Europarecht

Novel Food-Verordnung – cannabinoidhaltige Extrakte als neuartige Lebensmittel

Aktenzeichen  W 8 K 20.161

Datum:
13.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21671
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) 2017/625 Art. 138
VO (EU) 2015/2283 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a), Art. 6
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1, Art. 45, Art. 47
RL 2009/32/EG
LFGB § 39 Abs. 2 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5, § 154 Abs. 1
NFV Art. 4 Abs. 2 u. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes A. vom 19. Dezember 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die lebensmittelrechtlichen Anordnungen sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht festgestellt. Die von ihm mit dem Ziel der Abhilfe getroffenen Maßnahmen (Verbot des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Lebensmittel und Pflicht zur Entfernung aus dem Internetangebot) ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Abzustellen war vorliegend auf die mündliche Verfügung vom 18. Dezember 2019. Die schriftliche Bestätigung (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) mit Bescheid vom 26. November 2019 (Nr. 4) stellt für sich genommen keinen neuen Erlass oder Wiederholung eines Verwaltungsakts dar, sondern dient als schlichthoheitliche Maßnahme lediglich Beweiszwecken, wenn die schriftliche Bestätigung – wie hier – nicht wesentlich inhaltlich vom Inhalt des ursprünglichen Verwaltungsaktes abweicht (vgl. Tiedemann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 48. Edition, Stand 1.7.2020, § 37 Rn. 37 f.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 37 Rn. 23).
Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 19. Dezember 2019, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet, dass die Voraussetzungen der einzelnen lebensmittelrechtlichen Anordnungen im vorliegenden Fall gegeben sind.
Das Vorbringen der Klägerseite führt zu keiner anderen Beurteilung.
Rechtsgrundlage des lebensmittelrechtlichen Inverkehrbringungsverbots in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids und für die Anordnung der Sperrung und des Entfernens der streitgegenständlichen Produkte in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) und g) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 vom 15. März 2017 (ABl. L 95/1) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 327/1). Danach ergreifen die zuständigen Behörden, wenn sie einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht festgestellt haben, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften, Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 2017/625. Die zuständigen Behörden ergreifen alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 zu gewährleisten, Art. 138 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Zu diesen Maßnahmen gehört nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 auch die Untersagung des Inverkehrbringens von Waren. Bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids angeordneten Sperrung und Entfernung der betreffenden Produkte aus dem Internetangebot handelt es sich ebenfalls um geeignete Maßnahmen i.S.d. Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625, auch wenn diese Maßnahmen dort nicht ausdrücklich genannt sind. Denn die Aufzählung der geeigneten Maßnahmen in Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 ist nicht abschließend (vgl. Satz 1 Halbsatz 2: „dazu gehören, jedoch nicht abschließend, die folgenden Maßnahmen: …“). Zudem gelten nach Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 auch die Anordnung der Beseitigung von Waren und nach Buchst. i) die Anordnung der Aussetzung (eines Teils) der Tätigkeiten des betreffenden Unternehmers sowie gegebenenfalls der Abschaltung der von dem Unternehmer betriebenen oder genutzten Internetseiten als geeignete Maßnahmen, so dass die Sperrung und Entfernung der Produkte aus dem Internetangebot als „Minus“ – auch schon im Verhältnis zum Inverkehrbringungsverbot – als sonstige geeignete Maßnahmen i.S.d. Art. 138 Abs. 2 Buchst. g) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 anzusehen sind. Unter den Begriff „Waren“ fallen auch Lebensmittel, vgl. Art. 3 Nr. 11 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625.
