Europarecht

Schadensersatz, Berufung, AGB, Annahmeverzug, Revision, Anspruch, Schriftsatz, PKW, Umfang, Zinsen, Klage, Zulassung, Betrieb, Gesamtschuldner, Kosten des Rechtsstreits, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  9 U 2484/20

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53350
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

8 O 5989/19 2020-03-19 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.03.2020, Aktenzeichen 8 O 5989/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 42.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 04.09.2017 betreffend den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs vom Typ Audi SQ5 3.0 TDI (EU5) mit einer Leistung von 313 PS zu einem Preis von 42.000,00 €. Der Kläger nimmt sowohl den Gebrauchtwagenhändler als auch den Hersteller des Fahrzeugs in Anspruchs und behauptet das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ähnlich wie beim Motor E189 im sog. Dieselabgasskandal.
Das Landgericht hat die Klage – nach persönlicher Anhörung des Klägers – vollumfänglich abgewiesen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 19.03.2020 Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägervertreterin am 23.03.2020 zugestellte Urteil legte diese mit Schriftsatz vom 21.04.2020 (Bl. 422/423), beim Oberlandesgericht München eingegangen am 21.04.2020, Berufung ein, die sie mit Schriftsatz vom 18.06.2020 (Bl. 430/448) begründete. Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter und ist der Meinung, dass die Gewährleistungsansprüche nicht verjährt sind, da die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr sowohl AGB- als auch Unionsrechtswidrig sei. Gegen die Beklagte zu 2) sei der Anspruch aus § 826 BGB begründet, da es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handle.
Im Berufungsverfahren wird beantragt,
Der Kläger beantragt,
Das Urteil des LG München I vom 19.03.2020, Az. 8 O 5989/19 wird aufgehoben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.
Hilfsweise für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt, wird beantragt,
Das Urteil des LG München I vom 19.03.2020, Az. 8 O 5989/19, wird wie nachfolgend abgeändert.
1. Die Beklagtenpartei zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei € 42.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
16.03.2019 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi SQ5 TDI, …59 und Zugum Zug gegen Zahlung einer von der Beklagtenpartei zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, hilfsweise 1,00 Euro, für die Nutzung des PKW.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das Fahrzeug Audi SQ5 TDI Fahrzeugidentifikationsnummer: …59 dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im  Straßenverkehr.
hilfsweise:
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor, des Fahrzeugs Audi SQ5 TDI Fahrzeugidentifikationsnummer: …59) eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx -Ausstoß führt.
höchst hilfsweise:
2a. Die Beklagtenpartei zu 2) wird verurteilt, an die Klagepartei € 42.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4%-Punkten seit dem 13.09.2017 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi SQ5 TDI, …59.
2b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das Fahrzeug Audi SQ5 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …59) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
hilfsweise:
2b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor, des Fahrzeugs Audi SQ5 TDI Fahrzeugidentifikationsnummer: …59) eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx -Ausstoß führt.
2c. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 2a. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.613,24 freizustellen.
5. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Mit Beschluss vom 22.09.2020 (Bl. 497/502) hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 BGB zurückzuweisen.
Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.11.2020 (Bl. 505/508) erwidert.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.03.2020, Aktenzeichen 8 O 5989/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Hierzu wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
1. Die Gewährleistungsansprüche sind verjährt. Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf 1 Jahr ist gemäß § 476 Abs. 2 BGB zulässig und nicht AGBwidrig. Ohne Auswirkung auf die Anwendung der Vorschrift ist, dass der EuGH mit Urteil vom 13.07.2017 entschieden hat, dass diese Vorschrift gegen die Verkaufsgüter-Richtlinie verstößt. Denn eine Direktwirkung tritt nur vertikal, d.h. im Verhältnis der Bürger zu den Mitgliedstaaten, ihren Organen und Einrichtungen, aber nicht horizontal, also zwischen Privatpersonen ein (vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, Einleitung Rz. 29). Eine Richtlinienkonforme Auslegung kommt hier wegen des eindeutigen Gesetzeswortlautes (vgl. BGH, Beschluss vom 31.03.2020, Az.: XI ZR 198/19) nicht in Betracht. Zum Meinungsstand hierzu wird verwiesen auf die Kommentierung bei BeckOK BGB § 476 Rn. 3-5: “Der deutsche Gesetzgeber hat die Haftungsdauer nicht begrenzt, sondern nur eine Verjährungsfrist statuiert; als verbraucherfreundlichere Regelung ist dies von Art. 8 Abs. 2 Verbrauchsgüterkauf-RL gedeckt. Nicht mit der RL vereinbar ist dagegen, dass die Parteien nach Abs. 2 bei gebrauchten Gütern die Verjährungsfrist vertraglich auf bis zu ein Jahr verkürzen können (BGH NJW 2020, 759 Rn. 22; BeckOGK/Augenhofer, 15.4.2020, Rn. 67; B. Köhler GPR 2018, 37 [40]; Leenen JZ 2018, 284 [285 ff.]; MüKoBGB/Lorenz Rn. 26; Palandt/Weidenkaff Rn. 13). Denn Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 Verbrauchsgüterkauf-RL ermöglicht den Mitgliedstaaten nur, den Parteien eine vertragliche Verkürzung der Haftungsdauer zu gestatten, nicht dagegen eine vertragliche Verkürzung der Verjährung (EuGH JZ 2018, 298 Rn. 40 ff. – Ferenschild/JPC Motor SA). Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung von Abs. 2 kommt selbst nach den großzügigen Maßstäben des BGH (→ § 433 Rn. 7) nicht in Betracht, da sie zur generellen Nichtanwendbarkeit des letzten Halbsatzes führen würde (OLG Celle DAR 2020, 89; BeckOGK/Augenhofer, 15.4.2020, Rn. 67; B. Köhler GPR 2018, 37 [41 f.]; MüKoBGB/Lorenz Rn. 26; aA OLG Frankfurt DAR 2020, 89 [90] mAnm Leenen; jurisPK-BGB/Ball Rn. 28 f.; Leenen JZ 2018, 284 [288 f.]; Oetker/Maultzsch VertraglSchuldverhältnisse § 2 Rn. 617“.
2. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass es an einem substantiierten Vortrag fehlt, weshalb es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln soll.
3. Auf die Frage, ob ein Schaden vorliegt, kommt es deshalb nicht mehr an.
4. Für eine Zulassung der Revision besteht kein Grund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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