Europarecht

Rechtsstreit der Bayerischen Landesbank gegen HETA (vormals Hypo Alpe Adria) unterbrochen

Aktenzeichen  17 U 2168/15

Datum:
25.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19664
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
SAG § 151
KWG § 46e Abs. 6
BWG § 22 Abs. 1
BaSAG § 3 Abs. 1, § 58 Abs. 1
InsO § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Prozessrechts wendet jeder Staat sein eigenes Prozessrecht auf seinem eigenen Territorium völlig unabhängig von der Frage an, wo die Parteien ihren Sitz haben (Lex-fori-Prinzip). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2 Um dem Gebot der gegenseitigen Anerkennung sowie der Wirkungsentfaltung der ergriffenen Sanierungsmaßnahmen des Landes, in dem das Kreditinstitut zugelassen wurde, in den anderen Mitgliedsländern nachzukommen, sind Abwicklungsmaßnahmen der Österreichischen Finanzmarktaufsicht, soweit es um die Abwicklung an sich geht, für deutsche Gerichte uneingeschränkt zu beachten. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt regelmäßig dann, wenn dem Kläger ein einfacherer und billigerer Weg zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels zur Verfügung steht. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Kläger allerdings nicht verwiesen werden. Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für eine Klage deshalb nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

32 O 26502/12 2015-05-08 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 08.05.2015 (32 O 26502/12) aufgehoben und der Rechtsstreit einschließlich der Entscheidung über die Kosten dieses Berufungsverfahren für den Fall der Beendigung der Unterbrechung des Rechtsstreits an das Landgericht München I zurückverwiesen.
2. Der Rechtsstreit ist unterbrochen.
3. Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
Die deutschen Gerichte sind insgesamt international zuständig (Art. 24 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen):
1. Auf den Rechtsstreit ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der seit 14.03.2012 geltenden Fassung (künftig: EuGVVO a. F.; Art. 66 Abs. 1 EuGVVO a. F.) anzuwenden (Art. 66 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; künftig: EuGVVO n. F.).
2. {Außerprozessuales Verhalten der Beklagten}. Das muss um so mehr gelten, als sie [die Beklagte] auch noch Widerklage vor dem ihrer Ansicht nach international unzuständigen Gericht erhoben hat (bereits für rügelose Einlassung allein hierdurch offenbar Münchener Kommentar-Gottwald, 5. Auflage, Art. 26 VO (EU) 1215/2012, Randziffer 10). Denn man kann die Widerklage der Beklagten auch als Klage ansehen und wird dann der „Widerklage“ der Klägerin hierzu kaum die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch nur teilweise versagen können (Art. 6 Nr. 3 EuGVVO a. F. [zumindest analog]; vgl. zur Parallelproblematik der Aufrechnung BGH, Urteil vom 07.11.2001, VIII ZR 263/00, WM 2002, 102, 104f., Ziffer III 1 unter Aufgabe der anderen Ansicht im Urteil vom 12.05.1993, VIII ZR 110/92, NJW 1993, 2753, Leitsätze 1 und 2).
III.
Die Berufung der Klägerin ist unzulässig, da sie eine inhaltliche Änderung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt (vgl. zur systematischen Einordnung Münchener Kommentar-Stackmann, 5. Auflage, § 249 ZPO, Randziffer 20), der Rechtsstreit jedoch bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung des Erstgerichts am 08.05.2015 spätestens mit Erlass des Mandatsbescheids der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) vom 01.03.2015 (Anlage B 782) unterbrochen war (dazu sogleich unter Ziffer IV). Da jedoch in einem unterbrochenen Rechtsstreit keine (insbesondere Rechtsmittel-) Fristen laufen (§ 249 Abs. 1 ZPO), kann nach Beendigung der Unterbrechung (vgl. § 151 letzter Halbsatz des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen [künftig: SAG] analog) die Klägerin erneut Berufung einlegen, solange ihre jetzige nicht aufgrund Sachprüfung inhaltlich zurückgewiesen wird.
