Europarecht

Rechtswidrig ergangene Ablehnung eines Übernahmeersuchens Griechenlands zur Familienzusammenführung nach der Dublin III-Verordnung

Aktenzeichen  AN 17 E 20.50157

Datum:
28.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10407
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 17 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es kann zulässig sein, sich auch von einem anderen Mitgliedstaat aus auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zu berufen, um die Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ermessensentscheidung nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO erfordert die Abwägung aller Belange aller von ihr Betroffener (Rn. 39). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, sich unter Aufhebung der ergangenen Ablehnungen der Aufnahmegesuche und Wiedervorlagen durch das Griechische Migrationsministerium – Nationales DublinReferat für die Prüfung der Asylanträge der Antragsteller für zuständig zu erklären.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die im … 1995 geborene Antragstellerin zu 1. und ihr im August 2012 geborener Sohn, der Antragsteller zu 2., begehren von ihrem derzeitigen Aufenthaltsland Griechenland aus den Nachzug zum in Deutschland lebenden Ehemann der Antragstellerin, der zugleich der Vater des Antragstellers ist, gemäß den Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO).
Die Antragsteller sind afghanische Staatsangehörige und stellten am 7. Dezember 2017 nach ihrer dortigen Einreise in Griechenland einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Den griechischen Behörden gegenüber gaben sie an, die Antragstellerin zu 1. sei mit einem Herrn …, geboren im August 1988, verheiratet und der Antragsteller zu 2. sei der gemeinsame Sohn. Herr …, der nicht Beteiligter des vorliegenden Verfahrens ist, lebe in Deutschland und es werde eine Familienzusammenführung begehrt. Weiter teilten die Antragsteller mit, Herr … habe in Deutschland einen eigenen Asylantrag gestellt.
Am 6. März 2018 übermittelten die griechischen Behörden an die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen betreffend die Antragsteller unter Bezugnahme auf Art. 10 Dublin III-VO. Dem Übernahmeersuchen beigefügt war u.a. ein in griechischer und englischer Sprache verfasstes, auf den 7. Dezember 2017 datiertes Dokument des „Asylum Service“ der Hellenischen Republik, auf dem die Antragstellerin zu 1. für sich und den Antragsteller zu 2. schriftlich erklärte, eine Überprüfung ihres Asylantrages durch die Antragsgegnerin zu wünschen. Die Antragsgegnerin lehnte das Übernahmeersuchen mit Mitteilung vom 5. April 2018 (Az. … des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt) ab. Das Bundesamt führte zur Begründung in englischer Sprache aus:
„Your request is respectfully denied according to article 10 of the Dublin Regulation. The husband and father of above-named persons residing in Germany received a legal negative decision on 28.11.2017 to his application for asylum and is obliged to leave the country. There is no appeal made against the decision. Thus there has been a first decision regarding the substance and article 10 of the Dublin Regulation is not applicable.“
Tatsächlich hatte das Bundesamt gegenüber Herrn … (Az. d. Bundesamtes: …) unter dem 9. November 2017 einen Bescheid erlassen, wonach der (unbeschränkte) Antrag des Herrn … auf Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. auf Asylanerkennung abgelehnt worden war. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG stellte das Bundesamt für Herrn … ebenfalls nicht fest. Gegen diesen Bescheid erhob Herr … Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 24 K 16.34159), der mit Urteil vom 11. Oktober 2018 insoweit stattgegeben wurde, als dies zur Zuerkennung subsidiären Schutzes für Herrn … führte. In der weiteren Folge erkannte das Bundesamt Herrn … mit Bescheid vom 15. Februar 2019 den subsidiären Schutzstatus zu. Herrn … wurde am 15. Februar 2020 durch die zuständige Ausländerbehörde ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG ausgestellt. All dem vorangegangen war ein behördliches und verwaltungsgerichtliches Dublin-Verfahren für Herrn …, welches ebenfalls durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München zu seinen Gunsten entschieden worden war.
