Aktenzeichen Au 7 S 16.50073
AsylG AsylG § 27a, 34a
EMRK EMRK Art. 3
GRCh GRCh Art. 4
VwVfG VwVfG § 46
Leitsatz
Aus Art. 4 Abs. 3 VO (EU) Nr. 604/2013 folgt nicht, dass das Merkblatt der EU-Kommission zur Unterrichtung im Dublin-Verfahren für die Durchführung des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung ist. (redaktioneller Leitsatz)
In Polen bestehen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 41725, SächsOVG BeckRS 2015, 54313). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO werden abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden sowohl für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch für das Klageverfahren abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre Abschiebung nach Polen.
1. Die Antragsteller, die nach ihren Angaben russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit sind, reisten (erneut) am 8. März 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 11. März 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Durchführung von Asylverfahren.
Die bereits am 14. Mai 2013 gestellten Asylanträge wurden am 10. August 2013 unanfechtbar (als unzulässig) abgelehnt.
Am 4. Mai 2016 wurde das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchgeführt. Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) gaben u. a. an, dass sie mit dem Zug und Minibus ihr Herkunftsland Russische Föderation am 21. Februar 2016 verlassen hätten. Sie seien über Polen gereist, wo sie am 2. oder 3. März 2016 angekommen seien. Am 8. März 2016 seien sie in Deutschland eingereist. Ein Aufenthaltsdokument oder Visum für die Bundesrepublik Deutschland hätten sie nicht. In Polen hätten sie Asyl beantragt; auch seien ihnen dort Fingerabdrücke abgenommen worden.
Der Antragsteller zu 2) erklärte darüber hinaus, dass es in Polen für ihn nicht ganz ungefährlich gewesen sei. Man habe ihn dort gesucht.
Eine Überprüfung durch das Bundesamt ergab einen Eurodac-Treffer Kategorie 1 für Polen, danach stellten die Antragsteller in Polen am 3. März 2016 Asylanträge. Unter dem 20. April 2016 bat das Bundesamt Polen um Übernahme der Asylverfahren. Unter dem 28. April 2016 akzeptierten die polnischen Behörden die Übernahme der Antragsteller.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Ziffer 2.). In Ziffer 3 des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Der Bescheid wurde laut Postzustellungsurkunde am 8. Juli 2016 zugestellt.
2. Die Antragsteller ließen durch ihre Bevollmächtigte per Telefax am 14. Juli 2016 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2016, zugestellt am 8. Juli 2016, in Ziffer 1 und 2, hilfsweise Ziffer 3 aufzuheben.
Die Klage wird bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.50072 geführt.
Mit weiterem Schreiben, ebenfalls per Telefax am 14. Juli 2016 eingegangen, wurde ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend gestellt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen die Aufschiebungsanordnung in Ziffer 2 und bezüglich Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 16. Juni 2016 anzuordnen.
Weiter wurde sowohl für das Klageverfahren, sowie für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten beantragt.
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 18. und 20. Juli 2016 im Wesentlichen ausgeführt:
In den Verwaltungsvorgängen befänden sich keinerlei Eurodac-Treffer. Das stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
Weiter seien Mitwirkungsrechte verletzt worden. Es sei nicht festzustellen, ob die Antragsteller gemäß Dublin III-VO belehrt worden seien. Im Verwaltungsvorgang befinde sich lediglich eine „Information zu der Dublin III-VO“, die den Antragstellern lediglich in deutscher Sprache ausgehändigt worden sei.
Diese Information entspreche nicht den europarechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO. In dieser Vorschrift sei geregelt, dass die zuständigen Behörden einen Antragsteller nicht nur über die Anwendung der Verordnung, sondern insbesondere über eine Vielzahl von Aspekten des Überstellungsverfahrens zu unterrichten hätten. Diese Information sei den Antragstellern bei Antragstellung am 25. Mai 2016 (richtig wohl: 11.3.2016) vorenthalten worden. Damit könne das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vom 25. Mai 2016 (Richtig wohl: 4.5.2016) letztlich nicht als persönliches Gespräch im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Dublin III-VO gewertet werden.