Die Berufung der Beklagten ist hingegen zulässig da sie sich jetzt allein noch gegen den Erlass des Ersturteils im Hinblick auf diese Unterbrechung wendet (vgl. zu dieser Konstellation außerhalb eines Falls der Unterbrechung nach § 240 ZPO RGZ 88, 206, 207f.).
IV.
Hinsichtlich der Klage ist der Rechtsstreit nach § 151 SAG analog in Verbindung mit § 46e Abs. 6, § 46e Abs. 1 Satz 2 KWG jeweils in der aktuellen Fassung unterbrochen:
1. Die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates [künftig: RLEU 59/2014] trat, abgesehen von Art. 124 RLEU 59/2014, am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft (Art. 131 RLEU 59/2014), sie war durch die Mitgliedsländer der Europäischen Union bis spätestens 31.12.2014 umzusetzen (Art. 130 Abs. 1 Unterabs. 1 RLEU 59/2014) und ab dem 01.01.2015 (ohne Übergangsregelungen) in den Mitgliedsländern anzuwenden (Art. 130 Abs. 1 Unterabs. 2 RLEU 59/2014; vgl. zum Parallelfall des Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) das Urteil des EuGH vom 18.10.2016, C-135/15, NJW 2017, 141, 142, Randziffer 39, bei bestehender ausdrücklicher temporärer Geltungsnorm). Der Senat teilt daher die Ansicht des Landgerichts, diese Richtlinie sei für den vorliegenden Rechtsstreit (temporär) ohne Bedeutung (Urteilsurkunde S. 139 = Bl. 4207 d. A.), zumindest nicht uneingeschränkt.
2. Dasselbe gilt daher auch für das bundesdeutsche Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen [künftig: SAG], das genauso am 01.01.2015 in damaliger Fassung in Kraft trat wie verschiedene Vorschriften in Nebengesetzen, insbesondere § 46e Abs. 6 KWG (BGBl. I 2014, S. 2091).
Das SAG ist zumindest im Hinblick auf prozessuale bzw. prozessual-materiellrechtliche Vorschriften sachlich anwendbar: Zwar unterliegt die Beklagte nach Art. 5 VOEU 806/2014 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 [künftig: VOEU 575/2013] der Durchführung und Überwachung der Aufsichtsmaßnahmen durch den Ausschuss nach Art. 7 Abs. 1 VOEU 806/2014 (und hätte die Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlegen). Keine der Parteien hat jedoch entsprechende Maßnahmen des Ausschusses vorgetragen, weshalb die österreichische nationale Aufsichtsbehörde zuständig ist (Art. 5 Abs. 1 VOEU 806/2014).
Nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Prozessrechts wendet jedoch jeder Staat sein eigenes Prozessrecht auf seinem eigenen Territorium völlig unabhängig von der Frage an, wo die Parteien ihren Sitz haben (Lex-fori-Prinzip; vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschluss vom 19.01.2017, VII ZR 112/14, NZG 2017, 394, 395, Randziffer 16 = DB 2017, 543, 544, Randziffer 16).
3. Um dem Gebot der gegenseitigen Anerkennung sowie der Wirkungsentfaltung der ergriffenen Sanierungsmaßnahmen des Landes, in dem das Kreditinstitut zugelassen wurde, in den anderen Mitgliedsländern (vgl. EuGH, Urteil vom 19.07.2016, C-526/14, WM 2016, 1479, 1486, zur siebten Frage) nachzukommen, sind die Abwicklungsmaßnahmen der Österreichischen Finanzmarktaufsicht, soweit es um die Abwicklung an sich geht, für deutsche Gerichte uneingeschränkt zu beachten (§ 46e Abs. 6, § 46e Abs. 1 Satz 2 KWG; s.a. § 79 Abs. 2 SAG). Dementsprechend teilt auch das Gericht die Ansicht zumindest der Klägerin nicht, das SAG sei nur auf reine Inlandssachverhalte anwendbar. Wäre dies richtig, hätte z.B. schon § 86 Abs. 3 RLEU 59/2014, obwohl die Richtlinie gerade der Koordinierung grenzüberschreitender Bankenabwicklungen dienen soll, keinen Regelungsbereich, weshalb die korrespondierenden nationalen Vorschriften des SAG europarechtswidrig und daher entsprechend europarechtskonform auszulegen wären (vgl. hierzu beispielhaft BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11, WM 2014, 1030, 1032, Randziffer 20).
