Aktenzeichen 18 U 4697/19
Leitsatz
Das Inverkehrbringen eines Motors mit Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung des Klägers durch die Beklagte dar. Mit dem Inverkehrbringen des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf. (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
8 O 3591/18 2019-07-23 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.7.2019, Az. 8 O 3591/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.854,41 € Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.12.2018 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW VW Passat mit der Fahrgestellnummer …57 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € Euro freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Der erweiterte Klageantrag wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Kläger 23% und die Beklagte 77%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 37% und die Beklagte 63%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
II.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, aber nur zu einem geringen Teil des Hauptsachebetrags und der Verzugszinsen sowie hinsichtlich des Feststellungsantrags begründet.
1. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des Kaufpreises von 31.980 € abzüglich einer angemessenen Entschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, insgesamt mithin von 24.854,41 € zu. In dieser Höhe ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Soweit das Landgericht dem Kläger einen höheren Schadensersatzanspruch zugesprochen hat, war die Klage dagegen auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
a. Die Beklagte wendet sich zwar zu Recht gegen die Ausführungen des Landgerichts, dem Kläger stünden Ansprüche aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 3 BGB zu, auf die sich der Kläger selbst gar nicht beruft. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte für sich in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss beeinflusst hätte, zumal sie daran unstreitig nicht beteiligt war. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich jedoch aus §§ 826, 31 BGB.
b. Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung des Klägers durch die Beklagte dar (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 44 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 4 ff.).
aa. Mit dem Inverkehrbringen des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.
Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das KBA als zuständige Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist dem Inverkehrbringen eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorlagen.
bb. Vorliegend enthielt jedoch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 II 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 – VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 35). Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren entgegen dem konkludenten Erklärungswert des Inverkehrbringens gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.
(1) Nach Art. 5 I VO [EG] Nr. 715/2007 hat der Hersteller nämlich von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO [EG] Nr. 715/2007) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO [EG] Nr. 715/2007) erreicht wird (BGH, NJW 2019, 1133, Rn. 10). Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 II 1 VO [EG] Nr. 715/2007), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 II 2 VO [EG] Nr. 715/2007) greifen. Eine „Abschalteinrichtung“ ist nach Art. 3 Nr. 10 VO [EG] Nr. 715/2007 jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
(2) Ausgehend von diesen weitgefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug des Klägers installierten Motorsteuerungssoftware um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 II VO [EG] Nr. 715/2007. Denn eine solche Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und schaltet in diesem Fall in den Modus 1, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden (Nox) verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert die Software den Modus 0, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs – Prüfstandlauf oder Echtbetrieb – und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt.
(3) Soweit Art. 5 II 2 VO [EG] Nr. 715/2007 in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestattet, liegen die hierfür erforderlichen (engen) Voraussetzungen nicht vor. Die vorgesehenen Ausnahmen kommen – nicht zuletzt aufgrund des in Art. 5 I VO [EG] Nr. 715/2007 ausdrücklich benannten Regelungszwecks dieser Vorschrift – von vornherein nicht in Betracht, wenn die betreffende Abschalteinrichtung gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (andernfalls nicht erreichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen. Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 II 2 Buchst. A VO [EG] Nr. 715/2007), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 II 2 Buchst. B VO [EG] Nr. 715/2007).
cc. Das Inverkehrbringen eines Motors mit einer nicht offen gelegten unzulässigen Abschalteinrichtung stellt eine konkludente Täuschung auch solcher Käufer durch die Beklagte dar, die das Fahrzeug, wie der Kläger, gebraucht von einem Dritten erworben haben. Denn die Beklagte ging davon aus, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge als Neu- und später auch als Gebrauchtwagen unverändert weiterveräußert werden. Gerade darauf basiert das Geschäftsmodell der Beklagten. Für den Weiterverkauf von Neufahrzeugen durch ihre Vertragshändler liegt das auf der Hand. Es gilt jedoch auch für den späteren Verkauf als Gebrauchtwagen durch diese Händler oder Dritte, denn auch die spätere Weiterveräußerbarkeit durch einen Fahrzeugkäufer ist für die Attraktivität der Fahrzeuge und damit deren Absatz entscheidend (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33).
c. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig.
aa. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 16).
bb. Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 31 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 48 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 4 ff.).