Das zwingend vorgeschriebene Merkblatt sei den Antragstellern nicht ausgehändigt worden.
Der vorstehend aufgezeigte Verstoß gegen die in Art. 4 und Art. 5 Dublin III-VO normierten Verfahrensgarantien habe zur Folge, dass sich das Überstellungsverfahren und damit auch die Abschiebungsandrohung als offensichtlich rechtwidrig erweise und der Vollzug der Ausreisepflicht der Antragsteller dementsprechend bis zur Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren auszusetzen sei.
Durch eine umfassende Überprüfung auf Sach- und Rechtsfragen seien jedenfalls auch Verfahrensfehler vom Überprüfungsgebot umfasst.
In Art. 27 Dublin III-VO sei das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung gewährleistet.
Es lägen systemische Mängel hinsichtlich Polens vor. Die neu gewählte Regierung und ihre Äußerungen in Bezug auf die Flüchtlinge seien als Indiz für mangelnde Bereitschaft anzusehen, die relevanten Standards zuverlässig zu gewährleisten. Zur Untermauerung der Auffassung wurden verschiedene Berichte angeführt.
Weiter wurde auf den Länderbericht zu Polen von AIDA vom 13. November 2015 in englischer Sprache hingewiesen.
Die Inhaftierungspraxis gegenüber Asylsuchenden und anderen Migranten verstoße im Allgemeinen und speziell im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Personen und Kinder systemisch gegen die Vorgaben der EMRK.
Durch die Gesetzesänderung in Polen, die am 13. November 2015 in Kraft getreten sei, würden im Falle der Rückkehr die Asylanträge der Antragsteller als Folgeantrag gewertet. Die Antragsteller müssten im Rahmen eines Folgeverfahrens neue Fakten und Beweismittel zur Begründung ihrer Anträge vorlegen. Damit wäre der Zugang zum Asylverfahren und eine vollständige Prüfung der Asylgründe der Antragsteller nicht garantiert.
Vor dem Hintergrund der „Tarakhel“-Entscheidung des EGMR und den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2014 sei darauf hinzuweisen, dass vor der Abschiebung sichergestellt sein müsse, dass die Familie, zu der kleine Kinder gehörten, menschenwürdig untergebracht würden. Aus dem Verwaltungsvorgang ergebe sich nicht, dass entsprechende Garantien seitens der polnischen Behörden eingeholt worden seien und vorlägen.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 wurde ein ärztliches Attest vom 19. Juli 2016 vorgelegt, wonach sich der Antragsteller zu 2) am 24. Mai 2016 mit einer deutlichen Angststörung bei einem Arzt vorgestellt habe.
Der Zugang zu medizinischer Behandlung sei in Polen sehr schwierig. In Polen stünde, wenn überhaupt, nur eine psychologische und psychotherapeutische Hilfe zur Verfügung, die auf eine einmalige Beratung zur Hilfe hinausliefe. Eine durchgehende Behandlung in Form einer Therapie stehe den Flüchtlingen in Polen regelmäßig gerade nicht zur Verfügung.
Es bestehe auch die Gefahr, dass die minderjährigen Antragsteller zu 3) bis 5) in Polen nicht kindgerecht untergebracht würden.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 wurden weitere Darstellungen zur aktuellen politischen Situation in Polen vorgetragen.
3. Das Bundesamt legte am 29. Juli 2016 die Behördenakten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
A. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Anträge sind zulässig, insbesondere sind sie statthaft. Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) können Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnungen innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe gestellt werden. Die Wochenfrist ist vorliegend eingehalten.
