Europarecht

Personelle und organisatorische Trennung von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger

Aktenzeichen  20 B 15.285

Datum:
11.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 116456
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 17 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 5 S. 2
BayAbfG Art. 29 Abs. 2
BayVwVfG Art. 46
AbfZustV § 4 Abs. 1 Nr. 2
GO Art. 9 Abs. 1 S. 1, Art. 115 Abs. 1 S. 2, Art. 116
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 2 S. 1, Art. 84 Abs. 1
BV Art. 11 Abs. 2
AEUV Art. 102, Art. 106

 

Leitsatz

Eine nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Neutralität hinreichende personelle und organisatorische Trennung von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger innerhalb derselben Behörde setzt zumindest voraus, dass nicht derselbe zeichnungsberechtigte Amtswalter in beiden Funktionen tätig wird und dass die jeweils zeichnungsberechtigten Amtswalter nicht denselben unmittelbaren Vorgesetzten haben. Dem gegenüber ist eine Rechtsträgertrennung weder nach Verfassungsrecht noch nach europäischem Unionsrecht gefordert. (Rn. 23 – 37)

Verfahrensgang

AN 11 K 14.1450 2014-11-12 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. November 2014, Az. AN 11 K 14.1450 und der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen, weil der Bescheid des Beklagten vom 2. September 2014 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Urteil der Vorinstanz ist daher aufzuheben.
Die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 2. September 2014 hinsichtlich der angezeigten Sammlung der Klägerin ist formell rechtswidrig, weil es an der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten zu ihrem Erlass fehlte.
Die Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes – KrWG ist zwar aufgrund deren Charakters als Dauerverwaltungsakt nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 57; BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 24). Dies ändert aber nichts daran, dass ein rechtswidrig erlassener Verwaltungsakt durch spätere Veränderungen der Sach- und Rechtslage nicht rechtmäßig wird, es sei denn, das einschlägige Verwaltungsverfahrensrecht oder materielle Recht ließen die Heilung oder das Unbeachtlichwerden des Mangels zu (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 47). Derartige Heilungs- oder Unbeachtlichkeitsvorschriften bestehen für die Frage der sachlichen Behördenzuständigkeit jedoch nicht; auch Art. 46 BayVwVfG findet keine Anwendung (BayVGH, U.v. 25.1.2010 – 20 B 09.1553 – juris; Kopp/Schenke a.a.O. Rn. 50 a.E.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 43; Schemmer in Beck´scher Onlinekommentar, VwVfG, § 46 Rn. 32). Dies folgt zum einen schon im Umkehrschluss aus Art. 46 BayVwVfG, der sachliche Zuständigkeitsmängel nach seinem Wortlaut nicht erfasst. Zum anderen folgt dies daraus, dass der Makel der sachlichen Unzuständigkeit der Erlassbehörde dem Verwaltungsakt nach wie vor anhaftet. Wegen der damit verbundenen und noch andauernden Rechtsverletzung (Art. 2 Abs. 1 GG) hat die Klägerin somit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 45). Unerheblich ist deshalb auch, dass die Beklagte mit Wirkung vom 1. Januar 2017 die interne Organisation ihres Umweltamtes geändert hat und ob die so geschaffene Organisationsstruktur den Anforderungen des Neutralitätsgebots genügt.
Die Beklagte war zum Erlass der Untersagungsverfügung sachlich unzuständig. Zwar folgt ihre sachliche Zuständigkeit als kreisfreie Stadt und damit untere Abfallbehörde für den Erlass einer Untersagung der hier im Streit stehenden Art aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten im Bereich der Abfallentsorgung (Abfallzuständigkeitsverordnung – AbfZustV) i.d.F. vom 7. November 2005 (GVBl. S. 565), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Januar 2015 (GVBl. S. 5) i.V.m. Art. 29 Abs. 2 des Bayer. Abfallwirtschaftsgesetzes – BayAbfG und Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Bayer. Gemeindeordnung – GO. Aufgrund der somit bestehenden Doppelzuständigkeit der Beklagten als untere Abfallbehörde sowie als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger i.S.d. §§ 17, 20 KrWG (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayAbfG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 GO) verlangen jedoch der rechtsstaatliche Grundsatz des fairen Verfahrens in der Ausprägung des Neutralitätsgebots (1.) sowie das aus dem europäischen Unionsrecht abgeleitete Neutralitätsgebot (2.) eine ausreichende personelle und organisatorische Aufgabentrennung (3.), der die bei der Beklagten im relevanten Zeitpunkt vorhandene behördeninterne Organisation und Aufgabenverteilung im Abfallrecht nicht genügte (4.).