Ausweislich der Bundesamtsakte zu Herrn … hatte dieser im Rahmen seines Asylverfahrens vor dem Bundesamt angegeben, verheiratet zu sein mit „…, …, geb. 1995 in …“. Die Eheschließung sei 2010 in … erfolgt. Nachweise darüber könne er nicht vorlegen. Er habe einen Sohn namens „…, … …, [geb.] Sommer 2012 in …“. Seine Ehegattin habe selbst kein Asyl in einem anderen Mitgliedsstaat des Dublin-Raums beantragt und lebe noch im Herkunftsland. Er selbst habe mit einem Touristenvisum Afghanistan verlassen. Seine Tazkira habe er in Afghanistan gelassen. Vor seiner Ausreise habe er ca. zwei Jahre im Haus seiner Schwiegereltern gelebt. In dem Haus habe er getrennt von den Schwiegereltern zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn gewohnt. Er habe – zum Zeitpunkt der Befragung durch das Bundesamt – keinen Kontakt zu seiner Frau, da er keine Telefonnummer von ihr habe. Er wolle erst alles klären und dann dafür sorgen, dass seine Frau bei seiner Tante sei, von der er eine Telefonnummer habe.
Für die Antragsteller übermittelten die griechischen Behörden am 27. Juni 2019 ein weiteres Aufnahmegesuch, gestützt auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO an die Antragsgegnerin. Die griechischen Behörden führten in dem elektronisch über das DublinNet übermittelten Gesuch in englischer Sprache u.a. aus:
„Meanwhile, the husband was granted the status of subsidiary protection and the applicant expressed her will to resubmit her request for reunification with her husband given the fact that she is a single mother having a minor child at the age of 7 who really needs the presence of his father.
The applicant reported kidney and stomach problems and she expressed psychological complaints (anxiety disorder).
We hereby send you all the relevant documents, the applicant’s photo, fingerprints and identity, her marriage certificate in order to establish the family link with her spouse in Germany and her written consent and we kindly ask you to examine this request under Article 17.2 of Regulation (EU) No 604/2013. Please note that this application has not been examined on its merits by our Authorities and a first decision regarding the substance has not been taken yet.”
In diesem Übernahmeersuchen gaben die griechischen Behörden das Geburtsdatum des Herrn … nunmehr mit April 1982 an. Entsprechend beigefügt war in elektronischer Form ein in arabischen Schriftzeichen verfasstes Dokument, auf dem handschriftlich vermerkt ist: „Date of issue: 15.07.2016 COPY OF THE ORIGINAL“ und bei dem es sich nach der offiziellen englischen Übersetzung, die ebenfalls mitübersandt worden war, um eine ID-Karte des afghanischen Staates für die Antragstellerin zu 1. handelt. Weiter beigefügt war dem Übernahmeersuchen ein undatiertes Foto der Antragstellerin zu 1. sowie zwei Fotoaufnahmen, die die den Herrn … erteilten deutschen Aufenthaltstitel beidseitig abbilden. Im Weiteren mitübersandt wurde ein in griechischer und englischer Sprache verfasstes, auf den 11. Juni 2019 datiertes Dokument des „Asylum Service“ der Hellenischen Republik, auf dem die Antragstellerin zu 1. für sich und den Antragsteller zu 2. schriftlich erklärte, die Familienzusammenführung mit Herrn … und eine Überprüfung ihres Asylantrages durch die Antragsgegnerin zu wünschen. Schließlich fügte die griechische Dublin-Einheit dem Übernahmeersuchen noch ein Dokument bei, das mit arabischen Schriftzeichen beschrieben und mit Passfotos verschiedener Personen und Fingerabdrücken am Dokumentenende versehen ist. Auch für dieses Dokument wurde zugleich eine Abschrift bzw. Übersetzung in englischer Sprache beigefügt, wonach es sich um eine Heiratsurkunde, ausgestellt durch das Oberste Gericht des 4. Bezirks der Kabul-Provinz des afghanischen Staates unter dem 6. März 2017 handelt. Die Heiratsurkunde weist aus, dass die Antragstellerin zu 1. und ein Herr … … … … …, geboren 1982 seit 2011 miteinander unter namentlich genannten Zeugen verheiratet worden seien und einen im Jahr 2012 geborenen gemeinsamen Sohn namens … … … … hätten.