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben grundsätzlich nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel erscheint es hier aber als verwerflich: Bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer, rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Überdies erscheint auch die Art und Weise der Täuschung verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs (was, wie aus einer Vielzahl veröffentlichter verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen bekannt, bereits vielfach geschehen ist). Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.
Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns im vorliegenden Fall aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das KBA, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im Profitinteresse.
Überdies liegt eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten) mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand kann es schon rechtfertigen, Sittenwidrigkeit im Sinn des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 16).
d. Durch diese Täuschung hat der Kläger einen Vermögensschaden erlitten, der in dem Abschluss des Kaufvertrages zu sehen ist (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 17 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 28 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 80 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 15 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 49 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 18 f.).
aa. § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter ab, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar.
Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs angesichts der unzulässigen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte oder seine Nutzbarkeit eingeschränkt war. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist mithin allein, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 -, juris Rn. 18; BGH, Urteile vom 19.7.2004 – II ZR 217/13 -, NJW 2004, 2668, und – II ZR 402/13 -, juris).
bb. Diese Voraussetzungen waren im – maßgeblichen – Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben. Der Kläger trug nicht nur das Risiko eines Wertverlustes des Fahrzeugs durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Wegen dieser Abschalteinrichtung drohte auch die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen mit der Folge, dass das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr entspräche. Der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, war damit bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig.
Das streitgegenständliche Fahrzeug war mithin für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar und der Abschluss des Kaufvertrags begründete für den Kläger eine nicht gewollte Verbindlichkeit.
e. Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB liegen vor, nämlich Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen.
aa. Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen. Dies würde lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf rechtfertigen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 25 m.w.N.).
Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil vom 13.9.2004 – II ZR 276/02 -, juris Rn. 36).
bb. Die deliktische Haftung einer juristischen Person gemäß § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 13, 23, 25 f.).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen. „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 536/15 -, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 5.3.1998 – III ZR 183/96 -, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 30.10.1967 – VII ZR 82/65 -, juris Rn. 11). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechtes (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 31 Rn. 6).
(1) Insoweit trifft die Beklagte nach Ansicht des Senats eine sekundäre Darlegungslast, weil der Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während der Beklagten die erforderliche tatsächliche Aufklärung möglich und zumutbar ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28.6.2016 – VI ZR 559/14, Rn. 18, NJW 2016, 3244).
Steht ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17.1.2008 – III ZR 239/06 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Der insoweit sekundär Darlegungspflichtige kann dabei im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen und Mitteilung der Ergebnisse verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 30.3.2017 – I ZR 19/16 -, juris Rn. 15). So liegt es im vorliegenden Fall (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 51 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 71 ff.).
(2) Der Kläger behauptet, dass Herr Prof. Dr. M. W. als verfassungmäßiger Vertreter der Beklagten mit Schädigungsvorsatz gehandelt und die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt habe:
So trägt er vor, dass die R. B. GmbH bereits im Jahr 2004 vom damaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter und Mitglied des Vorstandes, Prof. Dr. W., beauftragt worden sei, das Motorsteuerungsgerät EDC 17 zu entwickeln, welches später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen „Akustikfunktion“ enthalten habe. Diese Software sei in der Folgezeit von Herrn Prof. Dr. W. weiterentwickelt worden. Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten in den Jahren 2005 und 2006 bei der Optimierung der Stickoxidwerte und den jeweiligen Abgasrückführungswerten festgestellt, dass die Erhöhung der Abgasrückführungswerte zu einem schnellen Zusetzen des Partikelfilters führe. Das wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter hätten dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits um die 50.000 km Laufleistung ihren Dienst eingestellt hätten. Mit diesen Testergebnissen im Rücken habe Prof. Dr. W. Ende des Jahres 2006 entschieden, dass es unmöglich sei, das Abgasrückführungssystem so zu optimieren, dass Langzeitschäden an Motor und Partikelfilter verhindert würden. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Entwicklungsingenieure in Kenntnis von Prof. Dr. W. entschieden, die sog. „Schummelsoftware“ einzusetzen, um ausschließlich für den Rollenprüfstand einen Testmodus zu besitzen, der für die Phase des Prüfbetriebs die erforderlichen Stickoxidwerte einhalte. Zum Beweis hat die Klagepartei Prof. Dr. M. W. als Zeugen angeboten (vgl. Klageschrift vom 17.12.2018, S. 3 f., Bl. 3 f. d.A.).
