Europarecht

Markenverletzung: Besitz des die markenrechtsverletzende Ware Lagernden zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens; Anspruch des Markeninhabers auf Mitteilung von Eigenschaften der Ware – Davidoff Hot Water IV

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Aktenzeichen  I ZR 20/17

Datum:
21.1.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:210121UIZR20.17.0
Normen:
Art 9 Abs 1 Buchst a EGV 207/2009
Art 9 Abs 2 Buchst b EGV 207/2009
Art 9 Abs 2 Buchst a EUV 2017/1001
Art 9 Abs 3 Buchst b EUV 2017/1001
§ 19a Abs 1 MarkenG
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Davidoff Hot Water IV
1. Eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, besitzt diese Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne der Art. 9 Abs. 2 Buchst. b GMV und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b UMV, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. April 2020 – C-567/18, GRUR 2020, 637 – Coty Germany/Amazon Services Europe u.a.).
2. Der Anspruch auf Besichtigung gemäß § 19a Abs. 1 MarkenG umfasst als Minus die Pflicht zur Mitteilung von Eigenschaften (etwa Herstellungsnummern) der Ware, deren Besichtigung zu gestatten ist.

Verfahrensgang

vorgehend EuGH, 2. April 2020, Az: C-567/18, Urteilvorgehend BGH, 26. Juli 2018, Az: I ZR 20/17, EuGH-Vorlagevorgehend OLG München, 29. September 2016, Az: 29 U 745/16, Urteilvorgehend LG München I, 19. Januar 2016, Az: 33 O 23145/14

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Klageanträge I und II hinsichtlich der Beklagten zu 1 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin vertreibt Parfums. Die Beklagten gehören zum Amazon-Konzern. Die Beklagte zu 1 hat ihren Sitz in Luxemburg, die Beklagte zu 3 ist in Graben in Deutschland ansässig und betreibt dort ein Warenlager.
2
Die Klägerin behauptet, eine Lizenz an der für die Waren “perfumery, essential oils, cosmetics” Schutz beanspruchenden Unionsmarke Nr. 876874 DAVIDOFF (nachfolgend: Klagemarke) zu halten und zur Geltendmachung der Markenrechte im eigenen Namen ermächtigt zu sein.
3
Auf der Webseite amazon.de eröffnet die Beklagte zu 1 im Bereich “Amazon-Marketplace” Drittanbietern die Möglichkeit, Verkaufsangebote einzustellen. Die Kaufverträge über die so vertriebenen Waren kommen zwischen den Drittanbietern und den Käufern zustande. Die Drittanbieter haben die Möglichkeit, sich an dem Programm “Versand durch Amazon” zu beteiligen, bei dem die Waren durch Gesellschaften des Amazon-Konzerns gelagert werden und der Versand über externe Dienstleister durchgeführt wird.
4
Am 8. Mai 2014 bestellte ein Testkäufer der Klägerin über die Webseite amazon.de ein von der Verkäuferin J.  R.  (nachfolgend: Verkäuferin) mit dem Vermerk “Versand durch Amazon” angebotenes Parfum “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”. Im Rahmen des Programms “Versand durch Amazon” hatte die Beklagte zu 1 die Beklagte zu 3 mit der Lagerung der Ware dieser Verkäuferin beauftragt. Auf eine Abmahnung der Klägerin mit der Begründung, es habe sich dabei um nicht erschöpfte Ware gehandelt, gab die Verkäuferin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
5
Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 2. Juni 2014 zur Herausgabe aller “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”-Parfums der Verkäuferin auf. Die Beklagte zu 1 übersandte den anwaltlichen Vertretern der Klägerin ein Paket mit der “Shipment Reference” TT0034894719, das 30 Stück dieser Parfums enthielt. Nachdem eine andere zum Konzern der Beklagten gehörende Gesellschaft mitgeteilt hatte, dass elf der übersandten 30 Stück aus dem Lagerbestand eines anderen Verkäufers stammten, forderte die Klägerin die Beklagte zu 1 auf, Name und Anschrift dieses anderen Verkäufers anzugeben, weil bei 29 der 30 Parfums keine Erschöpfung eingetreten sei. Die Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchem Warenbestand die genannten elf Stück stammten.
6
Die Klägerin hält das Verhalten der Beklagten zu 1 und 3 für markenrechtsverletzend und hat die Beklagte zu 1 mit anwaltlichem Schreiben abgemahnt.
7
Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – beantragt,
I. die Beklagten zu 1 und 3
1. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Parfums der Marke “Davidoff Hot Water” in der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Inverkehrbringens zu besitzen, zu versenden oder zum Zwecke des Inverkehrbringens besitzen oder versenden zu lassen, wenn die Produkte nicht vom Markeninhaber oder von Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind;
hilfsweise wie vorstehend beschrieben zu verurteilen bezogen auf Parfums der Marke “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”
hilfsweise wie vorstehend beschrieben zu verurteilen bezogen auf Parfums der Marke “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”, die von der Verkäuferin J.  R.  eingeliefert worden sind oder die sich keinem anderen Verkäufer zuordnen lassen;
2. zu verurteilen, der Klägerin unter Vorlage der Lieferscheine und Rechnungen Auskunft zu erteilen über Name und Anschrift des Einlieferers der unter der Shipment Reference TT0034894719 an die Klägervertreter übersandten elf Stück Parfum “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”, die nicht von Frau J.  R.  eingeliefert worden sind;
hilfsweise, an Eides Statt zu versichern, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchem Warenbestand die übersandten elf Stück “Davidoff Hot Water EdT 60 ml” stammten;
3. zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die auf der Unterseite der Verpackungen befindlichen Herstellungsnummern sämtlicher Parfums “Davidoff Hot Water EdT 60 ml”, die an gleicher Stelle wie die unter der Shipment Reference TT0034894719 an die Klägervertreter übersandten Parfums gelagert werden;
hilfsweise die Beklagte zu 3 zu verurteilen, an Eides Statt zu versichern, dass mit der Shipment Reference TT0034894719 der gesamte zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten zu 3 gelagerte Bestand an Parfums “Davidoff Hot Water EdT 60 ml” übersandt worden sei;
II. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an die Klägerin 1.973,90 € zuzüglich fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2014 zu zahlen.
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München, Urteil vom 19. Januar 2016 – 33 O 23145/14, juris). Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG München, WRP 2017, 350). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten zu 1 und 3 beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
9
Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (GMV, ABl. L 78 vom 24. März 2009, S. 1) und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (UMV, ABl. L 154 vom 16. Juni 2017, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 26. Juli 2018, GRUR 2018, 1059 = WRP 2018, 1200 – Davidoff Hot Water III):
Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen?
10
Der Gerichtshof hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 2. April 2020 – C-567/18, GRUR 2020, 637 = WRP 2020, 707 – Coty Germany/Amazon Services Europe u. a.):
Art. 9 Abs. 2 Buchst. b GMV und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b UMV sind dahin auszulegen, dass eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, so anzusehen ist, dass sie diese Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmungen besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt.

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