 – juris Rn. 12 ff.).
Insbesondere hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2015 – 13a ZB 15.50097, dem Ansatz, wonach die Anwendung der sog. Asylhaft auf die meisten „Dublin-Rückkehrer“ wegen Verstoßes gegen Art. 6 EU-Grundrechte-Charta zu einem Überstellungsverbot nach Ungarn führe (so z.B. VG Berlin v. 15.01.2015 – 23 L 899.14 A, Rn. 8 bei juris, ebenso VG München v. 20.02.2015 – M 24 S 15.50091, Rn. 45 ff. bei juris; VG München v. 16.04.2015 – M 24 K 15.50098; ähnlich VG Köln v. 28.04.2015, – 17 L 1024/15.A, Rn. 21 ff. bei juris) eine Absage erteilt. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union (s.o.; exemplarisch EuGH v. 10.12.2013, Rs. C-394/12, Rn. 52 ff. bei juris) hat den Maßstab zur Überprüfung der Überstellungsentscheidung – der nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Dublin-III-VO positiv festgeschrieben wurde – ausschließlich dem Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in Art. 4 EU-Grundrechte-Charta entnommen, das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 EU-Grundrechte-Charta ist demnach nicht unmittelbarer Prüfmaßstab im Rahmen einer Entscheidung gem. §§ 27a, 34a AsylG im „Dublin-Verfahren“ (s. auch VG Hamburg v. 18.02.2015 – 2 AE 354/15). In BayVGH v. 12.06.2015 – 13a ZB 15.50097 heißt es insofern unter Rn. 4 der Beschlussausfertigung:
„(…) Abgesehen davon gehen sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (B.v. 15.1.2015 – 23 L 899.14 A – Asylmagazin 2015, 80 = juris) wie das Verwaltungsgericht München (B.v. 20.2.2015 – M 24 S 15.50091 – juris) nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechtscharta aus, wie in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), bestimmt ist. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OVG SH, B.v. 13.4.2015 – 2 LA 39/15 – juris). Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S. u.a., C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417 Rn. 82; vgl. auch BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – NVwZ 2014, 1677) Im Übrigen verneint auch der Großteil der nationalen Verwaltungsgerichte systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn.“
In gleicher Zielrichtung argumentiert das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein (vgl. Beschluss vom 13.04.2015 – 2 LA 39/15, Rn. 3 bei juris):
„(…) Abgesehen davon erlaubt auch nach Auffassung des VG Berlin (Beschluss vom 15. Januar 2015 a.a.O., juris Rn. 8) die Auskunftslage nicht die Feststellung systemischer Mängel aufgrund unmenschlicher und erniedrigender Haftbedingungen in Ungarn; das VG Stuttgart (Beschluss vom 19. Februar 2015 a.a.O. juris Rn. 9) sieht es als offen an, ob die Asylhaftpraxis in Ungarn gegen Art. 6 EuGrCh verstößt. Bei beiden erstinstanzlichen Gerichten gilt, dass sie offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-III-Verordnung festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta“) zugrundegelegt haben. Diesen Maßstab hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits für die vorangehende Dublin-II-Verordnung verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt hat, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C – 411/10 u. a.).“
Systemische Mängel sind nicht unter dem Gesichtspunkt von möglichen Überstellungen nach Serbien erkennbar. Der EuGH hat jüngst in einem Fall – dem eine ungarische Bestimmung zugrunde lag, wonach die Unzulässigkeit von Anträgen auf internationalen Schutz vermutet wird, wenn Antragsteller aus Serbien, das nach dieser Regelung als sicherer Drittstaat betrachtet wird, in das ungarische Hoheitsgebiet einreisen – entschieden, dass Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-VERORDNUNG dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach der Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war (vgl. EuGH, U.v. 17.3.2016 – C-495/15 PPU – Shiraz Baig Mirza, juris Rn. 55 und 53).
Es liegt auch keine Ungleichbehandlung des Antragstellers vor, da nach Kenntnis der Kammer auch in den Fällen anderer Länder, wie z.B. Italien, Abschiebungen dorthin aufgrund nicht fristgerechter Reaktion der dortigen Behörden angeordnet werden.
Auch dass der Antragsteller, wie von seinem Bevollmächtigten angeführt, eine in Deutschland lebende Schwester und zwei Cousins hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Der Antragsteller ist volljährig, weshalb – so auch die Wertung der
Art. 8 ff. Dublin III-VO – allein die Tatsache, dass er Verwandte in Deutschland hat, noch keinen zwingenden Selbsteintritt der Antragsgegnerin aus humanitären Gründen zur Folge hat.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Ungarns den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
Individuelle außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO rechtfertigen würden, sind vom Antragsteller weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Der Abschiebung des Antragstellers stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, zu deren Prüfung das Bundesamt in Fällen der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG verpflichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427).
Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.