Aktenzeichen 10 B 15.990
VwGO § 67 Abs. 4 S. 5
Leitsatz
Ein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags auf Erteilung einer isolierten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten ergibt sich trotz andauerndem Fehlen von Konzessionen für Wettveranstalter weder nach (nationalem) Glücksspielrecht noch aufgrund des Anwendungsvorrangs der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit. (Rn. 20, 26 und 28 ff.)
Verfahrensgang
M 16 K 12.3506 2014-01-28 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids der Regierung der Oberpfalz vom 22. Juni 2012 zu verpflichten, den Erlaubnisantrag des Klägers vom 11. Mai 2011 zur Vermittlung von Sportwetten in verschiedenen Betriebsstätten, insbesondere an die Firma Tipico Co. Ltd., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), zu Recht abgewiesen. Der vom Kläger geltend gemachte Neubescheidungsanspruch ergibt sich weder einfachgesetzlich aus den maßgeblichen Bestimmungen des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Juni 2012 (GVBl S. 318) und des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25. Juni 2012 (GVBl S. 270) noch aus Unionsrecht.
1. Streitgegenstand der Klage ist nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellung (nur noch) die vom Kläger begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags vom 11. Mai 2011 auf Erteilung einer isolierten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten und damit der prozessuale Anspruch des Klägers auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; zum Streitgegenstand der Bescheidungsklage vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 6 B 47.06 – juris Rn. 13). Für die Beurteilung dieses (Verpflichtungs-)Begehrens kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs an (vgl. BayVGH, U.v. 20.9.2011 – 10 BV 10.2449 – juris Rn. 14).
2. Der Anspruch auf Neubescheidung seines Erlaubnisantrags vom 11. Mai 2011 ergibt sich nicht – wie der Kläger meint – unmittelbar aus § 4 Abs. 1 GlüStV (in der derzeit geltenden Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland).
2.1. Wie sich aus der normativen Ausgestaltung der Erteilung einer für die Sportwettenvermittlungsstellen erforderlichen glücksspielrechtlichen Erlaubnis gemäß § 10a Abs. 5 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 7 AGGlüStV ergibt, ist eine (isolierte) Erlaubnis für das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele – hier: Sportwetten – ohne bestehende Konzession des Veranstalters dieses Glücksspielangebots aber nicht vorgesehen. Demgemäß lässt sich aus den genannten Bestimmungen und insbesondere unmittelbar aus § 4 Abs. 1 GlüStV weder ein Rechtsanspruch auf Erlass einer isolierten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten noch – als Minus hierzu – ein diesbezüglicher Neubescheidungsanspruch herleiten. § 4 Abs. 1 GlüStV enthält im Übrigen systematisch ein (umfassendes) ordnungsrechtliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 8 B 36.14 – juris Rn. 23; Postel in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 4 Rn. 10, 21 ff.; Uwer/Koch in Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Glücksspielregulierung, Kommentar, § 4 Rn. 12, 14 ff.), regelt aber selbst nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Erlaubnis erteilt werden kann.
2.2. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich der geltend gemachte Neubescheidungsanspruch auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion der diesem Begehren nach dem Wortlaut entgegenstehenden Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV gewinnen. Der Kläger hält ein solches Verständnis dieser Norm für geboten, weil die in der Experimentierklausel für Sportwetten (§ 10a GlüStV) vorgesehene Erteilung der – zahlenmäßig limitierten – Sportwettenkonzessionen an Veranstalter bis heute nicht umgesetzt worden und angesichts diesbezüglich anhängiger Gerichtsverfahren auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.
Die Gerichte sind jedoch nur ausnahmsweise befugt, den Wortlaut einer Vorschrift zu korrigieren, wenn die gesetzliche Regelung nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – juris Rn. 12 m.w. Rspr-nachweisen). Es ist aber nicht ersichtlich, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV eine erkennbar zu weit gefasste Regelung in diesem Sinne darstellt.
