Aktenzeichen Au 6 K 18.50780
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Dublin III-VO Art. 23 Abs. 3, Art. 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Leitsatz
1 Zustellungen und formlose Mitteilungen sind nach § 10 Abs. 4 S. 4 AsylG mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Eine spätere tatsächliche Übergabe an den Ausländer ändert an der Zustellungsfiktion nichts (wie VG Würzburg BeckRS 2017, 105952). (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Der wirksamen Zustellung eines Bescheids steht nach Treu und Glauben nicht entgegen, dass der Asylbewerber nicht nach § 10 Abs. 7 AsylG auf die Zustellungsvorschriften hingewiesen wurde. Hat er durch sein Untertauchen selbst verhindert, dass das Bundesamt seinen Hinweispflichten nachkommen kann, kann er sich nicht auf § 10 Abs. 7 AsylG berufen. (Rn. 18 – 21) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein unerlaubt in die Bundesrepublik eingereister Ausländer, der lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung ist und der sich entgegen seiner Wohnsitzverpflichtung über Monate hinweg nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhält, verhält sich nicht nur rechtsuntreu, sondern auch grob fahrlässig. Es muss sich ihm geradezu aufdrängen, dass er von an ihn in der Erstaufnahmeeinrichtung adressierten Bescheiden keine rechtzeitige Kenntnis erlangen kann. (Rn. 24) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung ist nicht davon auszugehen, dass ein Asylbewerber in Italien aufgrund systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. NdsOVG BeckRS 2018, 10452). (Rn. 35 – 39) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Auch die Lage von Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht. (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage, über die trotz Ausbleiben der Beteiligten entschieden werden konnte, da diese mit der Ladung darauf hingewiesen wurden, dass auch bei Nichterscheinen verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist bereits unzulässig und im Übrigen auch unbegründet. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
I.
Die Klage ist bereits unzulässig, da die Klagefrist nicht gewahrt wurde.
Aus § 74 Abs. 1 Halbs. 2, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ergibt sich, dass die Klage gegen einen Bescheid, in dem – wie hier – eine auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung enthalten ist, innerhalb einer Woche nach der Zustellung des Bescheids zu erheben ist. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt.
1. Wird ein Asylantrag i.w.S. – wie hier – als nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig abgelehnt, ist die Entscheidung nach § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG dem Ausländer selbst zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung:in einer für den Ausländer verständlichen Sprache beizufügen. Hat ein Ausländer – wie hier – keinen Bevollmächtigten oder einen Empfangsberechtigten bestellt, so muss er nach § 10 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 AsylG jede Zustellung und formlose Mitteilung unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags, seiner Mitteilung oder der Mitteilung einer öffentlichen Stelle bekannt ist, gegen sich gelten lassen. In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen an den Ausländer vorzunehmen. Der Ausländer hat nach § 10 Abs. 4 Satz 3 AsylG sicherzustellen, dass ihn Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind nach § 10 Abs. 4 Satz 4 AsylG mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Die Zustellung gilt daher spätestens am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Eine spätere tatsächliche Übergabe an den Ausländer ändert an der Zustellungsfiktion nichts (VG Würzburg, U.v. 15.2.2017 – W 6 K 16.32201 – juris Rn. 17; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 10 AsylG Rn. 21; Preisner in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.8.2018, § 10 AsylG Rn. 36).
Im vorliegenden Fall wurde der streitgegenständliche Bescheid am 19. Juni 2018 an die Aufnahmeeinrichtung übergeben. Die Zustellung gilt damit am Freitag, den 22. Juni 2018, als bewirkt. Dass dem Kläger erst am 21. September 2018 der Bescheid tatsächlich übergeben wurde, ändert an der Zustellungsfiktion nichts mehr (s.o.).
