Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  M 1 S 17.50239

Datum:
21.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c, Abs. 2d

 

Leitsatz

Asylbewerber laufen in Italien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (siehe auch BayVGH BeckRS 2014, 52068, OVG BW BeckRS 2014, 51025, OVG RhPf BeckRS 2014, 48239, OVG Bln-Bbg BeckRS 2013, 53383, OVG NRW BeckRS 2014, 48497, BeckRS 2015, 45053 u. BeckRS 2016, 47662, NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger und am …10.2016 nach Deutschland eingereist. Er stellte am 11.10.2016 Asylantrag.
Nachdem eine EURODAC – Abfrage ergab, dass sich der Antragsteller zuvor in Italien aufgehalten hatte, richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gemäß der Dublin III-VO am 05.12.2016 ein Übernahmeersuchen an Italien, das unbeantwortet blieb.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Italien an (Nr. 3 des Bescheides). In Nr. 4 des Bescheides wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Der Antragsteller erhob durch seinen Bevollmächtigten am …1.2017 Klage gegen den vorgenannten Bescheid (Az. M 1 K 17.50238). Der Bevollmächtigte beantragte zugleich im vorliegenden Verfahren,
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens wie auch der Aufnahmebedingungen und der Behandlung von Schutzberechtigten und Asylbewerbern vorliegen würden. Die soziale und medizinische Versorgung sei völlig unzureichend. Der Antragsteller leide zudem an Augen- und Magenproblemen, es bestehe der Verdacht auf ein Trachom. Hinzu kämen psychische Probleme, insbesondere eine posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die der Antragsteller aber bislang verdrängt habe. Schließlich müsse beim Antragsteller noch eine Echinokokkuszyste abgeklärt werden. Der Antragsteller sei verheiratet und Vater von Zwillingen (geb. am …2015 in R* …*). Die Ehefrau lebe mit den Kindern als Asylbewerberin in E* … Sie sei mit den Kindern massiv überfordert und brauche die tatkräftige Unterstützung des Antragstellers.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug verwiesen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist unbegründet.
Die vom Antragsteller eingelegte Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG rechtmäßig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Das Bundesamt hat zu Recht seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens abgelehnt (1.) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten oder Abschiebungshindernissen verneint (2.).
1. Italien hat das fristgerecht gestellte Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin bislang nicht beantwortet. Sonach ist gemäß Art. 22 Abs. 7 bzw. Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass von italienischer Seite dem Übernahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person (wieder) aufzunehmen. Italien ist damit der allein zuständige Mitgliedstaat nach der Dublin III-VO.
Besondere Umstände, die die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO begründen oder nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO rechtfertigen bzw. bedingen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Antragsteller seiner Überstellung nach Italien nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Grundrechtecharta (GRCh) mit sich bringen, sodass eine Überstellung nach Italien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO).
Nach dem Konzept der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 ua – juris) und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (vgl. aktuell OVG NRW, U.v. 21.6.2016 – 13 A 1896/14.A – juris Rn 32 ff; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte vom 13.01.2015 (Nr. 51428/10) und vom 30.06.2015 (Nr. 39350/13)). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NW, U.v. 21.6.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 24 m. w. N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden zudem ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 a.a.O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften; es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. einen Asylantrag stellen können, wenn sie das noch nicht getan haben.
Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt, sondern vielmehr nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann auch für die Personengruppe der „Dublin-Rückkehrer“, der der Antragsteller angehört, nach alledem nicht angenommen werden (vgl. aktuell VG München, U.v.10.5.2016 – M 12 K 15.50474 – juris Rn. 43).
2. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt voraussichtlich auch insoweit ohne Erfolg, als im Rahmen der Anordnung zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen sind (zu dieser Prüfungspflicht siehe BayVGH, B.v. 12.3.2014, Az. 10 CE 14.427 – juris).