Als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltendes EU-Recht hat Art. 138 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 in seinem Anwendungsbereich Vorrang vor nationalem Recht. Insoweit ist daher § 39 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs – LFGB – als Eingriffsgrundlage des nationalen Rechts unanwendbar (vgl. zu Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, welche durch Art. 146 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 mit Wirkung zum 14. Dezember 2019 aufgehoben wurde: OVG NRW, B.v. 26.11.2014 – 13 B 1250/14 – juris Rn. 10 ff; VGH BW, U.v. 16.6.2014 – 9 S 1273/13 – juris Rn. 22 ff; OVG HH, B.v. 5.9.2009 – 5 Bs 139/11 – juris; VG Berlin, U.v. 14.3.2018 – 14 K 328.16 – juris Rn. 22; VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 – W S 18.904 – juris; Zipfel/ Rathke, Lebensmittelrecht, § 39 LFGB Rn. 10 f.; differenzierend OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris Rn. 42). Der Umstand, dass der Beklagte die in Rede stehende Verbotsverfügung auf § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB gestützt hat, ist rechtlich gleichwohl unschädlich, denn das Auswechseln der Rechtsgrundlage ist hier zulässig (Art. 47 BayVwVfG). Wegen der identischen Zielrichtung, strukturellen Vergleichbarkeit sowie des Gleichlaufs von Befugnisrahmen und Rechtsfolgen lässt der Austausch von § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB gegen Art. 138 Abs. 1 und 2 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 den Regelungsgehalt (Tenor) der Grundverfügung unberührt und sind zur Begründung auch keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Erwägungen erforderlich (vgl. zu Art. 54 Abs. 1 und 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 882/2004: VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035/19 – juris; VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 – W S 18.904 – juris).
1. Die streitgegenständlichen Anordnungen sind formell rechtmäßig.
Ein durchgreifender Anhörungsmangel gem. Art. 28 BayVwVfG ist nicht gegeben. Zwar ist vorliegend eine Anhörung des Klägers nach Art. 28 BayVwVfG seitens der Kontrollbehörde unterblieben, wobei offenbleiben kann, ob von einer Anhörung ermessensfehlerfrei nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG abgesehen werden konnte, da eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Jedenfalls ist eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Art. 45 BayVwVfG durch Nachholung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingetreten (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2005 – 1 C 9/04 – BVerwGE 123, 90 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 9 f.). Art. 45 BayVwVfG setzt insoweit vornehmlich einen zeitlichen Rahmen, verhält sich aber nicht zu der Art und Weise, wie die unterbliebene Verfahrenshandlung vorzunehmen ist. Dass eine unterlassene Anhörung allein im Rahmen eines behördlichen Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden kann, ist dieser Regelung nicht zu entnehmen. Der Mangel kann daher ausnahmsweise auch durch verwaltungsprozessualen Schriftwechsel der Beteiligten geheilt werden, da nicht die formelle Zugehörigkeit zu einem Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern die materielle Gleichwertigkeit der Anhörung entscheidend ist, zumal für die Anhörung in Art. 28 BayVwVfG keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Von der Behörde zu verlangen, dem Betroffenen parallel zum Gerichtsverfahren zusätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wäre reiner Formalismus und leere Förmelei. Der Sinn und Zweck der Anhörung muss aber gewahrt sein, so dass erforderlich ist, dass die Behörde das bislang noch nicht Vorgetragene zur Kenntnis nimmt, würdigt und erneut prüft, ob sie unter Berücksichtigung des Vorbringens an ihrer Verfügung festhält oder nicht, und schließlich dem Betroffenen das Ergebnis dieser Prüfung (ausdrücklich oder sinngemäß) mitteilt (BVerwG, U.v. 12.4.2005 – 1 C 9/04 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 9 f.). Das Landratsamt hat sich in der Klageerwiderung mit der vom Kläger vorgebrachten Begründung auseinandergesetzt und zum Ausdruck gebracht, dass es an der getroffenen Entscheidung weiter festhält. Dies genügt den vorstehend genannten Anforderungen an eine Heilung von Anhörungsmängeln. Soweit der Kläger vorbringt, verschiedene vom Beklagten in der Klageerwiderung erwähnte Unterlagen und Vorgänge lägen ihm nicht vor, ist darauf hinzuweisen, dass die Akteneinsicht zur Erfüllung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend ist, wenn die Tatsachen, auf die sich das rechtliche Gehör bezieht, in den Verfahrensakten enthalten sind (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 28 Rn. 16). Der Kläger hätte vorliegend die Möglichkeit gehabt, Akteneinsicht zu beantragen. Dafür, dass dem Kläger das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG verweigert wurde bzw. worden wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Ein – vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachter – Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs liegt folglich nicht vor.