4. Um dies zu verwirklichen, kann auch entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht dahingehend argumentiert werden (z.B. S. 144/145 der Urteilsurkunde = Bl. 4212/4213 d. A.; Schriftsatz der Klägerin vom 26.01.2018, Seiten 3/4 = Bl. 5126/5127 d. A.), durch Umwandlung in eine Abbaueinheit sei die Beklagte kein Kreditinstitut im Sinne der RLEU 59/2014 und des SAG mehr: Denn damit würden die denkbaren Abwicklungsmaßnahmen eines Kreditinstituts geradezu konterkariert, da in dem Moment der Umwandlung (mit den dann noch zukünftig zu ergreifenden Abwicklungsmaßnahmen, die bei Richtigkeit der Ansicht des Erstgerichts und der Klägerin jedoch gar nicht mehr getroffen werden dürften) dieses Abwicklungsunternehmen sofort wieder aus dem Bereich möglicher Abwicklungsmaßnahmen verschwände und ein sofortiges Insolvenzverfahren (im Regelfall) unausweichlich wäre, was aber gerade zur Stabilisierung der Finanzmärkte verhindert werden soll. So würden z.B. die gesamten sich aus § 77 SAG ergebenden (Folge-) Vorschriften genauso leer laufen wie die Art. 31ff. RLEU 59/2014.
Im Übrigen wäre bei Richtigkeit dieser Ansicht nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin dann sämtliche Maßnahmen der österreichischen Finanzaufsicht anscheinend unangefochten gelassen hat, denn diese wären dann allesamt rechtswidrig, weil ohne Rechtsgrundlage ergangen. Dies unterschlägt aber die gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. B. vom 08.12.2017 (Anlage K 129) völlig.
5. Damit sind zumindest die prozessualen Vorschriften (einschließlich denen mit materiellrechtlichem Einschlag, soweit sie nicht aufgrund der engen Verflechtung der Regelungen mit den materiellen Rechten der Parteien materiell rechtlich zu qualifizieren sind: s. hierzu BGH, Urteil vom 08.09.2016, III ZR 7/15, WM 2016, 1943, 1944, Randziffer 15) des SAG auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden, zumal sich das anzuwendende Prozessrecht immer nach dem am Sitz des entscheidenden Gerichts gültigen Recht zu richten hat (vgl. hierzu oben Ziffer IV 2; s.a. Art. 32 der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten [künftig: RLEG 24/2001]).
6. Das dieser Ansicht entgegengesetzte Gutachten des Herrn Prof. Dr. B. vom 01.09.2017 (Anlage K 121) überzeugt den Senat nicht:
a) Es vernachlässigt das Lex-fori-Prinzip (s. oben Ziffer IV 2). Für die Frage der Unterbrechung eines Zivilprozesses in Deutschland kann es nach gegenwärtigem Rechtsstand in keinem denkbaren Fall auf österreichisches Prozessrecht ankommen.
b) Es beachtet im Hinblick auf Art. 86 Abs. 3 RLEU 59/2014 nicht, dass das Bankenabwicklungsrecht nicht vollständig harmonisiert ist (dazu sogleich). Eine Vorschrift der RLEU 59/2014 kann gerade das nationale Prozessrecht nicht einschränken bzw. zu europarechtskonformer Reduktion zwingen, soweit dieses über Regelungen der Richtlinie hinausgeht.