Mit Mitteilung vom 10. Juli 2019 (Az. des Bundesamtes: …3) lehnte das Bundesamt das Übernahmegesuch für die Antragsteller gegenüber der griechischen Dublin-Einheit erneut ab. Zur Begründung der Ablehnung führt das Bundesamt in englischer Sprache aus:
„As you stated yourselves in your request to take charge of the aforementioned people, there yet existed a former Dublin procedure for the very same persons in 2018. According to art. 3 para. 1 Dublin III Regulation one Member State responsible is to be determined following the criteria of the Regulation. This happened in 2018 via the German rejection, which eventually deemed Greece the Member State responsible. Hence your authorities are obliged to examine Mrs … asylum application unless another Member State declared their responsibility. In short, the Dublin procedure regarding the very identic case has already been conducted in 2018 and must be regarded as concluded without Germany having agreed to take charge. Your recent request is respectfully denied.“
Daraufhin sah sich die griechische Dublin-Einheit veranlasst, gegenüber dem Bundesamt mit Schreiben vom 31. Juli 2019 eine aus Sicht der griechischen Behörden notwendige Richtigstellung zur Verfahrensweise und zur Bedeutung der Familienzusammenführung bzw. der humanitären Gründe in der Dublin III-VO zu übermitteln. Unter Heraushebung der aus Sicht der griechischen Dublin-Einheit den Einzelfall prägenden Umstände wurde die Antragsgegnerin nochmals ersucht, die Übernahme der Antragsteller zu prüfen. Hierauf teilte die Antragsgegnerin der griechischen Dublin-Einheit am 1. August 2019 mit, die Übernahme werde abgelehnt. Zu den Gründen der Ablehnung führt das Bundesamt in englischer Sprache aus:
„Thank you for your yesterday’s communication in the this case. Howsoever, your request to take charge of the aforementioned persons must further and finally be rejected.
In addition to the rejection reasons given in the first letter of denial, it must moreover be hinted to the following: Art. 17 para. 2 Dublin III Regulation has not got the intention to have any Member State wait with lodging their Take Charge requests until circumstances appear that conform with the applicants’ wishes.“
Mit weiterem Schreiben vom 21. August 2019 an das Bundesamt ersuchte die griechische Dublin-Einheit unter Bezugnahme auf die Ablehnungsmitteilung vom 1. August 2019 abermals das Bundesamt um Prüfung unter Verweis auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO und Darlegung der Sachlage aus Sicht der griechischen Behörden. Hierauf antwortete das Bundesamt nicht mehr. Mit Email vom 12. Februar 2020 an das Bundesamt bat die griechische Dublin-Einheit um eine zeitnahe Mitteilung zum Schreiben vom 21. August 2019, die ebenfalls unbeantwortet blieb.
Mit Schriftsatz vom 7. April 2020 erhoben die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigte nach deren Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, der bei Gericht am 9. April 2020 einging. Die Antragsteller lassen beantragen,
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, sich unter Aufhebung der ergangenen Ablehnungen der Aufnahmegesuche und Wiedervorlagen durch das Griechische Migrationsministerium – Nationales Dublin-Referat für die Asylanträge der Antragstellenden für zuständig zu erklären.
Zur Glaubhaftmachung wird – unter Beifügung von Ablichtungen entsprechender Unterlagen bzw. Verweis auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin – im Wesentlichen vorgetragen, die letzte Anfrage der griechischen Dublin-Einheit aus Februar 2020 an das Bundesamt habe dieses unbeantwortet gelassen. Zuvor habe das Bundesamt mehrmals seine Ablehnung der Übernahmeersuchen für die Antragsteller gegenüber den griechischen Behörden zum Ausdruck gebracht. Es drohe daher eine Entscheidung über die Asylanträge der Antragsteller in Griechenland, wobei die Regelungen der Dublin III-VO zur Familienzusammenführung bzw. zur Wahrung der Familieneinheit danach nicht mehr zur Anwendung kämen. Bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Falle einer Klageerhebung gegen die Antragsgegnerin könne somit nicht zugewartet werden, um einen drohenden Rechtsverlust zu begegnen. Eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung sei hier zulässig, zumal die Antragsteller in der Hauptsache