1. Das aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des fairen Verfahrens abgeleitete Neutralitätsgebot verlangt im Falle der Doppelzuständigkeit einer Behörde zwar keine Rechtsträgertrennung, aber eine hinreichende personelle und organisatorische Aufgabentrennung. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass die Aufgaben von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger durch dieselbe Behörde wahrgenommen werden.
a) Dem Kreislaufwirtschaftsgesetz lassen sich keine näheren Vorgaben für eine Trennung von öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und Vollzugsbehörde entnehmen. Der Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, der lediglich von der „zuständigen Behörde“ spricht, ist insoweit unergiebig. Zwar sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 6. Juni 2011 eine Trennung des Rechtsträgers der zuständigen Abfallbehörde vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 KrWG-E, BT-Drs. 17/6052). In der Gesetzesbegründung wurde hierzu ausdrücklich auf die Vorgaben des europäischen Wettbewerbsrechts Bezug genommen (BT-Drs. 17/6052, S. 88 unter Verweis auf EuGH, U.v. 1.7.2008 – C-49/07 [MOTOE]). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch, der Empfehlung des Bundesrates (Stellungnahme v. 27.5.2011, Anlage 3 zur BT-Drs. 17/6052, S. 117 f.) sowie des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Beschlussempfehlung v. 27.10.2011, BT-Drs. 17/7505, S. 4, 46) folgend, § 18 Abs. 1 Satz 2 KrWG-E gestrichen. Dies wurde damit begründet, dass die Länder für die Einhaltung der verfassungsrechtlichen und unionswettbewerbsrechtlichen Vorgaben Sorge zu tragen hätten (BT-Drs. 17/7505 S. 47, vgl. dazu OVG NRW, U.v. 15.8.2013 – 20 A 2798/11 – juris Rn. 45; VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 20; Weidemann, AbfallR 2012, 96/100). In dem nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 28. Oktober 2011 (Plenarprotokoll der 137. Sitzung v. 28.10.2011, S. 16323) vom Bundesrat angestoßenen Vermittlungsverfahren erfolgte keine weitere Änderung des § 18 KrWG. Der hier zu beurteilenden Situation einer kreisfreien Stadt können auch aus dem Verweis der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs. 17/6645, S. 4) auf die besondere Situation der Stadtstaaten keine Hinweise entnommen werden. Hinsichtlich der Stadtstaaten ging die Bundesregierung davon aus, dass bei diesen eine vollständige Behörden- bzw. Rechtsträgertrennung wegen der damit verbundenen besonderen organisatorischen Schwierigkeiten nicht gefordert werden könne. Der Gesetzeshistorie lässt sich somit zwar entnehmen, dass auf die besondere Situation der Stadtstaaten Rücksicht genommen werden sollte (vgl. VG Hamburg, U.v. 9.8.2012 – 4 K 1905/10 – juris Rn. 67; Klement in Schmehl, GK-KrWG, § 18 Rn. 13). Die Situation der Stadtstaaten ist jedoch insoweit nicht mit derjenigen der bayerischen kreisfreien Städte vergleichbar. Denn bei diesen hätte es der Landesgesetzgeber in der Hand, die Aufgaben der unteren Abfallbehörde anderen Behörden zu übertragen.
Nach der Gesetzessystematik besteht die Befugnis zur Untersagung von gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG u.a. für den Fall, dass die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 KrWG genannten Voraussetzungen – darunter bei gewerblichen Sammlungen auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers – anders nicht zu gewährleisten ist. Regelungstechnisch wird damit an § 17 Abs. 2 Satz 1 KrWG angeknüpft, der seinerseits Ausnahmen für sortenreine Haushaltsabfälle von der in § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG statuierten Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger regelt. Überwiegende öffentliche Interessen stehen einer Ausnahme zugunsten gewerblicher Sammlungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG u.a. entgegen, wenn diese in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährden (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG). Eine solche Gefährdung der Funktionsfähigkeit ist u.a. anzunehmen, wenn die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG), wofür in den Fällen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 KrWG eine widerlegbare Vermutung spricht (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 24 ff.). Um eine solche Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers beurteilen zu können, muss die zuständige Behörde diesen gemäß § 18 Abs. 4 KrWG im Anzeigeverfahren beteiligen. Die §§ 17 und 18 KrWG unterscheiden somit zumindest funktional zwischen der zuständigen Behörde i.S.d. § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger i.S.d. § 17 und § 18 Abs. 4 KrWG. Dies spricht für eine Aufgabentrennung, sagt aber nichts über den erforderlichen Grad der Trennung aus. Im Hinblick auf den Gesetzeszweck spricht aus diesem System von Grundsätzen, Ausnahmen und Gegenausnahmen, gekennzeichnet durch eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe, das Bemühen des Gesetzgebers, einerseits die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger so weit wie nötig zu schützen, andererseits aber auch – insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 106 Abs. 1 und 102 AEUV – privaten Sammlern wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten zu gewährleisten (OVG Lüneburg, U.v. 21.3.2013 – 7 LB 56/11 – juris Rn. 29; vgl. auch BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 24 ff.). Dieses Ziel einer behutsamen Austarierung von gegenläufigen Interessen der Entsorgungsträger und der privaten Sammler könnte verfehlt und eine interessengeleitete Rechtsanwendung im Bereich der §§ 17, 18 KrWG befördert werden, wenn die Abfallwirtschaftsbehörde derjenigen Körperschaft, die zugleich öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger ist, über die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in den genannten Vorschriften zu entscheiden hat (OVG Lüneburg a.a.O.). Dieser Umstand ist dem Gesetzgeber zwar – wie die Entstehungsgeschichte zeigt – bewusst gewesen, dieser hat die Bewältigung der Problematik aber der Behördenorganisation der Länder überlassen. Dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes kann deshalb nur die Notwendigkeit von organisatorischen Vorkehrungen entnommen werden, welche die Gefahr einer Instrumentalisierung der Abfallbehörde durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verringern. Dagegen lässt sich die Forderung nach einer Rechtsträgertrennung angesichts der Entstehungsgeschichte gerade nicht auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz stützen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 20 ff.). Überdies stieße es auf verfassungsrechtliche Bedenken, aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz ohne ausdrückliche Regelung eine solche in organisatorischer Hinsicht weitreichende Forderung abzuleiten. Denn nach Art. 84 Abs. 1 GG muss eine mit einer bundesrechtlichen Neuregelung verbundene Notwendigkeit der Änderung der Verwaltungsorganisation in den Ländern beim landeseigenen Gesetzesvollzug (Art. 83 GG) in dem Bundesgesetz ausdrücklich bestimmt sein.
