Aktenzeichen 1 U 397/20
Leitsatz
Verfahrensgang
44 O 127/20 2020-09-21 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 21.09.2020 (Az.: 44 O 127/20) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1) genannte Endurteil des Landgerichts Bamberg sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer von Klägerseite behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung im Pkw des Klägers.
Der Kläger erwarb am 22.05.2019 bei der Automarkt I. GmbH in … einen gebrauchten Pkw T 6 Multivan 2.0 TDI zum Preis von 38.890,00 € (Anlage K 1). Das Fahrzeug, insbesondere dessen Motor wurde von der Beklagten entwickelt, produziert und in den Verkehr gebracht. Der Kilometerstand beim Erwerb betrug 105.093 km.
Den Kaufpreis finanzierte der Kläger durch ein Darlehen bei der A. Bank. Der Nettodarlehensbetrag betrug 39.890,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4,40% p.a. nominal, insgesamt 7.508,92 € für die gesamte Laufzeit. Das Darlehen ist in 96 monatlichen Raten abzubezahlen. Die erste Rate betrug 468,92 €, alle weiteren Raten betragen jeweils 494,00 € und werden seit dem 15.08.2019 am 15. Tag eines jeden Monats vom Kläger geleistet.
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 ausgestattet.
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug war und ist als wesentlicher Teil des Abgasreinigungssystems das sog. Abgasrückführungssystem (im Folgenden: AGR bzw. AGR-System) eingebaut. Hierbei wird ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil, mit dem Ziel, die Schadstoffemissionen zu reduzieren. Der Umfang der Abgasrückführung, die sog. AGR-Rate, hängt dabei unter anderem von der Lufttemperatur ab. Je nach Umgebungstemperatur ergibt sich dadurch eine Schwankung der Schadstoffemissionen, die auch von den Werten des NEFZ-Zyklus (NEFZ, d.h. auf dem Prüfstand nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus) abweichen kann.
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug war und ist als wesentlicher Teil des Abgasreinigungssystems zudem das sogenannte selektive katalytische Reduktionssystem (im Folgenden: SCR bzw. SCR-System genannt) eingebaut. Hierbei wird dem Abgas eine wässerige Harnstofflösung (AdBlue) beigemischt, die über chemische Prozesse eine Umwandlung von Stickoxid-Emissionen (NOx-Emissionen) zu Stickstoff und Wasser und hierdurch eine Reduktion des Schadstoffausstoßes bewirkt. Die chemische Reaktion ist erst ab einer Betriebstemperatur des Katalysators von ca. 200 Grad möglich. Die Dosierung der Beimischung von Harnstofflösung erfolgt dabei in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern, insbesondere der Motorbelastung, der Umgebungstemperatur, der Betriebstemperatur des Katalysators sowie der Beschleunigung und der Geschwindigkeit des Fahrzeugs.
Bei dem Fahrzeug wurde am 02.07.2020 ein Update aufgespielt und in diesem Zusammenhang durch die Beklagte eine AdBlue-Stempelkarte für 8 kostenfreie Füllvorgänge zur Verfügung gestellt. Hintergrund des Updates war eine technische Konformitätsabweichung im Zusammenhang mit dem sog. Verschlechterungsfaktor. Das Update wurde durch das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) freigegeben.
Das konkrete Fahrzeug war bislang nicht von einem Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen.