höchstwahrscheinlich obsiegen würden. Den Anordnungsanspruch stützen die Antragsteller zuvörderst auf die Anwendung des Art. 10 Dublin III-VO, den die Antragsgegnerin fälschlich abgelehnt habe. Die Asylerstentscheidung im Falle des Herrn … sei zum Zeitpunkt des ersten Übernahmeersuchens der griechischen Behörden noch nicht bestandskräftig gewesen. Herr … sei überdies durch das Bundesamt – entgegen der üblichen Praxis – nicht zur Familienzusammenführung befragt worden; auf die übliche Praxis der Befragung durch die Behörden des ersuchten Staates habe die griechische Dublin-Einheit vertrauen können und deshalb zu Recht von der eigenen Einholung einer solchen schriftlichen Zustimmung abgesehen. Jedenfalls ergäbe sich ein Anordnungsanspruch der Antragsteller aber aus der Anwendung des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, wobei die Antragsgegnerin diesbezüglich schon kein Ermessen ausgeübt habe bzw. es fehlerhaft ausgeübt habe. Es liege auch eine sog. Ermessensreduktion auf null vor, da allein die Übernahmeentscheidung angesichts der Einzelfallumstände sachgerecht sei. Die Antragsteller lassen mit ihrer Antragsschrift zudem noch vortragen, dass Herr … bereits am 15. Januar 2014 in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, der erst mit Bescheid vom 9. November 2017 abgelehnt worden sei. Herr … sei ursprünglich unter dem Geburtsdatum August 1988 registriert worden. Dieses sei vor Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis nach Vorlage des Passes aber auf April 1982 korrigiert worden. Die lange Verfahrensdauer drohe die Familieneinheit dauerhaft zu verhindern.
Die Antragsgegnerin hat sich mit Schriftsatz vom 23. April 2020, bei Gericht eingegangen am 27. April 2020, geäußert und beantragt,
den Antrag nach § 123 VwGO abzulehnen.
Sie verteidigt die getroffenen ablehnenden Mitteilungen an die griechischen Behörden unter Bezugnahme auf den Inhalt der beim Bundesamt geführten elektronischen Akten. Im Wesentlichen ist die Antragsgegnerin der Auffassung, eine Übernahme der Antragsteller aufgrund von Art. 10 Dublin III-VO sei daran gescheitert, dass zum Zeitpunkt des Übernahmeersuchens Griechenlands bei Herrn … bereits eine Entscheidung in der Sache vorgelegen habe, wobei es unerheblich sei, dass diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Darüber hinaus scheitere auch ein Anspruch der Antragsteller aus Art. 17 Dublin III-VO, jedenfalls liege keine Ermessensreduktion auf null vor. Aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO folge dies bereits daraus, dass sich die Antragsteller nicht im Bundesgebiet aufhielten, was Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift sei. Hinsichtlich der Anwendung des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO sei Griechenland der richtige Anspruchsgegner für die Antragsteller. Den Mitgliedsstaaten komme bei der Anwendung der humanitären Klausel darüber hinaus ein weiter Ermessensspielraum zu, was auch ein Rekurs auf die Vorschrift des Art. 16 Dublin III-VO belege. Den Antragstellerin stünden andere, ausländerrechtliche Möglichkeiten der Familienzusammenführung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO nach ihrer Schutzanerkennung in Griechenland zur Verfügung.
Dem Gericht haben die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin zu den Aktenzeichen …, … und … in elektronischer Form vorgelegen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsakten zu den vorgenannten behördlichen Aktenzeichen verwiesen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch den Einzelrichter des hierfür örtlich und sachlich zuständigen Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach.
Der zulässige Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist begründet.
1. Die Entscheidungskompetenz des angerufenen Gerichts ist gegeben.
Es handelt sich um eine Streitigkeit „nach dem Asylgesetz“ im Sinne von § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, auch wenn sich der mit dem Antrag geltend gemachte Anspruch nicht unmittelbar aus dem nationalen Asylgesetz ergibt, sondern unter anderem unmittelbar aus der Dublin III-VO, so ergeht die Entscheidung aber bei der Anwendung des Asylgesetzes (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 52 Rdnr. 11; VG Frankfurt a. M., B.v. 27.5.2019 – 10 L 34/19 – BeckRS 2019, 21408).