Die Beklagte wendet hiergegen ein, der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen wären, mit Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gehandelt hätten, und bestreitet den Tatsachenvortrag des Klägers (vgl. Klageerwiderung vom 6.3.2019, S. 29/31, Bl. 43/45 d.A.). Sie trägt insoweit vor, dass die Beklagte die genaue Entstehung der in den EA 189-Motoren zum Einsatz kommenden Software, die die NOx-Werte auf dem Prüfstand optimiere, derzeit aufkläre. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Die Beklagte bestreite daher, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben hätten, an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder im Zeitpunkt der Entwicklung von der Software gewusst und deren Einsatz gebilligt hätten. Ebenso bestreite die Beklagte, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten oder andere Vorstände im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Kenntnis gehabt hätten. Darüber hinaus habe der Vorstand der Beklagten nach dem derzeitigen Ermittlungsstand im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses von der Verwendung der Software in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung keine Kenntnis gehabt. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneter Arbeitsebene getroffen worden (vgl. Klageerwiderung vom 6.3.2019 S. 58 ff., Bl. 72 ff. d.A.).
(3) Vorliegend ist der Vortrag des Klägers als ausreichend anzusehen, um eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auszulösen, der diese nicht hinreichend nachgekommen ist.
Angesichts dessen, dass der Kläger außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht, reicht einerseits seine Behauptung aus, dass dem Vorstand der Beklagten die oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien, während sich die Beklagte als Folge der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht auf das Bestreiten der Kenntnis von Vorständen im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags beschränken durfte. Die Beklagte hätte durch substantiierten Vortrag die Behauptung des Klägers erschüttern müssen und mindestens zu den von ihr behaupteten internen Untersuchungen sowie Ermittlungen durch beauftragte externe Personen im Einzelnen vortragen und darlegen müssen, welche Personen die Entwicklung der Softwarefunktion beauftragt bzw. bei dem Zulieferer bestellt haben und was die üblichen Abläufe bei einem solchen Auftrag bzw. einer Entscheidung von solcher Tragweite sind.
cc. Da somit die Grundsätze der sekundären Darlegungslast eingreifen, gilt der Vortrag der Klägerseite als zugestanden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO. Zudem besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Vorstand oder Repräsentant der Beklagten den Einsatz der beanstandeten Motorsteuerungssoftware gekannt und gebilligt hat, weil ein „Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters“, der den Vorstand bzw. Repräsentanten, der den Einsatz der Motorsteuerungssoftware genehmigt hat, ebenfalls getäuscht haben müsste, höchst unwahrscheinlich wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019, a.a.O.).
f. Der Schadensersatzanspruch scheitert – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Braunschweig (Urteil vom 19.2.2019 – 7 U 134/17 -, BeckRS 2019, 2737 Rn. 186 ff.) – nicht aufgrund des Schutzzwecks des § 826 BGB (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, juris Rn. 39 ff., und Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 49 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 – 5 U 1318/18 -, juris Rn. 93 ff.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18 -, juris Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 81 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019 – 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215 Rn. 52; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, juris Rn. 24 ff.)