Dies ergibt sich aus Folgendem: Mit dem im Rahmen der Experimentierklausel (§ 10a GlüStV) für eine Erprobungsphase normierten Konzessionsmodell für Sportwetten wollte der Gesetzgeber – abweichend vom bisherigen staatlichen Veranstaltungsmonopol – ein kontrolliertes Angebot privater Konzessionäre zulassen, welche einer genauen ländereinheitlichen Überprüfung (vgl. §§ 4a ff., § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV), hohen Auflagen, staatlicher Kontrolle und einer Beschränkung ihres Produktportfolios unterliegen, um so den Schwarzmarkt zurückzuführen bzw. in ein legales Feld zu überführen (vgl. amtliche Begründung, LT-Drs. 16/11995 S. 18/19). Die zahlenmäßig begrenzten konzessionierten Wettveranstalter sollen für die Spieler geeignete legale Alternativen zum nicht erlaubten Glücksspiel schaffen; dabei steht es ihnen frei, ob sie dem Verbraucher ihr Sportwettenangebot über in ihre Vertriebsorganisation eingegliederte, von den Ländern zahlenmäßig begrenzte, Wettvermittlungsstellen oder im Internet oder unter Nutzung beider Vertriebswege unterbreiten (vgl. § 10a Abs. 5, § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV, Art. 7 AGGlüStV; LT-Drs. 16/11995 S. 29). Damit soll zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV gerade über diese streng regulierte Öffnung des Sportwettenmarkts für eine begrenzte Anzahl privater Konzessionäre länderübergreifend, d.h. bundeseinheitlich, sichergestellt werden, dass Art und Zuschnitt der Sportwetten im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages gleichartig gestaltet sind und damit ein einheitliches legales Sportwettenangebot durch die Konzessionäre vorgehalten werden kann (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV; Hecker/Ruttig in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 21 Rn. 34; BayVGH, B.v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 – juris Rn. 23). Mit diesem normativen Konzept der Konzessionserteilung für Sportwetten und der dargelegten Zielsetzung ist es aber nicht vereinbar, wenn das jeweilige Bundesland im Rahmen von – vom ländereinheitlichen Konzessionsverfahren unabhängigen – isolierten Vermittlungserlaubnissen letztlich auch über die Zulassung eines bestimmten Sportwettenangebots entscheiden müsste bzw. würde.
Auch der vom Kläger geltend gemachte faktische Zustand, dass von der nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen bisher keine Konzessionen für Wettveranstalter vergeben worden sind und nach der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 16.10.2015 – 8 B 1028/15 – juris Rn. 48 ff.) aufgrund nicht heilbarer Verfahrensmängel bis auf weiteres auch nicht vergeben werden können, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn das (andauernde) Fehlen der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Konzessionen für private Sportwettenveranstalter führt nicht zwangsläufig entgegen der ausdrücklichen Regelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV zur Zulässigkeit isolierter Vermittlungserlaubnisse. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dem letztlich nicht in Kraft getretenen (vgl. den diesbezüglichen Hinweis, GVBl 2018 S. 39) Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages (Zweiter Glücksspieländerungsstaatsvertrag) vom 13. November 2017 (GVBl S.523) einen dahingehenden Willen gerade nicht bekundet; er wollte an der Experimentierklausel des § 10a GlüStV, allerdings mit angepasster Frist, grundsätzlich weiter festhalten (s. Art. 1 Nr. 4 Zweiter Glücksspieländerungsstaatsvertrag) und daneben allen Teilnehmern des am 8. August 2012 eingeleiteten Konzessionsverfahrens, die bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllt haben, die Veranstaltung von Sportwetten mit bestimmten Maßgaben vorläufig erlauben (s. Art. 2 Abs. 3 Zweiter Glücksspieländerungsstaatsvertrag). Eine richterrechtliche Korrektur des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 AGGlüStV in der vom Kläger beanspruchten Weise ist demnach nicht möglich.
