Europarecht

Leistungen, Auslegung, Schlussrechnung, Heizung, Bauvorhaben, Berechnung, Angebot, Planungsleistungen, Honorar, Generalunternehmervertrag, Planungsleistung, Anspruch, Zeuge, Leistungsumfang, richtlinienkonforme Auslegung

Aktenzeichen  5 O 13019/17

Datum:
28.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50119
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 36.989,92 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.4.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/10 zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Es besteht ein Anspruch in Höhe von 36.989,92 EUR.
I. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 haben einen eigenständigen Vertrag über Planungsleistungen betreffend das Bauvorhaben geschlossen.
1. Das Angebot der Klägerin vom 3.11.2014 hat die Beklagte nicht angenommen. Die Beklagtenseite hat hierzu ausgeführt, dass Angebot sei mündlich durch den Zeugen … für die Beklagtenseite angenommen worden. Der Zeuge … wurde vernommen. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er vor Rücknahme des Angebots dieses nicht angenommen hatte. Auch der von Beklagtenseite benannte Zeuge … könnt eine entsprechende Vertragsannahme nicht bestätigen. Er berichtete von der Absicht des Geschäftsführers der Klägerin, das Bauvorhaben nicht abwickeln zu wollen, konnte aber hierzu keine zeitlichen Angaben mehr machen. Mangels Nachweises der Annahme durch die Beklagtenseite kam damit ein Generalunternehmervertrag auf Grundlage des Angebots vom 3.11.2014 nicht zustande.
2. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 haben allerdings einen – gesonderten – Vertrag über Planungsleistungen abgeschlossen. Der Geschäftsführer der Klägerin wie die Beklagte zu 3 haben dies in ihrer Anhörung ausgeführt.
II. Eine ausdrückliche Preisabrede war in diesem Planungsleistungsleistungsvertrag nicht enthalten. Der Geschäftsführer der Klägerin wie auch die Beklagte zu 3 haben in ihrer Anhörung ausgeführt, dass eine gesonderte Preisdiskussion nicht stattgefunden habe.
III. Auf die Mindestsätze der HOAI ist nicht zurückzugreifen; sie sind vorliegend nicht anwendbar.
1. Die Mindestsätze der HOAI verstoßen gegen Art. 5 II g Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG (EuGH vom 4.7.2019 C-377/17).
2. Die Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI 2013 durch den EuGH (s.o.) führt dazu, dass die nationalen Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts verpflichtet sind, die für unionsrechtswidrig erklärten Regelungen der HOAI zu den Mindestsätzen auch rückwirkend nicht mehr anzuwenden (vgl. OLG Celle, 23.7.2019, Az 14 U 182/18; LG München I, Az 5 O 13817/19). Mit der Feststellung des EuGH, dass das Preisrecht der HOAI gegen Unionsrecht verstößt, geht eine Pflicht deutscher Gerichte und Behörden einher, das Preisrecht unangewendet zu lassen. Dies verlangt der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht (EuGH, C-6/64, ECLI:EU:C:1964:66 = Slg. 1964, 01141 = NJW 1964, 2371 – – Costa/Enel). Dies führt im Ergebnis zu einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie. Dass die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit auch für Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG vorliegen, hatte der EuGH bereits in einer Entscheidung aus 2018 bestätigt (EuGH, C-360/15, C-31/16, ECLI:EU:C:2018:44 = NVwZ 2018, 307 Rn. 130 – X und Visser) (vgl. Oriwol/Honer, NVwZ 2019, 1120, 1125). Nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH gibt es keine horizontale (d.h. im Verhältnis zwischen Privatparteien) unmittelbare Wirkung von Richtlinien, da sich die Richtlinie an die Mitgliedstaaten, die die Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen und nicht an Privatpersonen richte. Nachdem sich Richtlinien nicht an Individuen richten, können sie Einzelne auch nicht belasten. Dabei begrenzt der EuGH das Verbot der horizontalen Wirkung von Richtlinienvorschriften aber auf den Fall, dass die Richtlinienvorschriften eine Verpflichtung Einzelner begründen und in einem nationalen Gerichtsverfahren als Rechtsgrundlage für die Entscheidung herangezogen werden müssten. Anders hingegen beurteilt der EuGH Fälle, in denen die unmittelbare Wirkung der Richtlinien dazu führt, dass richtlinienwidriges nationales Recht vom Richter nicht angewendet werden darf. Dies sei hinzunehmen (vgl. EuGH Unilever Italia, Rs. 443/98). Die Rechtsprechung des EuGH ist auch auf bereits vor dem Urteil des EuGH vom 04.07.2019 geschlossene Verträge anzuwenden. Würde die nationale Rechtsprechung die Feststellung des EuGH der Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI nur für künftige Fälle anwenden, so würden nationale Gerichte den unionsrechtswidrigen Zustand, im Gegensatz zur Gesetzgebung, die gemäß den Gesetzesmaterialien von der Vereinbarkeit der Mindestsätze mit dem Unionsrecht ausging, vorsätzlich pervertieren. Dies würde sowohl dem effet utile des Unionsrechts als auch dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts massiv widersprechen.