b) Verfassungsrechtlich ist jedoch aufgrund des dem Rechtsstaatsprinzip zugeordneten Grundsatzes des fairen Verwaltungsverfahrens in der Ausprägung als Neutralitätsgebot eine hinreichende organisatorische und personelle Trennung von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger gefordert.
Zwar ist es im Ansatz nicht zu beanstanden, dass eine Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit auch in eigenen Angelegenheiten entscheidet, weil der Schutz der subjektiven Rechte eines betroffenen Bürgers durch die von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe sichergestellt ist (BVerwG, U.v. 16.6.2016 – 9 A 4/15 – juris Rn. 29; B.v. 31.3.2006 – 8 B 2.06 – juris Rn. 5). Die Rechtsordnung kennt keine sog. institutionelle Befangenheit, insbesondere ist diese nicht von der Ausschlussvorschrift des Art. 20 BayVwVfG erfasst (BVerwG, U.v. 16.6.2016 a.a.O.; B.v. 31.3.2006 a.a.O.). Die Ermächtigung einer Behörde, in eigener Sache tätig zu werden, findet jedoch ihre verfassungsrechtliche Grenze in dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie aus den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz des fairen und objektiven Verfahrens. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich indes keine konkreten Forderungen aus dem Gebot des fairen Verfahrens für die Aufgabenverteilung innerhalb der Verwaltung ableiten. Das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr, dass das Rechtsstaatsprinzip keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote mit Verfassungsrang enthalte (vgl. BVerwG, B.v. 9.4.1987 – 4 B 73.87 – juris Rn. 4 mit Verweis u.a. auf BVerfG, E.v. 24.7.1957 – 1 BvL 23/52 – juris; B.v. 16.1.1980 – 1 BvR 127/78, 1 BvR 679/78 – juris). Das gilt im Übrigen auch, soweit der Grundsatz des fairen Verwaltungsverfahrens in seiner grundrechtsschützenden Funktion Beachtung verlangt (BVerwG, B.v. 9.4.1987 – 4 B 73.87 – juris Rn. 4 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 21.3.1986 – 4 C 48.82 – juris; U.v. 5.12.1986 – 4 C 13.85 – juris).
c) Diesen Grundsätze konkretisierend hat das BVerwG in mehreren Entscheidungen zum Planfeststellungsrecht ausgeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz des fairen Verfahrens eine Identität zwischen Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde – im Sinne einer Identität des Rechtsträgers – nicht ausschließen. Eine organisatorische Trennung beider Funktionen kann zwar wesentlich dazu beitragen, die Gefahr und den äußeren Anschein zu vermeiden, dass der Planfeststellungsbehörde die notwendige Distanz gegenüber dem Vorhabenträger fehlt. Aus diesem Grunde mag es rechtspolitisch befriedigender sein, wenn die zur Planfeststellung ermächtigte Behörde mit dem Vorhabenträger nicht identisch ist. Damit wird jedenfalls im Regelfall eine verfahrensrechtliche Distanz erreicht, welche der Ausgewogenheit der Entscheidung zugutekommen werde. Rechtsstaatliche Gründe mögen dies sogar nahelegen, gebieten es indes nicht als zwingendes Recht (BVerwG, U.v. 16.6.2016 – 9 A 4.15 – juris Rn. 36; U.v. 18.3.2009 – 9 A 39.07 – juris Rn. 24; B.v. 9.4.1987 – 4 B 73.87 – juris Rn. 4 jeweils m.w.N.). Denn eine Behörde mit Doppelzuständigkeit hat als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen, ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht. Angesichts dessen ist eine neutrale Aufgabenwahrnehmung durch sie als Planfeststellungsbehörde jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist (BVerwG, U.v. 16.6.2016 – 9 A 4.15 – juris Rn. 36; U.v. 18.3.2009 – 9 A 39.07 – juris Rn. 24; ebenso BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 20 ZB 13.870 – Rn. 3; OVG NRW, U.v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 32).