Zwar ist, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Bereich des § 826 BGB der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm zu beschränken (st. Rspr. BGH, Urteil vom 3.3.2008 – II ZR 310/06 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Doch besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung für eine solche Beschränkung, denn die Haftung aus § 826 BGB knüpft – anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit bestimmten europarechtlichen Normen – nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO [EG] Nr. 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird.
g. Der Schaden in Form des Kaufvertragsabschlusses wurde nach den Feststellungen des Landgerichts durch das Handeln der Beklagten verursacht.
aa. An diese Feststellungen ist das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies wäre dann der Fall, wenn das Erstgericht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hätte oder die Feststellungen fehler- oder lückenhaft wären (BGH NJW 2004, 1876; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage, § 529 Rn. 2, 3). Dahingehende Fehler des Erstgerichts bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung durch den Senat (BGH NJW 2005, 983, 984).
bb. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich erklärt, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von den Manipulationen gewusst hätte, allein schon wegen der Fahrverbote. Da nach der Lebenserfahrung niemand ein Kraftfahrzeug kaufen würde, wenn ihm bekannt wäre, dass dieses zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügte, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 – 13 U 142/18 -, BeckRS 2019, 3395 Rn. 23), hat das Landgericht die vom Kläger bei seiner Anhörung gemachten Angaben ohne erkennbaren Fehler als glaubhaft angesehen.
cc. Dass der Kläger das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage, denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung seitens des Herstellers über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkt auch fort, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch den Hersteller vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer insoweit auf die Herstellerangaben sowie – im vorliegenden Fall der konkludenten Täuschung – auf die Seriosität des Herstellers vertraut (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019, a.a.O. Rn. 28, und Urteil vom 6.11.2019 a.a.O. Rn. 39; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019, a.a.O. Rn. 45).
h. Die Beklagte hat gem. §§ 249 ff. BGB dem Kläger sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.
aa. Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrages veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrages zu. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht getäuscht worden wäre. Wenn er dann – wie der Kläger im vorliegenden Fall – den PKW nicht erworben hätte, besteht die nach § 249 Abs. 1 BGB zu leistende Naturalrestitution im Geldersatz in Höhe des für den Erwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung des aus dem Vertrag Erlangten auf den Schädiger (vgl. BGH, Urteile vom 19.7.2004 – II ZR 217/03 und II ZR 402/02 -, juris BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 -, juris Rn. 28; so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 a.a.O. OLG Stuttgart, Urteil vom 24.9.2019, a.a.O. KG Berlin, Urteil vom 26.9.2019 – 4 U 77/18 -, juris Rn. 122 OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.9.2019 – 17 U 45/19 -, a.a.O. Rn. 36). Der Kläger hat daher im Grundsatz einen Anspruch auf Zahlung des von ihm aufgewendeten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte.
bb. Da es für die Schadensentstehung, wie dargelegt, maßgeblich auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ankommt, entfällt der Schaden nicht durch die nach Vertragsschluss durchgeführte Installation des von der Beklagten zur Erfüllung der vom KBA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung entwickelten Software-Updates, weil dadurch die Belastung mit einer so nicht gewollten Verbindlichkeit nicht entfällt. Das Software-Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen und rechtlich lediglich als Angebot zur Verhinderung weiterer Nachteile zu bewerten (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 a.a.O. Rn. 20; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 a.a.O. Rn. 98; OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 a.a.O. Rn. 52).
Dem Kläger könnte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch allenfalls dann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu versagen sein, wenn der streitgegenständliche Pkw nach dem zwischenzeitlich erfolgten Aufspielen des Software-Updates in jeder Beziehung – einschließlich des Verkehrswerts – den berechtigten Erwartungen des Klägers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprochen hätte und die Entgegennahme des Updates als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB auszulegen wäre. Diesbezüglich verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
Eine solche Auslegung scheitert hier schon daran, dass die Beklagte das Update nicht als Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerseite angeboten hat, sondern um der Auflage des KBA Genüge zu tun. Dies folgt bereits daraus, dass sie durchgehend jegliche Schadensersatzansprüche der Käufer, auch des Klägers, bestritten und behauptet hat, das Fahrzeug sei auch mit der ursprünglichen Software mangelfrei.