2. Die streitgegenständlichen Anordnungen sind auch materiell rechtmäßig.
Entgegen den Ausführungen der Klägerseite verstoßen die lebensmittelrechtlichen Anordnungen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Anordnungen in Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2019 sind hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Für eine hinreichende Bestimmtheit einer Regelung ist es nicht erforderlich, dass sich der Inhalt eines Verwaltungsaktes allein aus dem Anordnungssatz präzise ergibt. Zur Auslegung des Regelungsgehalts ist vor allem die dem Verwaltungsakt beigefügte Begründung heranzuziehen. Zulässig sind auch Bezugnahmen im Verwaltungsakt auf den Beteiligten bekannte und ihnen vorliegende oder jederzeit zugängliche Unterlagen. Es genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung des Verwaltungsakts, aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses usw. im Weg einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 37 Rn. 6 f., 12). Aus der Anordnung selbst und den Gründen ergibt sich, dass die dort genannten Produkte allgemein – mit Ausnahme der in Nr. 1 Satz 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2019 genannten – umfasst sein sollen. Insbesondere ergibt sich aus den Anordnungen direkt, dass Teesorten, die verarbeiteten Nutzhanf, aber kein cannabinoidhaltiges Extrakt als zugesetzter Zutat beinhalten, – wie auch vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt – nicht umfasst sind, da insoweit erst durch die Verwendung des Produkts ein Extrakt entsteht.
Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/ 2283 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl L 327/1) dürfen nur zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in den Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden.
Bei den streitgegenständlichen Produkten – Cannabidiol (CBD), cannabinoidhaltige Extrakte aus Cannabis sativa L. und sämtliche Lebensmittel (einschließlich Nahrungsergänzungsmittel), zu denen cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt wurden – handelt es sich um Lebensmittel. Als „Lebensmittel“ definiert Art. 3 Abs. 1 der VO (EU) 2015/2283 (Novel Food-Verordnung – NFV) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl L 031/1) alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zählen dazu auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe – einschließlich Wasser -, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Mithin werden von dieser Definition u.a. auch Lebensmittelzutaten erfasst (vgl. dazu die Definition in Art. 2 Abs. 2 Buchst. f) der Verordnung (EG) 1169/ 2011, ABl L 304/18). Nahrungsergänzungsmittel unterfallen den Lebensmitteln. Nach § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ist ein Nahrungsergänzungsmittel ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen (Nr. 1), ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und (Nr. 2) in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird (Nr. 3). Danach sind die vom Beklagten vertriebenen streitgegenständlichen Produkte als Lebensmittel zu bewerten, weil sie offensichtlich und unstreitig dazu bestimmt sind, von Menschen aufgenommen zu werden.
Cannabidiol (CBD), cannabinoidhaltige Extrakte aus Cannabis sativa L. und sämtliche Lebensmittel (einschließlich Nahrungsergänzungsmittel), zu denen cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt wurden, sind als Lebensmittel auch „neuartig“ im Sinne der Definition in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der VO (EU) 2015/2283. Danach ist ein Lebensmittel neuartig, wenn es vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde und in mindestens eine der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Unterabs. i) bis x) der Verordnung (EU) 2015/2283 genannten Kategorien fällt. Die streitgegenständlichen Produkte gehören der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) Unterabs. iv) der VO (EU) 2015/2283 genannten Kategorie an. Diese Kategorie erfasst Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe von Vermehrungsverfahren, die im Einzelnen genannte Anforderungen erfüllen.