d) Gestützt auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird es in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bisher überwiegend für ausreichend erachtet, wenn eine personelle und organisatorische Aufgabentrennung zwischen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einerseits und der für den Vollzug des KrWG zuständigen Behörde andererseits besteht (BayVGH, B.v. 16.6.2014 – 20 ZB 14.885 – juris Rn. 2; B.v. 8.7.2013 – 20 ZB 13.894 – juris Rn. 3; B.v. 13.6.2013 – 20 ZB 13.805 – juris Rn. 5; OVG NRW, U.v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 32 ff.; VGH BW, B.v. 4.3.2014 – 10 S 1127/13 – juris Rn. 16; B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 22; OVG Koblenz, B.v. 4.7.2013 – 8 B 10533/13 – juris Rn. 5). Dieser Auffassung haben sich Teile der Literatur angeschlossen (z.B. Gruneberg in Jahn/Deifuß-Kruse/Brandt, KrWG, 2014, § 18 Rn. 24).
Dem gegenüber fordert das OVG Lüneburg, allerdings in Anwendung einer inzwischen aufgehobenen landesrechtlichen Vorschrift (vgl. Mann, KommJur 2014, 321/322 f.), eine Trennung der Rechtsträger von öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und Vollzugsbehörde (OVG Lüneburg, U.v. 21.3.2013 – 7 LB 56/11 – juris Rn. 26 ff.). Ihm folgend argumentieren Teile der Literatur zum Kreislaufwirtschaftsgesetz, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auf das zu beurteilende Verhältnis von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger nicht übertragbar. Denn diese Entscheidungen gingen davon aus, dass im Planfeststellungsrecht sowohl der Träger des Vorhabens als auch die Planfeststellungsbehörde demselben öffentlichen Interesse verpflichtet seien. Im Verhältnis der unteren Abfallbehörde zum öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sei die Interessenlage aber – insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 102, 106 AEUV – anders zu beurteilen. Denn die Abfallbehörde könne zugunsten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in den Wettbewerb eingreifen und diesem einen wettbewerblichen Vorteil durch Ausschalten privater Konkurrenz verschaffen. Deshalb sei hier nicht nur eine personelle und organisatorische Aufgabentrennung, sondern eine Rechtsträgertrennung erforderlich (Karpenstein/Dingemann in Jarass/Petersen, KrWG 2014, § 18 Rn. 29; Dippel, AbfallR 2013, 186/188; Ingerowski, AbfallR 2014, 187/194 f.; Dippel/Ottensmeier, AbfallR 2017, 13/19).
Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Zwar ist ihr zuzugeben, dass bei einer zu engen personellen und organisatorischen Verflechtung von Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger die Gefahr eines Interessenkonfliktes oder zumindest ein entsprechender Anschein besteht. Denn beide Beteiligten sind zwar, wie die §§ 17, 18 und 20 KrWG zeigen, demselben öffentlichen Interesse verpflichtet, nämlich die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen (§ 1 KrWG). Wegen der Teilnahme des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers am Wettbewerb und der damit einhergehenden Möglichkeit der Einnahmenerzielung besteht aber ein Sonderinteresse desselben und seiner Amtsträger, welches mit dem von der Abfallbehörde vertretenen Allgemeininteresse nicht identisch ist (vgl. Scheuing, NVwZ 1982, 487/489 zum Sonderinteresse beim Amtskonflikt nach § 20 VwVfG; vgl. auch Weidemann, AbfallR 2012, 96/100). Dieser Umstand zwingt aber nicht zu einer Rechtsträgertrennung. In dem verfassungsrechtlichen Gebot des fairen Verfahrens findet eine solche Forderung, wie ausgeführt, keine Grundlage, auch nicht vor dem Hintergrund der grundrechtsschützenden Funktion dieses Grundsatzes (BVerwG, B.v. 9.4.1987 – 4 B 73.87 – juris Rn. 4 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 21.3.1986 – 4 C 48.82 – juris; U.v. 5.12.1986 – 4 C 13.85 – juris). Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine hinreichende personelle und organisatorische Aufgabentrennung im Sinne der o.g. Rechtsprechung einen solchen Interessenkonflikt nicht vermeiden könnte. Vielmehr entstehen die Gefahr oder zumindest der Anschein interessengeleiteter Entscheidungen gerade dann, wenn die konkret für die untere Abfallbehörde tätig werdenden Amtswalter sich personell und organisatorisch in zu großer Nähe zu den Amtswaltern des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers befinden oder gar aufgrund der konkreten Aufgabenverteilung mit diesen (teil-)identisch sind. Amtswalter in diesem Sinne ist jeweils derjenige, der als Beamter oder Angestellter eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in einem organisationsrechtlichen Verhältnis zu einem Verwaltungsträger steht und kraft dessen die einem bestimmten Amt (im konkret-funktionellen Sinne) zugeordneten Aufgaben wahrnimmt. Als solcher ist er zwar durch den Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns (Art. 20 Abs. 3 GG), durch seine persönliche Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit des eigenen dienstlichen Verhaltens (vgl. § 36 Abs. 1 BeamtStG bzw. die entsprechenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen) und aufgrund der durch Vorgesetzte und Aufsichtsbehörden ausgeübten Kontrolle gehalten, seine Entscheidungen nicht von sachfremden Einflüssen leiten zu lassen. Dies vermag ihn aber nicht davor zu schützen, dass die ihm konkret zugewiesenen Aufgaben verschiedenen – unter Umständen sogar gegenläufigen – Interessen zu dienen bestimmt sein können. So wird sich derjenige Amtswalter, der für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger tätig wird, durchaus auch dem wirtschaftlichen Sonderinteresse des Letzteren verpflichtet sehen (vgl. Scheuing a.a.O.). Daher kann einem solchen Interessenkonflikt bereits dadurch wirksam begegnet werden, dass innerhalb einer Behörde mit entsprechender Doppelzuständigkeit eine personelle und organisatorische Trennung der Aufgaben von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger gewährleistet wird.
