Aktenzeichen M 12 S 16.50101
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
VO (EU) 604/2013 Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1
Leitsatz
1 Asylbewerber laufen in Italien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (ebenso BayVGH BeckRS 2014, 52068, OVG BW BeckRS 2014, 51025, OVG RhPf BeckRS 2014, 48239, OVG Bln-Bbg BeckRS 2013, 53383, OVG NRW BeckRS 2014, 48497 u. BeckRS 2015, 45053 u. BeckRS 2016, 47662, NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch in Anbetracht einer bei einem Asylsuchenden diagnostizierten offenen Tuberkulose ergeben sich keine Gründe, die ausnahmsweise zur Annahme einer individuellen Gefahr für ihn führen könnten, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger und reiste am 19. Juli 2015 in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 28. August 2015 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 28. August 2015 gab der Antragsteller an, sein Heimatland 2013 verlassen zu haben und über Mali (Durchreise), Burkina Faso (Durchreise), Niger (Durchreise) und Libyen (1 Jahr) nach Italien gereist zu sein, wo er sich ca. ein Jahr aufgehalten habe. Er habe im Juli 2014 in Italien internationalen Schutz beantragt. Bei einer weiteren Anhörung am 30. September 2015 gab der Antragsteller an, an Tuberkulose zu leiden. Er habe sich im Camp in Italien angesteckt. Er hätte dort zweimal pro Woche medizinische Behandlung erhalten, hätte aber die Fahrtkosten zum Arzt selbst tragen müssen. Er habe aber nur 45 Euro im Monat erhalten. Da er nicht genügend Geld gehabt habe, sei er nach Deutschland gekommen, um seine Tuberkulose behandeln zu lassen. Er schätze, dass die Fahrt hin und zurück 19 Euro gekostet hätte. Wie viele Kilometer oder Stunden es zum Arzt gewesen seien, könne er nicht mehr sagen. Einen ersten Behandlungstermin habe er am 8. Oktober 2015. Er wolle nicht nach Italien zurück. Solange er sich in Deutschland behandeln lassen könne, gehe es ihm gut. In Italien hätte er keine Wohnung, müsste auf der Straße leben und betteln.
Es ergab sich am 2. September 2015 ein Eurodac-Treffer für Italien.
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 an Italien erfolgte keine Reaktion.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 3).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Italien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags für die Behandlung des Asylantrags gem. Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Art 18 Abs. 1 b Dublin III-VO zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Italien lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH vor. Soweit der Antragsteller vortrage, die medizinische Versorgung in Italien sei nicht gut gewesen, sei dieses Vorbringen nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Hinsichtlich der vorgebrachten Tuberkulose sei nicht von einer Reiseunfähigkeit im engeren Sinn auszugehen. Atteste habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Gründe für eine weitere Reduzierung der Dauer des Einreiseverbots lägen nicht vor, da besonders schutzwürdige Belange nicht gegeben seien. Es seien auch sonst keine Umstände ersichtlich, die im Rahmen des Ermessens zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen seien.
Am … Februar 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift des Gerichts Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Dezember 2015, zugestellt am 5. Februar 2016, aufzuheben.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen beim Bundesamt Bezug genommen und ausgeführt, dass die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht ausüben müsse. In Italien werde er obdachlos sein. Eine Abschiebung sei aus humanitärer Sicht nicht zumutbar. Aus Berichten von drei Freunden, die im Herbst nach Italien abgeschoben worden seien, wisse er, dass er trotz des dort gestellten Asylantrags keine Unterstützung in Form von Nahrung und Unterkunft erhalten werde. Sobald man ein S.P.R.A.R mehr als zwei Wochen verlassen habe, erhalte man von dort, aber auch von anderen privaten Hilfsorganisationen keine Unterstützung mehr. Im Übrigen habe er gesundheitliche Beeinträchtigungen, die dringend behandelt werden müssten. Er habe Tuberkulose (nicht offen), wodurch er bei körperlichen Anstrengungen, aber auch nachts im Liegen unter starken Atemeinschränkungen und stechenden Schmerzen leide.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom … Februar 2016 wurde weiter ausgeführt, dass der Antragsteller an Tuberkulose leide, in der Vergangenheit in Italien keinen ausreichenden medizinischen Schutz erfahren habe und auch in Zukunft eine ausreichende ärztliche Versorgung nicht gewährleistet sei. Zwar sei der ärztliche Sachverstand in Italien vorhanden. Nicht ausreichend sei jedoch die ärztliche Fürsorge für Asylantragsteller in Italien. Der Antragsteller habe sechs Monate auf eine ärztliche Untersuchung warten müssen. Im Anschluss habe die Erkrankung nur unzureichend behandelt werden können. Beigefügt war ein Arztbrief von … vom … Oktober 2015, in dem eine inaktive Lungentuberkulose diagnostiziert wird. Der Antragsteller habe berichtet, in Italien bereits zwei Monate wegen Tuberkulose behandelt worden zu sein. Er berichte über Schmerzen im Bereich des Brustkorbs, Nachtschweiß und gelblichen Auswurf. In der Beurteilung wird ausgeführt, dass sich aus der Röntgen-Thoraxaufnahme bzw. der Verlaufsbeurteilung heraus kein Hinweis für eine Reaktivierung einer früher behandlungsbedürftigen Tuberkuloseerkrankung ergebe.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2016 hat die Antragsgegnerin die Behördenakte vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 – 5 L 1234/13.TR – juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 – 2 B 869/13 – juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Dezember 2015 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt.
Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge aus Libyen kommend nach Italien eingereist und hat dort im Juli 2014 einen Asylantrag gestellt. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Auf das Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 haben die italienischen Behörden nicht reagiert, so dass gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO).
Die Zuständigkeit ist auch nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13.OVG – juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 – 3 L 645/12 – juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 – OVG 7 S 33.13 – juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris; U. v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12.A – juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 – 4 LA 167/13 – juris; U. v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U. v. 7.3.2014, a. a. O. Rn. 132; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014, a. a. O. Rn. 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Hussein u. a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 – ZAR 2013, 336; B. v. 18.6.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 – ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U. v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 – juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammen bleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. So werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63 f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen.
Auch in Anbetracht der beim Antragsteller diagnostizierten nicht offenen Tuberkulose ergeben sich keine Gründe, die ausnahmsweise zur Annahme einer individuellen Gefahr für ihn führen könnten, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U. v. 11. 12. 2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m. w. N.). Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind für Asylbewerber kostenfrei (VG Düsseldorf, B. v. 13. 7. 2015 – 13 K 6850/14.A – juris). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Bei fehlendem Wohnsitz genügt die Angabe einer virtuellen Adresse bei einer Nichtregierungsorganisation. Insbesondere die Caritas bietet Sammeladressen auch für Personen an, die keinen festen Wohnsitz haben, diesen jedoch unter anderem für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung sogar von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B. v. 19.9.2015 – Au 7 S 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B. v. 5.11. 2014 – M 18 S 14.50356 – juris). Selbst wenn die Erkrankung des Antragstellers behandlungsbedürftig wäre, was vor dem Hintergrund, dass sich nach dem Arztbrief vom … Oktober 2015 kein Hinweis für eine Reaktivierung einer früher behandlungsbedürftigen Tuberkulose ergeben hat, bislang nicht glaubhaft gemacht wurde, ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hätte und die attestierte nicht offene Tuberkulose dort behandelbar ist. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass sich der Asylsuchende grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie- und Medikationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen muss, selbst wenn dieser – wofür vorliegend allerdings nichts spricht – dem hiesigen Niveau nicht entsprechen sollte (vgl. VG Köln, U. v. 11.5.2015 – 14 K 799/15.A – juris Rn. 37). Soweit der Antragsteller vorträgt, während seines Aufenthalts in Italien keine medizinische Behandlung erhalten zu haben, weil er die Kosten für die Fahrt zum Arzt nicht habe aufbringen können, ist dies vor dem Hintergrund, dass er in der Folge sogar die Kosten für seine Weiterreise von Bari nach Deutschland aufbringen konnte, er weder angeben konnte, wie weit die Fahrt zum Arzt gewesen wäre oder wie lange sie gedauert hätte und er ausweislich des vorgelegten Arztbriefs vom … Oktober 2015 gegenüber Herrn … erklärt hat, in Italien bereits zwei Monate wegen seiner Tuberkulose behandelt worden zu sein, nicht glaubhaft. Im Übrigen könnten Fehlleistungen im Einzelfall auch keine systemischen Mängel des Aufnahmesystems begründen.
Schließlich begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares, landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Der Antragsteller kann auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Allein eine – auch schwere – Erkrankung begründet jedoch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Wege der Ermessensreduzierung auf null, wenn diese regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist (vgl. VG Köln, U. v. 6. 11. 2015 – 18 K 4016/15.A – juris Rn. 49). Für das Gericht besteht vorliegend kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die vom Antragsteller vorgetragene Erkrankung auch in Italien behandelt werden kann und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten auch Asylsuchenden offenstehen (s.o.).
Die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Italien begegnet keinen Bedenken.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
…