3. Eine nationale Norm gilt nur nach Maßgabe des Rechts der EU, so wie sie durch die im EuGH-Urteil verkündete Auslegung zu verstehen sei. Honorarvereinbarungen sind nunmehr nicht mehr deshalb als unwirksam anzusehen, weil sie die Mindestsätze der HOAI unterschreiten oder deren Höchstsätze überschreiten. Aufgrund der EuGH-Entscheidung ist es nicht mehr zulässig, getroffene Honorarvereinbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu messen. Die nationalen Gerichte sind nach der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der EU-Richtlinien auszurichten, um das damit verfolgte Ziel zu erreichen. Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist erforderlich, dass hierdurch der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht verändert wird, sondern die Auslegung seinem Willen (noch) entspricht. Dies ist vorliegend möglich. Der Wille des Gesetzgebers zum Erlass der HOAI lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen. Danach sollten bei der HOAI 2009 die Vorgaben der europäischen Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich eingehalten werden. Bei der Fassung der HOAI 2013 sollte nur eine Aktualisierung erfolgen.
IV. Die Vergütung bemisst sich deshalb nach der vertraglich vereinbarten Vergütung und für den Fall, dass keine vertragliche Vereinbarung zur Vergütung getroffen wurde, nach der im Raum München zur Zeit des Vertragsschlusses üblichen Vergütung. Als Honorar für die Planungsleistungen wurden zwischen den Parteien 102.200,00 EUR vereinbart (§ 631 Abs. 1 BGB).
1. Vorliegend haben die Parteien eine Preisabrede dahingehend konkludent getroffen, dass das Angebot vom 3.11.2014 im Hinblick auf die Preise für die vereinbarten Planungsleistungen weitergehen sollte.
a) Der Geschäftsführer der Klägerin hat in seiner Anhörung ausgeführt, dass er davon ausgegangen sei, nicht mehr an das Angebot vom 3.11.2014 gebunden zu sein. Er habe vorgehabt, nach Honorar laut HOAI abzurechnen, wenngleich er einräumte, dass dies von seiner Seite nicht entsprechend kommuniziert worden sei.
b) Die Beklagte zu 3 hat in ihrer Anhörung ausgeführt, dass für die Beklagtenseite weiter das Angebot vom 3.11.2014 gezählt habe.
c) Die Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin, auf Grundlage der HOAI abrechnen zu wollen, ist vor dem Hintergrund der von ihm erstellten Schlussrechnung vom 13.5.2015 (Anlage ALHR 1) nicht überzeugend. In dieser Schlussrechnung wird nämlich ausdrücklich Bezug genommen auf das Angebot vom 3.11.2014 und die entsprechenden Kosten aufgeführt. Hätte der Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich, wie nunmehr behauptet, von Anfang an vorgehabt, nicht auf Grundlage des Angebots abzurechnen, so wäre die Schlussrechnung nicht ansatzweise nachvollziehbar. Zudem hat der Geschäftsführer eingeräumt, dass seine Abrechnungsabsicht nach HOAI „nicht entsprechend kommunziert“ wurde; daraus folgt, dass ihm bewusst war, dass eine Einigung auf die HOAI-Preise mangels Kommunikation nicht erfolgte. Auch vor diesem Hintergrund erklärt sich die Bezugnahme auf die Angebotspreise in der Schlussrechnung vom 13.5.2015.
d) Vor diesem Hintergrund ist das Gericht überzeugt, dass die Parteien vorliegend die Preise aus dem Angebot vom 3.11.2014 in den Planungsvertrag übernommen haben.