2. Einer wirksamen Zustellung steht nach Treu und Glauben auch nicht entgegen, dass der Kläger nicht nach § 10 Abs. 7 AsylG auf die Zustellungsvorschriften hingewiesen wurde.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt zwar, dass dem Ausländer aus der Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten nur dann Nachteile erwachsen dürfen, wenn er über den Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen in der gebotenen Deutlichkeit belehrt worden ist. Insbesondere bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises auf die Pflicht, dem Bundesamt jede Adressänderung – auch eine Adressänderung wegen Umverteilung durch die Ausländerbehörde – mitzuteilen (BVerfG, B.v. 10.3.1994 – 2 BvR 2450/93 – NVwZ 1994, 27). Der Hinweispflicht nach § 10 Abs. 7 AsylG liegt die Überlegung zu Grunde, dass Asylbewerber häufig nicht der deutschen Sprache mächtig sind und sich hinsichtlich der hier geltenden Verfahren nicht auskennen (vgl. BT-Drs. 9/875, S. 5, S. 18). Einer qualifizierten Belehrung bedarf es andererseits keineswegs für den Fall, dass der Asylbewerber auf eigene Initiative die Unterkunft wechselt und sich unabhängig von behördlichen Zuweisungen eine Wohnung verschafft. Vielmehr muss sich dem Asylbewerber bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt auch nach einer knapp gehaltenen Belehrung aufdrängen, dass ihn gerade in einem solchen Fall die Mitteilungspflicht trifft (BVerfG, B.v. 10.3.1994 – 2 BvR 2450/93 – NVwZ 1994, 27).
Erst recht kann sich der Ausländer nicht auf die Hinweispflicht nach § 10 Abs. 7 AsylG berufen, wenn er durch sein Untertauchen selbst verhindert, dass die Beklagte ihren Hinweispflichten nachkommen kann. Der Kläger kann sich nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf eine fehlerhafte oder unwirksame Zustellung berufen. Ein Berufen auf den fehlenden Hinweis nach § 10 Abs. 7 AsylG erwiese sich vielmehr als unzulässige Rechtsausübung, weil der Kläger die entsprechende Belehrung unter Verstoß gegen seine ausländerrechtliche Wohnsitzverpflichtung schuldhaft vereitelt hat. Wird der Zugang von Erklärungen schuldhaft vereitelt, dann sind auch überhaupt nicht in den Empfangsbereich vom Adressaten gelangte empfangsbedürftige (Willens-)Erklärungen ausnahmsweise als (gegebenenfalls rechtzeitig) zugegangen anzusehen. Zwar besteht keine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen zu treffen. Im Einzelfall kann sich jedoch aus besonderen – gesetzlichen oder vertraglichen – Rechtsbeziehungen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten ergeben, dass dieser sich zum Empfang von Erklärungen bereithalten und bei einem schuldhaften Verstoß gegen jene Vorsorgepflicht nach den Rechtsgrundsätzen der §§ 162, 242 BGB so behandeln lassen muss, als sei ihm die Erklärung wie im Falle seines pflichtgemäßen Verhaltens zugegangen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 2.8.2016 – 6 ZB 15.20 – juris Rn. 14). Entsprechendes gilt, wenn der Ausländer durch Untertauchen verhindert, dass ihm Hinweisblätter – beispielsweise im Rahmen einer förmlichen Asylantragstellung und Anhörung – ausgehändigt werden können. Wer über Wochen hinweg untertaucht, vereitelt die Möglichkeit des Bundesamtes, ihn nach § 10 Abs. 7 AsylG zu belehren. Eine derartige Belehrung ist in Fällen des Untertauchens indes nicht erforderlich. Denn es muss sich dem Ausländer geradezu aufdrängen, dass er von an ihn adressierten Bescheiden keine Kenntnis mehr erlangen wird, wenn er entgegen seiner Wohnsitzverpflichtung die Erstaufnahmeeinrichtung verlässt, ohne den zuständigen Behörden seinen neuen Aufenthaltsort mitzuteilen. In diesem Falle ist der Ausländer nicht schutzwürdig und stellt ein Berufen auf die unterlassene Belehrung nach § 10 Abs. 7 AsylG eine unzulässige Rechtsausübung dar.
So liegt der Fall hier. Die zuständige Ausländerbehörde hat den Kläger seit dem 17. Mai 2016 zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben gehabt, erst am 21. September 2016 – also nach über vier Monaten – wurde der Aufenthalt des Klägers wieder ermittelt. Der Kläger selbst trägt vor, sich für fünf Wochen nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung befunden zu haben. Da er untergetaucht war, hat er auch den Termin zur förmlichen Asylantragstellung am 25. Mai 2018 nicht wahrgenommen und konnte nicht angehört werden, so dass die Beklagte vor ihrer Entscheidung keine Möglichkeit hatte, dem Kläger die entsprechenden Belehrungen auszuhändigen und ihn anzuhören. Wegen des mehrmonatigen Untertauchens des Klägers bis nach Abschluss seines Asylverfahrens fallen die unterbliebene Belehrung und die unterbliebene Anhörung allerdings in seinen Verantwortungsbereich und kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf deren Unterbleiben berufen. Besondere Umstände, weshalb der Kläger sein mehrmonatiges Untertauchen nach Treu und Glauben ausnahmsweise nicht gegen sich gelten lassen müsste, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat daher hierzu nichts Näheres vorgetragen.
