Aktenzeichen M 9 S 17.50799
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2
GRCh GRCh Art. 4
EMRK EMRK Art. 3
Leitsatz
1 Im Rahmen des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens und dem Konzept der normativen Vergewisserung obliegt es den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte entspricht, widerlegt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2 In Polen läuft ein Asylbewerber keine Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass keine systemischen Mängel im polnischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (ebenso VGH München BeckRS 2016, 41725). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben gesamtschuldnerisch die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen einen sogenannten Dublin-Bescheid.
Sie sind laut eigener Aussage russische Staatsangehörige (Bl. 61, 47 d. Behördenakts – i.F.: BA -). Die Antragstellerin zu 1. ist die Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 2. bis 5. Sie reisten nach eigener Aussage erstmals am 20. Oktober 2015 nach Deutschland ein (Bl. 61, 48 d. BA). Die Antragsteller stellten am 12. Januar 2016 im Bundesgebiet einen Asylantrag. Auf einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Polen hin und nach einem positiv beantworteten Übernahmeersuchen erließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unter dem 4. Mai 2016 einen Bescheid, mit dem die Asylanträge als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1.), die Abschiebung nach Polen angeordnet (Ziff. 2.) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Ziff. 3.).
Die hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe – Eilantrag und Klage – lehnte bzw. wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Entscheidungen vom 23. Juni 2016 bzw. vom 26. Oktober 2016 ab (Az. M 25 S. 16.50328, M 25 K 16.50327). Auf diese Entscheidungen wird vollumfänglich Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Wie aus dem zuletzt genannten Urteil hervorgeht, wurden die Antragsteller nach Mitteilung des Landratsamtes F. vom 15. September 2016 am 12. September 2016 nach Polen abgeschoben. Am 24. Januar 2017 kehrten die Antragsteller nach Deutschland zurück und wurden von der Polizei aufgegriffen (Bl. 1ff. d. BA). Sie waren u.a. im Besitz von Bescheinigungen der polnischen Ausländerbehörde über national beschränkten Aufenthaltsstatus in Polen zur Durchführung eines Asylverfahrens (Bl. 3 und 7f. d. BA: tymczasowe zaświadczenie tożsamości).
Aufgrund des unter dem 12. Januar 2016 abgerufenen „alten“ Eurodac-Treffers der Kategorie 1 (Bl. 29 d. BA) wurde am 6. Februar 2017 ein Wiederaufnahmegesuch an Polen gerichtet (Bl. 30ff. d. BA); aus diesem geht hervor, dass die Antragsteller nicht erneut Asyl in Deutschland beantragt haben. Eine Zugangsbestätigung liegt vor (Bl. 33f. d. BA). Die polnischen Behörden haben das Übernahmeersuchen mit Schreiben vom 20. Februar 2017 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO ausdrücklich akzeptiert (Bl. 56 d. BA).
Mit Bescheid vom 9. März 2017 ordnete das Bundesamt daraufhin die Abschiebung nach Polen an (Ziff. 1.) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 2.).
Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat am 17. März 2017 Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsteller seien insgesamt nicht reisefähig. Die Antragstellerin zu 1. sei schwanger und befinde sich nunmehr in der 23. Schwangerschaftswoche. Der Antragsteller zu 3. sei schwer krank, er leide an einer Muskeldystrophie und Sprunggelenkskontraktur. Aufgrund dieser Erkrankung sei eine regelmäßige Vorstellung beim Arzt nötig. Die Antragsgegnerin hätte deswegen von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen und den Asylantrag im nationalen Verfahren prüfen müssen.
Das Bundesamt stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Polen muss die Antragsteller (jedenfalls) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (i.F.: Dublin III-VO) wieder aufnehmen. In Rückkehrfällen wie dem vorliegenden, in denen der Betroffene vor einer inhaltlichen Entscheidung über seinen Asylantrag im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat, in den er zwischenzeitlich zurückgekehrt war, wieder in den vormals nach Dublin III-VO „ersuchenden“ Mitgliedstaat einreist und sich in diesem ohne Aufenthaltstitel und damit illegal aufhält, haben die Behörden des unzuständigen – also des vormals „ersuchenden“ – Mitgliedstaats die Möglichkeit, ohne Weiteres eine sog. Rückkehrentscheidung auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2, Abs. 1 Richtlinie 2008/115/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten (i.F.: Richtlinie 2008/115/ EG) zu treffen, da die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats bereits festgestellt wurde und mit der (vormaligen) erfolgten Rücküberstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt ist (siehe auch BVerwG, EuGH-Vorlage vom 27.4.2016 – 1 C 22/15 – juris Rn. 29). Der zuständige Mitgliedstaat muss – wie es Polen vorliegend auch getan hat, es liegen Bescheinigungen der polnischen Ausländerbehörde über national beschränkten Aufenthaltsstatus in Polen zur Durchführung eines Asylverfahrens vor – eine Berechtigung nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ausgestellt haben, die es dem Betroffenen erlaubt, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Asylbehörde über den Antrag auf internationalen Schutz im zuständigen Mitgliedstaat zu verbleiben. Diese stellt eine „sonstige Aufenthaltsberechtigung“ i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG dar.