Da sich beide Antragsteller in Griechenland aufhalten, greift nicht die für asylrechtliche Streitigkeiten (vgl. für Streitigkeiten nach der Dublin III-VO BVerwG, B.v. 2.7.2019 – 1 AV 2/19 – juris Rn. 4) regelmäßige Zuständigkeitsvorschrift des § 52 Nr. 2 Satz 3 Halbs. 1 VwGO ein, sondern richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Antragsgegnerin, § 52 Nr. 2 Satz 3 Halbs. 2, Nr. 5 VwGO (BVerwG, B.v. 2.7.2019 – 1 AV 2/19 – juris Rn. 6). Da das Bundesamt seinen Sitz in Nürnberg hat, ist das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach zur Entscheidung zuständig. Einer Zuständigkeitsbestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO bedarf es vorliegend nicht, da die Person, zu der zugezogen werden soll, nicht als Antragsteller auftritt und damit keine Kollision von Zuständigkeiten besteht.
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Die Antragssteller sind entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Erforderlich ist hierfür die Geltendmachung einer möglichen Verletzung eines subjektiven Rechts. Eine solche ergibt sich für die Antragsteller jedenfalls aus der huma-nitären Ermessensklausel des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, auf die sich alle betroffenen Familienangehörigen berufen können, da eine Gesamtermessensabwägung aller Belange aller Familienangehörigen vorzunehmen ist (VG Ansbach, B.v. 6.4.2020 – AN 17 E 20.50103 – unveröffentlicht). Auch ein Berufen vom Ausland aus auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO ist anzuerkennen. Die Regelungen der Dublin III-VO schließen dies nicht aus, die Erwägungsgründe 13, 14 und 15 der Dublin III-VO sprechen vielmehr dafür. Auch Art. 47 GR-Charta sowie Art. 6 GG streiten für dieses Ergebnis (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 19.7.2019 – AN 18 E 19.50355; VG Berlin, B.v. 15.3.2019 – 23 L 706.18 A – juris Rn. 20; VG Münster, B.v. 20.12.2018 – 2 L 989/18.A – juris Rn. 21).
Dem Antrag fehlt auch nicht das allgemeine Rechtschutzbedürfnis aufgrund einer teilweisen allgemeinen Aussetzung von Abschiebungen und Überführungen von Personen durch die Nationalstaaten im Dublin-Raum wegen der aktuellen Gefahrenlage bzw. zur Eindämmung der pandemischen Ausbreitung des Corona-Virus. Ebenso wenig stehen die aktuellen tatsächlichen Einschränkungen im Flug- und im sonstigen Reiseverkehr und nationale Einreisebestimmungen, die eine Zusammenführung der Familie in der Bundesrepublik derzeit möglicherweise verhindern, dem Antrag entgegen. Der Antrag ist nicht auf tatsächliche Überführung der Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland gerichtet, so dass es auf die derzeitige Unmöglichkeit der Durchführung nicht ankommt, sondern auf die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Überführung, nämlich auf die Zustimmung der Antragsgegnerin zur einer – auch später noch möglichen, und nicht auf Dauer unmöglichen – Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland.
3. Der Antrag ist begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO; sog. Regelungsanordnung). Der streitige Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und den Antragstellern nicht schon in vollem Umfang, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnten. Im Hinblick auf das Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache dann nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile der Antragsteller unzumutbar sowie in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3/13 – juris).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragsteller haben sowohl einen entsprechenden Anordnungsanspruch als auch die besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Auch ist hier ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache möglich und geboten.
