Aktenzeichen M 9 S 17.51545
Leitsatz
Im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG NRW BeckRS 2017, 102256) ist nicht davon auszugehen, dass ein Asylbewerber in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Über-stellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Die Antragstellerin ist (alles nach eigenen Angaben) nigerianische Staatsangehörige und geboren am 4. April 1992 (an jeweils anderer Stelle hat die Antragstellerin mehrere Alias-Identitäten – insgesamt vier – mit verschiedenen Namen und Geburtsdaten angegeben). Auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 27. April 2017 (vgl. Bl. 29 – 32 bzw. Bl. 73 – 76 der Bundesamtsakte Az.: 7107972 – 232, im Folgenden: Bundesamtsakte) wird Bezug genommen. Sie habe ihr Heimatland erstmalig am 28. März 2015 verlassen und sei über den Niger, Libyen und Italien, wo sie sich ein Jahr aufgehalten habe, nach Deutschland gereist – wie sie von Italien nach Deutschland gekommen ist, hat die Antragstellerin nicht angegeben –, wo sie am 13. April 2017 angekommen sei (was nicht stimmt, vgl. die zweite von der Antragsgegnerin bezogen auf die Person der Antragstellerin vorgelegte Bundesamtsakte Az.: 7085265 – 232, aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin bereits am 12. März 2017 am Grenzübergang Hörbranz in einem Fernbus unter einer ihrer Alias-Identitäten aufgegriffen wurde) und wo sie am 27. April 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle München einen Asylantrag gestellt hat. Sie habe in Italien internationalen Schutz beantragt.
Am 12. Mai 2017 fand eine Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG statt. Dort gab die Antragstellerin an, sie habe Kopfschmerzen, sei aber nicht in ärztlicher Behandlung und habe keine ärztlichen Nachweise o.ä. Auf die Frage, ob es Staaten gebe, in die sei nicht überstellt werden wolle, gab die Antragstellerin Italien an. Befragt nach den Gründen sagte sie, sie sei in Italien abgelehnt worden, deswegen wolle sie dahin nicht zurück. Auf die Frage, ob sie einen entsprechenden Bescheid habe, verneinte die Antragstellerin jedoch. Außerdem äußerte sie, dass sie in Italien keinen Wohnort habe und deshalb nicht dahin zurück wolle. Auf die Frage, ob sie mit dem von ihr angegebenen Ehemann traditionell oder auch vor einem Standesamt verheiratet sei, gab die Antragstellerin an, sie seien nur traditionell verheiratet. Im Übrigen wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl. 36 – 40 bzw. Bl. 46 – 50 der Bundesamtsakten).
Ebenfalls am 12. Mai 2017 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Im Verlauf dieser Anhörung machte die Antragstellerin erneut geltend, dass sie am 13. April 2017 erstmals nach Deutschland eingereist sei. Auf die Niederschrift (Bl. 41 – 44 bzw. Bl. 51 – 54 der Bundesamtsakte) im Übrigen wird Bezug genommen.
Für die Antragstellerin folgen aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwal-tungsvorgang zwei Eurodac-Treffer für Italien (IT1TN01PR0 und IT2TN01P93; Bl. 3 und Bl. 82 der Bundesamtsakten).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2017 an Italien teilten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 16. Juni 2017 mit, dass die Antragstellerin übernommen wird (Bl. 97 der Bundesamtsakten). Zuvor war ein Übernahmeersuchen vom 14. März 2017 mit Schreiben der italienischen Behörden vom 31. März 2017 noch abgelehnt worden mit der Begründung, dass die Identität der Antragstellerin nicht ausreichend klar sei; hiergegen remonstrierte das Bundesamt mit Schreiben vom 18. April 2017 unter Beifügung der aufgenommenen Fingerabdrücke der Antragstellerin erfolgreich.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Mit Begleitschreiben ebenfalls vom 22. Juni 2017 wurde der Bescheid an die An-tragstellerin versandt. Der Bescheid wurde der Antragstellerin laut Postzustellungsur-kunde am 23. Juni 2017 zugestellt.
Bereits mit Bescheid vom 29. März 2017 hatte das Bundesamt die Abschiebung nach Italien angeordnet (Nr. 1 des Bescheides). Auch auf diesen Bescheid und seine Begründung (Bl. 74 – 81 der unter dem Az. 7085265 – 232 vorgelegten Bundesamtsakte) wird Bezug genommen. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin laut Postzustellungsurkunde am 31. März 2017 zugestellt; Rechtsbehelfe dagegen hat sie nicht eingelegt.
Die Antragsteller erhob gegen den hier streitgegenständlichen Bescheid mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 26. Juni 2017, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage (Az.: M 9 K 17.51542) mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben.
Außerdem ließ sie im selben Schriftsatz beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Weder die Klage noch der Antrag wurden begründet.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der beiden Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dass nicht die Anordnung, sondern unzutreffend die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt wird, ist unschädlich, da klar ist, was gemeint ist. Ebenfalls steht diesem Antrag nicht entgegen, dass die Antragstellerin bereits auf der Grundlage des bestandskräftigen Bescheids vom 29. März 2017 ohne weiteres überstellt werden könnte; zwar würde hieran dieses Verfahren nichts ändern können, egal wie es ausgeht, jedoch kann der Antragstellerin trotzdem unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht abgesprochen werden, sich gegen den hier streitgegenständlichen, sie belastenden Bescheid und dessen gesetzlich angeordneten Sofortvollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG) zur Wehr zu setzen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2017, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Italien ist als Mitgliedstaat, in dem die Antragstellerin ausweislich des Eurodac-Treffers für Italien einen Asylantrag gestellt hat bzw. über dessen Grenze sie aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zu-ständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin Italien; das wird auch belegt durch den für die Antragstellerin erzielten (zweiten) Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT2“. Diese hat dort auch einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wiederum wird belegt durch den für die Antragstellerin erzielten (ersten) Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Italien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Der Umstand, ob der von der Antragstellerin genannte und wohl ebenfalls im Bundesgebiet aufhältige Ehemann Edo White, geboren am 17. Oktober 1993, ebenfalls nach Italien überstellt wird oder hier ein Asylverfahren durchläuft, ist für die Überstellung der Antragstellerin irrelevant, da wegen der Angabe der Antragstellerin, dass keine Verheiratung im rechtlichen Sinn vorliegt, eine Zuständigkeit gemäß Art. 9 oder 10 Dublin III-VO von vornherein nicht in Betracht kommt, so dass das „asylrechtliche Schicksal“ von Edo White nicht aufgeklärt werden muss.