Mit Schreiben vom 07.04.2020 (Anlage K 5) forderte der – anwaltlich vertretene – Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis 21.04.2020 auf, Schadensersatz Zugum-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zu leisten. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass die Beklagte dem Kläger gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. In dem Motor des Fahrzeugs seien unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut. Ohne diese könne der Grenzwert für die Schadstoffklasse des Fahrzeugs nicht eingehalten werden. Die Beklagte habe auf Vorstandsebene Kenntnis von den unzulässigen Abschalteinrichtungen gehabt. Zulassung und Typgenehmigung für das Fahrzeug seien deshalb erschlichen worden. In Kenntnis der gesamten Thematik hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Das Update führe zu negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug insbesondere zu nicht nur geringfügig erhöhtem AdBlue-Verbrauch.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerschaft 2.580,86 € nebst Zinsen in Höhe von
a) 126,55 € für die Zeit vom 15.07.2019 bis zum 14.07.2020 und b) fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2020 zu zahlen sowie die Klägerschaft von allen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der A. Bank vom 22.05.2019, Antragsnummer … freizustellen, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs T6 Multivan 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.483,73 € freizustellen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, das KBA sei über die Ausgestaltung der Emissionsstrategien bei dem Fahrzeug informiert gewesen und habe diese nicht beanstandet.
Ein unzulässige Abschalteinrichtung liege bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vor.
Der Sachvortrag des Klägers zur Kenntnis der Beklagten sei unsubstantiiert. Die erteilte Typengenehmigung sei wirksam und das Fahrzeug weiterhin technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich.
Sowohl mangels Einbindung der Beklagten in den Verkaufsvorgang als auch sonst seien keinerlei Täuschungen durch die Beklagte erfolgt, insbesondere nicht bezüglich der Typengenehmigung, der Nutzbarkeit des Fahrzeugs und der Schadstoffwerte.
Wegen des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bereits nicht substantiiert zu den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB vorgetragen.
Für den Sachvortrag des Klägers gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Einen Rückruf habe das KBA bislang nicht angeordnet. Der Kläger habe in der Klageschrift ersichtlich unabhängig von seinem Fahrzeug Darlegungen zu Punkten gemacht, die den sog. WV-Abgasskandal betreffen, die aber im konkreten Fall ohne ersichtlichen Zusammenhang zu dem konkreten streitgegenständlichen Fahrzeug stünden.
Soweit der Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters rüge, fehle es an einem Sachvortrag des Klägers zu den subjektiven Voraussetzungen für deliktische Ansprüche aus §§ 826 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
III.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge mit Ausnahme des Antrags auf Deliktszinsen und unter Berücksichtigung zwischenzeitlich geleisteter Zahlungen auf das Darlehen weiterverfolgt.
Der Kläger beanstandet, dass das Landgericht die Darlegungen des Klägers zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen habe und weist auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020 im Verfahren VIII ZR 57/19 hin, in dem der BGH betreffend den Motor OM 651 von Mercedes darauf hingewiesen habe, dass an eine Zurückweisung eines Sachvortrages wegen mangelnder Substantiierung hohe Anforderungen zu stellen seien. Der vorliegende Fall sei dem BGH-Fall vergleichbar.
Der Kläger habe die Darlegungen der Beklagten nicht nur pauschal bestritten. Der vom Kläger angebotene Sachverständigenbeweis hätte erhoben werden müssen.
Die Verwendung eines Thermofensters im Fahrzeug des Klägers sei auch sittenwidrig. Die Beklagte habe in dem Bewusstsein gehandelt, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und habe dies billigend in Kauf genommen.
Mit Schriftsatz vom 09.06.2021 (Blatt 320 ff.) hat der Kläger in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ergänzend in Bezug auf den SCR-Katalysator vorgetragen.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren, unter Abänderung des am 21.09.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Bamberg, Az.: 44 O 127/20 zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 8.014,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie die Klägerschaft von allen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der A. Bank vom 22.05.2019, Auftragsnummer … freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs T 6 Multivan 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …
2. Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1. in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte zu verurteilten, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.483,73 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 23.03.2021 wird Bezug genommen.
IV.
Die Berufung ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO), in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt erweist sich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht anhand des Berufungsvorbringens des Klägers sowohl in den Gründen als auch im Ergebnis als zutreffend. Der Senat nimmt zu Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang hierauf Bezug. Ergänzend wird im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ausgeführt:
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 826 BGB i.V.m. §§ 31 bzw. § 831 BGB, da es an der substantiierten Darlegung der hierzu erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen fehlt.