2. Die Anträge sind jedoch unbegründet. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung im Falle des Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ganz oder teilweise anordnen; denn gemäß § 75 Abs. 1 AsylG entfällt grundsätzlich die aufschiebende Wirkung von Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz. Das Gericht hat hierbei eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gegen das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller abzuwägen ist.
Den Erfolgsaussichten in der Hauptsache kommt dabei insofern Bedeutung zu, als am sofortigen Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein berechtigtes Interesse bestehen kann, wie an der aufschiebenden Wirkung einer erkennbar unbegründeten Klage. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung an. Die Interessenabwägung fällt vorliegend zulasten der Antragsteller aus. Denn nach der im Verfahren der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass sich die Abschiebungsanordnungen nach Polen als rechtmäßig erweisen wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der streitgegenständliche Bescheid vom 16. Juni 2016 ist weder in formeller (a.) noch in materieller Hinsicht (b.) zu beanstanden.
a) Entgegen der Ansicht der Antragsteller, ist der angegriffene Bescheid in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31; nachfolgend: Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Soweit die Antragsteller darauf hinweisen, sie seien entgegen Art. 4 Dublin III-VO nicht über die Anwendung der Dublin-Verordnung informiert worden, vermögen sie damit nicht durchzudringen. Zwar entspricht das von der Antragsgegnerin verwendete Merkblatt über das Dublin-Verfahren nicht dem ausführlicheren Merkblatt, das die EU-Kommission in Anlage X ihrer „Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist“ vorgesehen hat. Der wesentliche Inhalt des Dublin-Verfahrens wird den Antragstellern aber durch das vom Bundesamt verwendete Merkblatt und die weiteren den Antragstellern gegebenen Informationen ausreichend näher gebracht. Insofern liegt nach Auffassung des Gerichts bereits kein Verfahrensfehler vor. Aus Art. 4 Abs. 3 Dublin III-VO folgt insbesondere nicht, dass das Merkblatt der EU-Kommission zur Unterrichtung im Dublin-Verfahren für die Durchführung des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung ist. Deshalb spricht auch einiges dafür, dass nach den allgemeinen, in § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen ein diesbezüglicher Verfahrensfehler jedenfalls unbeachtlich wäre. Nach § 46 VwVfG darf ein Verwaltungsakt nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil er unter Verletzung von Verfahrens-, Form oder Zuständigkeitsbestimmungen zustande gekommen ist, wenn offensichtlich eine gleichlautende Entscheidung zu treffen wäre (VG Düsseldorf, B. v. 5.6.2015 – 13 L 1253/15.A – juris Rn. 18; VG Schwerin, B. v. 17.3.2015 – 3 B 687/15 As – juris, Rn. 9).
Anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH). Danach führen wesentliche Verfahrensfehler (vgl. Art. 263 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) zur Aufhebung der entsprechenden Verwaltungsentscheidung, wenn sie geeignet sind, sich auf die inhaltliche Entscheidung auszuwirken und deshalb ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und der Verwaltungsentscheidung besteht (vgl. ausführlich zum Verhältnis von §§ 45, 46 VwVfG zu den vom EuGH entwickelten Verfahrensprinzipien, Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (22 ff.) m. umfassenden Nachweisen; ferner Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 46 Rn. 85a m. § 45 Rn. 158 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 46 Rn. 5a je m. w. N.).
Aus einer fehlenden oder unzureichenden Information zum Verfahren nach der Dublin III-VO kann nicht zwingend geschlossen werden, dass der Fehler für die spätere Entscheidung kausal gewesen ist. Das Informationsrecht nach Art. 4 Dublin III-VO zielt darauf ab, die Antragsteller über ihre Rechte zu informieren, damit sie diese wahren können. Der maßgebende Sachverhalt wird aber erst in der persönlichen Anhörung nach Art. 5 Dublin III-VO bzw. § 25 AsylVfG geklärt, worauf auch Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO verweist (VG Schwerin, B. v. 17. 3. 2015 – 3 B 687/15 As – juris, Rn. 11).
b) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Polen für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass Polen grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständige Mitgliedstaat ist, die Überstellung der Antragsteller nach Polen durchgeführt werden kann (aa.), das polnische Asylverfahren insbesondere nicht an systemischen Mängeln leidet (bb) und auch keine Abschiebungshindernisse vorliegen (cc).
aa) Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnungen ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet die Antragsgegnerin die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Antragsteller haben in Polen bereits (erneut) Asylanträge gestellt. Dies ergibt sich entgegen der Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragsteller aus den Behördenakten der Antragsgegnerin. Danach ergaben sich für die Antragsteller hinsichtlich Polens Eurodac-Treffer der Kategorie 1, wonach diese am 3. März 2016 in Polen (erneut) Asylanträge gestellt haben (Bl. 84 ff. der Bundesamtsakte). Polen ist somit gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO gehalten, die Antragsteller wieder aufzunehmen. Die polnischen Behörden haben das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 20. April 2016 mit Schreiben vom 28. April 2016 akzeptiert. Die Abschiebung der Antragsteller nach Polen kann auch durchgeführt werden. Insbesondere ist vorliegend die Überstellungsfrist von sechs Monaten nicht abgelaufen (vgl. Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO).
bb) Gründe, von einer Überstellung nach Polen gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Systemische Schwachstellen, die eine solche Zuständigkeit begründen würden, sind nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bei der Durchführung von Asylverfahren in Polen nicht erkennbar.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C 4 11/10 und C 493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bzw. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O.). Der Asylbewerber kann der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat mithin nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013 – RS: 10-394/12 – juris). So bestimmt Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Einzelne Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK der zuständigen Mitgliedstaaten genügen hierfür nicht. Von systemischen Mängeln ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris). Ausgehend davon bestehen derzeit keine Anhaltspunkte, dass die Antragsteller in Polen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
Die Verneinung systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen entspricht zudem der überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, U. v. 19.1.2016 – 11 B 15.50130; U. v. 22.6.2015 – 11 B 15.50049 sowie B. v. 28.4.2015 – 11 ZB 15.50065; Sächsisches OVG, B. v. 12.10.2015 – 5 B 259/15.A; VG Göttingen, U. v. 27.1.2016 – 2 A 931/13; VG Aachen, U. v. 19.8.2015 – 6 K 2553/14.A; VG München, B. v. 29.6.2015 – M 24 K 15.50074; VG Frankfurt (Oder), B. v. 9.6.2015 – 6 L 324/15.A; VG Magdeburg, B. v. 14.4.2015 – 9 B 147/15; VG Gelsenkirchen, U. v. 10.3.2015 – 6a K 3687/14.A; VG Düsseldorf, B. v. 2.3.2015 – 17 L 2510/14.A; VG Weimar, U. v. 29.10.2014 – 7 K 20180/11 We – alle juris) sowie der ständigen Rechtsprechung der Kammer (VG Ansbach, U. v. 27.1.2016 – AN 14 K 15.50448 und AN 14 K 15.50450; B. v. 19.6.2015 – 14 S 15.50134, U. v. 17.2.2015 – 14 K 14.50221 sowie 14 K 14.50222).