Auch lässt sich die Entgegennahme der Leistung durch den Kläger im vorliegenden Fall nicht als Annahme an Erfüllungs statt deuten. Angesichts des Bescheids des KBA liegt es vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont vielmehr nahe, dass der Kläger das Update aufspielen ließ, um die Weiternutzung seines Fahrzeugs nicht zu gefährden.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers auf eine gänzlich andere Leistung, nämlich die Rückgängigmachung der Kaufvertragsfolgen, gerichtet ist. Ein objektiver Empfänger wird nicht davon ausgehen, dass der Kläger mit der Entgegennahme einer behördlich angeordneten „Nachbesserungsmaßnahme“ auf die bestehenden weitergehenden Ansprüche verzichten wollte, zumal die Beklagte das Aufspielen des Updates im Hinblick auf die Anordnung des KBA auch nicht von einer solchen Erklärung hätte abhängig machen können (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3.2019 a.a.O. Rn. 126; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 a.a.O. Rn. 121 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019 a.a.O. Rn. 98).
cc. Von der Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 31.980 € ist entgegen der Ansicht des Klägers eine angemessene Nutzungsentschädigung in Abzug zu bringen.
(1) Es stellt einen anerkannten Grundsatz des Schadensrechts dar, dass der Geschädigte infolge des schädigenden Ereignisses nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, dass ihm also neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet, unabhängig davon, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23.6.2015 – XI ZR 536/14 -, NJW 2015, 3160 Tz. 22 f. m.w.N.). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes unter Wertungsgesichtspunkten bedarf stets einer besonderen Rechtfertigung. Wenn der Geschädigte – wie im vorliegenden Fall – im Wege des Schadensersatzes so zu stellen ist, als ob er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wäre es in sich widersprüchlich und regelmäßig unbillig, dem Geschädigten die Gebrauchsvorteile zu belassen, die er aus der Nutzung der Kaufsache gezogen hat.
Das deutsche Zivilrecht sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§§ 249 ff. BGB) vor, nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten. Die Bestrafung eines arglistig handelnden Täters und eine – im Rahmen der Schuld angemessene – Abschreckung sind mögliche Ziele nicht des Zivilrechts, sondern des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. Dadurch ist auch den einschlägigen europarechtlichen Regelungen genüge getan, die dem nationalen Gesetzgeber auferlegen, für Verstöße wirksame Sanktionen zu verhängen, beispielsweise Art. 13 Abs. 2 lit. d VO (EG) 715/2007 betreffend das Verbot illegaler Abschalteinrichtungen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.9.2019 – 12 U 61/19 -, juris). Eine andere Sichtweise, wie sie beispielsweise im USamerikanischen Recht gilt, widerspricht dem im deutschen Recht geltenden Bestrafungsmonopol des Staates mit den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien. Im Hinblick darauf sind ausländische Verurteilungen zu Strafschadensersatz in nicht unerheblicher Höhe wegen Verstoßes gegen den materiellen ordre public in Deutschland regelmäßig nicht vollstreckbar (vgl. BGH, Urteil vom 4.6.1992 – IX ZR 149/91 -, juris Rn. 72 ff.).
Ein Abschreckungseffekt für den Geschädigten, der ihn entgegen dem im Europarecht maßgeblichen Effektivitätsgrundsatz von der Geltendmachung seines Schadens abhalten könnte, ist nach Ansicht des Senats mit der bloßen Anrechnung der gezogenen Nutzungen auf den Schaden, anders als im Fall des kaufvertraglichen Gewährleistungsanspruchs auf Nachlieferung, der in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG geregelt ist, nicht verbunden (vgl. EuGH, Urteil vom 17.4.2008, C-404/06, juris).