Auch aus der Übergangsvorschrift des § 29 GlüStV folgt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Denn durch die Übergangsregelung des § 29 Abs. 1 und 2 GlüStV soll – dem Gedanken des Bestands- oder Vertrauensschutzes Rechnung tragend – gewährleistet werden, dass Veranstalter und Vermittler, die bereits bisher über eine Erlaubnis (nach altem Recht) verfügten, für eine kurze Übergangsfrist aufgrund ihrer erteilten Erlaubnisse weiterhin tätig werden dürfen (vgl. Pagenkopf in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 29 Rn. 9 f.); damit soll sichergestellt werden, dass durch das Inkrafttreten der Fortschreibung des Glücksspielstaatsvertrages kein „genehmigungsfreier“ Zustand entsteht. Ein Rückschluss auf die Zulässigkeit einer isolierten Vermittlungserlaubnis für Sportwettenvermittlungsstellen außerhalb des gesetzlich bestimmten Konzessionsverfahrens lässt sich daraus dagegen nicht herleiten.
3. Unmittelbar aus Grundrechten, insbesondere dem Grundrecht der Berufs- und Gewerbefreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, ergibt sich der streitgegenständliche Anspruch des Klägers ebenfalls nicht. Denn die primäre Gewährleistungsdimension der Grundrechte und auch des Art. 12 GG liegt in der Funktion als subjektive Rechte zur Abwehr gegen die jeweilige private Sphäre bzw. Freiheit gerichteter hoheitlicher Eingriffe (vgl. Mann in Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 16); ein Recht bzw. Anspruch auf freien Zugang zum Sportwettenmarkt für private Anbieter und Vermittler wird dadurch nicht begründet.
4. Der Anspruch auf Neubescheidung des Erlaubnisantrags vom 11. Mai 2011 ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, hier der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Diese Grundfreiheit ist vorliegend zwar anwendbar (4.1.). Das andauernde Fehlen der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Konzessionen für private Sportwettenveranstalter (§ 10a GlüStV, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 7 AGGlüStV) und das dadurch faktisch fortbestehende staatliche Sportwettenmonopol stellen auch eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar (4.2.). Selbst wenn man diese Beschränkung als nicht mehr gerechtfertigt, weil nicht im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig, beurteilt, ergibt sich daraus gleichwohl nicht der klägerische Anspruch auf erneute Entscheidung der zuständigen Behörde über seinen Antrag auf Erteilung einer isolierten Vermittlungserlaubnis (4.3.).
4.1. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) ist vorliegend eröffnet. Wenn nämlich eine Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat (der Europäischen Union; hier: Firma Tipico Co. Ltd.) der Tätigkeit der Wettannahme durch Vermittlung seitens eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmers (hier: Kläger) nachgeht, fallen die diesem Wirtschaftsteilnehmer auferlegten Beschränkungen seiner Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit (stRspr des EuGH, vgl. zuletzt U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 43 m.w.N.; zum Bezugspunkt der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten vgl. auch BayVGH, U.v. 18.4.2012 – 10 BV 10.2506 – juris Rn. 56). Demgemäß kann der Kläger grundsätzlich eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit seines Wettanbieters geltend machen.
4.2. Die betreffenden Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages (§ 10a Abs. 5 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 2 Satz 2 GlüStV) in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 7 AGGlüStV beschränken die Dienstleistungsfreiheit zunächst schon deshalb, weil ohne bestehende Konzession des privaten Veranstalters dieses Glücksspielangebots die auch für die (inländische) Vermittlung von Sportwetten in den Vermittlungsstellen erforderliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV (vgl. § 10a Abs. 5 Satz 2 1. Hs. GlüStV) nicht erteilt werden kann. Schon durch diese nationalen Regelungen wird die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten erschwert. Eine weitergehende und tiefgreifendere Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist aber vor allem darin zu sehen, dass – aufgrund welcher Umstände auch immer – bisher keine solchen Veranstalterkonzessionen nach § 10a GlüStV erteilt wurden und dass – wie die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs ergeben hat – eine Konzessionserteilung noch immer nicht absehbar ist. Denn in diesem Fall besteht das staatliche Monopol im Bereich der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (vgl. § 10 Abs. 2 und 6 GlüStV), das über die Experimentierklausel des § 10a GlüStV lediglich zeitlich begrenzt suspendiert wird, faktisch fort (vgl. EuGH, U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 91 ff.). Daran vermag auch das vom Beklagten in Bayern „zur Schaffung eines Stücks Rechtssicherheit“ inzwischen installierte Duldungsverfahren bei privaten Sportwettenanbietern und deren Vermittlern nichts zu ändern. Denn das behördliche Duldungsverfahren, also der zwar nicht kodifizierte, jedoch zumindest förmliche Verzicht auf ein ordnungsrechtliches Einschreiten gegen eine formell illegale, aber materiell-rechtlich (wohl) erlaubnisfähige Vermittlungstätigkeit, der letztlich nur den Vorgaben der Rechtsprechung für den Zeitraum eines fortbestehenden – unions- und verfassungsrechtlich unzulässigen – staatlichen Sportwettenmonopols (vgl. EuGH, U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 95; BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 8 C 5.15 – juris Ls. u. Rn. 27) Rechnung trägt, ist selbst für eine Übergangszeit jedenfalls kein unionsrechtskonformes Verfahren oder System der vorherigen behördlichen Genehmigung zur Liberalisierung des Sportwettenmarkts (EuGH, U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 92 m.w.N.) und zur (vom Gesetzgeber beabsichtigten) Marktöffnung für private Veranstalter von Sportwetten.