c) Zwar stellt die Beklagte (möglicherweise) kein Bankeninstitut im Sinne Art. 1 Abs. 1 UAbs. 1 RLEU 59/2014 dar. Sie ist in diesem Fall aber ein „Resultat“ im Rahmen der Abwicklung eines solchen, das folgerichtig der Abwicklung nach der RLEU 59/2014 unterliegt (vgl. oben Ziffer IV 4). Dementsprechend steht das Gutachten vom 01.09.2017, dort Seite 6 oben (Anlage K 121) im Widerspruch zur Feststellung im Gutachten desselben Autors vom 21.07.2016 (Anlage K 118), dort Seite 27 oben, wonach die Zwangsstundung des Mandatsbescheids 2015 auf der Regelung des § 58 Abs. 1 Nr. 10 öBaSAG beruhe, der wiederum eine wortlautidentische Umsetzung des Art. 63 Abs. 1 j RLEU 59/2014 sei. Schon der Mandatsbescheid der österreichischen Finanzaufsicht vom 01.03.2015 (Anlage B 782) nimmt aber Bezug auf die Beklagte und deren Verbindlichkeiten. Die österreichische Finanzaufsicht wollte also gerade Abwicklungsmaßnahmen im Sinne der RLEU 59/2014 nach nationalem Recht gegenüber bzw. zugunsten der Beklagten treffen.
7. Daher ist der Rechtsstreit, soweit es um die Klage geht, nach § 151 SAG unterbrochen. Dem steht Art. 86 Abs. 3 RLEU 59/2014 nicht entgegen, da das Restrukturierungsrecht betreffend zugelassene Finanzinstitute usw. nicht vollständig harmonisiert ist (Art. 1 Abs. 2 RLEU 59/2014; s.a. § 1 SAG). Das gilt um so mehr, als prozessuale Vorschriften, wie ausgeführt, nationalem Recht unterliegen.
8. Dass das Inkrafttreten des SAG rückwirkend einen Rechtsstreit unterbricht, schadet ebenfalls nicht (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 24.10.2013, C-85/12, Leitsatz 2 – nach juris).
9. Das gefundene Ergebnis belastet auch die Parteien nicht: Nach Art. 20 Abs. 6, 28 Abs. 1 b ii und iii, 27 Abs. 13 b und insbesondere Art. 76 Abs. 1 e VOEU 806/2014 bzw. Art. 50 Abs. 2, Art. 60 Abs. 3, Art. 73 b, Art. 74 Abs. 1 Satz 1, Art. 85 Abs. 4 Satz 3 und insbesondere Art. 75 RLEU 59/2014 sind die aufgrund von Maßnahmen des Ausschusses nach Art. 7 Abs. 2 VOEU 806/2014 oder der nationalen Finanzaufsicht (gegenüber einem regulären Insolvenzverfahren) benachteiligten Gläubiger (gegebenenfalls mit Ausnahme der Inhaber der relevanten Kapitalinstrumente) grundsätzlich soweit zu entschädigen, dass sie nicht schlechter gestellt werden als durch ein reguläres Insolvenzverfahren statt der Abwicklung. Darüber hinaus ist gemäß Art. 37 Abs. 6 RLEU 59/2014 (und damit auch nach nationalem österreichischen Recht) für die überschuldeten/zahlungsunfähigen Teile der Beklagten ein Insolvenzverfahren durchzuführen, in dem der Rang der Forderungen der Klägerin geklärt werden kann. Wenn jedoch die österreichische Finanzaufsicht gegebenenfalls von ihren Befugnissen keinen Gebrauch macht (bzw. die Klägerin entsprechende Verwaltungsakte der österreichischen Finanzaufsicht nicht in Ö. anficht), kann dies nicht im Rahmen zivilprozessualer Maßnahmen unter Umgehung nationalen deutschen Zivilprozessrechts korrigiert werden.