Die Neuartigkeit eines Lebensmittels muss anhand aller Merkmale dieses Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs beurteilt werden (vgl. EuGH, U.v. 15.1.2009 – C-383/07 – juris Rn. 26 f.). Die streitgegenständlichen Produkte wurden vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet. Der Umstand allein, dass alle Zutaten, aus denen ein Lebensmittel besteht, in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen, reicht hierbei nicht dafür aus, das Lebensmittel-Enderzeugnis nicht als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel Food-Verordnung anzusehen, da nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann (EuGH U.v. 15.1.2009 – C-383/07, juris Rn. 27). Auch kommt es nicht darauf an, ob ein nennenswerter Verzehr der Pflanze oder von Produkten, die die Pflanze enthalten, erfolgt ist (BGH, U.v. 16.4.2015 – I ZR 27/14, juris Rn. 26). Die Neuartigkeit ist somit produktbezogen zu prüfen. Der Begriff „in nennenswertem Umfang“ darf außerdem nicht nur quantitativ gesehen werden. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass nur von der Mehrheit der Verbraucher verzehrte Produkte kein Novel Food darstellen (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 18). Es ist folglich ohne Bedeutung, dass bestimmte aus der Hanfpflanze oder deren Bestandteilen wie Hanfsamen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl oder fettfreiem Hanfsamenprotein gewonnene Produkte bzw. die Pflanze Cannabis sativa L. eine Verwendungsgeschichte in der EU haben und deshalb nicht als neuartig einzuordnen sind. Es kommt ferner auch nicht auf das konkrete Produktionsverfahren an. Entscheidungserheblich ist allein, ob die hier relevanten Endprodukte die Merkmale eines neuartigen Lebensmittels erfüllen (VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035719 – juris Rn. 24; VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 18, 25).
Maßgebliche Indizwirkung für die Annahme eines neuartigen Lebensmittels kommt dem sogenannten Novel Food Katalog der Europäischen Kommission zu, auch wenn dieser als solcher keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (BGH, U.v. 16.4.2015 – I ZR 27/14 – juris Rn. 33; VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035/19 – juris Rn. 26). In die Einträge des Katalogs, der von einer Arbeitsgruppe der Europäischen Gemeinschaft als Orientierungshilfe im Hinblick auf die VO (EG) Nr. 258/97 erarbeitet wurde, fließen die Erkenntnisse der Europäischen Kommission sowie der für neuartige Lebensmittel zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten ein. Nach Art. 6 Abs. 1 der VO (EU) 2015/2283 ist die Europäische Kommission verpflichtet, den Katalog auf dem neuesten Stand zu halten (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 19). Nach aktuellem Eintrag im Novel Food Katalog ist in der Europäischen Union der Anbau verschiedener Sorten von Cannabis sativa L. zulässig, sofern sie im Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten der Europäischen Union („EU’s ‘Common Catalogue of Varieties of Agricultural Plant Species’“) registriert sind und der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2% (w/w) nicht übersteigt. Einige Produkte, die aus der Cannabis sativa-Pflanze oder Pflanzenteilen wie Samen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl, entfettetem Hanfsamen („such as seeds, seed oil, hemp seed flour, defatted hemp seed“) gewonnen werden, haben eine Verwendungsgeschichte als Lebensmittel innerhalb der EU und sind daher nicht neuartig. Unbeschadet der Angaben im Novel Food-Katalog für den Eintrag in Bezug auf Cannabis sativa L. gelten Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, als Novel Food, da eine Verwendungsgeschichte nicht nachgewiesen werden konnte („extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated“). Dies gilt sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Inhaltsstoffe zugesetzt werden (z.B. Hanfsamenöl). Dies gilt auch für Extrakte anderer Pflanzen, die Cannabinoide enthalten. Synthetisch gewonnene Cannabinoide gelten als neuartig (https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/?event=home& seqfce=72& ascii=C; „Übersetzung“ s. Deutscher Bundestag, Verkehrsfähigkeit von Cannabidiol(CBD)-haltigen Lebensmitteln, 22. Juli 2019, WD-5-065-19, S. 10f., vgl. VGH Baden-Württemberg B.v. 16.10.2019 – 9 S 535/19 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris).