Der Anordnungsgrund besteht in der Gefahr des unmittelbar drohenden Rechtsverlustes. Durch den Fortgang des Asylverfahrens in Griechenland ist für die Antragsteller ein zeitnaher und dauerhafter Verlust des geltend gemachten Nachzugsrechts zu Herrn … ernsthaft zu befürchten. Wenn das Asylverfahren in Griechenland durchgeführt und abgeschlossen ist, greifen in der Folge die Regelungen der Dublin III-VO nicht mehr ein (vgl. Art. 1 Dublin III-VO) und die Familienzusammenführung nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO wird auf Dauer ausgeschlossen (vgl. auch VG Münster, B. v. 20.12.2018 – 2 L 989/18.A – juris Rn. 69; VG Berlin, B. v. 15.3.2019 – 23 L 706.18 A – juris Rn. 36; VG Wiesbaden, B. v. 25.4.2019 – 4 L 478/19.WI.A). Die Antragstellerseite hat zwar im Antragsschriftsatz nicht näher dazu ausgeführt, dass die griechischen Asylbehörden nunmehr sehr zeitnah eine Entscheidung über ihre Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes in Aussicht gestellt haben. Vielmehr haben die Antragsteller lediglich vortragen lassen, dass mit einer Sachentscheidung in Griechenland zeitnah nach der Anhörung der Antragsteller zu rechnen sei, was insoweit eine Vermutung aber keine Glaubhaftmachung darstellt. Eine ausreichende Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ergibt sich für das Gericht aber aus dem Kontext der im Antragsschriftsatz in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin. Aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang zur behördlichen Aktennummer … wird ersichtlich, dass das griechische Dublin-Referat bei der Antragsgegnerin mehrmals im Zusammenhang mit einer Prüfung des Übernahmeersuchens unter Zugrundelegung von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, dessen Anwendung nachrangig zu den Kriterien nach dem Dritten Kapitel der Dublin III-VO zur Prüfung kommt, ergebnislos angefragt und dabei zuletzt auf eine Anfrage aus Februar 2020 auch keine Nachricht seitens der Antragsgegnerin mehr bekommen hat. Insoweit ist auch ohne vertiefenden Vortrag der Antragsteller zum Anordnungsgrund ihres Antrages nach § 123 Abs. 1 VwGO für das Gericht erkennbar, dass eine Eilbedürftigkeit im Hinblick auf eine Entscheidung über den behaupteten Anordnungsanspruch besteht, da bei lebensnaher Betrachtung des Sachverhaltes davon auszugehen ist, dass weitere Anfragen des griechischen Dublin-Referates an das Bundesamt im Zusammenhang mit einer Übernahme der Antragsteller nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr ernsthaft anzunehmen sein werden. Dass eine Anhörung der Antragsteller vor den griechischen Behörden überdies bereits stattgefunden hat, ergibt sich aus dem Kontext der Mitteilungen des griechischen Dublin-Referates, mit denen die Übernahmeersuchen jeweils begründet worden waren. Damit steht zwar nicht zugleich fest oder ist in sonstiger Weise glaubhaft gemacht, dass die Anhörung sich auch auf die Asylgründe der Antragsteller bezog. Gleichwohl ist jedenfalls auch angesichts des bisherigen Zeitablaufs seit Stellung der Asylanträge der Antragsteller gegenüber den griechischen Behörden mit einem zügigen Fortgang der Bearbeitung und dann auch nachfolgenden Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz durch die griechischen Behörden ernsthaft zu rechnen, so dass es insoweit keiner gesteigerten Anforderung an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes bedurfte.
Auf ausländerrechtliche Möglichkeiten der Familienzusammenführung nach Schutzanerkennung der Antragsteller in Griechenland müssen sich diese im vorliegenden Verfahren nicht verweisen lassen. Zum einen geht es den Antragstellern um die richtige Anwendung der Regelungen der Dublin III-VO, denen unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Schutzfunktion zugunsten der Antragsteller zukommen kann (EuGH, U.v. 31.5.2018 – C-647/16 – NVwZ 2018, 1380 [1382]). Zum anderen handelt es sich bei den von der Antragsgegnerin angedachten ausländerrechtlichen Lösungen um derzeit nur theoretische denkbare Möglichkeiten, wobei insbesondere eine Gewährung internationalen Schutzes für die Antragsteller durch die griechischen Behörden zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Beschluss noch keine Gewissheit darstellt, sondern vielmehr ihrerseits ungewiss ist. Im Sinne effektiven Rechtschutzes und orientiert am Rechtschutzziel der Antragsteller müssen sich diese auf in der Zukunft liegende, ungewisse Formen der Familienzusammenführung daher nicht verweisen lassen.
Ob die Antragsgegnerin das erste Übernahmeersuchen des griechischen Dublin-Referates, das auf die Anwendung des Art. 10 Dublin III-VO gestützt war, zu Recht abgelehnt hatte, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls haben die Antragsteller nach summarischer Prüfung einen Anordnungsanspruch, der auf die Anwendung des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gestützt ist, glaubhaft gemacht. Nach Unterabs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt (hier: Griechenland), bevor eine Entscheidung ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 Dublin III-VO nicht zuständig ist. Die betreffenden Personen müssen dem schriftlich zustimmen, Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 Dublin III-VO. Der so ersuchte Mitgliedstaat hat alle erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen, Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO. Nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 4 Dublin III-VO wird dem ersuchten Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen, wenn dieser dem Gesuch stattgibt.
