Europarecht

Umsatzsteuerrechtliche Würdigung von sogenannten „A-Card-Punkten“ als Entgeltminderungen

Aktenzeichen  3 K 1271/16

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2017, 1837
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
MwStSystRL Art. 79 Satz 1 Buchst. b, Art. 90 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Bemessungsgrundlage der an die Kunden eines Unternehmers bei dem „ersten Einkauf“ unter Einsatz einer Kundenkarte ausgeführten Leistungen mindert sich nachträglich, wenn dabei ein System eingesetzt wird, das zur Gutschrift der Punkte auf einem Konto des Kunden bei dem Systemträger und zur entsprechenden Belastung des Unternehmers mit dem Gegenwert der erworbenen Punkte führt.
2. Dabei gebietet es die nach der Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigende wirtschaftlichen Realität, dass die Möglichkeit der Verwendung als unbares Zahlungsmittel durch den Kunden bei einem späteren Einkauf als Wahlmöglichkeit zur Annahme einer Entgeltminderung ausreicht.
3. Die Änderung der Bemessungsgrundlage ist jeweils zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Belastung des Unternehmers mit dem Gegenwert der Punkte eingetreten.

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides vom … um … € herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Sprungklage ist begründet.
Das FA hat zu Unrecht eine nachträgliche Minderung der Bemessungsgrundlage wegen der Bezahlung des Gegenwerts der an Kunden ausgegebenen Punkte durch die Klägerin aus dem A-Card-System verneint.
1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) geändert, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Diese Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), wonach im Fall der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweise Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert wird.
a) Im Streitfall erfolgte zunächst durch die Ausgabe der A-Card-Punkte keine Minderung der Bemessungsgrundlage bei dem „ersten Einkauf“ der Kunden, denn die Kunden konnten über den Gegenwert der erworbenen Punkte erst nach Abschluss dieses „ersten Einkaufs“ verfügen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist dabei alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann, und dass diese die endgültige Bemessungsgrundlage für die Besteuerung ergibt (Bundesfinanzhof-BFH-Urteile vom 11. Mai 2006 V R 33/03, BStBl II 2006, 699, Rz. 18; vom 16. Januar 2003 V R 72/01, BStBl II 2003, 620, Rz. 21 und vom 30. November 1995 V R 57/94, BStBl II 1996, 206, Rz. 12).
Damit übereinstimmend ist nach Art. 73 MwStSystRL Besteuerungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Leistende für diese Umsätze vom Leistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Besteuerungsgrundlage im Sinne dieser Bestimmung ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung (BFH-Urteil vom 18. September 2008 V R 56/06, BStBl II 2009, 250, Rz. 41 m.w.N. noch zur gleichlautenden Vorgängerregelung in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. ader Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 79 Satz 1 Buchst. b MwStSystRL sind Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Erwerber oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird, nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen.
Da die Gutschrift der Punkte auf dem Kundenkonto bei der A-Card GmbH im Streitfall immer erst mindestens einen Tag nach dem „ersten Einkauf“ erfolgte und der Kunde erst ab diesen Zeitpunkt darüber verfügen konnte, steht fest, dass durch die Ausgabe der Punkte keine unmittelbare Verringerung des nach § 10 Abs. 1 UStG zu zahlenden Entgelts bei dem „ersten Einkauf“ eingetreten war. Der Kunde hatte bei dem „ersten Einkauf“ jeweils den vollen Preis der Waren zu bezahlen; dieser stellt daher zunächst das für die Zwecke der Umsatzbesteuerung maßgebliche Entgelt dar.
b) Vorliegend hat sich die Bemessungsgrundlage der an die Kunden der Klägerin bei dem „ersten Einkauf“ unter Einsatz der A-Card ausgeführten Leistungen erst nachträglich zu dem Zeitpunkt gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG gemindert, in dem die Klägerin im Rahmen des „Punkteclearings“ mit dem Gegenwert der Punkte durch die A-Card GmbH belastet wurde.
Diese Minderung trat auch unabhängig von der späteren Verwendung der Punkte ein, denn der Kunde konnte über den Gegenwert der Punkte im Rahmen seiner vertraglichen Vereinbarungen mit der A-Card GmbH frei verfügen, sei es zum Beispiel durch die Bezahlung bei einem späteren Einkauf oder durch den Eintausch mit einer Sachprämie.