In diesem Zusammenhang führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem Urteil vom 19. Januar 2016 (a. a. O.) aus:
„Auch den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln lassen sich keine solchen gravierenden Mängel entnehmen. Insbesondere aus dem „National Country Report – Poland“ des AIDA-Projekts (Asylum Information Database, Stand Juni 2014) ergibt sich, dass keine strukturellen Mängel bestehen, die landesweit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung befürchten lassen. Nach dem Bericht werden Asylbewerber in Polen üblicherweise in zwölf Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Es besteht dort auch kein Mangel an Plätzen (National Country Report – Poland, S. 39). Asylbewerber erhalten Mahlzeiten, Unterstützung zum Erwerb von Kleidung und Hygieneartikeln, einen Geldbetrag zur persönlichen Verfügung, medizinische Versorgung, Sprachkurse und notwendigen Schulbedarf (National Country Report – Poland, S. 37 f.). Die medizinische Versorgung wird auf dem gleichen Niveau gewährt wie polnischen Staatsbürgern ohne Krankenversicherung und umfasst daher eine Notfallbehandlung sowie eingeschränkten Zugang zu der allgemeinen Krankenversorgung (National Country Report – Poland, S. 49).Des Weiteren existieren mehrere geschlossene Einrichtungen, in denen Asylbewerber und andere Ausländer zum Zwecke der Rückführung untergebracht werden (National Country Report – Poland, S. 51 ff.). Insbesondere werden dort auch aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Dublin-Verfahren rückgeführte Personen untergebracht, die entgegen den Weisungen polnischer Behörden ihr Erstaufnahmeland verlassen und somit gegen die Aufnahmerichtlinie verstoßen haben, denn das polnische Asylgesetz enthält den Grundsatz, dass Ausländer in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden können, wenn sie das Flüchtlingsverfahren oder den Flüchtlingsstatus missbrauchen (Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 6.12.2013). Zwar wird dort nur ein kleiner Teil der Asylbewerber festgehalten. Gleichwohl ist festzustellen, dass es sich bei einem großen Teil der dort in Gewahrsam Genommenen um Minderjährige handelt, die mit ihren erwachsenen Familienangehörigen dort untergebracht werden (National Country Report – Poland, S. 51). Seit 1. Mai 2014 ist die Haftdauer für Asylbewerber gesetzlich auf sechs Monate begrenzt. Für abgelehnte Asylbewerber und andere Einwanderer beträgt sie in Rückführungsfällen 12 Monate und kann um weitere sechs Monate verlängert werden, wenn der Betreffende Rechtsmittel gegen die Asylentscheidung eingelegt hat (National Country Report – Poland, S. 55). In dem Bericht des AIDA-Projekts wird weiterhin ausgeführt, dass jederzeit ein Entlassungsgesuch gestellt werden kann, bei der Entscheidung aber regelmäßig nicht auf die Rechtmäßigkeit der Unterbringung, sondern überwiegend auf die persönliche Situation des Betreffenden abgestellt wird.
Zusammenfassend wird festgehalten, dass nur wenige Asylbewerber während der gesamten Verfahrensdauer ihres Asylverfahrens in den geschlossenen Einrichtungen verbleiben müssen, dies auf keinen Fall alle Asylbewerber betrifft und dort sowohl der Zugang zu medizinischer Versorgung als auch die Religionsausübung gewährleistet sind (National Country Report – Poland, S. 55 f.). Der Zugang zu einem kostenfreien Rechtsbeistand wird zwar nach dem Gesetz gewährt, in der Praxis jedoch nur mangelhaft umgesetzt, während Besuch durch Nichtregierungsorganisationen und Verwandte auf jeden Fall gewährleistet ist (National Country Report – Poland, S. 56 und 62). Auch der Bericht des United States Department of State „Poland 2013 Human Rights Report“ (Human Rights Report) stellt fest, dass die Bedingungen in den Haft- und Unterbringungseinrichtungen grundsätzlich internationalen Standards entsprechen (Human Rights Report, S. 2). Die Helsinki Foundation for Human Rights kommt in ihrer Studie „Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners – Migration Is Not a Crime“ (Migration Is Not a Crime, Warschau 2013) zu dem Ergebnis, dass die geschlossenen Einrichtungen in gutem Zustand sind (Migration Is Not a Crime, S. 11), das Essen regelmäßig in Ordnung ist (S. 14), Zugang zu medizinischer Versorgung (S. 23 ff.) und Möglichkeit zu Kontakt mit Angehörigen und Nichtregierungsorganisationen (S. 22 f.) besteht, aber die Behandlung durch das Sicherheitspersonal teilweise unfreundlich ist (S. 13). Die durchschnittliche Verweildauer in den geschlossenen Einrichtungen habe im Jahr 2012 ca. zwei Monate betragen (S. 11). Auch die früher bemängelte Praxis, Asylbewerber in ihr Heimatland abzuschieben, bevor die Gerichte über deren Klagen gegen eine ablehnende Entscheidung entschieden haben, wurde durch das neue Ausländergesetz vom 1. Mai 2014 beseitigt. Nunmehr wird die Rückkehrentscheidung nicht mehr zeitgleich mit der Entscheidung über den Asylantrag getroffen und auch für Entscheidungen, die vor der Rechtsänderung erlassen wurden, wurde angeordnet, dass eine Abschiebung vor der Gerichtsentscheidung nicht erfolgen darf (National Country Report – Poland, S. 16 f.).
