Aktenzeichen B 3 K 17.50068
Leitsatz
1 Der Asylbewerber ist schon bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht, „flüchtig“ iSv Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO (BayVGH BeckRS 2016, 45993). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht; erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist der Ausländer nur für eine unerheblich kurze Zeit oder unverschuldet ohne Abmeldung unauffindbar (Einkauf, sonstige private Erledigung, Arztbesuch, etc.), ist nicht von Flüchtigkeit auszugehen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4 Es bestehen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Portugal. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte und die Kläger persönlich an der mündlichen Verhandlung am 19.10.2017 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Unzulässigkeitsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 17.02.2017.
Ausweislich der Klageanträge, die vom Klägerbevollmächtigten aufrechterhalten wurden, ist die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, kein Klagegegenstand. Zwar ist wegen der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Bundesamt auch in den Fällen zur Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungsverboten verpflichtet, in welchen es den Asylantrag (hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG) für unzulässig erachtet. Aufgrund der gesetzlichen Systematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots aber nur für den Fall begehrt werden, dass der Bescheid in Ziffer 1 aufrechterhalten bleibt, also als Hilfsantrag. Denn im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung wird auch eine Feststellung, wonach Abschiebungsverbote nicht vorliegen, kassiert (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris; vgl. auch VG Ansbach U.v. 6.9.2017 – AN 3 K 17.51126 – juris). Für die Kläger bedeutet dies, dass sie die Anfechtungsklage gegen den Unzulässigkeitsbescheid mit einem hilfsweisen Verpflichtungsbegehren auf Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes zu verbinden haben, wenn sie die Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten für fehlerhaft erachten und in Bezug auf den Abschiebezielstaat Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG sehen (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris).
III.
Die zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris; BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.50003 – juris; VG Ansbach, U.v. 6.9.2017 – AN 3 K 17.51126 – juris) bleibt ohne Erfolg.
Der Bescheid vom 17.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Asylanträge sind gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
a) Vorliegend sind die Kläger von Griechenland aus mit dem Flugzeug nach Portugal eingereist und stellten dort am 01.02.2017 Anträge auf internationalen Schutz. Dies ergibt sich aus den EURODAC-Treffern der „Kategorie 1“. Aufgrund der Übernahmeersuchen der Beklagten vom 14.02.2017 haben sich die portugiesischen Behörden mit Schreiben vom 15.02.2017 bzw. 16.02.2017 gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig erklärt. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, die Kläger hätten in Portugal keinen Asylantrag gestellt, geht damit ins Leere.
b) Die Zuständigkeit Portugals ist auch nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist entfallen.
aa) Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO grundsätzlich sechs Monate ab dem Tag der Annahme des Auf- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 1 AsylG) unterbricht den Lauf der Frist für eine Überstellung nach den Regelungen der Dublin III-VO. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen solchen Antrag wird die Frist auch dann neu in Lauf gesetzt, wenn – wie hier mit Beschluss vom 07.03.2017 – der Antrag abgelehnt wurde (BVerwG, U.v. 26.5.2016 – 1 C 15/15 – juris; BayVGH, U.v. 29.3.2017 – 15 B 16.50080 – juris).
bb) Zwar ist die Sechs-Monats-Frist am 07.09.2017 um 24 Uhr abgelaufen, die Beklagte hat jedoch noch am 07.09.2017 die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO in zulässigerweise auf 18 Monate, also bis zum 07.09.2018, verlängert.
Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO kann die Überstellungsfrist auf höchstens 18 Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Die Beklagte hat Portugal am 07.09.2017 über die Flüchtigkeit der Kläger und die daraus folgende Unmöglichkeit der Überstellung informiert. Darin liegt auch eine – jedenfalls konkludent getroffene – nach dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO („Die Frist […] kann verlängert werden […]“) erforderliche Entscheidung der Beklagten über die Fristverlängerung (vgl. VG Dresden, U.v. 12.06.2015 – 7 K 2951/14.A – juris sowie VG Ansbach, B.v. 29.8.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris und VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris).
