Aktenzeichen W 8 S 20.50194
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AufenthG § 60 Abs. 5
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller, algerischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben seit 2017 wiederholt in die Bundesrepublik Deutschland ein, zuletzt im April 2020. Im Februar 2020 äußerte er ein Asylgesuch, von dem die Antragsgegnerin am 21. Februar 2020 Kenntnis erlangte.
Nach Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates (Slowenien) gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 15. April 2020 erklärten die slowenischen Behörden mit Schreiben vom 23. April 2020 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 29. April 2020 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Slowenien an. Der öffentlich zugestellte Bescheid wurde am 3. Juni 2020 bestandskräftig. Am 30. Juni 2020 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf Abänderung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. April 2020 (Az.: …*) ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Slowenien sei nach der Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig. Gründe für eine Rücknahme des Bescheides vom 29. April 2020 gemäß § 48 VwVfG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor.
Am 22. Juli 2020 erhob der Antragsteller zu Protokoll des Urkundsbeamten im Verfahren W 8 K 20.50193 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte im vorliegenden Verfahren:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seine Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und brachte darüber hinaus im Wesentlichen weiter vor: Er könne nicht zurück nach Slowenien, da dort Corona herrsche, sich aber niemand darum kümmere und sich auch niemand um den Antragsteller kümmere. In das Flüchtlingslager kämen viele Flüchtlinge von außerhalb der EU. Es werde nicht getestet, so dass man sich sehr leicht anstecken könne, da man nicht wisse, wer Corona habe. Es herrsche Chaos wegen Corona in Slowenien. Bei einer Rückkehr fürchte er, sich mit Covid-19 zu infizieren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 20.50193) sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in der gestellten Form unzulässig. Der Antrag ist aber auch bei Auslegung bzw. Umdeutung in einen sachgemäßen Antrag nach § 123 VwGO erfolglos, da er zwar zulässig, jedoch unbegründet ist.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wäre vorliegend nur gegen die Abschiebungsandrohung im bestandskräftigen Bescheid vom 29. April 2020 möglich gewesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 6. Juli 2020 enthält keine neue Abschiebungsandrohung und ist in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage angreifbar, so dass sich der Rechtsschutz richtigerweise nach § 123 VwGO richtet (§ 123 Abs. 5 VwGO). Zudem wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Bezug auf den früheren Bescheid wegen Versäumung der Wochenfrist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG unzulässig. Zudem fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, weil der einstweilige Rechtsschutz nicht über den in der Hauptsache beantragten möglichen Rechtsschutz hinausgehen könnte (VG Düsseldorf, B.v. 14.2.2020 – 12 L 3326/19.A – juris; VG Ansbach, B.v. 14.11.2019 – AN 17 S 19.51068 – juris; jeweils m.w.N.).
Im Sinne des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers ist bei interessengerechter Auslegung (§§ 88, 122 VwGO) davon auszugehen, dass er in der Sache begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der für den Antragsteller zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung nach Slowenien aufgrund der Abschiebungsandrohung im früheren Bescheid vom 29. April 2020 vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
Ein so verstandener Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Denn es fehlt an einem Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Der Antragsteller hat keinen Anspruch nach § 51 VwVfG auf Wiederaufgreifen des früheren Verfahrens, weil der Antragsteller mit seinem Hinweis auf die Corona-Pandemie keine Wiederaufgreifenstatbestände des § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG dargetan hat. Des Weiteren liegen auch keine triftigen Rücknahmegründe nach § 48 VwVfG vor. Der frühere Bescheid ist nicht rechtswidrig gewesen, erst recht liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor (vgl. zur Systematik auch VG Ansbach, B.v. 17.11.2019 – AN 17 S 19.51068 – juris m.w.N.).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Bundesamt hat schon zutreffend ausgeführt, dass keine Rücknahmegründe nach § 48 VwVfG vorliegen und außerdem auch keine Wiederaufgreifensgründe nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, so dass es bei der Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG bleibt. Des Weiteren sind weder zielstaatsbezogene nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse gegeben.
Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung. Der streitgegenständliche Bescheid vom 6. Juli 2020 und auch der vorlaufende Bescheid vom 29. April 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Slowenien ist gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Verordnung Nr. 604/2013/EU – Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Sloweniens ergibt sich vorliegend aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO. Die slowenischen Behörden haben ihre Zuständigkeit mit Schreiben vom 23. April 2020 ausdrücklich erklärt.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand auch unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das slowenische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtecharta (GRCh) ausgesetzt wären.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“, dass alle daran beteiligten Mitgliedstaaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), dem Protokoll von 1967 und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 79). Dies begründet die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80). Um das Prinzip gegenseitigen Vertrauens entkräften zu können, muss ernsthaft zu befürchten sein, dass dem Asylbewerber aufgrund genereller defizitärer Mängel im Asylsystem des eigentlich zuständigen Mitgliedstaats mit beachtlicher, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 6; EuGH, U.v. 21.12. 2011 – C-411/10 – NVwZ 2012, 417 Rn. 80; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 41). Erforderlich ist insoweit die real bestehende Gefahr, dass in dem Mitgliedstaat, in den überstellt werden soll, die grundlegende Ausstattung mit den notwendigen, zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse elementaren Mitteln so defizitär ist, dass der materielle Mindeststandard nicht erreicht wird und der betreffende Mitgliedstaat dieser Situation nicht mit geeigneten Maßnahmen, sondern mit Gleichgültigkeit begegnet (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 34 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann allerdings die bloße schlechtere wirtschaftliche oder soziale Stellung der Person in dem zu überstellenden Mitgliedstaat nicht für die Annahme einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausreichen (vgl. EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 – ZAR 2013, 336, 70 f.). Der EGMR führt in seiner Entscheidung aus, dass Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalte, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen oder finanzielle Leistungen zu gewähren, um ihnen dadurch einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Einer Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens stehen deshalb nur außergewöhnliche zwingende humanitäre Gründe entgegen.
Die Anforderungen an die Feststellung systemischer Mängel und eine daraus resultierende Widerlegung der Sicherheitsvermutung sind hoch. Konkretisierend hat der EuGH in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 – juris Rn. 91) ausgeführt, dass systemische Schwachstellen nur dann als Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu werten seien, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werde, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Diese Schwelle sei aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden seien, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats müsse zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinde, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden („Brot, Seife, Bett“), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 92 f.).
Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen bestehen aufgrund der aktuellen Erkenntnislage des Gerichts keine Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger systemischer Mängel im slowenischen Asylsystem (vgl. zuletzt etwa VG Würzburg, B.v. 10.3.2020 – W 4 S 20.30289 – AuAS 2020, 128; VG Bremen, B.v. 14.1.2020 – 7 V 2702/19 – juris, jeweils m.w.N.), zumal der Antragsteller nichts Dahingehendes substanziiert vorgebracht hat. In Slowenien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Es besteht die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zu materieller Versorgung wie Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung, Kleidung. Außerdem haben Asylbewerber Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn über ihren Asylantrag nicht innerhalb vom neun Monaten entschieden ist (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Slowenien vom 26.11.2019 m.w.N.).
Dem Antragsteller ist zumutbar, sich den Anforderungen des slowenischen Asyl- und Aufnahmeverfahrens zu unterwerfen und die ihm dort gebotenen Möglichkeiten, gegebenenfalls auch Rechtsschutzmöglichkeiten, sowie erforderlichenfalls Hilfemöglichkeiten durch Private zu ergreifen und so durch eigenes Zutun und eigene Mitwirkung einer eventuell drohenden Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. einer existenziellen Gefahr zu begegnen. Eine etwa erforderliche Eigeninitiative, wie etwa bei der Registrierung bei der zuständigen Stelle, ist zumutbar.
Vorstehendes gilt auch im Falle einer eventuellen Anerkennung eines internationalen Schutzstatus in Slowenien (siehe schon VG Würzburg, B.v. 10.3.2020 – W 4 S 20.30289 – AuAS 2020, 128 m.w.N.). Schutzberechtigte erhalten einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Ihnen wird ein Integrationsberater zugeteilt. Sie haben Zugang zum Gesundheitswesen, zu Sozialleistungen, Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnbeihilfe wie slowenische Bürger. Sie unterfallen der obligatorischen Krankenversicherung. Sie müssen zwar das Aufnahmezentrum verlassen, haben aber Anspruch auf finanzielle Unterstützung bis zu 18 Monaten und gegebenenfalls noch weiteren 18 Monaten, wenn sie sich keine Unterkunft leisten können. Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit der Schutzgewährung durch Zur-Verfügung-Stellung einer kostenlosen Unterkunft (siehe BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Slowenien vom 26.11.2019, S. 15 ff.).