3. Nachdem die Zustellung am 22. Juni 2018 folglich wirksam war, begann die einwöchige Klagefrist an diesem Tag (§ 34a Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 AsylG, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am 29. Juni 2018 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1, Abs. 3 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die Klageerhebung am 25. September 2018 ist damit verfristet und unzulässig.
4. Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Antrags- und Klagefrist nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren.
Aus dem Vorbringen im Klageverfahren ist nicht erkennbar, dass der Kläger ohne Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO an der Einhaltung der Klagefrist verhindert war. Der Kläger trägt schriftlich vor – zur mündlichen Verhandlung erschien er nicht -, sich fünf Wochen nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung aufgehalten zu haben. Tatsächlich war er monatelang unbekannten Aufenthalts. Wenn ein unerlaubt in die Bundesrepublik eingereister Ausländer, der lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung ist (BAMF-Akte Bl. 109 f.), entgegen seiner Wohnsitzverpflichtung sich über Monate nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhält, so verhält er sich nicht nur rechtsuntreu, sondern auch grob fahrlässig. Es muss sich ihm geradezu aufdrängen, dass er von Bescheiden, die an seine Adresse in der Erstaufnahmeeinrichtung geschickt werden, keine (rechtzeitige) Kenntnis erlangt, wenn er sich dort nicht aufhält. Mithin hat der Kläger die Klagefrist verschuldet versäumt.
II.
Im Übrigen ist die Klage auch unbegründet.
1. Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag des Klägers ist unzulässig, weil Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist damit rechtmäßig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin III-VO).
a) Dabei ist jedenfalls im Dublin-Verfahren davon auszugehen, dass der Kläger durch seine Meldung als Asylsuchender am 11. April 2018 einen Asylantrag im Sinne der Dublin III-VO gestellt hat; auf eine förmliche Asylantragstellung nach § 14 AsylG (zu der der Kläger nicht erschienen ist, da er bereits untergetaucht war) kommt es demgegenüber nicht an (vgl. EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – Mengesteab – Rn. 75 ff., 105; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 13 AsylG Rn. 3).
b) Vorliegend ist davon auszugehen, dass Italien im auch für die Anwendung der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 8) nach Art. 3 Abs. 2 Uabs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig ist, da der Kläger ausweislich des Eurodac-Treffers der Kategorie 1 einen Asylantrag in Italien gestellt hat. Italien ist damit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen.
c) Da das Wiederaufnahmegesuch vom 30. Mai 2018 innerhalb von zwei Monaten seit dem Eurodac-Treffer der Kategorie 1 vom 11. April 2018 gestellt wurde, ist auch die Frist des Art. 23 Abs. 2 Uabs. 1 Dublin III-VO gewahrt und kein Zuständigkeitswechsel nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO eingetreten. Nachdem Italien nicht innerhalb von zwei Wochen geantwortet hat, gilt das Wiederaufnahmegesuchen am 13. Juni 2018 als stattgegeben (Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Dublin III-VO).
d) Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO unabhängig von der etwaigen Flüchtigkeit des Klägers noch nicht abgelaufen, worauf sich der Kläger berufen könnte (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486/1487 f. Rn. 30, 40, 44 ff.). Vielmehr läuft die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten seit dem 13. Juni 2018 ab Bestandskraft des Beschlusses vom 8. Oktober 2018 über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage neu für sechs Monate an, da in diesem Verfahren eine Überprüfung der Überstellungsentscheidung mit aufschiebender Wirkung nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. a und b Dublin III-VO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG erfolgte, in deren Anschluss die Überstellungsfrist neu zu laufen beginnt (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – DVBl 2017, 1486 Rn. 27).