2. Die Forderung nach einer ausreichenden personellen und organisatorischen Trennung von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger wird zusätzlich durch das aus dem europäischen Unionsrecht, insbesondere der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 102, 106 AEUV abgeleitete Neutralitätsgebot gestützt. Hingegen lässt sich auch unter diesem Gesichtspunkt die Forderung nach einer Rechtsträgertrennung nicht tragfähig begründen.
a) Die Wettbewerbsregelungen des europäischen Unionsrechts, insbesondere das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV, beanspruchen innerhalb der durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gezogenen Grenzen auch für öffentliche Unternehmen Geltung, denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewähren (Art. 106 Abs. 1 AEUV). Die Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung durch eine gesetzliche Aufgabenzuweisung als solche ist aber noch nicht mit Art. 102 AEUV unvereinbar. Ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot ist vielmehr erst dann gegeben, wenn entweder durch die gesetzlichen Regelungen eine Lage geschaffen wird, in der das Unternehmen zwangsläufig gegen Art. 102 AEUV verstoßen muss, wenn das Unternehmen also durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht (BVerwG, U.v. 30.6.2016 a.a.O. unter Verweis auf EuGH, U.v. 23.4.1991 – C-41/90 [Höfner] – juris Rn. 27; U.v. 10.12.1991 – C-179/90 [Porto di Genova] – juris Rn. 17; C-203/96 [Dusseldorp] – juris Rn. 61; U.v. 23.5.2000 – C-209/98 [Sydhavnens Sten & Grus] – juris Rn. 66; U.v. 17.7.2014 – C-553/12 P [Kommission/DEI] – juris Rn. 41). Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werden zwar durch die Regelungen der §§ 17, 18 KrWG nicht im Sinne der ersten Alternative notwendig zur missbräuchlichen Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung, etwa durch Forderung überhöhter Gebühren, veranlasst (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 33 mit Verweis auf Klement in Schmehl, GK-KrWG, § 17 Rn. 29 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat aber offen gelassen, ob im Sinne der zweiten Alternative eine zum Missbrauch verleitende Lage geschaffen wird, etwa weil die gesetzliche Regelung nicht garantiere, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ihre Leistungen immer nachfragegerecht anböten (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 33).
b) Eine solche zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verleitende Lage wird nach der Rechtsprechung des EuGH u.a. dann geschaffen, wenn eine nationale Regelung einer juristischen Person, die selbst im Wettbewerb tätig ist, die Befugnis verleiht, gegenüber anderen Wettbewerbsteilnehmern deren Tätigkeit im Wettbewerb betreffende nachteilige Maßnahmen zu treffen, ohne dass diese Befugnis Beschränkungen, Bindungen und einer Kontrolle unterliegt (EuGH, U.v. 1.7.2008 – C-49/07 [MOTOE] – juris Rn. 51 ff.). Denn ein solches Recht kann dazu führen, dass die begünstigte juristische Person den Zugang der anderen Beteiligten zu dem betreffenden Markt verhindert oder den Wettbewerb zu ihren Gunsten verfälscht (EuGH, U.v. 1.7.2008, a.a.O., Rn. 52). (EuGH, U.v. 1.7.2008, a.a.O., Rn. 51 f. mit Verweis auf U.v. 19.3.1991 – C-202/88 [Frankreich/Kommission] – Rn. 51; U.v. 13.12.1991 – C-18/88 [GB-Inno-BM] – Rn. 25). In dieselbe Richtung weist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Öffentlichen Personennahverkehr. Danach stehen die Grundfreiheiten – dort die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV – einer nationalen Regelung entgegen, welche die Versagung einer Genehmigung des Betriebs einer Omnibuslinie zum Schutz der Rentabilität eines Konkurrenzunternehmens vorsieht, wenn diese Versagung allein auf der Grundlage der Angaben dieses Konkurrenzunternehmens ergeht. Denn rein wirtschaftliche Interessen stellen keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine Beschränkung der jeweiligen Grundfreiheit zuließe (EuGH, U.v. 22.12.2010 – C-338/09 [Yellow Cab] – juris Rn. 51 ff.). Unionsrechtlich kommt es somit für das Vorliegen einer mit den Wettbewerbsregelungen bzw. den Grundfreiheiten im Binnenmarkt unvereinbaren staatlichen Begünstigung einer juristischen Person nicht allein darauf an, ob dieser vom Mitgliedstaat die Befugnis verliehen ist, gegenüber anderen Wettbewerbsteilnehmern deren Tätigkeit im Wettbewerb betreffende nachteilige Maßnahmen zu treffen, sondern zusätzlich darauf, ob diese Befugnis Beschränkungen, Bindungen und einer Kontrolle unterliegt (EuGH, U.v. 1.7.2008 – C-49/07 [MOTOE] a.a.O. Rn. 51 ff.), wobei rein wirtschaftliche Erwägungen als Beschränkungen oder Bindungen nicht ausreichen dürften (EuGH, U.v. 22.12.2010 – C-338/09 [Yellow Cab] a.a.O.).