Auch eine Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in Slowenien, verbunden mit einer ihm möglicherweise drohenden Abschiebung in das Heimatland, führt nicht zu einer Zuständigkeit der Antragsgegnerin verbunden mit einer (nochmaligen) Prüfung des Schutzbegehrens in Deutschland. Dem Antragsteller steht es frei, in Slowenien gegebenenfalls um Rechtschutz nachzusuchen bzw. dort einen Folgeantrag zu stellen. Dass bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber mit ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu rechnen haben, ist kein hier relevanter Mangel des Asylverfahrens und auch im Übrigen nicht menschenrechtswidrig. Vielmehr ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass in Frankreich ein rechtstaatliches Erst- und gegebenenfalls auch Slowenien durchgeführt wird. Der Asylbewerber hat nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einen für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-VO.
Eine andere Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides in Bezug ab die Ablehnung eines Anspruchs nach § 48 VwVfG im Hinblick auf die Abänderung des früheren Bescheides ist insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Entwicklung im Zuge der Covid-19-Pandemie (Corona-Krise) angezeigt.
Das Gericht geht nicht davon aus, dass der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung im bestandskräftigen Bescheid vom 29. April 2020 die Verhältnisse in Slowenien im Blick auf das „Coronavirus“ entgegenstehen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsteller in Slowenien aufgrund der voraussichtlichen Lebensverhältnisse in eine Lage extremer Not geraten würde. Dies gilt aber wegen des oben näher erläuterten Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nur in Extremfällen (vgl. Günther in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition Stand: 1.3.2020, § 29 AsylG Rn. 22 – 24). Das Gericht hat – auf der Basis des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens und auch angesichts der in Slowenien getroffenen Maßnahmen – keine substanziierten Erkenntnisse, die die Annahme eines solchen Extremfalles in der Person des Antragstellers oder allgemein das Vorliegen systemischer Mängel in Slowenien begründen könnten. Im System des gegenseitigen Vertrauens ist für Slowenien vielmehr weiter von einem die Grundrechte sowie die Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, wahrenden Asylsystem auszugehen.
Denn auch unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie ist der slowenische Staat nicht tatenlos geblieben, unter anderem werden auch Testungen sowie Hygiene- und Quarantänemaßnahmen durchgeführt (vgl. Reiseinformationen des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zu Slowenien, Stand: 23.7.2020, unverändert seit 14.7.2020; https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/slowenien/; Auswärtiges Amt, Slowenien: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 23.7.20020, unverändert seit 9.7.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/slowenien-node/sloweniensicherheit/210644#content_0).; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, ausgewählte Dublin-Länder, Balkan und Ukraine, aktuelle Lage in Zusammenhang mit COVID-19 [Corona-Pandemie], vom 18.5.2020, S. 2).
Beim Antragsteller liegen zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) des Weiteren keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Insbesondere führt die COVID-19 (sog. Corona-)Pandemie in Slowenien nicht zur Feststellung eines solchen zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots. Nach der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längsten drei Monate ausgesetzt wird.
Nur wenn eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 2 AufenthG fehlt, kann der Antragsteller in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er bei Überstellung aufgrund der herrschenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
Diese Voraussetzungen liegen beim Antragsteller nicht vor. Denn nur, wenn im Einzelfall die drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sind, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden, etwa wenn das Fehlen eines Abschiebungsstopps dazu führen würde, dass ein Ausländer im Zielstaat der Abschiebung sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen überantwortet würde, wird die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG durchbrochen und es ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (vgl. Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition Stand: 15.8.2016, § 60 Rn. 45 m.w.N.).
Eine derartige Extremgefahr kann für den Antragsteller im Falle ihrer Rückkehr nach Slowenien indes nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass der Antragsteller, der unter keinen erheblichen Vorerkrankungen leidet, in Slowenien gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wären. Selbst unter Berücksichtigung der Entwicklung der Corona-Pandemie in Slowenien besteht nach dem oben genannten Maßstab – selbst bei unterstellter (nicht zwangsläufiger) Infektion mit „Coronavirus“ SARS-CoV 2 – keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher der Antragsteller angehört. Nach den bisherigen Erkenntnissen zu COVID-19 kommt es beim ganz überwiegenden Teil der Erkrankten zu einem milden bis moderaten Verlauf, ein geringer Teil entwickelt eine schwere Erkrankung. Das größte Risiko für einen schweren Verlauf besteht bei Personen im Alter von über 70 Jahren und Personen mit Vorerkrankungen (vgl. Robert-Koch-Institut, Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).