2. Aufgrund eines vereinbarten Honorars kommt es auf das übliche Honorar i.S.v. § 631 Abs. 2 BGB nicht mehr an.
3. Zudem ist die Klägerin bereits aufgrund des Zeitablaufs an ihre Schlussrechnung vom 14.5.2015 gebunden. Erst ein knappes Jahr später, am 30.3.2016 übersendete die Klägerin eine korrigierte Schlussrechnung. Eine inhaltliche Korrektur hat nicht stattgefunden, die neue Rechnung wird ausschließlich mit einem Verweis auf das Mindestpreisrecht der HOAI begründet. Nunmehr im Rahmen der Klageschrift vom 5.9.2017 hat die Klägerin einen dritten Schlussbetrag gefordert. Vor diesem zeitlichen Hintergrund, aufgrund dessen die Beklagtenseite nicht mehr mit einer Nachforderung rechnen musste, und dem Umstand dass die Schlussrechnung vom 13.5.2015 ausdrücklich auf die Preise aus dem Angebot vom 3.11.2014 Bezug nimmt, ist die Klägerin daran gebunden (OLG Celle, 17.7.2010 Az. 14 U 188/18 und OLG München, 8.10.2019, Az 20 U 94/19 Bau, von Klägerseite als Anlage zum Schriftsatz vom 3.2.2020 übersandt).
V. Von dem geschuldeten Honorar in Höhe von 102.200,00 EUR wurden 65.210,08 EUR gezahlt. Die Beklagtenseite hat ihre anfängliche Behauptung, die Schlussrechnung vom 13.5.2015 vollumfänglich beglichen zu haben, revidiert und ausgeführt, dass auf die Schlussrechnung vom 13.5.2015 noch 25.210,08 EUR gezahlt worden seien. Der Vortrag der Beklagtenseite im nicht nachgelassenen und damit nach § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigenden Schriftsatz vom 28.2.2020, dass unstrittig 77.600,00 EUR bezahlt worden seien, geht wohl von Brutto-Beträgen aus.
VI. Einen Einbehalt von der Schlussrechnung war die Beklagte nicht berechtigt, vorzunehmen. Die Klägerseite hat substantiiert zu ihren Leistungen mit Verweis auf die entsprechenden Pläne vorgetragen. Die Beklagtenseite hat demgegenüber lediglich pauschal vorgetragen, die Leistungen der Klägerin seien nicht nach der HOAI abrechenbar. Auf eine derartige Abrechnenbarkeit kommt es allerdings mangels Anwendbarkeit der HOAI überhaupt nicht an. Im Übrigen sind die Ausführungen der Beklagtenseite, die im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung erhoben wurden, dass die Werkplanung nicht vollständig erbracht wurde, nicht nur unsubstantiiert, sondern stehen auch im Widerspruch zur Einlassung der Beklagtenseite in der Klageerwiderung, dass die Schlussrechnung vom 13.5.2015 vollumfänglich bezahlt worden sei; denn damit wird eine entsprechende Anerkennung der Schlussrechnung behauptet.
Sofern die Beklagtenseite mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.2.2020 nunmehr ausführlich Mängel der Planungsleistung im Detail vorträgt, war dieser – von Klägerseite bestrittene – Vortrag nicht zu berücksichtigen (§ 296 a ZPO).
VII. Der Anspruch ist damit in Höhe von 36.989,92 EUR begründet und im Übrigen zurückzuweisen.
VIII. Die Zinsforderung stützt sich auf §§ 280, 286, 288 BGB.
IX. Die Entscheidung über die Kosten beruft auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709, 711 ZPO.

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