a. Die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden können der Abschiebungsanordnung nicht entgegengehalten werden. Das Gesetz stellt hohe Anforderungen an die Berücksichtigungsfähigkeit gesundheitlicher Einwendungen, sowohl was die Schwere des Leidens als auch den qualifizierten ärztlichen Nachweis betrifft (siehe § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4, § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG). Es ist schon sehr zweifelhaft, ob diesen Anforderungen hier Genüge getan ist. Jedenfalls wären die Leiden in Italien behandelbar. Nach dem vorgelegten Schreiben der Ärztin des Gesundheitsreferats ist ein Verdacht auf ein Trachom abzuklären. Ein Trachom ist eine durch das Bakterium Chlamydia trachomatis (Übertragung durch Kontaktinfektion) verursachte chronische Entzündung der Binde-/Hornhaut des Auges, die in allen tropischen und subtropischen Regionen mit mangelhafter Hygiene verbreitet ist; insgesamt sind daran 400 bis 500 Millionen Menschen auf der Erde erkrankt (siehe Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort Trachom). Die Behandlung erfolgt durch Antibiotika (Tetracycline) und Sulfonamid-Augensalbe, ggf. chirurgische Therapie. Bei der nach dem vorgelegten Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin/Innere Medizin abzuklärenden Echinokokkuszyste handelt es sich um den Verdacht auf Bandwurmbefall. Diese Erkrankungen, so sich der Verdacht auf ihr Bestehen überhaupt bestätigen sollte, sind in Italien behandelbar, ebenso wie die von dieser Ärztin des Weiteren diagnostizierten psychischen Probleme. Italien verfügt über eine umfassende Gesundheitsfürsorge, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Das gilt auch für die psychologische und psychiatrische Behandlung (siehe zum Gesundheitssystem und den Behandlungsmöglichkeiten in Italien VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 -, juris Rn. 26 m.w.N.); VG Düsseldorf, B.v. 3.7.2015 – 13 K 6850/14. -, juris; VG München, B.v. 30.6.2016 – M 26 S. 16.50292 -, juris Rn. 22; OVG Münster, U.v.7.7.2016 – 13 A 2132/15.A, juris). Ebenso schließen diese Leiden die Reisefähigkeit des Antragstellers nicht aus.
b. Der Einwand, die in Deutschland als Schutzsuchende sich aufhaltende Ehefrau des Antragstellers sei mit ihren beiden gut einjährigen Zwillingen überfordert und benötige die Hilfe des Antragstellers, begründet für den Antragsteller kein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis. Die Dublin III-VO trägt dem Grundsatz der Einheit der Familie und des Wohls des Kindes Rechnung (siehe Dublin III-VO, EG 13 bis 17) und gestaltet den Grundsatz mit bestimmten Maßgaben und Voraussetzungen näher aus (siehe Art. 9 bis 11, 16 Dublin III-VO). Die sich in Kapitel III. der Dublin III-VO findenden Art. 9 bis 11 Dublin III-VO betreffen die Phase der Bestimmung des für das Schutzgesuch zuständigen Mitgliedstaats, welche hier mit der Zuständigkeit Italiens nach Art. 22 Abs. 7 bzw. Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO abgeschlossen ist (s.o. Nr. 1). Nach dem sich in Kapitel IV der Dublin III-VO findenden Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO entscheiden die Mitgliedstaaten, wenn das Kind eines Antragsteller oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist, in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Vorliegend fehlt es an einem rechtmäßigen Aufenthalt der Kinder oder des Elternteils. Ein bloßes gesetzliches, vorübergehendes, verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht wie etwa § 81 Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 4 Satz 1 AufenthG oder nach § 55 Abs. 1 AsylG begründet keinen rechtmäßigen Aufenthalt in dem vorstehend genannten Sinne (VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 – 13 L 914/15.A -, juris Rn. 17). Des Weiteren fehlt es am Bestehen einer familiären Bindung bereits im Herkunftsland, da die Zwillinge erst am …2015 in Deutschland geboren wurden. Auch ist zweifelhaft, ob die Mutter und die Zwillinge wirklich der Unterstützung durch den Antragsteller bedürfen; das insoweit vorgelegte fünfzeilige Attest von Dr. M. genügt bei weitem nicht den Anforderungen an die Darlegung der auch am Wohl der Kinder orientierten Notwendigkeit. Außerdem liegt kein schriftlicher Nachweis der Mutter darüber vor, dass sie überhaupt eine Hilfe durch den Antragsteller und seine familiäre Anwesenheit wünscht.
Im Besonderen ist aber keineswegs klar, ob die Zwillinge überhaupt Kinder des Antragstellers sind. Ausweislich der Niederschrift über die Anhörung des Antragstellers vor dem BAMF am 18.10.2016 (siehe Behördenakt) hat dieser angegeben, dass ihn in Nigeria seine schwangere Ehefrau im Februar 2014 verlassen habe; sie habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass sie zum Schutz ihrer Schwangerschaft in Europa sei. Demnach müssten – wie der Befragende gegenüber dem Antragsteller einwandte – die Zwillinge nicht erst am …2015, sondern schon ca. im November/Dezember 2014 geboren worden sein; eine Erklärung blieb der Antragsteller, der nach seinen Angaben Nigeria am 18.2.2016 verlassen hat, schuldig. Auch ist sehr zweifelhaft, ob der Antragsteller überhaupt, wie behauptet, mit der Mutter der Zwillinge verheiratet ist. Die vorgelegte Heiratsurkunde einer christlichen Glaubensgemeinschaft in Nigeria belegt dies keineswegs. Zum einen steht noch eine Echtheitsprüfung des Dokuments aus. Zum anderen ist für den Nachweis des Bestehens einer Ehe eine amtliche, staatliche Urkunde erforderlich. Entscheidend aber ist, dass nicht überprüfbar ist, ob der Antragsteller tatsächlich der in der Urkunde genannte Bräutigam ist. Denn die Identität des Antragstellers ist ungeklärt, da er keinerlei Dokumente zu seiner Identität vorgelegt hat (siehe hierzu Anhörung des Antragstellers vor der Regierung von Oberbayern am 21.10.2016 im Behördenakt).
Aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK ergeben sich – ungeachtet der Frage, inwieweit diese Rechte neben den genannten Grundsätzen der Dublin III-VO im Dublin III-VO-Verfahren überhaupt Bedeutung erlangen – keine anderen Gesichtspunkte.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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