(2) Die danach anzurechnende Nutzungsentschädigung hat das Landgericht zutreffend durch Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ausgehend vom Bruttokaufpreis des streitgegenständlichen PKW und einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung eines VW Passat von 250.000 km ermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 17.5.1995 – VIII ZR 70/97 -, NJW 1995, 2159, 2161; so auchOLG Karlsruhe, OLG Koblenz, OLG Köln, OLG Hamm und OLG Stuttgart, jeweils a.a.O.).
Die Restlaufleistung des streitgegenständlichen PKW beim Kauf durch den Kläger betrug demnach 241.237 km. Die gefahrenen Kilometer belaufen sich allerdings infolge der weiteren Nutzung des PKW durch den Kläger nun auf 53.751 (62.514 km zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzüglich 8.763 km im Erwerbszeitpunkt). Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 7.125,59 € (= 31.980 € x 53.751 km: 241.237 km). Damit verbleibt noch ein ersatzfähiger Schadensbetrag von 24.854,41 €, also weniger, als dem Kläger im landgerichtlichen Urteil zugesprochen wurde.
dd. Dieser Betrag ist gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB ab 6.12.2018 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.11.2018 (Anlage K 2) aufgefordert, bis zum 3.12.2018 ihre Zahlungsbereitschaft zu erklären, nicht jedoch die geforderte Summe, die nach Sachlage zudem überhöht war, zu zahlen. Diese Aufforderung stellt keine Mahnung im Sinn des § 286 Abs. 1 BGB dar (Palandt/Grüneberg BGB 79. Aufl. § 286 Rn. 17 m.w.N.).
Mit Schreiben ohne Datum, bei den anwaltlichen Vertretern des Klägers eingegangen am 5.12.2018 (Anlage K 3), hat die Beklagte jedoch mitgeteilt, dass die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs nicht möglich sei. Hierin liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 BGB beginnt der Zinslauf daher am 6.12.2018.
2. Die Beklagte wendet sich mit Erfolg gegen die Feststellung des Annahmeverzugs. Insoweit war die Klage abzuweisen, da die Beklagte sich mit der Annahme des streitgegenständlichen PKW nicht gemäß § 293 BGB in Verzug befindet.
Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner die Leistung so, wie sie geschuldet wird, anbietet (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl, § 293 BGB, Rn. 9). Bei einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung tritt bezüglich der Gegenleistung Annahmeverzug nicht ein, wenn der Gläubiger eine deutlich zu hohe Leistung fordert (BGH, Urteil vom 20.7.2005 – VIII ZR 275/04 -, BGHZ 163, 381-391, Rn. 27 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 16.9.2019 – 12 U 61/19 -, juris m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 17.7.2019 – 16 U 199/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.9.2007 – 7 U 169/06 -, NJW 2008, 925). Die potenziell weitreichenden Folgen des Annahmeverzugs (§§ 300 ff. BGB) können dem Gläubiger der Gegenleistung billigerweise dann nicht aufgebürdet werden, wenn sich deren Schuldner zur Herausgabe selbst gegen Erhalt der ihm seinerseits zustehenden Leistung nicht bereit erklärt.
Der Kläger hat jedoch mit seinem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 12.11.2018 (Anlage K 2) das Fahrzeug nur Zug um Zug gegen die Zahlung des vollen Kaufpreises angeboten. Aus dem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Klägers ergibt sich nicht, dass dieses Angebot der tatsächlich geschuldeten Leistung entsprach, denn die Beklagte hat, wie oben ausgeführt, nur den Betrag zu zahlen, der sich nach Abzug einer angemessenen Nutzungsentschädigung ergibt. Der Kläger wäre ersichtlich nicht bereit gewesen, das Fahrzeug Zug um Zug gegen den zutreffend errechneten Zahlungsbetrag zurückzugeben, denn er vertritt auch im Prozess weiterhin die Auffassung, eine Nutzungsentschädigung sei nicht anzurechnen.
III.