1. Soweit die Berufung rügt, das Erstgericht sei vorliegend zu Unrecht von Behauptungen „ins Blaue hinein“ ausgegangen und überspanne die Substantiierungsanforderungen, folgt dem der Senat nicht.
a) Die Berufung verkennt hierbei bereits bzw. setzt sich nicht damit auseinander, dass es das Erstgericht hinsichtlich der behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen (Thermofenster, Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung und Einfluss der Drehzahl) dahinstehen ließ, ob hierin eine vom Kläger behauptete unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 zu sehen sei. Vielmehr verneinte es mit überzeugender Argumentation, dass der Kläger ein sittenwidriges Handeln auf Seiten der Beklagten ausreichend dargelegt hat (Seite 8 der Entscheidungsgründe des Landgerichts unter II., hierzu s.u.).
b) Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger Analogien zu den Vorgängen innerhalb des VW-Konzerns behauptet. Er behauptet, dass (auch) der in seinem Fahrzeug verbaute Motor über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge, so dass bei der Überprüfung der Abgaswerte auf einem Prüfstand zum Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen für die öffentlichrechtliche Zulassung durch die verwendete Software ein anderer Betriebsmodus eingeschaltet werde als bei Normalbetrieb. Die Zulassung zum öffentlichen Verkehr sei also erschlichen worden. Mit dieser Behauptung setzt der Kläger sich allerdings – anders als die Erwerber von Fahrzeugen, bei denen Rückrufe seitens des KBA erfolgt sind – in Widerspruch zu den Feststellungen des KBA. Dieses im Widerspruch zu den amtlichen Prüfungen stehende Vorbringen des Klägers kann aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ gemacht und mithin unbeachtlich sein, wenn keine substantielle Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Bundesbehörde erfolgt. Es bedarf tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass die klägerische Behauptung dennoch zutreffen könnte (BGH, Urteil vom 13.12.2002, Az. V ZR 359/01 juris; Beschluss vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19 juris; OLG Bamberg, Urteil vom 03.02.2021, Az. 8 U 92/20; Zöller/Greger, ZPO, 33.Aufl., Vor § 284).
c) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruches ist erst dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls den benannten Zeugen oder einem Sachverständigen die Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az. VIII ZR 57/19 = NJW 2020, 1740 m.w.Nw.). Es ist einer Partei auch nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist jedoch dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „auf das Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH a.a.O.), wie auch die Berufung zutreffend ausführt.
d) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das Landgericht jedoch zutreffend festgestellt, dass der Vortrag des Klägers zu den behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen in erster Instanz eine Behauptung „ins Blaue hinein“ darstellt. Der Kläger trägt letztlich keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden sein sollte sowie dass die öffentlichrechtliche Zulassung zum Betrieb des Motors im Verkehr erschlichen worden ist, obwohl die dazu erforderliche Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte nicht gegeben war.
Der Kläger trägt nicht substantiiert vor, dass die Zulassung zum öffentlichen Verkehr durch das KBA aufgrund der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für den normalen Betrieb während des Prüfzyklus auf dem Prüfstand gesetzeswidrig erschlichen wurde oder zumindest das KBA dies noch tun wird, weil es z. B. noch nicht zu einer Prüfung unter dem spezifischen Gesichtspunkt einer den Prüfstand erkennenden Abschalteinrichtung der Software Zeit gefunden hat. Insbesondere wurde dem Vortrag der Beklagten erstinstanzlich und auch in der Berufung nicht ausreichend entgegengetreten, dass das Fahrzeug der Klägerin zwar von einer Rückrufaktion des KBA betroffen war, ein Rückruf aber gerade nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgte (vgl. hierzu zuletzt in der Berufungserwiderung vom 23.03.2021, S. 43). Der Rückruf ist als tatsächlicher Anhaltspunkt daher untauglich. Denn das KBA hat diesen Rückruf nicht wegen des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern wegen einer sogenannten Konformitätsabweichung angeordnet. Bemängelt wird damit nicht, dass die zur Erlangung der Typgenehmigung vorgestellten Fahrzeuge als Vertreter für die Serie über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt haben sollen, sondern, dass es nachträglich – sei es im Rahmen der Produktion oder des Alterungsprozesses des Fahrzeuges – zu Abweichungen gekommen ist, aufgrund derer die Grenzwerte nicht mehr eingehalten werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021 – 16a U 196/19 -, Rn. 49, juris).