4.3. Ob diese Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages (s. § 1 GlüStV) im Rahmen von Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV) oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses (vgl. z.B. EuGH, U.v. 24.1.2013 – Rs. C 186/11 und C-209/11, Stanleybet International Ltd. u.a. – juris Rn. 22 f.) gerechtfertigt ist oder gegen die unionsrechtlichen Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung verstößt (vgl. dazu EuGH, U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 95; BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 8 C 5.15 – juris; HessVGH, B.v. 29.5.2017 – 8 B 2744/16 – juris; OVG NRW, U.v. 23.1.2017 – 4 A 3244/06 – juris Rn. 42 ff., U.v. 21.2.2012 – 4 A 2847/08 – juris), kann vorliegend letztlich dahinstehen. Nicht weiter nachgegangen werden muss insbesondere den vom Beklagten diesbezüglich erhobenen Einwänden, das Regelungskonzept des derzeit geltenden Glücksspielstaatsvertrages einschließlich der Experimentierklausel sei mit der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich vereinbar, der vorübergehende Zustand der Nichterteilung von Konzessionen an Veranstalter von Sportwetten zwangsläufige Folge des (auch unionsrechtlich anerkannten) Gebots effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für Mitbewerber und die eröffnete Möglichkeit der Erteilung einer Duldung bis zum Abschluss des Konzessionsverfahrens eine im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausreichende Maßnahme zur Gewährung des Marktzugangs für private Sportwettenanbieter aus anderen Mitgliedstaaten.
Denn eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit würde gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts (lediglich) bewirken, dass jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts – auch während einer Übergangszeit – ohne weiteres unanwendbar wird (vgl. EuGH, U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 52 f.). Danach müssten alle monopolabhängigen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages unangewendet bleiben, nicht aber nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise der monopolunabhängige Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 39.12 – juris Rn. 50; BayVGH, B.v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 – juris Rn. 20; NdsOVG, B.v. 8.5.2017 – 11 LA 24/16 – juris Rn. 34 ff. jeweils m.w.N.). Selbst wenn das in der Experimentierklausel des § 10a GlüStV normierte Regelungskonzept für Sportwetten und damit zusammenhängend Art. 2 Abs. 2 und Art. 7 AGGlüStV, soweit diese eine Veranstaltererlaubnis voraussetzen, aufgrund des Vorrangs der Dienstleistungsfreiheit ebenfalls unangewendet blieben, vermag der Anwendungsvorrang gleichwohl nicht darüber hinweg zu helfen, dass im Glücksspielstaatsvertrag ein vollständiges Regelungssystem für eine konzessionsunabhängige, isolierte vorherige behördliche Genehmigung für Vermittler von Sportwetten nicht enthalten ist und auch im Wege unionsrechtskonformer Auslegung nicht einfach „gewonnen“ werden kann. Letzteres wird in der vom Kläger angeführten, einer Bescheidungsklage stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg (U.v. 20.6.2017 – 3 A 151/16 – juris Rn. 20, 22) nicht hinreichend berücksichtigt, wenn einerseits der dortige Beklagte zur Neubescheidung des Erlaubnisantrags der dortigen Klägerin verpflichtet wird, weil dieser die unionsrechtskonformen, monopolunabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen bislang noch nicht überprüft habe, andererseits die (unbeantwortete) Frage aufgeworfen wird, „ob aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage unter Beachtung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts eine Erlaubniserteilung (überhaupt) möglich ist“. Überdies wird in der Entscheidung gleichzeitig der „denkbare“ Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des Inhalts angeführt, dass die fehlende Veranstalterkonzession einer Sportwettenvermittlungstätigkeit der Klägerin nicht entgegenstehe. Damit vermengt das Verwaltungsgericht Magdeburg nämlich die Streitgegenstände einer Neubescheidungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) und einer etwaigen Feststellungsklage zur Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses, ob einer Vermittlungstätigkeit ordnungsbehördlich (allein) die fehlende Veranstalterkonzession entgegengehalten werden kann.