c) Diese Rechtsprechung ist auch auf das hier zu beurteilende Verhältnis von unterer Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger zu übertragen (zweifelnd dem gegenüber VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 25). Den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern kommt als öffentlichen Unternehmen im funktionellen Sinne in ihrer Gesamtheit eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. Art. 102 AEUV zu. Diese resultiert aus der durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz flächendeckend für das gesamte Bundesgebiet geregelten Aufgabenzuweisung, welche die Gewährung eines ausschließlichen Rechtes i.S.d. Art. 106 Abs. 1 AEUV darstellt, in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 41.15 – juris Rn. 32 unter Verweis auf EuGH, U.v. 5.10.1994 – C-323/93 [Crespelle] – juris Rn. 17; U.v. 25.10.2001 – C-475/99 [Ambulanz Glöckner] – juris Rn. 23 ff.). Durch die Pflicht zur Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach § 17 Abs. 1 KrWG werden diesem zum einen besondere Rechte i.S.d. Art. 106 Abs. 1 AEUV verliehen, welche die untere Abfallbehörde im Untersagungswege nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG auch durchzusetzen vermag. Zwar trifft es zu, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger keine Entscheidungsbefugnis über die Untersagung einer privaten Sammlung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG und auch kein Vetorecht im Anzeigeverfahren zusteht (VG Ansbach, U.v. 23.1.2013 – AN 11 K 12.01693 – juris Rn. 60 f.; VG Hamburg, U.v. 9.8.2012 – 4 K 1905/10 – juris Rn. 66). Seine Rechtsstellung im Anzeigeverfahren, in dem ggf. eine Untersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG ergeht, ist verfahrensrechtlich nach § 18 Abs. 4 KrWG auf ein Recht zur Stellungnahme beschränkt. Wie gezeigt, besteht jedoch aufgrund der Regelungssystematik der §§ 17, 18 KrWG die Gefahr einer Instrumentalisierung der unteren Abfallbehörde durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bei Untersagungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, jedenfalls dann, wenn keine hinreichende personelle und organisatorische Trennung zwischen beiden Funktionen besteht, weil sich die ggf. in beiden Funktionen tätig werdenden oder diesen zu nahe stehenden Amtswalter in einem Interessenkonflikt befinden. Zum anderen wird durch die Überlassungspflicht eine von Art. 102 AEUV vorausgesetzte zumindest mögliche Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels auf dem Sektor der Alttextilien geschaffen (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 39 unter Verweis auf U.v. 25.10.2001 – C-475/99 [Ambulanz Glöckner] – Rn. 48). Denn die Überlassungspflicht gilt zwar unterschiedslos für alle Abfälle, entfaltet aber zu Gunsten des heimischen Markts eine protektionistische Wirkung und kann damit eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs in der Gestalt einer Ausfuhrbeschränkung (Art. 35 AEUV) darstellen, weil der Abfall jedenfalls nicht unmittelbar an einen Abnehmer im Ausland abgegeben werden kann (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 34 unter Verweis auf Klement in Schmehl, GK-KrWG, § 17 KrWG Rn. 8). Die dargelegte mögliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsordnung durch Ermöglichung oder Begünstigung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist auch nicht nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die hier vorliegende personelle und organisatorische Verflechtung von öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger und Vollzugsbehörde erforderlich wäre, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern (vgl. zur Auslegung des Art. 106 Abs. 2 AEUV im vorliegenden Zusammenhang BVerwG, U.v. 30.6.2016 a.a.O. Rn. 43 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 23.10.1997 – C-159/94 [Kommission/Frankreich] – juris Rn. 95; EuGH, Urt. v. 21.9.1999 – C-67/96 [Albany] – juris Rn. 107 und EuGH, Urt. v. 3.3.2011 – C-437/09 [AG2R Prévoyance] – juris Rn. 76).