Lediglich für den Fall der Rückgewährung des Gegenwerts der Punkte durch die A-Card GmbH an die Klägerin wegen deren Verfalls auf Grund einer fehlenden Einlösung durch Kunden bedurfte es einer weiteren (zweiten) Berichtigung. Da dies im Streitjahr aber noch nicht relevant war, weil das Programm erst im Streitjahr startete und die Punkte erst nach drei Jahren verfallen, konnten derartige Berichtigungen noch nicht vorliegen.
aa) Bei dem im Streitfall verwendeten System der A-Card waren bei jedem mit einem Punkteerwerb verbunden Einkauf eines Kunden jeweils drei Rechtssubjekte beteiligt, die A-Card GmbH, die Klägerin und der jeweilige Kunde. Die Umsätze der Märkte der Klägerin als Organgesellschaften sind dabei umsatzsteuerrechtlich der Klägerin als Organträger zuzuordnen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).
Den teilnehmenden Kunden – die sich individuell vertraglich mit der A-Card GmbH verbunden hatten – wurden für jeden Einkauf bei der Klägerin unter Vorlage der A-Card beim Bezahlvorgang an den Kassen der Klägerin „Punkte“ auf ihren Punktekonten bei der A-Card GmbH gutgeschrieben. Der Gegenwert dieser Punkte in Euro wurde von der Klägerin an die A-Card GmbH bezahlt. Der Kunde erwarb daher mit der Gutschrift der Punkte einen von der Klägerin wirtschaftlich getragenen, ihm individuell zur Verfügung stehenden Betrag in Euro (1 Punkt = 1 Cent) auf seinem Kundenkonto. Dies stellt im Ergebnis nichts anderes dar, als einen dem Kunden von der Klägerin nachträglich gewährten Rabatt. Hier liegt ein nachträglicher Preisnachlass auf den „ersten Einkauf“ vor.
bb) Das vorliegende System des Erwerbs von als Zahlungsmittel einsetzbaren Punkten bei einem nicht am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmen war bisher nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar existiert bereits eine Reihe von Rechtsprechung zu verschiedenen Ausprägungen von Rabatt- und sonstigen Kundenbindungsprogrammen, zu dem hier vorliegenden System findet sich aber bisher keine einschlägige Entscheidung.
So hatte der BFH entschieden, dass dann, wenn der Unternehmer der verkauften Ware ein Werbegeschenk oder einen sonstigen Gegenstand von geringem Wert beilegt, dies den vereinbarten Kaufpreis regelmäßig nicht berührt; vielmehr ist das Werbegeschenk eine zusätzliche unentgeltliche Leistung. Eine Minderung des Entgelts für den Warenbezug liegt insoweit nicht vor (BFH-Urteil vom 11. Mai 2006 V R 33/03, BStBl II 2006, 699, Rz. 20). Dasselbe gilt, wenn der Ware im allgemeinen Werbeinteresse ein Gutschein oder ein Chip beigelegt wird, der für Leistungen eines Dritten eingelöst werden kann (Gerichtshof der Europäischen Union-EuGH-Urteil vom 27. April 1999 C-48/97, Kuwait Petroleum, ECLI:EU:C:1999:203, Slg. 1999, I-2323). Auch in der Entscheidung des EuGH vom 7. Oktober 2010 (C-53/09 und C-55/09, Loyalty Management UK und Baxi Group, ECLI:EU:C:2010:590, UR 2010, 857) ging es um die Lieferung von Treueprämien an Kunden und deren umsatzsteuerrechtliche Würdigung, nicht aber um die Frage der Entgeltminderung bei der Überweisung des Gegenwerts von für Kunden gutgeschriebenen Punkten bei einem Systembetreiber.