Fehlt aber ein materiell-rechtlicher gesetzlicher Entscheidungsrahmen insbesondere hinsichtlich einer einheitlichen Prüfung der Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots für die begehrte Erlaubniserteilung, fehlen damit auch die nach Unionsrecht im Falle der Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für diese Glücksspielart erforderlichen, objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (vgl. EuGH, U.v. 24.1.2013 – Rs. C 186/11 und C-209/11, Stanleybet International Ltd. u.a. – juris Rn. 47; U.v. 4.2.2016 – Rs. C-336/14, Sebat Ince – juris Rn. 92).
Mag danach eine Ablehnung des Erlaubnisantrags des Klägers allein unter Hinweis auf die fehlende Veranstalterkonzession mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unvereinbar sein, geht der unionsrechtliche Anwendungsvorrang jedenfalls nicht so weit, dass der Beklagte ohne entsprechende nationale gesetzliche Grundlagen und insbesondere ohne die Möglichkeit der Prüfung der Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots verpflichtet werden könnte, über den Erlaubnisantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut (ermessensfehlerfrei) zu entscheiden.
Aus den vom Kläger zur Stützung seiner Argumentation herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (insbes. U.v. 20.6.2013 – 8 C 47.12 – juris Rn. 45) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn diese Entscheidungen betreffen zum einen Fortsetzungsfeststellungsklagen bezüglich glücksspielrechtlicher Untersagungsverfügungen und beziehen sich zum anderen vor allem auf den Zeitraum bis 30. Juni 2012; die dort angesprochene Frage einer etwaigen Erlaubnisfähigkeit der „konkreten Vermittlungstätigkeit“ beruht daher schon auf einer anderen rechtlichen Ausgangslage.
4.4. Nicht mehr entscheidungserheblich ist nach alledem, ob im Fall des Klägers die nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV erforderlichen (sonstigen) Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV vorliegen und der Kläger insbesondere die nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AGGlüStV erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Allerdings teilt der Senat nicht die klägerseits vertretene Auffassung, diesbezüglich könnte aus dem vom Beklagten vorgelegten Bußgeldbescheid der Stadt Augsburg (Bürgeramt, Ordnungsbehörde) vom 23. August 2017 gegen die M. GmbH mit dem Kläger als gesetzlichem Vertreter kein persönlicher, zuverlässigkeitsrelevanter Vorwurf hergeleitet werden, da dieser Bußgeldbescheid offensichtlich und eindeutig ein ordnungswidriges persönliches Handeln des Klägers als vertretungsberechtigtes Organ dieser GmbH, nämlich die Ermöglichung der Teilnahme von Minderjährigen an Glücksspielen (Sportwetten) in einer Betriebsstätte in Augsburg, ahndet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Die beiden vorliegend inmitten stehenden Fragen zur Auslegung glücksspielrechtlicher Normen und zum unionsrechtlichen Anwendungsvorrang der Dienstleistungsfreiheit sind nicht bzw. nicht mehr klärungsbedürftig, weil erstere sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 20 m.w.N.) und letztere durch die oben angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt ist.