Die Kläger waren „flüchtig“ i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO, so dass die Verlängerung der Überstellungsfrist rechtmäßig erfolgte. Im Lichte von Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin III-VO konnte die Verlängerung der Überstellungfrist erfolgen, weil dadurch vermieden wird (und werden soll), dass sich der Zuständigkeitsübergang durch pflichtwidriges Tun oder Unterlassen vollzieht.
Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner sonst möglichen Überstellung durch sein Nichtdasein bewusst entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die Überstellung an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Regensburg, U.v. 20.02.2015 – RN 3 K 14.50264 – juris; VG Magdeburg, B.v. 11.12.2014 – 1 B 1196/14 – juris; VG Ansbach, B.v. 29.08.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris; VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris). Der Asylbewerber ist daher schon bei jeder Form eines unbekannten Aufenthalts, mit der er sich vorsätzlich und unentschuldigt seiner Abschiebung entzieht, „flüchtig“ im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (BayVGH, B.v. 29.04.2016 – 11 ZB 16.50024 – juris). Dieses subjektive Moment im Sinne eines dolus eventualis ergibt sich aus dem Wort „flüchtig“, das zwar mehr voraussetzt als nur „abwesend“ oder “nicht erreichbar“, aber die Inkaufnahme einer vergeblichen Abschiebung genügen lässt (VG Ansbach, B.v. 29.08.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris). Dies gilt insbesondere in Anbetracht des § 10 Abs. 1 AsylG, über den die Kläger belehrt wurden, wonach sie während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen haben, dass sie Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Für die Einstufung als flüchtig kommt es insbesondere auch nicht darauf an, ob den Klägern die bevorstehende Abschiebung bekannt war oder nicht bzw. ob konkrete Abschiebungsversuche unternommen wurden. Sie mussten – jedenfalls mit dem nahenden Ende der sechs monatigen Überstellungsfrist – mit einer Überstellung rechnen (vgl. VG Ansbach B. v. 29.8.2017 – AN 14 E 17.50998 – juris).
Ist der Ausländer nur für eine unerheblich kurze Zeit oder unverschuldet ohne Abmeldung unauffindbar (Einkauf, sonstige private Erledigung, Arztbesuch, etc.), ist dagegen nicht von Flüchtigkeit auszugehen.
Ein Auszug aus der Unterkunft, also ein „Untertauchen“, ist aufgrund des Vorbringens im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12.10.2017 zwar nicht anzunehmen, aber auch gar nicht erforderlich zur Annahme von „Flüchtigkeit“. Auch das wiederholte Sich-Entfernen von der Unterkunft ohne Abmeldung wie hier genügt, um eben zu verhindern, dass die Beklagte sechs Monate ununterbrochen zur Verfügung hat, um die Abschiebung zu planen, vorzubereiten und durchzuführen (VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris). Die Kläger sollten am 30.08.2017 nach Portugal überstellt werden. Nachdem sie in den frühen Morgenstunden in der Unterkunft nicht angetroffen wurden, unternahm die Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken am 07.09.2017 einen zweiten Abschiebungsversuch. Beiden Überstellungen entzogen sich die Kläger faktisch – zumindest mit bedingtem Vorsatz – durch ihre zeitweise ungeklärte Abwesenheit. Denn es erfolgte weder eine Abmeldung noch eine Nachricht über den Ort, an dem sie sich aufgehalten haben. Nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten hätten sich die Kläger zu 2 bis 5 in der Nacht vom 29.08. auf den 30.08.2017 in … aufgehalten. Eine Abmeldung für die angebliche Übernachtung in einem fast 80 km entfernten Ort ist nicht erfolgt. Auch der Kläger zu 1 hat sich der Abschiebung am 30.08.2017 vorsätzlich entzogen. Nach Auskunft der Regierung von Oberfranken sollte die Abschiebung zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr morgens stattfinden. Es ist völlig unglaubwürdig, dass der Kläger zu 1 in dieser Zeit lediglich spazieren gegangen ist. Auch in der Folgezeit wurde von der Hausverwaltung wiederholt festgestellt, dass