10. Auf Antrag der Beklagten war das erstinstanzliche Urteil vom 08.05.2015 aufzuheben und der Rechtsstreit nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen:
a) Zwar hat innerhalb der Berufungsbegründungs„frist“ keine Partei diesen Verfahrensmangel gerügt (§ 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO), und ein unverzichtbarer Verfahrensmangel liegt nicht vor. Jedoch laufen im unterbrochenen Rechtsstreit keinerlei Fristen (§ 249 Abs. 1 ZPO), sodass jede entsprechende Rüge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht zu beachten ist.
b) Entsprechend den Entscheidungen des BGH vom 16.05.2013 (IX ZR 332/12, WM 2013, 1472, 1473, Randziffer 18), 27.01.2009 (XI ZR 519/07, WM 2009, 871, 872, Randziffer 12) und 16.01.1997 (IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445, 1445, Ziffer B II 1) war der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, weil das erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf die Unterbrechung des Rechtsstreits nicht hätte ergehen dürfen und damit im Verhältnis der Parteien untereinander ohne Wirksamkeit ist (vgl. hierzu BGHZ 66, 59, 61 a.E.). Die vorliegende Konstellation ist mit der einer erstinstanzlich unterbliebenen Aussetzung eines Verfahrens nicht vergleichbar, da eine Unterbrechung immer von sich aus stattfindet, eine Aussetzung aber durch das Gericht konstitutiv angeordnet werden muss. Deshalb kommt es auch nicht auf eine Rüge einer Partei im Hinblick auf § 295 Abs. 1 ZPO an.
c) Das gilt hier auch für den die Beklagte nicht beschwerenden Teil des erstinstanzlichen Urteils: Würde es nämlich insoweit bei der Verwerfung der Berufung der Klägerin verbleiben, würde dies im Fall der Wiederaufnahme des Rechtsstreits nach Beendigung der Abwicklung der Beklagten (§ 151 letzter Halbsatz SAG analog) bedeuten, dass die Klägerin zur Fortsetzung des Verfahrens erneut Berufung einlegen müsste, während der die Beklagte jetzt beschwerende Teil erneut in der ersten Instanz zu verhandeln wäre mit der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in den Instanzen (wie im Zusammenhang mit der Teilurteilsproblematik).
V.
Dasselbe muss auch für die Widerklage gelten, sofern, wie hier, gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegen (frühere) Gesellschafter im Innenverhältnis geltend gemacht werden: § 151 SAG differenziert nicht, ob das in Abwicklung befindliche Institut klagende oder verklagte Partei ist sondern spricht nur von Partei. Dies erscheint auch sinnvoll. Es ist nämlich Sache der Abwicklungsbehörde, inwieweit sie auf Art. 63 bis 72 RLEU 59/2014 beruhende nationale Vorschriften anwendet bzw. anwenden kann, um auch (frühere) Aktionäre der Beklagten zur Rückzahlung von (angeblichem) Eigenkapital zu zwingen.
VI.