Gegenteilige Anhaltspunkte für eine Bewertung der streitgegenständlichen Lebensmittel als nicht neuartig im Sinne der Novel Food-Verordnung bestehen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers nicht. Der Kläger wendet sich vorliegend nicht gegen die Untersagung von Cannabidiol als Einzelzutat bzw. als CBD-Isolat (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung), so dass nur die Neuartigkeit der weiteren im streitgegenständlichen Bescheid genannten Produkte streitig ist.
Aus den vom Kläger betreffend die Pflanze „Cannabis sativa“ und/oder cannabinoidhaltigen Extrakte aus Cannabis sativa L. und sämtlichen Lebensmitteln (einschließlich Nahrungsergänzungsmittel), zu denen cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt wurden, gelieferten Informationen ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte, geschweige denn Nachweise für einen nennenswerten Verzehr als Lebensmittel in der Union vor dem maßgeblichen Stichtag. Wie oben dargelegt ist die Neuartigkeit stets produktbezogen zu prüfen.
Der als Anlage K3 vorgelegte Bericht „Informationen über Hanf“ enthält umfangreiche Aussagen über die Geschichte und Verwendung von Hanf, aber nicht hinsichtlich des Verzehrs der hier noch streitigen Lebensmittel in der Europäischen Union. Dies gilt entsprechend für den vorgelegten Kurzauszug aus „Hash Marihuana & Hemp Museum“, welcher die Geschichte des Hanfs und dessen Verarbeitung in der Vergangenheit bis zum 2. Weltkrieg betrifft.
Die deutsche Übersetzung der vom Verband EIHA am 12. März 2019 erstellten Zusammenfassung diverser Quellen und Belege über die Verwendung von Hanf als Lebensmittel in Europa (Anlage K4) stellt lediglich eine allgemeine Betrachtung dar, die nicht geeignet ist nachzuweisen, dass gerade die streitgegenständlichen Produkte bereits vor dem 15. Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden.
Auch dem als Anlage K5 vorgelegten in die englische Sprache übersetzten Rezept des Italieners Bartolommeo Platina aus seinem Kochbuch im Jahr 1475 n.Chr. können keinerlei Aussagen über die fehlende Neuartigkeit der hier streitrelevanten Produkte entnommen werden.
Gleiches gilt für die vorgelegte Stellungnahme der Clinical Investigation S. P. GmbH vom 11. Januar 2016 (Anlage K6). Die Passage auf der 4. Seite der Stellungnahme, wonach in Europa jährlich etwa 7,5 t Hanfblüten für die Produktion von essentiellen Ölen (möglicherweise gemeint: ätherischen Ölen) für die Nahrungs- und Getränkeindustrie sowie für medizinische Zwecke verarbeitet werden, betrifft Lebensmittelaromen (Art. 2 Abs. 2 lit. b Ziffer iii Novel Food-VO) sowie Arzneimittel, für die die Novel Food-VO nicht gilt (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 27.9.2019 – 16 L 2333/19 – juris Rn. 43).
Auch die als Anlagen K7 und K8 übersandten schriftlichen Mitteilungen der EU-Kommission vom 3. Februar 1998 und vom 3. März 1998 reichen nicht aus, die Neuartigkeit der streitgegenständlichen Produkte zu widerlegen. Dass ein Lebensmittel aufgrund neuester Erkenntnisse im Hinblick auf seine Neuartigkeit anders als in der Vergangenheit zu bewerten und der Eintrag möglicherweise zu ändern ist, ist mit Blick auf den aus Art. 1 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 folgenden Zweck, für ein hohes Niveau beim Schutz der Gesundheit des Menschen zu sorgen, hinzunehmen (VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris Rn. 19).