e) Zu beachten ist auch, dass die Beklagte bereits mit Klageerwiderung vom 22.07.2020 detailliert dargestellt hat, dass beim klägerischen Fahrzeug keine Umschaltung zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb hinsichtlich der Abgasrückführung stattfinde, die dazu führe, dass das Fahrzeug im Prüfbetrieb und im realen Fahrbetrieb in zwei unterschiedlichen Abgasrückführungsmodi operiere und deshalb auch nicht vom sog. Dieselskandal betroffen sei. Das Fahrzeug sei daher nach Prüfung des KBA nicht von einem Rückruf zur Aufspielung eines Updates zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Auch hat sie dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine FIN-Abfrage für das streitgegenständliche Fahrzeug auf der Homepage der Beklagten ergeben hat, dass dieses nicht vom Diesel-Skandal betroffen ist. Auf die Ausführungen auf Seite 6 ff. der Klageerwiderung wird Bezug genommen.
Dem ist der Kläger nicht ausreichend entgegengetreten. Der Vortrag des Klägers stellt im Kern nur darauf ab, dass in einem anderen Motor der Beklagten nachgewiesenermaßen eine rechts widrige Abschalteinrichtung verwendet wurde, um zu behaupten, dass dies auch bei anderen/allen Dieselmotoren der Beklagten der Fall sein dürfte oder muss und hieraus Nachteile für ihn drohen. Diese Schlussfolgerung ist willkürlich, anhaltslos und nicht belastbar.
2. Soweit der Kläger weiterhin von einem sittenwidrigen Handeln der Beklagten ausgeht, nimmt er im Berufungsverfahren inhaltlich ausdrücklich lediglich zum Thermofenster Bezug. Einhergehend mit der zutreffenden Begründung des Landgerichts hat der Kläger ein solches sittenwidriges Verhalten auf Seiten der Beklagten bereits nicht ausreichend dargelegt.
a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, welches nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19; BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15, WM 2016, 1975). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15, WM 2016, 1975). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 07.05.2019, Az.: VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164).
b) Als objektiv sittenwidrig wäre das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger insbesondere dann zu qualifizieren, wenn die Beklagte auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig Motoren in den Verkehr gebracht hat, obwohl die Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19). Durch die Verwendung des Motors ginge dann nämlich nicht nur eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher, sondern auch die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung für die betroffenen Fahrzeuge eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung droht (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19). Ein solches Verhalten wäre im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
c) Selbst unterstellt, das Thermofenster wäre auch beim vorliegenden Motortyp als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten, ist allerdings auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten dieses Verhalten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (vgl. BGH, Beschluss v. 19.01.2021, Az. VI ZR 433/19).