So ist vonseiten der griechischen Behörden hier verfahren worden. Das zweite Übernahmeersuchen an die Antragsgegnerin wurde explizit auf die Anwendung des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gestützt und war mit den Familienverhältnissen zwischen den Antragstellern und Herrn … begründet.
Die Voraussetzungen für eine Zustimmungserklärung der betroffenen Personen sind ebenfalls erfüllt. Jedenfalls das vom griechischen Dublin-Referat an die Antragsgegnerin mitübersandte Schreiben der Antragstellerin zu 1. vom 11. Juni 2019 (Bl. 14 d. Akte …) enthielt nunmehr ausdrücklich den schriftlich geäußerten Wunsch, mit Herrn Hashimi zusammengeführt zu werden. Von der Antragsgegnerin unwidersprochen haben die Antragsteller zudem vorgetragen, dass es den üblichen Gepflogenheiten entspreche, dass das Bundesamt hinsichtlich der auch vom in Deutschland aufhältigen Schutzberechtigten einzuholenden Zustimmungserklärung selbst tätig wird, was – nach Aktenlage bestätigt – vorliegend nicht erfolgt ist. Insoweit genügt es nach Ansicht des Einzelrichters für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, dass die entsprechende Zustimmungserklärung in schriftlicher Form erst mit dem Antragsschriftsatz im hiesigen Verfahren vorgelegt wurde.
Der Antrag auf Übernahme der Antragsteller kann nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO im Weiteren „jederzeit“ gestellt werden. Er ist damit nicht an die Fristen und Verfahrensabläufe nach Art. 21 ff. Dublin III-VO und Art. 5 Abs. 2 Dublin-Durchführungs-VO gebunden. Dies ergibt sich gesetzestechnisch daraus, dass Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO in den Unterabsätzen 2 und 3 eigene Verfahrensregeln und Fristen (und größtenteils eben keine Fristen) aufstellt. Für den Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 1 Dublin III-VO sind gerade auch keine Folgen wie in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3, Art. 23 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO vorgesehen. Insoweit stellen sich Fristenprobleme im Zusammenhang mit den wiederholten Übernahmeersuchen des griechischen Dublin-Referates unter Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO nicht.
Im Weiteren ist davon auszugehen, dass es sich bei Herrn …, dem Antragsteller im behördlichen Verfahren zum Az. …, auch um den Ehemann der Antragstellerin zu 1. und den Vater des Antragstellers zu 2. handelt, wobei die Ehe im Herkunftsland bereits bestanden hat. Dies ergibt sich aus vorgelegten Familienunterlagen aus dem Herkunftsland, deren Echtheit von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen worden sind und sich für das Gericht ebenso wenig entsprechende Zweifel aufdrängen.
Die in Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO geforderten humanitären Gründe, die sich insbesondere aus dem familiären Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, liegen hier vor. Bei den genannten humanitären Gründen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auszulegen ist. Im Kontext der Dublin III-VO ist eine Auslegung geboten, die dem Grundgedanken der Wahrung der Einheit der Familie und der Wahrung des Kindeswohls verpflichtet ist. Dies lässt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 13 bis 17 der Dublin III-VO entnehmen. Die Antragsgegnerin hätte somit das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausüben müssen. Dies erfolgte infolge der Ablehnung des Nachweises der familiären Beziehung aber nicht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Ablehnung der Übernahmeersuchen gegenüber den griechischen Behörden allein unter Verfahrensaspekten heraus begründet, ohne, dass damit erkennbar eine am Regelungszweck des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO orientierte Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit dem Übernahmeersuchen stattgefunden hat.