Die Änderungen des Novel Food Katalogs (vgl. Anlagen K9-K13) führen nicht zur Schwächung des Aussagegehalts des Katalogs. Die Europäische Kommission ist nach Art. 6 Abs. 1 Novel Food-VO verpflichtet, den Katalog auf neuestem Stand zu halten. Ungeachtet dessen ist die Änderung des Eintrags zu „Cannabinoids“ nicht als Abkehr von der bisherigen Einschätzung der Europäischen Kommission, sondern als Klarstellung zu verstehen. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung vom 25. Juli 2019 auf eine Kleine Anfrage, Einschränkungen von CBD durch Novel Food-Verordnung und Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, BT-Drs. 19/11922, auf Seite 2: „Im Januar 2019 erfolgte keine Änderung von Einträgen in der Novel Food-Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel), vielmehr wurden Cannabinoide von der Europäischen Kommission neu in den sogenannten Novel Food-Katalog aufgenommen, da in jüngerer Zeit verstärkt Produkte mit Cannabinoiden, insbesondere Cannabidiol (CBD), in der EU aufgetaucht sind, die als Lebensmittel vermarktet wurden, und sich die Frage nach der Verkehrsfähigkeit entsprechender Erzeugnisse stellte. Mit den Einträgen hat die Europäische Kommission klargestellt, dass es sich bei den betreffenden Produkten um neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel Food-Verordnung handelt, die zulassungspflichtig sind. Die Entscheidung über die Einträge zu Cannabinoiden wurde von den EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission nach Sichtung und Wertung der verfügbaren Informationen im Konsens getroffen.“ (Antwort der Bundesregierung vom 25. Juli 2019 auf eine Kleine Anfrage, Einschränkungen von CBD durch Novel-Food-Verordnung und Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, BT-Drs. 19/11922, S. 2; vgl. VG Düsseldorf, B.v. 27.9.2019 – 16 L 2333/19 – juris Rn. 36f.).
Auch die Ausführungen zur veröffentlichten Beurteilung durch das BVL (Anlage K14), welches nach § 1 Nr. 1 NLV in Deutschland auf Bundesebene das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige Behörde für das Konsultationsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 und 3 NFV ist, die Reaktion der EIHA und die Gegendarstellungen des Klägerbevollmächtigten sind nicht ausreichend, um die Verwendung der streitrelevanten Produkte in nennenswertem Umfang im Sinne der Novel Food-Verordnung zu belegen. Entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten steht Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2009/32/EG dem Inverkehrbringungsverbot aus Gründen der Neuartigkeit nicht entgegen. Die Richtlinie dient der Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Extraktionsmittel, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten verwendet werden. Die Neuartigkeit der streitgegenständlichen Produkte wird vorliegend jedoch nicht (allein) mit dem verwendeten Extraktionsmittel begründet, sondern damit, dass für die relevanten Endprodukte ein Verzehr in nennenswertem Umfang vor dem maßgeblichen Stichtag nicht belegt ist. Dem steht die Richtlinie 2009/32/EG nicht entgegen.
Der als Anlage K15 eingereichten Antwort der Bundesregierung im Deutschen Bundestag vom 25. Juli 2019, Drucksache 19/11512, ist ebenfalls nicht in der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die gegenständlichen Produkte bereits vor dem 15. Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Vielmehr ergibt sich hieraus u.a., dass aus den betreffenden Stellungnahmen der Europäischen Kommission gerade nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass sämtliche Erzeugnisse der Hanfpflanze, also beispielsweise auch isolierte Einzelsubstanzen wie Cannabinoide oder mit Cannabinoiden angereicherte Extrakte, als Lebensmittel verkehrsfähig wären.
