Europarecht

Mietkaution, Mietausfallschaden, Außerordentliche Kündigung, Mietverträge, Bundesfinanzhof, Mietausfälle, Umsatzsteuererklärung

Aktenzeichen  14 K 2480/14

Datum:
9.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2017, 781
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280, § 325
UStG § 3a Abs. 4 Nr. 9

 

Leitsatz

Tenor

1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2010 vom 13. Februar 2012 wird die Umsatzsteuer 2010 auf 52.451,19 EUR herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1.

Gründe

II.
Die Klage ist begründet.
Das Finanzamt hat die einbehaltene Mietkaution zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211,59, BStBl II 2007, 66 m.w.N.).
Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadenersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat (z. B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf & Country Club, Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil vom 20. März 2013 XI R 6/11, BFHE 241, 191, BFH/NV 2013, 1509). In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765).
Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z. B. EuGH-Urteil Kenne-mer Golf & Country Club in Slg. 2002, I-3293; BFH-Urteil vom in BFH/NV 2013, 1509). Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749). Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen aber insbesondere auch dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet. So ist beispielsweise auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66 und vom 16. Januar 2014 V R 22/13, MwStR 2014, 333).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der streitgegenständliche Einbehalt der Mietkaution durch die Klägerin kein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt.
Allein der Umstand, dass die Mietkaution im Mietvertrag (§ 5 Rz. 5.4) vereinbart worden ist, führt nicht dazu, dass die später einbehaltene Geldsumme Leistungsentgelt darstellt. Entscheidend ist vielmehr, ob der zunächst nur als Sicherheit für den Vermieter hinterlegte Geldbetrag bei Einbehalt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer vom Vermieter erbrachten Leistung stand.
Demgemäß sind Entschädigungen an den Vermieter für die vorzeitige Räumung der Mieträume und die Aufgabe des noch laufenden Mietvertrags nicht Schadenersatz, sondern Leistungsentgelt, weil der Vermieter auf eine ihm zustehende Rechtsposition verzichtet (vgl. Umsatzsteueranwendungserlass in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung – UStAE – Abschnitt 1.3 Abs. 13 Satz 1). So liegt der Streitfall jedoch nicht.
Aufgrund der außerordentlichen Kündigung durch die Klägerin ist das mit Vertrag vom 8. Mai 2002 geschlossene Mietverhältnis zwischen ihr und D zum 26. April 2007 beendet worden, womit insbesondere die Hauptvertragspflicht, D das Büro- und Verwaltungsgebäude zur Nutzung zu überlassen, nicht mehr bestand. Da die vorzeitige Vertragsbeendigung im Streitfall unstreitig nicht durch einvernehmliche Aufhebung erfolgte, kann die von D durch den Einbehalt der Mietkaution geleistete Zahlung in Höhe von 440.440 EUR daher nicht mehr im Austauschverhältnis mit einer Leistung der Klägerin stehen. Denn die Klägerin hat im Streitfall nicht auf irgendwelche, ihr zustehenden Ansprüche verzichtet, sondern den Mietvertrag gekündigt, weil D hierzu durch die vertragswidrige Einstellung der Mietzahlungen Anlass gegeben hat, wodurch ihr durch den Ausfall der künftigen Mieten ein Schaden entstanden ist. Macht sie diesen sodann geltend, kann die Ersatzleistung nicht als Entgelt für eine Leistung behandelt werden.
Veranlasst nämlich der Mieter – wie vorliegend D – durch die Nichtentrichtung des Mietzinses den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung (vgl. § 543 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -), hat dieser den durch die Kündigung entstandenen Schaden auch zu ersetzen (vgl. Urteil des Bundesgerichthofs- BGH – vom 13. Juni 2007 VIII ZR 281, 06, NJW 2007, 2474). Dabei ist der geschädigte Vermieter so zu stellen, wie er stünde, wenn die Vertragsverletzung nicht erfolgt und es somit nicht zur fristlosen Kündigung gekommen, sondern der Mietvertrag fortgeführt worden wäre. Da es der Klägerin – nach ihrem unwidersprochenen Vortrag – nicht möglich war, die Räume zu einem mindestens gleich hohen Mietzins weiterzuvermieten, musste ihr D die Differenz zwischen dem mit ihr vereinbarten und dem von den Untermietern bezahlten, niedrigeren Mietzins, die nach den Berechnungen der Klägerin rund 1,2 Mio EUR betrug, zahlen. Diese durch D ausgelöste (Schadenersatz)-Zahlungsverpflichtung bestand weder für einen Verzicht noch für eine sonstige Leistung der Klägerin, sondern allein deshalb, weil D nach dem Gesetz für den Mietausfall der Klägerin einzustehen hat. Die (Teil-)Zahlung durch den Einbehalt der Mietkaution ist daher kein Entgelt im o. g. Sinne und damit nicht steuerbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung.

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