Die Berufung des Klägers ist ebenfalls gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, hat in der Sache aber nur hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
1. Soweit der Kläger die Zahlung eines höheren Hauptsachebetrages geltend macht, ist die Berufung unbegründet. Insoweit wird zur Begründung in vollem Umfang auf die Ausführungen oben unter II. 1. h. verwiesen.
2. Allerdings hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 €.
a. Der gemäß § 826, § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähige Schaden des Klägers umfasst auch die Freistellung vom Gebührenanspruch seines anwaltlichen Vertreters für die Geltendmachung der Ansprüche gegen den Schädiger.
Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung nicht alle adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteile vom 16.7.2015 – IX ZR 197/14 -, NJW 2015, 3447; vom 10.1.2006 – VI ZR 43/05 -, NJW 2006, 1065; vom 23.10.2003 – IX ZR 249/02 -, NJW 2004, 444, 446, jeweils m.w.N.). Der vorliegende Fall ist aber zum einen nicht so einfach gelagert, dass der Kläger seine Ansprüche ohne weiteres selbst hätte außergerichtlich geltend machen können. Zum anderen war die Beklagte bei Beauftragung des anwaltlichen Vertreters des Klägers nicht erkennbar zahlungsunwillig, so dass eine außergerichtliche Geltendmachung von vornherein zwecklos erschienen wäre.
b. Für den Gegenstandswert bzgl. der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Wert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Klägervertreters maßgeblich, mithin am 12.11.2018.
Da der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12.3.2019 Angaben dazu gemacht hat, wie viele Kilometer er zu diesem Zeitpunkt mit dem streitgegenständlichen VW Passat zurückgelegt hatte, und zu der Nutzung des Fahrzeugs vor Klageerhebung nichts vorgetragen hat, fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für eine Schätzung der Laufleistung zu einem früheren Zeitpunkt. Der Senat legt daher auch für den Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens des Klägervertreters die bis zum 12.3.2019 unstreitig gefahrenen 46.667 km (55.430 km – 8.763 km) zugrunde. Daraus ergibt sich bei der oben dargestellten Berechnungsweise eine Nutzungsentschädigung von 6.186,49 € und eine berechtigte Forderung in Höhe von 25.793,51 €. Aus diesem Wert sind die vorgerichtlichen Kosten zu erstatten.
c. Der Senat setzt für die Geschäftsgebühr nach 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Zwar mag die Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich gewesen sein. Schon die Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit der Sache scheint aber nicht gerechtfertigt. Auch wenn im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit der Klägervertreter noch keine höchstrichterliche Entscheidung zum Dieselabgas-Skandal ergangen war, lagen doch bereits zahlreiche instanzgerichtliche Entscheidungen zu dessen rechtlichen Folgen vor.
Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass der Klägervertreter neben dem Kläger eine Vielzahl von Käufern in Parallelverfahren vertreten hat. Die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das konkrete Mandat kann im Rahmen der Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.5.2013 – XI ZR 421/10 -, juris m.w.N.).
d. Damit ergibt sich ein berücksichtigungsfähiger Gebührenanspruch in Höhe von 1.358,86 € (1,3 Geschäftsgebühr aus 25.793,51 € = 1.121,90 € zuzüglich der Auslagenpauschale von 20 € gemäß 7002 VV RVG und 19% Umsatzsteuer).
e. Ein Anspruch auf Verzinsung besteht jedoch weder gemäß § 288 Abs. 1 BGB noch § 291 BGB, da diese Vorschriften auf Freistellungsansprüche nicht anzuwenden sind (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O. § 288 Rn. 6 m.w.N.).
3. Der Antrag auf Verzinsung des Hauptsacheanspruchs mit 5% jährlich ab Zahlung des Kaufpreises, die der Kläger mit dem Berufungsantrag I. vom 15.11.2019 unter Erweiterung der ursprünglichen Klage geltend macht, war zurückzuweisen.
a. Die nachträgliche Klageerweiterung ist allerdings zulässig, auch wenn sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgte (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 51/93 -, NJW 1994,944).
Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist sie nicht von der Einwilligung des Gegners oder der Zulassung als sachdienlich abhängig. Im Übrigen hat sich die Beklagte im vorliegenden Fall aber im Termin vom 3.12.2019 rügelos auf den neuen Antrag eingelassen und dadurch konkludent ihre Zustimmung zur Klageerweiterung erteilt.
b. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 849 BGB liegen jedoch nicht vor.
aa. Diese Vorschrift billigt dem Geschädigten ohne Nachweis eines konkreten Schadens Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen oder beschädigten Sache zu (vgl. Staudinger-Vieweg, BGB, 2015, § 849 Rn. 1). Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 41).
§ 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird, sondern erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld (BGHZ 8, 288, 298). Dabei ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen im Sinne des Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06 -, NJW 2008, 1084 m.w.N).
Der Regelung des § 849 BGB kann dennoch ein allgemeiner Rechtssatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12.6.2018 – KZR 56/16 -, juris, Rn. 45 m.w.N.). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann, als pauschalierten Mindestbetrag auszugleichen (BGH, NJW 1983, 1614 f.).
bb. Durch die in Betracht kommende unerlaubte Handlung der Beklagten ist dem Kläger kein Verlust an Nutzbarkeit des Kaufpreises entstanden, der nicht anderweitig ausgeglichen werden könnte. Die „Entziehung“ wurde nämlich dadurch kompensiert, dass der Kläger im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises das Eigentum am Fahrzeug mit der Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2019 – 13 U 149/18 -, juris Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.8.2019 – 5 U 1218/18 -, BeckRS 2019, 20653 Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 137; a.A.: OLG Oldenburg, Urteil vom 2.10.2019 – 5 U 47/19 -, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41). Ein etwaiger Minderwert des Fahrzeugs hat hierauf keinen Einfluss. Dass die Nutzung des Fahrzeugs seit dem Kauf gegenüber einem mangelfreien PKW eingeschränkt gewesen wäre, trägt der Kläger selbst nicht vor.
Überdies wäre der der Kaufpreissumme entsprechende Betrag mit der Möglichkeit, hieraus Nutzungen zu ziehen, auch dann nicht weiter im Vermögen des Klägers verblieben, wenn er in Kenntnis des vorliegenden Mangels den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen und stattdessen den Kaufpreis für ein anderes Fahrzeug aufgewandt hätte (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.8.2019 – 5 U 1218/18 -, BeckRS 2019, 20653, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris Rn. 139). Würde man die Verzinsungsregelung des § 849 BGB in diesem Fall gleichwohl anwenden, führte dies zu einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation, da der Kläger durch das schädigende Ereignis wirtschaftlich besser stünde als ohne dieses. Dies widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4.4.2014 – V ZR 275/12 -, juris Rn. 20 m.w.N.).
4. Unbegründet ist die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage auch, soweit der Kläger die Verzinsung des Hauptsachebetrages mit 5% im Verzugszeitraum beantragt.
Er hat aus § 288 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, der seit Juli 2016 – 0,88% beträgt (Palandt/Grüneberg a.a.O. Anhang zu § 288), im Ergebnis also von 4,12% p.a.
§ 352 HGB ist auf die Klageforderung nicht anwendbar, da zwischen den Parteien keine vertragliche Beziehung besteht und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger Kaufmann im Sinn der §§ 1 ff. HGB ist oder war.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Senat weicht mit der vorliegenden Entscheidung ab einerseits vom Urteil des OLG Braunschweig vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17, das einen Anspruch aus § 826 BGB verneint, und andererseits von den Entscheidungen des OLG Koblenz vom 16.9.2019, Az. 12 U 61/19, (juris Rn. 84), des OLG Köln vom 17.7.2019, Az. 16 U 199/18, (juris Rn. 29) und des OLG Oldenburg vom 2.10.2019, Az. 5 U 47/19, (BeckRS 2019, 23205 Rn. 41), die einen Zinsanspruch ab Zahlung des Kaufpreises bejahen.