Geht man aber – wie das Gericht und auch die Antragsgegnerin selbst – davon aus, dass die Antragstellerin zu 1. und Herr … die Eltern des Antragstellers zu 2. sind, fordert dieser Umstand eine Ermessensausübung zugunsten der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft, da dem Antragsteller zu 2. mit seinem Alter von sieben Jahren nicht zugemutet werden kann, auf den Beistand beider Eltern auf Dauer zu verzichten. Im Alter von sieben Jahren ist eine Trennung von den Eltern allenfalls ausnahmsweise hinnehmbar. Regelmäßig steht das Kindeswohl dem aber in diesem Alter entgegen. Dazu hat die Antragsgegnerin keinerlei Überlegungen angestellt – auch nicht in ihrem Antragserwiderungsschriftsatz.
Auf die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in Griechenland kann die Familie ebenfalls nicht verwiesen werden, da ein Schutzstatus für Herrn … in Deutschland besteht und Griechenland selbst niemals für die Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutzes zuständig war.
Nach Ansicht des Gerichts ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Ermessensreduzierung auf null gegeben. Jede andere Entscheidung erscheint unter Kindeswohlgesichtspunkten unvertretbar und würde eine nicht vertretene Härte für den Antragsteller zu 2. bedeuten (vgl. auch VG Berlin, B.v. 15.3.2019 – 23 L 706.18 A – juris Rn. 32; ähnlich zu Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO: BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 22).
Im Ergebnis der Aktenauswertung durch das Gericht wird die Ermessensreduzierung auf null auch nicht durch den Umstand konterkariert, dass Herr … bereits vor etlichen Jahren ohne Mitnahme der Antragsteller sein Herkunftsland verlassen hat. Einer vertiefenden Prüfung im vorliegenden Verfahren zugänglich sind die Erwägungen und Handlungen des Herrn … dabei nur unter dem Gesichtspunkt, ob dieser die bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan bestehende eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft faktisch aufgegeben hat. Das erscheint unter Berücksichtigung der Äußerungen des Herrn … in seinen Anhörungen vor dem Bundesamt aber fernliegend. Vielmehr entnimmt das Gericht den Anhörungsniederschriften, dass Herr … beabsichtigt hatte, zunächst seinen Anspruch auf internationalen Schutz zu sichern und sodann im Falle der Anerkennung bzw. Zuerkennung internationalen Schutzes mit dieser gesicherten Perspektive einen Familiennachzug zu organisieren. Zwar haben die Antragsteller selbst in der Antragsschrift nicht näher zu den Umständen ihrer eigenen Flucht ausgeführt, so dass insbesondere nicht erkennbar ist, ob das Fluchtverhalten der Antragsteller eigeninitiativ oder doch unter Mithilfe bzw. Instruktion des Herrn … bedingt war. Hieraus ergibt sich aber für das Gericht noch keine derartig gewichtige Einschränkung der Belange auf Familienzusammenführung unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der Dublin III-VO, dass der Antragsgegnerin trotz Zubilligung eines weiten Ermessensspielraums noch eine andere vertretbare Entscheidung als diejenige der Erklärung des Selbsteintritts gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO zukäme.
Die Belange des Antragstellers zu 2. mussten im vorliegenden Verfahren im Rahmen der Ermessensentscheidung auch berücksichtigt werden und konnten nicht außen vor zu gelassen werden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO sind nämlich die Belange aller Familienmitglieder in einer Gesamtbewertung zu berücksichtigen, d.h. unabhängig davon, wer als Antragsteller auftritt, da eine geteilte Ermessensentscheidung, d.h. eine Ermessenentscheidung in Bezug auf nur einzelne Personen nicht möglich ist. Die Ermessensentscheidung nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO erfordert die Abwägung aller Belange aller Betroffenen. Ein Unbeachtetlassen von einzelnen Belangen oder von Belangen einzelner Betroffener ist nicht möglich. Im Ergebnis führen damit die hier im Wesentlichen maßgeblichen und nicht ausreichend beachteten Belange des minderjährigen Antragstellers zu 2. zu einer Rechtsverletzung auch der Antragstellerin zu 1. Eine fehlerhafte Ermessensausübung ist auch ihr gegenüber ergangen.
Die mit dieser Anordnung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist hier vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise zulässig, da ansonsten ein nicht umkehrbarer Übergang der Zuständigkeit auf Griechenland zu befürchten ist und die Familieneinheit der Antragsteller mit Herrn … – jedenfalls basierend auf der Dublin III-VO – nicht mehr herbeigeführt werden könnte. Dies ist unzumutbar und auch nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.
Die Entscheidung ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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