cc) Im Streitfall beruht die Versagung der Entgeltminderung durch das FA im Wesentlichen auf der in verschiedenen Verwaltungsanweisungen – überwiegend zu dem der A-Card vergleichbaren Kundenbindungsprogramm des B-Systems – niedergelegten abgestimmten Verwaltungsauffassung der Bundesländer (z.B.: OFD Frankfurt vom 12. September 2011 S. 7200 A-219-St 111; Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 29. September 2011, S. 7200-168-St 244; Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 21. Januar 2013, S. 7200-331-St 182; Landesamt für Steuern und Finanzen Sachsen vom 22. Oktober 2012, S. 7200-198/9-213; Thüringer Landesfinanzdirektion vom 28. Februar 2012, S. 7200 A-53-A 5.15 und Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein vom 2. Oktober 2012, VI 358-S. 7200-621), in der die Voraussetzungen einer Entgeltminderung aus Sicht der Verwaltung festgelegt werden.
Danach sei zwar „grundsätzlich davon auszugehen, dass im Rahmen solcher Bonussysteme eine Minderung des Entgelts für den zugrundeliegenden Umsatz des Kunden beim Partnerunternehmen erfolge und es sich dabei um eine Entgeltminderung handele.“ Eine solche Entgeltminderung soll aber nur dann anzunehmen sein, „wenn beim Systembetreiber eine Barauszahlungsverpflichtung über den Punktewert bestehe und diese Barauszahlungsverpflichtung dem Mindesteinlösewert für eine Sachprämie (200 Punkte) entspreche.“ Die „Entgeltminderung erfolge dabei erst zum Zeitpunkt des Einlösens der gesammelten Punkte, nicht bereits bei Entrichtung der Beträge des Einzelhändlers (Partnerunternehmens) an den Systembetreiber. Dies entspräche den im BFH-Urteil vom 18. September 2008 (V R 56/06, BStBl II 2009, 250) dargestellten Grundsätzen.“ (vgl. nur Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 29. September 2011, S. 7200 – 168 – St 244, UR 2012, 413).
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main führt dazu in ihrer Verfügung vom 12. September 2011 weiter aus, dass das „vorrangige Ziel der Teilnahme am „B“-System aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Gewährung eines Rabattes für seine Einkäufe bei den an „B-System“ angeschlossenen Partnerunternehmen sei. Einzelhandelsumsatz und Einlösen der Punkte (Preisreduzierung oder Ausgabe einer Sachprämie) seien nicht zwei getrennte wirtschaftliche Vorgänge. Daher könne im Rahmen des „B“-Systems grundsätzlich von einer Minderung des Entgelts für den zugrundeliegenden Umsatz des Kunden beim Partnerunternehmen (Ursprungsumsatz) im Zeitpunkt der Einlösung der Punkte durch den Kunden ausgegangen werden (nachträgliche Entgeltminderung). Voraussetzung für die Annahme einer Entgeltminderung sei allerdings die vollständige Wahlfreiheit des Kunden hinsichtlich der Form der Rabattgewährung. Demzufolge sei eine Entgeltminderung nur dann anzunehmen, wenn beim „B“-System eine Barauszahlungsverpflichtung über den Punktewert bestehe und die Barauszahlungsverpflichtung dem Mindesteinlösewert für eine Sachprämie (200 Punkte) entspräche.“
dd) Diese zu dem B-System durch die Verwaltung dargelegten Grundsätze lassen sich inhaltlich weitgehend auf das System der A-Card übertragen, denn die beiden Systeme entsprechen sich im Wesentlichen. Nach Auffassung des Gerichts ist es auch zutreffend, hier – wie in den Ausführungen der Verwaltungsanweisungen – dem Grunde nach von einer nachträglichen Entgeltminderung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG auszugehen. Zwar wendete der Kunde bei seinem „ersten Einkauf“ immer das gleiche Entgelt auf, unabhängig davon, ob er Inhaber einer A-Card war und falls ja, unabhängig davon, ob er diese zum Einsatz brachte oder nicht. Bei Vorlage seiner A-Card bei einem Einkauf bei der Klägerin erwarb er dann aber einen Anspruch auf die Gutschrift der Punkte auf seinem Kundenkonto sowie einen Anspruch auf die Verwendung des Gegenwerts dieser Punkte unter anderem als Zahlungsmittel gegenüber der A-Card GmbH im Rahmen der vertraglichen Vorgaben (AGB) der A-Card GmbH.