d) Es bedarf daher im Einklang mit dieser Rechtsprechung bei einer Doppelzuständigkeit einer Behörde als untere Abfallrechtsbehörde und öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger hinreichender Beschränkungen, Bindungen und Kontrollen, um der Gefahr eines Interessenkonfliktes zu begegnen. Eine Kontrolle besteht im hierarchischen Verhältnis der Abfallbehörden darin, dass die Wahrnehmung der Untersagungsbefugnis nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG der fachaufsichtlichen Kontrolle unterliegt, welche im Falle der kreisfreien Städte durch die jeweils zuständige Regierung wahrzunehmen ist (Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 116 GO). Daneben ist jedoch innerhalb der in Doppelzuständigkeit tätig werdenden Behörde durch die innerorganisatorische Zuständigkeitsregelung sicherzustellen, dass die mit der Untersagungsbefugnis betrauten Amtswalter keine Aufgaben im Rahmen der Zuständigkeit der kreisfreien Stadt als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger wahrnehmen (vgl. zum Letzteren OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 4.7.2013 – 8 B 10533/13 – juris Rn. 5). Dies lässt sich nach der Überzeugung des Senats durch die bereits erörterte personelle und organisatorische Aufgabentrennung gewährleisten (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 26; VG Düsseldorf, B.v. 21.3.2013 – 17 L 260/13 – juris Rn. 17; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, KrWG, Stand Juni 2012, § 18 Rn. 31), die damit auch unionsrechtlich geboten ist.
Dem gegenüber lässt sich aus der o.g. Rechtsprechung zu Art. 102 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 AEUV nicht ableiten, dass mit den Aufgaben der Vollzugsbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von vornherein nicht derselbe Rechtsträger betraut werden darf (ebenso VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 22; B.v. 4.3.2014 – 10 S 1127/13 – juris Rn. 16 zu einem Stadtkreis; VG Düsseldorf, B.v. 21.3.2013 – 17 L 260/13 – juris Rn. 17; zur Situation der Stadtstaaten Klement in Schmehl, GK-KrWG, § 18 Rn. 13; a.A. wohl Beckmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2016, § 18 KrWG Rn. 10). Der Entscheidung „MOTOE“ ist vielmehr nur zu entnehmen, dass Art. 102 und 106 AEUV einer nationalen Regelung entgegenstehen, die einer auch im Wettbewerb auftretenden juristischen Person eine Befugnis, zu Lasten von Wettbewerbern zu entscheiden überträgt, wenn diese Befugnis keinen Beschränkungen, Bindungen und keiner Kontrolle unterliegt (EuGH a.a.O. Rn. 53). Damit stellt der Europäische Gerichtshof gerade keine Forderung nach einer Rechtsträgertrennung auf, sondern verlangt eine hinreichende Begrenzung und Kontrolle der übertragenen hoheitlichen oder quasi-hoheitlichen Befugnisse.
3. Gemessen an den dargestellten Grundsätzen des fairen Verwaltungsverfahrens und der Neutralität vermag die Aufgabenverteilung bei der Beklagten den Anforderungen an eine hinreichende personelle und organisatorische Aufgabentrennung nicht zu genügen.
a) Zwar lassen sich der bisher vorliegenden Rechtsprechung keine konkreten Mindestanforderungen an eine personelle und organisatorische Aufgabentrennung entnehmen, da die vorhandenen Gerichtsentscheidungen jeweils nur eine bestimmte, zur Überprüfung gestellte Organisationsform billigen oder für unzureichend befinden. Im Planfeststellungsrecht wird eine hinreichende organisatorische Trennung dadurch gewährleistet, dass die Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde einer anderen Hauptabteilung innerhalb derselben Behörde angehört als die dem Vorhabenträger zuzurechnenden Aufgabenbereiche, und wenn nichts für eine personelle Verquickung beider Aufgabenbereiche spricht (BVerwG U.v. 18.3.2009 – 9 A 39.07 – juris Rn. 25). Ebenso begegnet es keinen Einwänden, wenn die beiden Aufgabenbereiche jeweils getrennten Referaten eines Regierungspräsidiums zugewiesen sind, organisatorische oder personelle Überschneidungen nicht bestehen, die Abteilungen im Organisationsplan gleichberechtigt nebeneinander stehen und keine Weisungsrechte bestehen (BVerwG, U.v. 16.6.2016 – 9 A 4.15 – juris Rn. 36). Des Weiteren ist es nicht zu beanstanden, wenn innerhalb eines bayerischen Landratsamtes die Aufgaben der unteren Abfallbehörde entweder einem Sachgebiet einer anderen Abteilung zugewiesen sind, als die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (VG Würzburg, B.v. 7.11.2013 – W 4 S. 13.955 – beck-online), oder zumindest einem anderen Sachgebiet mit einem anderen Sachgebietsleiter innerhalb derselben Abteilung (VG München, U.v. 10.4.2014 – M 17 K 13.2786 – juris). Gebilligt wurde auch eine Organisationsform, bei der behördenintern unterschiedliche Sachbearbeiter zuständig sind und zumindest die unmittelbaren Vorgesetzten der Sachbearbeiter nicht personenidentisch sind (VG Düsseldorf, U.v. 8.8.2014 – 17 K 5343/13 – juris Rn. 40; B.v. 21.3.2013 – 17 L 260/13 – juris Rn. 19). Ausreichend ist im Übrigen auch eine institutionelle Verselbständigung durch Ausgliederung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in ein kommunales Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, an dem auch andere Rechtspersonen bzw. Unternehmen beteiligt sind (VGH Baden-Württemberg, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – juris Rn. 23; OVG NRW, U.v. 7.5.2015 – 20 A 2670/13 – juris Rn. 36; B.v. 19.7.2013 – 20 B 607/13 – juris Rn. 5; VG Düsseldorf, B.v. 26.4.2013 – 17 L 580/13 – juris Rn. 15). Dem gegenüber genügt es jedenfalls nicht, wenn die beiden Aufgabenbereiche nicht vollständig unterschiedlichen Sachbearbeitern zugewiesen sind (VG Düsseldorf, U.v. 8.4.2014 – 17 K 4098/13 – juris) oder es an einer organisatorischen Trennung zwischen dem abfallwirtschaftlichen Eigenbetrieb und der unteren Abfallrechtsbehörde fehlt (VGH Baden-Württemberg, B.v. 4.3.2014 – 10 S 1127/13 – juris Rn. 16).