Es ist damit nicht ersichtlich, dass trotz mancher Defizite der Bedingungen für Asylbewerber in Polen, insbesondere in den geschlossenen Einrichtungen, systemische Schwächen vorliegen, die auf strukturellen Missständen beruhen, von den polnischen Behörden tatenlos hingenommen werden und zu massiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Asylsuchenden führen würden“.
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Auch aus den Länderberichten AIDA Asylum Information Database Country Report Poland vom Januar 2015 und November 2015 ergeben sich keine anderen Erkenntnisse.
Eine vergleichbare Sachlage, wie sie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR (GK), U. v. 4.11.2014 – Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 – NVwZ 2015, 127) im Hinblick auf Italien zugrunde liegt, ist nach Auffassung des Gerichts für Polen nicht ersichtlich. Die Situation für Asylbewerber in Polen mag im Vergleich zu der Situation in der Bundesrepublik noch etwas unangenehmer sein, die oben genannte Schwelle zur Annahme sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen sind jedoch bei weitem nicht erreicht.
Ergänzend sieht das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab und folgt der ausführlichen und zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 16. Juni 2016, auf die hiermit Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, sind nicht ersichtlich. Daran ändert auch der Vortrag des Antragstellers zu 2), dass er in Polen gesucht werde, nichts. Hierfür sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.
Schließlich ist in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt, dass systemische Mängel auch bezüglich Asylsuchender mit gesundheitlichen Einschränkungen nicht zu erkennen sind (VG Aachen, B. v. 30.1.2015 – 6 L 895714.A).
cc) Im Hinblick auf den Wortlaut des § 34a AsylG, nach dem das Bundesamt die Abschiebung anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, hat das Bundesamt – abweichend von der übrigen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde – neben zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten auch Duldungsgründe zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – Rn. 4). Ein der Abschiebung nach Polen entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, S. 244 ff – juris Rn. 11 f; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 – 18 B 1060/11 – juris Rn. 4), ist im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben.
Erstmals mit Schriftsatz vom 20. Juli 2016 wurde hinsichtlich des Antragstellers zu 2) ein ärztliches Attest vom 19. Juli 2016 vorgelegt, wonach sich dieser mit einer deutlichen Angststörung am 24. Mai 2016 bei einem Arzt vorgestellt habe. Dabei ist nicht einmal im Ansatz von einer Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 2) auszugehen. Wie sich aus dem Attest entnehmen lässt, konnte durch medikamentöse Therapie eine Stabilisierung erreicht werden. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, die gegen eine Wiederholung der medikamentösen Behandlung im Falle einer Verschlechterung sprechen würden. Damit ist der Antragsteller zu 2) auf die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten in Polen zu verweisen.
c) Auch die Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls waren daher die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen vor allem im Hinblick auf die voraussichtliche Erfolglosigkeiten der Klagen abzulehnen.
2. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b Asyl).
B. Aus den oben ausgeführten Gründen waren auch die gestellten Prozesskostenhilfeanträge sowohl für das Eil- als auch für das Klageverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).