Es kann daher auch offen bleiben, ob und wenn ja inwieweit Klage und Widerklage im Hinblick auf die zwischen den Parteien, dem F. B. und der R. Ö. geschlossenen Vereinbarungen sowie die Widerklage im Hinblick auf die Befugnisse der österreichischen Finanzmarktaufsicht sowie gemäß § 141 SAG unzulässig oder zumindest derzeit unbegründet ist bzw. sind:
1. Größte Bedenken bestehen bereits bei der Frage der Zulässigkeit im Hinblick auf den zwischen dem F. B. als mittelbarem Mehrheitsaktionär der Klägerin, der Klägerin sowie der R. Ö. als (jetziger) alleiniger Aktionärin der Beklagten geschlossene Vergleich, wozu die R. Ö. durch § 1a österreichisches Finanzmarktstabilitätsgesetz [künftig: öFinStabG] ermächtigt wurde:
a) Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
„§ 1a. (1) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, mit dem Freistaat Bayern eine Vereinbarung abzuschließen, mit der alle durch die Bayerische Landesbank, Anstalt des öffentlichen Rechts, im Zusammenhang mit der H. A1. Bank I. AG (FN 108415i), vor in- und ausländischen Gerichten entweder gegen den Bund, die H. A2. R. AG (FN 108415i), das Land Kärnten oder die … Landes- und Hypothekenbank Holding (FN 321737v) erhobenen Ansprüche bis spätestens 31. Dezember 2015 endgültig bereinigt werden. Zu diesem Zweck ist der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, an den Freistaat Bayern eine Zahlung in Höhe von 1.230.000.000 Euro (in Worten: eine Milliarde zweihundertdreißig Millionen Euro) zu leisten sowie auf die von der Republik Österreich (Bund) gegen die Bayerische Landesbank, Anstalt des öffentlichen Rechts, bereits gerichtlich geltend gemachten Ansprüche aus dem Aktienkaufvertrag vom 29. Dezember 2009 zu verzichten, wenn dadurch sichergestellt wird, dass die Bayerische Landesbank, Anstalt öffentlichen Rechts, auf die Geltendmachung aller erdenklicher Ansprüche im Zusammenhang mit der H. A1. Bank I. AG gegen
1.die Republik Österreich (Bund),
2.das Land Kärnten,
3.die Kärntner Landes- und Hypothekenbank Holding,
4.alle weiteren ehemaligen Gesellschafter der H. A1. Bank I. AG,
5.Vermögensmassen, die im Eigentum der H. A2. R. AG standen oder stehen oder aus dieser hervorgegangen sind, sowie gegen
6.die H. A2. R.G, soweit diese Ansprüche den Betrag von 2.400.000.000 Euro (in Worten zwei Milliarden vierhundert Millionen Euro) übersteigen, endgültig und unwiderruflich verzichtet. Mit der Vereinbarung ist der Freistaat Bayern zur Rückerstattung der an ihn von der Republik Österreich geleisteten Zahlung zu verpflichten, soweit die Bayerische Landesbank, Anstalt öffentlichen Rechts, im Rahmen der Abwicklung der H. A2. R. AG Zahlungen erlangt. Die Rückerstattung ist mit dem von der Republik Österreich an den Freistaat Bayern geleisteten Betrag begrenzt.
(2) Rückerstattungen des Freistaates Bayern aus der Vereinbarung gemäß Abs. 1 sind in den gemäß § 7a Abs. 3 Stabilitätsabgabegesetz – StabAbgG, BGBl. I Nr. 111/2010, eingerichteten Fonds für Maßnahmen gemäß FinStaG einzustellen.
(3) Zahlungen gemäß Abs. 1 und Rückerstattungen gemäß Abs. 2 sind auf den Gesamtbetrag gemäß § 2 Abs. 4 Finanzmarktstabilitätsgesetz, BGBl. I Nr. 136/2008, anzurechnen.“
b) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt regelmäßig dann, wenn dem Kläger ein einfacherer und billigerer Weg zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels zur Verfügung steht. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Kläger allerdings nicht verwiesen werden. Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für eine Klage deshalb nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann (BGH, Urteil vom 18.04.2013, III ZR 156/12, WM 2013, 1212, 1213, Randziffer 10).
c) Im vorliegenden Fall fehlt der Klägerin im Hinblick auf die Vereinbarungen zwischen den Parteien, dem F. B. und der R. Ö. das Rechtsschutzbedürfnis, weil Forderungen, die im Vergleich Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung geworden sind, gerichtlich geltend gemacht werden.