Ein derart vorsätzliches Verhalten im Sinne einer bewussten sittenwidrigen Schädigungsabsicht kann nur dann angenommen werden, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. Insoweit kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die hinsichtlich des von der Beklagten entwickelten Motors Typ EA 189 ergangene Rechtsprechung (grundlegend insoweit zuletzt BGH, Urteil v. 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19) verweisen. Die Implementierung einer zum Zwecke der Erkennung der Prüfstandssituation entwickelten Software, die ausschließlich in diesen Fällen das Emissionsverhalten des Fahrzeugs verändert, stellt sich als qualitativ vollständig anders dar als ein temperaturabhängiges Abgasrückführungssystem, welches vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand, und bei dem Gesichtspunkte des Motor- bzw. des Bauteilschutzes als technische Rechtfertigung plausibel und nachvollziehbar angeführt werden können. In derartigen Fällen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die verantwortlichen Organe der Beklagten von einer – möglicherweise – letztlich unzutreffenden, aber dennoch vertretbaren und im Übrigen auch von den im Überprüfungsverfahren involvierten staatlichen Stellen geteilten Gesetzesauslegung und -anwendung ausgegangen sind (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 04.07.2019, Az. 3 U 148/18; OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19). Der Senat erachtet diesbezüglich die in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19; OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019, Az. 3 U 148/18; OLG Stuttgart, Urteil v. 30.07.2019, Az. 10 U 134/19) geäußerte Auffassung als überzeugend, nach der bereits die kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) 2007/715 zeigt, dass die Gesetzeslage an dieser Stelle nicht unzweifelhaft und eindeutig ist. Auch nach Einschätzung der vom Bundesverkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission Volkswagen lag ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im vorerwähnten Bericht der Untersuchungskommission ausdrücklich: „Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die VO (EG) Nr. 715/2007. Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“ Schließlich zeigt auch der in der Literatur (etwa Führ, NWVZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, um das „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben war, gegen welche die Beklagte seinerzeit bewusst verstoßen hätte. Dies gilt jedenfalls für den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt der Entwicklung und Produktion des streitgegenständlichen Motors EA 288, bei dem eine Konkretisierung der Voraussetzungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG wie durch die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (Urteil v. 17.12.2020, Az. C-693/18, Celex-Nr. 62018CJ0693) noch nicht erfolgt war.
Auch der Bundesgerichtshof hat zwischenzeitlich hinsichtlich der Problematik des Einsatzes und Implementierung eines Thermofensters festgestellt, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen (vgl. BGH, Beschluss v. 19.01.2021, Az. VI ZR 433/19 und zuletzt Beschluss vom 09.03.2021, Az. VI ZR 889/20).
d) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 09.06.2021 und in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 13.07.2021 auf die Zykluserkennung in Form der Fahrkurvenerkennung und die sich daraus nach Auffassung des Klägers ergebende unzulässige Prüfstandserkennung verweist, ergibt sich auch daraus keine substantiierter Vortrag zu einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Die Beklagte hat bereits auf Seite 5 ff. der Klageerwiderung vom 23.03.2021 darauf hingewiesen, dass das KBA auf gerichtliche Anfragen bereits mehrfach mitgeteilt hat, dass in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme, dies gelte auch für das hier streitgegenständliche Modell T6. Darüber hinaus hat die Beklagte in der Berufungserwiderung und im Schriftsatz vom 30.06.2021 darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger am 22.05.2019 zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Fahrkurvenerkennung verfügt habe, denn die zunächst vorhandene Fahrkurvenerkennung sei bereits mit Software-Update vom 18.05.2017 entfernt worden, also weit vor Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger im Mai 2019. Darüber hinaus hat die Beklagte im Schriftsatz vom 30.06.2021 dezidiert zu den Messungen des KBA Stellung bezogen (Seite 3 ff. des Schriftsatzes vom 30.06.2021). Damit setzt sich der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.07.2021 nicht auseinander.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 31 BGB. Diese würden jeweils den Nachweis eines deliktischen Handelns bzw. einer vorsätzlichen Täuschungshandlung voraussetzen. Dieser ist – wie oben dargelegt – dem Kläger nicht gelungen. Im Übrigen scheitert dieser Anspruch bereits am Fehlen der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Einen Vermögensschaden hat der Käufer dann erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und bezahlten Kaufpreis nicht wert war. Zwischen dieser etwaigen Vermögenseinbuße mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten, etwa den Fahrzeughändler, erstrebt haben könnte, besteht jedoch keine Stoffgleichheit (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20, Rn. 17 ff. m.w.N., juris).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO) liegen nicht vor. Soweit Rechtsfragen zu beantworten waren, sind diese in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat weicht hiervon nicht ab.