b) Aus den genannten Entscheidungen folgt in der Gesamtschau nach der Überzeugung des Senats, dass eine ausreichende personelle und organisatorische Trennung dann gewährleistet ist, wenn für die beiden Aufgabenbereiche der unteren Abfallbehörde und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers jeweils unterschiedliche zeichnungsberechtigte Amtswalter zuständig sind und diesen nicht derselbe unmittelbare Vorgesetzte übergeordnet ist. Auf den zeichnungsberechtigten Amtswalter ist nach der Überzeugung des Senats abzustellen, weil bei diesem kraft organisationsrechtlicher Aufgabenzuweisung die Letztentscheidungsbefugnis und nach beamten- bzw. arbeitsrechtlichen Vorschriften die persönliche Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen liegt. Des Weiteren darf nicht für beide Aufgabenbereiche derselbe unmittelbare Vorgesetzte zuständig sein, weil dieser maßgeblichen Einfluss auf die Aufgabenverteilung der ihm nachgeordneten Bereiche hat, über sie die rechtliche und ggf. fachliche Aufsicht wahrnimmt und derselben im Konfliktfalle durch sein Weisungsrecht auch Nachdruck zu verleihen vermag. Er kann deshalb auch die Zuständigkeiten des ihm nachgeordneten Bereichs an sich ziehen, wodurch wiederum derselbe zeichnungsberechtigte Amtswalter für beide von dem zu vermeidenden Interessenkonflikt betroffene Aufgabenbereiche tätig werden kann. Dem gegenüber ist das Zusammenfallen der Zuständigkeiten auf einer höheren (Vorgesetzten-)Ebene, jedenfalls auf der „obersten“ Ebene, bei einer Wahrnehmung verschiedener Aufgabenbereiche durch einen Rechtsträger unvermeidbar (OVG NRW, U.v. 20.1.2014 – 20 B 331/13 – juris Rn. 7).
c) Daran gemessen war bei der Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Untersagungsverfügung weder eine hinreichende personelle noch eine hinreichende organisatorische Trennung gewährleistet. Zum einen fehlte es an einer hinreichenden personellen Trennung. Zwar wurden die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und der Vollzugsbehörde bei der Beklagten durch unterschiedliche Sachbearbeiter wahrgenommen, wobei der für den Vollzug des Abfallrechts zuständige Amtswalter auch selbst zeichnungsberechtigt war. Die beiden Aufgabenbereiche unterstanden aber demselben unmittelbaren Vorgesetzten (Amtsleiter B.), weil beide Sachbearbeiter jeweils auch die Leitungsaufgabe für ihren jeweiligen Arbeitsbereich wahrzunehmen hatten. Hinzu kommt, dass es nach der Aussage der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zumindest naheliegt, dass die Vertretung des Sachbearbeiters für die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, Herrn F. – für den kein „offizieller“ Vertreter (geschäftsplanmäßig) bestellt war – durch den Amtsleiter B. wahrgenommen wurde, der auch der unteren Abfallbehörde unmittelbar übergeordnet war. Auch organisatorisch fehlt es bei der Beklagten an einer hinreichenden Trennung von Abfallbehörde und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger, denn beide Arbeitsbereiche sind demselben Amt innerhalb desselben Referats zugeordnet.
d) Die Beklagte kann sich den somit durchgreifenden Bedenken gegen ihre interne Organisation und Aufgabenverteilung gegenüber nicht mit Erfolg auf ihre durch das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) geschützte Organisationshoheit sowie auf ihren vergleichsweise geringen Personalbestand berufen. Denn zum einen besteht die Organisationshoheit – ebenso wie das Selbstverwaltungsrecht an sich – nur in dem durch Recht und Gesetz gezogenen Rahmen und kann somit durch Anforderungen eingeschränkt werden, welche höherrangiges (Fach-)Recht in verfassungskonformer Weise an die Behördenorganisation stellt. Zum anderen ist mit einer Änderung der personellen und organisatorischen Zuordnung von Aufgaben nicht zwingend eine Personalmehrung verbunden.
Nach alledem hat die Klage und damit auch die Berufung in vollem Umfang Erfolg. Infolge der Aufhebung der Untersagungsverfügung der Beklagten fehlt es an einem wirksamen Grundverwaltungsakt, weshalb auch die weiteren, noch nicht erledigten Entscheidungen im angefochtenen Bescheid (Zwangsgeldandrohung und Kostenentscheidung) als rechtswidrig aufzuheben sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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