Ausweislich der für alle an dem Programm teilnehmenden Kunden geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der A-Card GmbH bestand dabei nur für den jeweiligen Kunden das Verfügungsrecht über den Gegenwert der angesammelten Punkte. Das bewirkte letztlich, dass das Entgelt für den ursprünglichen Umsatz – den „ersten Einkauf“ – für diesen Kunden (Karteninhaber) um 0,5 Prozent reduziert wurde. Dieser konnte dann im Folgenden über den den Punkten entsprechenden Gegenwert in Euro im Rahmen seiner vertraglichen Vereinbarung mit der A-Card GmbH frei verfügen und war damit im Ergebnis für diesen „ersten Einkauf“ nur mit 99,5 Prozent des gezahlten Entgelts belastet. Das Entgelt für diesen „ersten Einkauf“ hatte sich deshalb nachträglich entsprechend reduziert.
Diese Sichtweise entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH zur Höhe der Steuerbemessungsgrundlage. Danach ist die Bestimmung des Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL Ausdruck eines tragenden Grundsatzes der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach dem Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben darf. Die Steuerbemessungsgrundlage ist immer dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach der Bewirkung des Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält (vgl. EuGH-Urteile vom 2. Juli 2015 C-209/14, NLB Leasing, ECLI:EU:C:2015:440, UR 2015, 628, Rz 35; vom 15. Mai 2014 C-337/13, Almos Agrárkülkereskedelmi, ECLI:EU:C:2014:328, UR 2014, 900, Rz. 22 sowie Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 8. Juni 2017 C-246/16, Enzo Di Maura, ECLI:EU:C:2017:440, Rz. 26 und des Generalanwalts E. Tanchev vom 11. Juli 2017 C-462/16, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, ECLI:EU:C:2017:534, Rz. 46).
ee) Das Fehlen der Möglichkeit einer Barauszahlung an den Kunden im Streitjahr und damit das Fehlen einer „vollständigen Wahlfreiheit“ der Entgeltminderung durch den Kunden ändert an dieser Sichtweise – entgegen der Auffassung des FA – nichts; einer derartigen Voraussetzung zur Entstehung einer Entgeltminderung fehlt schon die gesetzliche Grundlage. Zutreffend ist zwar, dass es für die Annahme einer Entgeltminderung einer gewissen Wahlfreiheit des Kunden hinsichtlich der Form der Rabattgewährung bedarf, wobei es insbesondere der Möglichkeit der Verwendung als Zahlungsmittel für weitere Einkäufe bedarf, weil die Zuwendung von Sachprämien zu zwei völlig getrennten (umsatzsteuerrechtlichen) Vorgängen führt (EuGH-Urteil vom 7. Oktober 2010 C-53/09 und C-55/09, Loyalty Management UK und Baxi Group, ECLI:EU:C:2010:590, UR 2010, 857; Rz. 55). Bei dem System der A-Card bestand aber eine ausreichende Wahlfreiheit, denn der Kunde konnte seine Punkte bei jedem folgenden Einkauf insbesondere auch als unbares Zahlungsmittel bei einem Systempartner der A-Card GmbH einsetzen.
Hier gebietet es schon die nach der Rechtsprechung des EuGH gebotene Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität (EuGH-Urteile vom 7. Oktober 2010 C-53/09 und C-55/09, Loyalty Management UK und Baxi Group, ECLI:EU:C:2010:590, UR 2010, 857; Rz. 39 sowie vom 28. Juni 2007 C-73/06, Planzer Luxembourg, ECLI:EU:C:2007:397, Rz. 43 jeweils m.w.N.), dass die vorliegende Möglichkeit der Verwendung als unbares Zahlungsmittel bei einem späteren Einkauf als Wahlmöglichkeit zur Annahme einer Entgeltminderung ausreicht.