Die Behörden des unzuständigen Mitgliedstaats können aber auch wieder in das Verfahren nach Dublin III-VO eintreten, vgl. Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO: „Beschließt ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person ohne Aufenthaltstitel aufhält, in Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG…“. Sie laufen dann aber Gefahr, durch Versäumnis v.a. der Fristenregelungen für ein Wiederaufnahmegesuch die Zuständigkeit des eigentlich unzuständigen Mitgliedstaats zu begründen (u.a. diese Frage ist Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des BVerwG, EuGH-Vorlage vom 27.4.2016 – 1 C 22/15 – juris). Für den Fristlauf ist in Fällen wie dem vorliegenden im Zweifel auf die Kenntnis des Bundesamts von der Wiedereinreise abzustellen (so BVerwG, EuGH-Vorlage vom 27.4.2016 – 1 C 22/15 – juris Rn. 33). Dies folgt nach Auffassung des Gerichts bereits daraus, dass eine nochmalige Abfrage eines „neuen“ Eurodac-Treffers in der Regel nicht sinnvoll wäre, will man doch an die aufgrund eines bereits früher abgefragten „alten“ Eurodac-Treffers durchgeführte Zuständigkeitsbestimmung anknüpfen. Stellt man auf die Kenntnis der Behörde ab, so wäre konsequenterweise die 3-Monats-Frist des Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO anzuwenden. Mit dem Gesuch vom 6. Februar 2017 aber ist sowohl die 2-Monats-Frist des Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO als auch die 3-Monats-Frist des Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO eingehalten, da die Antragsteller am 24. Januar 2017 einreisten – einen Zeitpunkt „früherer Kenntnis“ als die Einreise kann es nicht geben. Die polnischen Behörden haben das bereits am 6. Februar 2017 gestellte Wiederaufnahmegesuch mit Schreiben vom 20. Februar 2017 ausdrücklich akzeptiert.
Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Wiederaufnahmebereitschaft des zuständigen Mitgliedstaats erneut abgefragt und erneut explizit bestätigt wurde, stellen sich dann auch die in anderen Verfahren (BVerwG, EuGH-Vorlage vom 27.4.2016 – 1 C 22/15 – juris: kein neues Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt; VG München, B.v. 6.3.2017 – M 9 S. 17.50277 – juris: keine ausdrückliche Zustimmung Italiens, sondern nur fingiert) relevanten (Folge-) Fragen nicht, bspw., ob die Versäumnis der Frist für das (erneute) Wiederaufnahmegesuch tatsächlich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründen würde. Polen hat seine Zuständigkeit ausdrücklich anerkannt und die Rücknahme der Antragsteller zugesichert, damit steht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, § 34a Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO.
Die Überstellung an Polen ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Polen infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCharta) entspricht. Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich, vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Betroffenen führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EU-GRCharta ausgesetzt zu werden. Eine Widerlegung der Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten anzunehmen, an die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Polen keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben genannten Sinne gegeben sind. Dazu wird Bezug genommen auf die – soweit ersichtlich – einhellige Rechtsprechung, die keine systemischen Mängel hinsichtlich Polen (an-)erkennt (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2016 – 11 B 15.50130 -; VG München, B.v. 23.6.2016 – M 25 S. 16.50328 – Entscheidungsabdruck; U.v. 26.10.2016 – M 25 K 16.50327 – Entscheidungsabdruck; 17.11.2016 – M 6 S. 16.50621 -; B.v. 14.2.2017 – M 9 S. 16.51299 -; SächsOVG, B.v. 12.10.2015 – 5 B 259/15.A -; VG Ansbach, B.v. 2.3.2016 – AN 14 S. 15.50332 -; VG Frankfurt (Oder), B.v. 8.2.2017 – 2 L 762/16.A -; VG Cottbus, B.v. 15.3.2017 – 5 L 238/16.A -, jeweils, soweit nicht speziell vermerkt, zitiert nach juris). Auch aus der bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 23. März 2017 in Bezug genommenen Erkenntnismittelsammlung Dublin Polen (einsehbar in der Gerichtsbibliothek) ergibt sich nichts anderes.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden nicht behauptet bzw. belegt. Es besteht nicht die konkrete Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand der Antragsteller durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen; diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Die Antragsteller haben die gesetzliche Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht widerlegt. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer Schwangerschaft eine Reiseunfähigkeit entweder dann anzunehmen ist, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist – was hier nicht der Fall ist -, oder dass eine Reiseunfähigkeit dann gegeben ist, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG (VG München, B.v. 19.7.2016 – M 12 S. 16.50456 – juris; B.v. 29.12.2016 – M 1 S. 16.50997 – juris; B.v. 20.3.2017 – M 9 S. 17.50539 – juris). In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung, § 3 Abs. 2 MuSchG, und endet acht bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung, § 6 Abs. 1 MuSchG. Ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attests der sog. REFUDOCS vom 6. März 2017 befand sich die Antragstellerin zu 1. damals in der 21. Schwangerschaftswoche. Damit ist sie nunmehr in der 25. Schwangerschaftswoche. Eine Schwangerschaft dauert grundsätzlich 40 Wochen. Somit ist die Abschiebung der Antragstellerin zu 1. derzeit (noch) zulässig.