Auch aus den weiteren mit klägerischem Schriftsatz vom 6. Juli 2020 eingereichten Unterlagen ergibt sich kein Beleg für einen Verzehr der streitgegenständlichen Produkte vor dem 15. Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang. Die klägerischen Ausführungen beziehen sich nicht auf ein konkretes streitgegenständliches Produkt, sondern beschränken sich auf allgemeine Darlegungen zur bisherigen Verwendung von Nutzhanf.
Weiterhin sind auch die Voraussetzungen für eine Ausnahme zur Kategorie iv) der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der VO (EU) 2015/2283 nicht gegeben. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen haben die streitgegenständlichen Produkte keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union. Abzustellen ist auch insoweit auf das jeweilige Endprodukt und nicht auf die verarbeitete Pflanze bzw. die verarbeiteten Pflanzenteile (VG Düsseldorf, B.v. 27.9.2019 – 16 L 2333/19 – juris Rn. 48; VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – juris Rn. 30).
Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, die Darlegungslast trage zunächst derjenige, der das Vorliegen einer „Neuartigkeit“ eines Lebensmittels/Nahrungsergänzungsmittels behaupte, greift nicht. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der VO (EU) 2015/2283 haben die Lebensmittelunternehmer – vorliegend also der Kläger – dem Mitgliedstaat die erforderlichen Informationen zu liefern, damit festgestellt werden kann, ob ein Lebensmittel in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Hierzu gehören auch die Informationen über die Verwendung eines Lebensmittels zum menschlichen Verzehr in der Union vor dem 15. Mai 1997 (vgl. auch Erwägungsgrund 19 der VO (EU) 2015/2283). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat nicht neuartig ist, trägt entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten der Lebensmittelunternehmer, der das Lebensmittel oder die Lebensmittelzutat in Verkehr bringt oder bringen will (OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 16.10.2019 – 9 S 535/19 – juris Rn. 16). Der Anregung des Klägerbevollmächtigten, die Frage der Beweislast dem EuGH zum Zwecke einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorzulegen, folgt das Gericht nicht. Eine Pflicht zur Vorlage besteht insoweit nicht. Vielmehr konnte und durfte das Gericht die Rechtsfrage selbst entscheiden.
Die Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 138 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 liegen somit hier vor, denn das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Produkte verstößt, wie vorstehend erörtert, gegen die VO (EU) 2015/2283. Nach der Feststellung dieses Verstoßes war die zuständige Behörde unionsrechtlich zum Einschreiten verpflichtet. Die hier erfolgte Untersagung des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Produkte sowie die Anordnung ihrer Sperrung und ihres Entfernens aus dem Internetangebot gehören dabei zu den nach Art. 138 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 zulässigen Maßnahmen. Die Anordnungen waren und sind auch erforderlich und geeignet, um sicherzustellen, dass die vom Kläger begangenen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht beendet werden. Insbesondere in Ansehung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 ist ein gleich geeignetes, milderes Mittel nicht erkennbar. Die Maßnahmen sind auch in Ansehung der wirtschaftlichen Bedeutung für den Kläger verhältnismäßig. Von den Anordnungen ausgenommen sind zugelassene und in der Unionsliste aufgeführte, neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften (Nr. 1 Satz 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2019). Nr. 3 des Bescheids vom 19. Dezember 2019 eröffnet dem Kläger zudem die Möglichkeit, einen schriftlichen Nachweis über die Erfüllung der in Nr. 1 Satz 2 des Bescheids genannten Voraussetzung vorzulegen.
Schließlich sind auch die mit den einzelnen Maßnahmen getroffenen Zwangsmittelandrohungen sowie die Tragung der Bescheidskosten nicht zu beanstanden. Insoweit sind Einwände weder von Klägerseite vorgebracht, noch besteht sonst Anlass zu rechtlichen Bedenken. Infolgedessen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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