Im Übrigen genügt nicht die allgemeine Behauptung mit dem Hinweis auf die Corona-Pandemie für die Annahme, dass eine ernsthafte Gefahr der Ansteckung und Erkrankung bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen, zu der auch eine eventuelle – beim Antragsteller aber nicht gegebene – Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gehört. Erforderlich ist die Benennung bestimmter begründeter Informationen, um zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende nachweislich etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Abzustellen ist auf die aktuelle Lage zur Ausbreitung von COVID-19 in Slowenien, konkret in der Region bzw. an den Orten, an denen sich der Antragsteller voraussichtlich aufhält, wie viel Menschen sich dort mit dem zugrundeliegenden Krankheitserreger SARS-CoV 2 infiziert haben, hierdurch schwer erkrankt oder gar verstorben sind, von wie vielen Ansteckungsverdächtigen derzeit auszugehen ist und welche Schutzmaßnahmen mit welcher Effektivität der slowenische Staat zur Eindämmung der Pandemie ergriffen hat, um beurteilen zu können, ob und welche Wahrscheinlichkeit für eine möglicherweise befürchtete Ansteckung mit Covid 19 sowie eines schweren Verlaufs im Fall einer Rückkehr für den Antragsteller besteht (OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris).
An einem dahingehenden entsprechend substanziierten Vorbringen des Antragstellers fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine ernsthafte Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich. Nach den aktuellen Fallzahlen besteht – auch in Vergleich zu Deutschland – keine erhöhte Gefahr der Ansteckung oder gar schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung. In Slowenien gibt es aktuell 2.033 Personen, die nachweislich mit dem Corona-Virus infiziert sind, es gibt 115 Todesfälle und 1.661 Genesene (https://www.worlddometers.info/coronavirus/country/slovenia/). Demgegenüber verzeichnet Deutschland 204.470 Infizierte, 9.182 Todesfälle und 188.600 Genesene (https://www.worldometers.info/coronavirus/country/germany/). Insgesamt ist Slowenien demnach von Covid-19 wenig betroffen und auch nur in bestimmten Regionen (so Auswärtiges Amt, Slowenien: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 23.7.20020, unverändert seit 9.7.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/slowenien-node/sloweniensicherheit/210644#content_0). Des Weiteren ist zu beachten, dass Slowenien nicht tatenlos geblieben ist, sondern zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus und zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat. In Slowenien wurde etwa die Schließung von Geschäften, Sport- und Kultureinrichtungen sowie Kindergärten, Schulen, Universitäten veranlasst. Die Maßnahmen wurden wieder teilweise zurückgenommen. Gewisse andere Maßnahmen sind aber noch in Kraft, wie etwa die Einhaltung von Abstandsregeln (mindestens 1,5 m), Kontaktbeschränkungen, Hygieneregeln, Desinfektionsmaßnahmen sowie Mund-Nasen-Schutz in öffentlichen geschlossenen Räumen. Weiter wurden in Slowenien unter dem Eindruck wieder steigender Corona-Fälle die Einreisevorschriften verschärft. Einreisende haben sich verpflichtend einer 14-tägigen Quarantäne zu unterwerfen bzw. müssen einen negativen Covid-19-Test vorweisen. Letztlich ist weiter mit Einschränkungen und Beeinträchtigungen im öffentlichen Leben zu rechnen (siehe Reiseinformationen des österreichischen Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zu Slowenien, Stand: 23.7.2020, unverändert seit 14.7.2020; https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/slowenien/; Auswärtiges Amt, Slowenien: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 23.7.20020, unverändert seit 9.7.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/slowenien-node/sloweniensicherheit/210644#content_0).
Soweit der Antragsteller darüber hinaus die konkreten Verhältnisse in seiner Asylunterkunft anspricht, ist darauf hinzuweisen, dass er zusätzlich zu den vorstehend genannten Maßnahmen gehalten ist, das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren, indem er von den individuellen Schutzmöglichkeiten Gebrauch macht, wie das Tragen einer Gesichtsmaske, das Händewaschen oder das Wahren von Abstand zu anderen Personen. Gegebenenfalls können ihm erforderlichenfalls für eine Übergangszeit etwa auch entsprechende Masken sowie Desinfektionsmittel mitgegeben werden.
Das Gericht geht schließlich nicht davon aus, dass eine Dublin-Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat sonst längerfristig aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre. Dahingehende Restriktionen und Reisebeschränkungen im Schengen-Raum wurden in den letzten Monaten mittlerweile generell wieder weitgehend gelockert bzw. ganz aufgehoben, so dass nichts dafür ersichtlich ist, dass es binnen der regelmäßigen sechsmonatigen Überstellungsfrist nicht tatsächlich zu einer Überstellung des Antragstellers nach Slowenien kommen kann.
Nach alledem ist die Abschiebung des Antragstellers nach Slowenien weiterhin rechtlich zulässig und möglich.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war daher nach alledem abzulehnen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.