{Berechnungen und Ausführungen unter lit. c und d zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis}
e) Auch der Beklagten fehlt für ihre Widerklage das Rechtsschutzbedürfnis:
§§ 85ff. öBaSAG geben der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde alle Instrumentarien an die Hand, Verpflichtungen der Klägerin im Rahmen der Abwicklung der Beklagten mit auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbindlichem (§ 46e KWG) und vollstreckbarem Bescheid zu begründen. Genau diesen Mechanismus beinhaltet gerade das europäische Bankenabwicklungsrecht und geht von der Rechtssystematik her der zivilrechtlichen Anspruchsdurchsetzung vor. Und gerade deshalb sieht folgerichtig § 151 SAG zwingend die Unterbrechung entsprechender Zivilprozesse vor, um etwaige Überschneidungen mit der vorrangigen öffentlich-rechtlichen Bankenabwicklung von vorneherein auszuschließen.
f) Die hilfsweise Erledigterklärung der Klägerin hilft nicht weiter: Denn ihr Verhalten würde auch die Anträge auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreit erfassen.
2. Große Bedenken bestehen auch im Übrigen im Hinblick auf § 141 SAG in Verbindung mit § 46e Abs. 6, § 46e Abs. 1 Satz 2 KWG für die Widerklage:
a) Bis zum 31.10.2008 galten in Deutschland für die deutsche GmbH die eigenkapitalersatzrechtlichen §§ 32a, 32b GmbHG. Dieser Rechtszustand wurde durch § 135 Abs. 1 InsO in der seit 01.11.2008 geltenden Fassung ersetzt, seit diesem Zeitpunkt ist der Rechtsbegriff „Eigenkapitalersatzrecht“ in Deutschland unbekannt (vgl. Münchener Kommentar-Gehrlein, 3. Auflage, § 135 InsO, Randziffer 4), § 57 AktG behandelt das Verbot der Rückgewähr von Einlagen und ausdrücklich nicht von Aktionärsdarlehen (§ 57 Abs. 1 Satz 4 AktG).
b) § 141 SAG (vgl. Art. 37 Abs. 8 RLEU 59/2014) regelt dementsprechend konsequent den Ausschluss von Anfechtungsansprüchen und nicht von Darlehensrückgewähransprüchen aus eigenkapitalersetzenden Darlehen, aber auch außerhalb eines Bankeninsolvenzverfahrens. Hauptziel ist offenbar der Ausschluss der prozessualen Konterkarierung von Abwicklungsmaßnahmen der Finanzaufsicht. Nach Auffassung des Senats gilt dies aber auch aus systematischen Erwägungen für die Frage von etwaigen Rückzahlungsansprüchen aufgrund von eigenkapitalersetzenden Darlehen nach dem geltenden Recht anderer Unionsländer. Diese sind den Anfechtungsansprüchen nach § 135 Abs. 1 InsO gleichzustellen (zur weiten Anwendung europäischer Insolvenzvorschriften, hier Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren auf § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der bis 31.10.2008 geltenden Fassung, siehe EuGH, Urteil vom 10.12.2015, C-594/14, WM 2016, 272, 274, Randziffer 21). Der bundesdeutsche Gesetzgeber hatte den grenzüberschreitenden Fall über § 46e Abs. 6, § 46e Abs. 1 Satz 2 KWG wie den vorliegenden wohl nicht im Blick. Entscheidet die zuständige Finanzaufsicht, dass an den Darlehensgeber zurückgezahlte eigenkapitalersetzende Darlehen nicht zurückverlangt werden sollen, hat es dabei zu verbleiben. Da ein Abschluss der Abwicklung der Beklagten bisher jedoch nicht angezeigt wurde, kann die Widerklage im Hinblick auf § 141 SAG (zumindest derzeit) nicht zum Erfolg führen.
c) Der Wortlaut des § 141 SAG lässt offen, ob eine entsprechende Klage als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen ist. Die Bundestagsdrucksache Nr. 18/2575 verhält sich hierzu nicht. Art. 37 Abs. 8 RLEU 59/2014 gibt hierzu ebenfalls nichts her. Der Senat ist der Ansicht, dass eine entsprechende Klage auf Zahlung zulässig ist, weil der Gesetzgeber ein Interesse am weiteren Ausschluss solcher Klagen (aus Gründen einer möglichst ungestörten Abwicklung eines Bankeninstituts) hat, sodass aus Gründen des Umfangs der Rechtskraft eines die (Wider-) Klage abweisenden Urteils ein Interesse an der inhaltlichen Prüfung ersichtlich ist.