Dabei ist im Streitfall insbesondere zu berücksichtigen, dass etwa 90 Prozent der Kunden von der Zahlungsmöglichkeit der „instore redemption“ Gebrauch machten. Mit Blick auf die wirtschaftliche Realität wurde demnach der überwiegende Anteil des Gegenwerts der durch die Kunden erworbenen Punkte als Zahlungsmittel bei einem weiteren Einkauf eingesetzt. In Anbetracht dessen war die fehlende Möglichkeit einer Barauszahlung im Streitjahr für die meisten Kunden unbedeutend. Diesen wird es in der Regel gleichgültig gewesen sein, ob sie den Gegenwert ihrer Punkte in bar ausbezahlt bekommen oder diesen Betrag schlicht als Zahlungsmittel bei einem weiteren Einkauf einsetzen konnten. Gerade in Bezug auf das Warenangebot der Klägerin ist der regelmäßige Einsatz als Zahlungsmittel bei einem späteren Einkauf der durchaus realistische Einsatz, denn die Klägerin bietet mit überwiegend Waren an, die jeder Kunde zur Bestreitung seines Haushalts immer wieder neu erwerben muss. Auch in Anbetracht des verhältnismäßig geringen Umfangs der Entgeltminderung von 0,5 Prozent des Bruttoeinkaufswertes – für 1.000 Euro gibt es 500 Punkte, mithin gerade einmal 5 Euro –, widerspricht es hier der wirtschaftlichen Realität, an der Bargeldauszahlungsmöglichkeit als ausschlaggebendes Tatbestandsmerkmal zum Vorliegen einer nachträglichen Entgeltminderung festzuhalten. Tatsächlich werden nur wenige Kunden Wert auf eine Barauszahlung derartiger Kleinbeträge legen, auch weil es wesentlich einfacher ist, den Punktewert bei einem der nächsten Einkäufe schlicht als Zahlungsmittel einzusetzen. Eine absolute Gleichstellung des „Punktekontos“ bei der A-Card GmbH mit einem üblichen Bankkonto ist hier nach Überzeugung des Gerichts – jedenfalls zur Annahme einer Entgeltminderung – nicht erforderlich.
ff) Eine andere Sichtweise im Hinblick auf die von der Verwaltung geforderte Wahlfreiheit zur Verwendung der Punkte ergibt sich auch nicht daraus, dass die „Punkte“ nur bei Partnerunternehmen der A-Card GmbH eingesetzt werden konnten. Bei diesen handelte es sich um Unternehmen (wie …), welche ebenfalls vorwiegend Gegenstände des täglichen Bedarfs veräußerten, die jeder Verbraucher immer wieder in Anspruch nehmen muss; der Kunde kann den Gegenwert der Punkte demnach jederzeit zur Reduzierung des Kaufpreises bei einem notwendigen Folgeeinkauf einsetzen. Hier widerspräche es – auch in Anbetracht der (zumeist) geringen Höhe der einzulösenden Beträge – wieder der wirtschaftlichen Realität, allein für die Annahme einer Entgeltminderung zu fordern, dass der Kunde den Gegenwert seiner Punkte auch bei anderen Unternehmen, welche nicht Partnerunternehmen der A-Card GmbH sind, einlösen konnte. Dem Kunden wird es in der Regel gleich sein, wie er den Gegenwert der Punkte von beispielsweise 10 oder 20 Euro einlösen kann, solange nur eine für ihn sinnvolle Verwendungsmöglichkeit besteht.
Im Übrigen ist eine Entgeltminderung im Streitfall auch nicht bereits deshalb zu verneinen, weil dieses Kundenbindungsprogramm allgemeinen Werbezwecken diente, denn ein derartiger Zweck ist bei jedem Kundenbindungsprogramm und Rabattsystem anzutreffen. Diese dienen zwangsläufig alle dazu, den Kunden an ein Unternehmen zu binden und ihn zu Folgeeinkäufen zu veranlassen.