Hinsichtlich des Antragstellers zu 3. wird zunächst darauf verwiesen, dass selbst eine vonseiten eines Facharztes diagnostizierte Krankheit keinesfalls zwingend eine Reiseunfähigkeit oder die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen zur Folge hat (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.2.2013 – 10 CE 12.2396 – juris). Krankheiten hindern nicht per se die Überstellung im Sinne einer Transportunfähigkeit, v.a. nicht ins innereuropäische Ausland (kurze Reisewege, geringe Belastung), und begründen nicht etwa „regelhaft“ ein ernsthaftes Risiko dergestalt, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen unmittelbar durch die Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Weiter ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. v. H. Kinderspital vom 15. März 2017 (Bl. 9f. d. Gerichtsakts M 9 K 17.50798) bereits nichts dafür, aus welchem Grund der Antragsteller zu 3. wegen seiner Beschwerden transportunfähig sein oder weshalb die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorganges eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für ihn bewirken sollte. Eine Aussage zu einer möglicherweise fehlenden Reisefähigkeit wird nicht getroffen. Das Attest der Internationalen Arztpraxis Dr. med. M. N. vom 14. März 2017 (Bl. 11 d. Gerichtsakts M 9 K 17.50798), das sich in zweieinhalb Zeilen erschöpft und hinsichtlich der Abschiebung ausführt, diese sei „auf Grund des Krankheitsbildes […] kontraindiziert“, genügt in keinerlei Hinsicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG. Gerade unter dem Eindruck, dass der Antragsteller zu 3., wie die Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München (B.v. 23.6.2016 – M 25 S. 16.50328 -; U.v. 26.10.2016 – M 25 K 16.50327 – Entscheidungsabdrucke) zeigen, in jüngerer Vergangenheit bereits mehrmals im innereuropäischen Ausland – nach Deutschland ein-, von Deutschland aus-, nach Polen ein-, von Polen aus- und schließlich wieder nach Deutschland eingereist – umhergereist ist, kann von einer Reiseunfähigkeit vernünftigerweise keine Rede sein. Krankheiten können überdies in der Regel auch im innereuropäischen Ausland, vorliegend: in Polen, behandelt werden; auch dort bestehen Therapiemöglichkeiten und sind Medikamente, auch für Asylbewerber, verfügbar (vgl. für Polen: aida Country Report: Poland, Stand: November 2015, Kapitel: Reception Conditions, C. Health Care, S. 60 ff.). Gerade im Fall des Antragstellers zu 3. ist davon auszugehen, dass die in dem ärztlichen Schreiben erwähnte medikamentöse Behandlung auch in Polen erfolgen kann. Die muskulären Übungen, die dem Antragsteller zu 3. gezeigt wurden, kann er ohne Weiteres – alleine bzw. unter Aufsicht seiner Eltern – in Polen fortsetzen. Auch eine krankengymnastische Therapie erhält er – bei entsprechender Notwendigkeit – dort.
Die Abschiebung kann auch mit Rücksicht auf den Grundsatz der Achtung der Familieneinheit, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK, durchgeführt werden, § 34a Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG: Der Vater der Antragsteller zu 2. bis 5. und Ehemann der Antragstellerin zu 1. war vom 24. Januar 2017 bis zum 28. Februar 2017 inhaftiert aufgrund Verstoßes gegen § 95 AufenthG. Ein an ihn gerichteter, aus Gründen seiner Inhaftierung separat erlassener Bescheid des Bundesamts vom 21. Februar 2017, Gz. 7054421 – 160, der ebenfalls die Abschiebung nach Polen anordnete und das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete, ist nach den vonseiten der zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern vorgelegten Aktenbestandteilen der Bundesamtsakte und nach telefonischer Auskunft des Bundesamts vom 6. April 2017 seit dem 3. März 2017 bestandskräftig. Der Vater soll nach diesen Quellen mit den Antragstellern zusammen am 11. April 2017 abgeschoben werden, weswegen die Familie nicht getrennt wird; ihre Asylanträge werden vielmehr entsprechend der Forderung von Art. 11 Dublin III-VO weiter gemeinsam in Polen geprüft.
Nach alledem bestand für die Antragsgegnerin auch keine Veranlassung bzw. Verpflichtung, von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
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