d) Zumindest spricht nach Ansicht des Senats alles dafür, fehlende Unterbrechung und Zulässigkeit der Widerklage vorausgesetzt, dass die Widerklage derzeit unbegründet ist (§ 141 SAG): Inwieweit der Beklagten Rückzahlungsansprüche gegen die Klägerin zustehen, hat zunächst die Österreichische Finanzaufsicht und dann gegebenenfalls in einem anschließenden Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter im Hinblick auf durchzuführende Rechtsstreitigkeiten (gegebenenfalls vorläufig) zu klären (sofern nicht eine Bindungswirkung durch den Vergleich eingetreten ist). Allenfalls kommt dann eine Entscheidung durch die Zivilgerichte in Betracht.
VII.
Die Anträge der Klägerin, den Rechtsstreit auszusetzen und dem EuGH zu Vorabentscheidung entsprechend den Fragen laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2018, dort Seiten 3/4 (= Bl. 5352/5353 d. A.) vorzulegen, lehnt der Senat ab:
1. Wie unter Ziffer IV 6 ausgeführt, unterliegt das Prozessrecht nationalem Recht, weshalb europäische Rechtsvorschriften, auch nicht die RLEU 59/14, § 151 SAG nicht entgegenstehen können.
2. Vorlagefrage I 1 im Beschluss des LG Frankfurt a.M. vom 21.06.2016 (2-12 O 114/15) hat der Senat bereits unter Ziffer IV 1 mit entsprechender Begründung bejaht.
3. Wie sich aus der Systematik der RLEU 59/14 problemlos ergibt, werden verbliebene Teile einer Abwicklungseinheit im Insolvenzverfahren liquidiert. Es ist also gerade Kennzeichen der Abbaueinheit, keine realistische Aussicht auf Wiederherstellung der Existenzfähigkeit zu haben, womit sich Vorlagefrage I 2 beantwortet.
4. Vorlagefrage I 3 ist nach Auffassung des Senats, ebenfalls ersichtlich aus der Systematik der RLEU 59/14, dahingehend zu beantworten, dass Abwicklungsmaßnahmen in allen Mitgliedsstaaten uneingeschränkt Wirksamkeit erlangen. Nach Auffassung des Senats ist es Sache der einzelnen Betroffenen, hier der Klägerin, die nach dem nationalen Recht der R. Ö. gegen diese Abwicklungsmaßnahmen zulässigen Rechtsbehelfe zu ergreifen, um eine endgültige Verbindlichkeit der jeweiligen Maßnahmen, nach deutschem Verwaltungsrecht Bestandskraft genannt, zu verhindern.
5. Die von der Klägerin neu formulierte Vorlagefrage I 2 ist, soweit nicht schon vorstehend abgehandelt, nicht entscheidungserheblich, da es hier nicht um die Aussetzung eines Zivilrechtsstreits geht.
6. Alle angesprochenen Vorlagefragen unterliegen daher nach Auffassung des Senats der acte-clair Doktrin, weshalb es einer Vorlage nicht bedarf.
VIII.
Der Antrag der Parteien, den Verkündungstermin „bis zum 23.Juli 2018“ zu verschieben, war nicht stattzugeben.
Das Berufungsverfahren ist bereits seit Mitte 2015 anhängig. In dieser Sache wurde bereits außergerichtlich eine umfangreiche vergleichsweise Einigung getroffen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, welche Umstände nunmehr vorliegen sollen, die die Parteien, die nunmehr nahezu drei Jahre Zeit hatten, veranlassen sollten, ihre Streitigkeiten gütig beizulegen. Sie haben auch hierzu nicht Konkretes vorgetragen.
IX.
Da eine Endentscheidung nicht vorliegt, kam eine Kostenentscheidung, und mangels vollstreckbaren Inhalts eine Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht.
Eine Zulassung der Revision kam mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

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