Dass hier für die Möglichkeit der Einlösung der erworbenen Punkte eine Bagatellgrenze bestand (einlösbar waren diese erst bei einem Stand von mindestens 100 Punkten), muss gleichfalls für die rechtliche Würdigung außer Betracht bleiben, denn diese Beträge sind derartig gering (100 Punkte entsprechen 1,- €), dass sie im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Gesamtbetrachtung des Systems nicht ins Gewicht fallen.
c) Da die Änderung der Bemessungsgrundlage zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Belastung der Klägerin mit dem Gegenwert der Punkte durch die A-Card GmbH eingetreten ist, war im jeweils entsprechenden Besteuerungszeitraum gemäß § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 UStG vorzunehmen. Dies war der Zeitpunkt, zu dem feststand, dass die Klägerin für die streitigen Umsätze mit ihren Kunden ein entsprechend geringeres Entgelt erhielt; von dem ursprünglich von den Kunden bezahltem Entgelt durfte sie nur 99,5 Prozent behalten. Sie konnte demnach nur noch in dieser Höhe über die Erlöse aus den „ersten Einkäufen“ verfügen, bei denen die A-Card zum Einsatz kam (EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-377/11, International Bingo Technology, ECLI:EU:C:2012:503, UR 2012, 803, Rz. 31 f.).
Diese rechtliche Würdigung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH, der z.B. für den Fall von Rückzahlungsansprüchen unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH fordert, dass eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG nicht schon dann eintritt, wenn ein Rückzahlungsanspruch des Zahlenden aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht, sondern (erst) dann, wenn Über- oder Doppelzahlungen (tatsächlich) zurückgezahlt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2007 V R 11/05, BFH/NV 2007, 2431, Rz. 20 mit Verweis auf EuGH-Urteil vom 29. Mai 2001 C-86/99, Freemans, C:2001:291, UR 2001, 349, Rz. 25, 31 und 36; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. September 2008 V R 56/06, BStBl II 2009, 52). Deshalb soll allein die Vereinbarung einer Herabsetzung des Entgelts keine Minderung der Bemessungsgrundlage i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG rechtfertigen, wenn das Entgelt bereits vereinnahmt worden ist. Hinzukommen muss in diesem Fall noch die tatsächliche Rückgewähr des ursprünglich gezahlten Entgelts (BFH-Urteil vom 18. September 2008 V R 56/06, BStBl II 2009, 52, Rz. 46 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind bei dem hier streitigen Sachverhalt erfüllt, da die Klägerin das ursprünglich von den Kunden erhaltende Entgelt im Rahmen der vertraglichen Regelungen des vorliegenden Bonussystems – in Form von Punktegutschriften – über die A-Card GmbH an die Kunden zurückgewährt. Vorliegend erwarb der Kunde mit der Gutschrift der Punkte auf seinem „Punktekonto“ auf Kosten der Klägerin einen eigenen Anspruch – wenn man dabei die oben genannte Bagatellgrenze außer Betracht lässt (Tz. II.1.b.ff.) – gegenüber der A-Card GmbH auf die Verfügung über den Gegenwert der Punkte in Euro. Wann der Kunde von diesem Anspruch Gebrauch machte, blieb ihm überlassen. Die Klägerin wurde aber unabhängig vom Verhalten des Kunden jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt – im Rahmen des monatlichen „Punkteclearings“ – mit dem Gegenwert der bei ihr erworbenen Punkte in Euro durch die A-Card GmbH wirtschaftlich belastet. Damit war ein Teil des ursprünglichen Entgelts zurückgezahlt und die Entgeltminderung für den ursprünglichen (ersten) Einkauf eingetreten.
Dass die Entgeltminderung aus Sicht ihrer Kunden unter Umständen bereits früher – mit der Gutschrift der Punkte – eingetreten war, ändert an dieser Würdigung nichts. Selbst wenn der Kunde diese Punkte unmittelbar einlöste, dann trat die wirtschaftliche Belastung der Klägerin doch immer erst im Rahmen des monatlichen Punkteclearings mit der A-Card GmbH ein, mit dem zugleich die bei der Klägerin eingelösten Punkte (als Zahlungsanspruch der Klägerin) mit den neu vergebenen Punkten (als Zahlungsanspruch der A-Card GmbH) verrechnet wurden.
Die Entgeltminderung aus den bei der Klägerin ausgegebenen A-Card-Punkten ist daher im Zeitpunkt der Belastung durch den Systembetreiber eingetreten.
d) Die Höhe der Berichtigung der Bemessungsgrundlage ist dabei zwischen den Beteiligten unstreitig, die dahingehende Schätzung der Klägerin der Aufteilung der zu berichtigenden Umsätze hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und des Regelsteuersatzes ist vom FA akzeptiert worden.
2. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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