e) Gründe, von einer Überstellung nach Italien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Diese Vorschrift setzt voraus, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann keine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
Dieser Regelung liegt das Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10, C-493/10 – juris) zugrunde. Danach gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der EU-Grundrechtecharta entspricht. Allerdings ist diese Vermutung widerleglich. Den nationalen Gerichten obliegt die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Kläger führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCH ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist jedoch nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen in dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat widerlegt. An die Feststellung systemischer Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von derartigen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung ist nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Italien aufgrund systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sei (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; NdsOVG, B.v 28.5.2018 – 10 LB 202/18 – juris; U.v. 4.4.2018 – 10 LB 96/17 – juris; U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – AuAS 2015, 180; OVG NRW, U.v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12A – juris; U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 65 ff. m.w.N.; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris). Dublin-Rückkehrer erhalten in der Regel einen ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung ein geordnetes Aufnahmeverfahren mit den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse. Sie werden im Allgemeinen in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 42). Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und dort im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches – in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges – Leistungsniveau besteht (BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 44; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 65 ff. m.w.N.; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 56).
Auch neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Januar 2015 (abrufbar unter www…org/reports/country/italy) wird zwar ausgeführt (vgl. S. 51 ff. des Berichts), dass dort zumindest in der Vergangenheit nicht für alle Asylbewerber adäquate Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestanden haben; die Zahl von Unterbringungsplätzen sei unzureichend gewesen. Bei Dublin-Rückkehrern könne es längere Zeit dauern, bis sie einer Aufnahmeeinrichtung zugewiesen würden. Zum einen jedoch werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge (vgl. dort S. 53 f.) seit 2013 deutlich erhöht. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann deshalb gerade auch für die Personengruppe, welcher der Kläger angehört, nicht angenommen werden.
Die bisherigen Feststellungen gelten insbesondere auch angesichts der in jüngerer Zeit erschienenen Berichte und Auskünfte zur Menschenrechtssituation bzw. Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber in Italien uneingeschränkt fort; insbesondere kann ein Rückkehrer, der noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, dies dann tun. Dublin-Rückkehrer, die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung (vgl. hierzu: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Italien vom 6.7.2018, S. 11 und 23 ff.; UN Human Rights Council, Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, Francois Crépeau, Followup mission to Italy (2-6 December 2014), 1. Mai 2015; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25. März 2015; UNHCR, Submission for Office of the High Commissioner for Human Rights“ Compilation Report – Universal Periodic Review: Italy, März 2015; European Council on Refugees and Exiles, Asylum Information Database (AIDA) von Januar 2015; Human Rights Watch, World Report 2015 Italy vom 29. Januar 2015; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus“ vom 4. August 2014; U.S. Department of State, Human Rights Report Italy 2013 vom 22. April 2014).
Auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (GK), U.v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) werden keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien festgestellt. Bei besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern wie z.B. Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren (BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 16, BayVGH, B.v. 15.1.2015 – 21 ZB 14.50051 – juris) ist im Einzelfall sicherzustellen, dass diese im Falle einer Rückführung nach Italien angemessen untergebracht und versorgt werden.
Der Kläger gehört jedoch als alleinstehender, jüngerer Mann ohne gesundheitliche Einschränkungen nicht zu einer besonders schutzbedürftigen Gruppe und muss derzeit nicht mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh rechnen. Auch nach Auffassung des EGMR (vgl. EGMR, U.v. 13.1.2015 – 51428/10 – Asylmagazin 2015, 86) begründen die Aufnahmebedingungen in Italien für einen alleinstehenden jungen Mann grundsätzlich keine Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Der Umstand, dass sich die Situation des Klägers in Italien schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet allein keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336).
f) Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 VO 604/2013/EU begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Abschiebung des Klägers nach Italien kann auch durchgeführt werden; sie ist rechtlich bzw. tatsächlich möglich. Ihr stehen weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse entgegen. Ziffern 2 und 3 des Bescheids sind rechtmäßig.
Abschiebungshindernisse sind ausnahmsweise von der sonst allein auf die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beschränkten Beklagten auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, 244), da die Abschiebung nur durchgeführt werden darf, wenn sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich.
3. Einwendungen gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger keine schützenswerten Bindungen an das Bundesgebiet geltend gemacht, die für seine kürzere Fernhaltung sprächen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Ziffer 4 des Bescheids ist damit ebenfalls rechtmäßig.
III.
Nach alldem erweist sich die Klage als unzulässig und darüber hinaus auch unbegründet. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).