Die italienischen Behörden haben die Zuständigkeit Italiens schließlich bejaht und dem (Wieder) Aufnahmeersuchen der Antragsgegnerin zugestimmt.
2. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die An-tragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v.14.05.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Ver-trauens (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitglied-staat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den jeweiligen Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v.21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v.19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U.v.28.02.2014 – 13a B 13.30295 –, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 – 13 A 316/17.A – juris Rn. 3 – 5; U.v.22.09.2016 – 13 A 2248/15.A –, juris Rn. 72ff.; U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 54ff.; U.v.24.04.2015 – 14 A 2356/12.A –, juris; U.v. 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris; VGH BW, U.v.16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, juris; OVG Rh-Pf, U.v.21.02.2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris; OVG LSA, U.v.02.10.2013 – 3 L 645/12 –, juris; OVG Berlin-Bbg, B.v.17.06.2013 – OVG 7 S. 33.13 –, juris; NdsOVG, B.v.30.01.2014 – 4 LA 167/13 –, juris; U.v.25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris; vgl. auch BVerfG, Kam-merb.v.17.09.2014 – 2 BvR 732/14 –, juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese, weder für sich genommen noch insgesamt, als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U.v.07.03.2014, a.a.O, Rn 132; OVG Rh-Pf, U.v. 21.02.2014, a.a.O, Rn 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – Hussein u.a../.Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 –, ZAR 2013, 336; B.v.18.06.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 –, ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U.v.04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 –, juris), durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.). Der EGMR hat hier lediglich entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschie-bung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Das Urteil beinhaltet damit keine Aussage zu eventuellen systemischen Mängeln in Italien, sondern lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (Az. 51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten. Unabhängig davon sind die Umstände des streitgegenständlichen Falles der Antragstellerin mit denjenigen in der Entscheidung des EGMR nicht vergleichbar.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 62 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asyl-bewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben und die Zahl von Unterbringungsplätzen nur unzureichend war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der italienische Staat hiergegen erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. UNHCR und Nichtregierungsorganisationen beraten die staatlichen Stellen bei der Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der die Antragstellerin angehört, die nach ihrem eigenen Vortrag zwar zwei Kinder hat, diese aber in Nigeria gelassen hat (vgl. u.a. Bl. 36f. der unter dem Az. 7085265 – 232b vorgelegten Bundesamtsakte, während die Antragstellerin später (vgl. z.B. Bl. 53 der unter dem hier streitgegenständlichen Az. 7107972 – 232 vorgelegten Bundesamtsakte) behauptete, in Nigeria niemanden mehr zu haben), nicht angenommen werden.
Auch aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von August 2016 (vgl. Schweizerischen Flüchtlingshilfe (https://www.fluechtlingshilfe.ch/…/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen) ergibt sich nichts Anderes. Denn erstens handelt es sich hierbei nicht um das einzig richtige bzw. einzig maßgebliche Erkenntnismittel, vielmehr ergibt eine Berücksichtigung dieses Erkenntnismittels in der Zusammenschau mit den zahlreichen anderen vorhandenen Erkenntnismitteln eben im Ergebnis, dass systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht vorliegen. Zweitens wäre die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien erst dann überschritten, wenn absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung des Problems ergriffen würden. Dafür gibt es auch nach dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus dem August 2016 keine Hinweise (vgl. VG Schwerin, U.v.26.09.2016 – 16 A 1757/15 As SN –, juris Rn. 122), auch ansonsten ist das nicht der Fall (vgl. z.B. OVG NRW, U.v.18.07.2016 – 13 A 1859/14.A –, juris Rn. 103ff.).
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG NRW, U.v.24.04.2015 a.a.O.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation der Antragstellerin in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v.02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U.v.30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U.v.11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der bereits erwähnte Bericht von AIDA bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Januar 2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B.v.19.09.2015 – Au 7 S. 15.50412 –, juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B.v.05.11.2014 – M 18 S. 14.50356 – juris m.w.N.). Auch bei Überstellung von kranken Personen, deren Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen ist, besteht damit die Möglichkeit der Behandlung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Antragstellerin, die noch dazu jedenfalls nach den eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren nicht krank ist, in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Für die Antragstellerin ist im Verwaltungsstreitverfahren überhaupt kein Vortrag erfolgt. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin selbst im Verwaltungsverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Der Vortrag in den Dublin-Anhörungen, dass die Antragstellerin in Deutschland bleiben wolle, begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Mängel des italienischen Asylverfahrens, unabhängig davon, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben insgesamt ein Jahr in Italien gelebt hat; im Übrigen unterliegt es gerade nicht der Disposition der Antragstellerin, wo sie ihr Asylverfahren zu durchlaufen hat.
Die Angaben der Antragstellerin im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung der Antragstellerin im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag der Antragstellerin gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine Bedenken.
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).