sich die Familie nachts nicht in der Unterkunft aufgehalten hat. Am 31.08.2017 übernachteten die Kläger erneut außerhalb der Unterkunft, ohne dass sie sich abgemeldet haben bzw. ohne dass eine plausible Begründung für die Übernachtung außerhalb der Einrichtung abgegeben worden ist. Auch beim zweiten Überstellungsversuch am Morgen des 07.09.2017 konnte die klägerische Familie nicht angetroffen werden. Nach Angaben des zuständigen Hausverwalters hat die Familie in dieser Nacht wieder nicht in der Unterkunft übernachtet und offensichtlich sogar die ganze Nacht das Licht im Zimmer brennen lassen um den Anschein zu erwecken, sie seien anwesend. Eine plausible Erklärung, wo sich die Kläger nachts aufhalten, wurde nicht abgegeben, insbesondere hielten es die Kläger nicht für nötig, in der mündlichen Verhandlung am 19.10.2017 zu erscheinen und zur Klärung der nächtlichen Aufenthalte beizutragen. Dies gilt umso mehr, da es sich bei den Klägern zu 4 und 5 um sechs bzw. vierjährige Kinder handelt, die sich üblicherweise während der Nachtzeit bzw. in den frühen Morgenstunden nicht außerhalb der Schlafräume aufhalten. Daher ist auch der Vortrag, die ganze Familie begleite den Vater bei seinen nächtlichen Spaziergängen völlig unglaubwürdig. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass sich die Kläger vorsätzlich und wiederholt der Überstellung entzogen haben.
Im Übrigen ist gelten die vorstehenden Grundsätze unabhängig davon, ob ein Überstellungsversuch konkret stattgefunden hat oder nicht. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kommt es bei der 2. Alternative nicht darauf an, ob ein Abschiebungsversuch unternommen wurde (VG Ansbach, B.v. 26.9.2017 – AN 14 E 17.51000 – juris). Daher sind vorliegend – neben den unentschuldigten Fehlzeiten während der Abschiebungsversuche am 30.08. und 07.09.2017 – auch die weitergehenden Abwesenheitszeiten der Kläger, die über die üblichen Termine (Arztbesuch, Vorsprache bei Asylsozialberatung, etc.) hinausgehen, insbesondere die nicht bzw. nicht glaubhaft darlegte Abwesenheiten in den Nacht- und frühen Morgenstunden, bei der notwendigen Einzelfallbeurteilung der „Flüchtigkeit“ mit einzubeziehen.
Die Beklagte ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger „flüchtig“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin III-VO waren.
c) Es liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen.
aa) Systemische Mängel des portugiesischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – Rs. C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris, BVerfG, U. v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B. v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Bei Anlegung dieses Maßstabs ergeben sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Portugal (so auch VG Minden, B. v. 13.08.2015 – 10 L 614/15.A – juris; VG München, B. v. 18.03.2014 – M 12 S 14.30462 – juris; VG Bayreuth, B. v. 07.03.2017 – B 3 S 17.50067 – juris). In Bezug auf Portugal ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Klägern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung oder eine Existenzgefahr im Sinne einer Verelendung droht. Die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Portugal werden eingehalten. Eventuelle Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Auch wenn die sozialen und medizinischen Standards in Portugal niedriger sein sollten als in der Bundesrepublik, ist nichts dafür ersichtlich oder konkret vorgetragen, dass Portugal die Mindeststandards bei der Behandlung der Asylbewerber im Allgemeinen oder im konkreten Fall nicht einhalten würde. Einzelne Missstände begründen keine systemischen Mängel im obengenannten Sinn (VG München, B. v. 18.03.2014 – M 12 S 14.30462 – juris).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei grundlegenden Entscheidungen – betreffend die Rückführung von Asylbewerbern – grundlegend ausgeführt, dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen die Zurückweisung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie des Vertragsstaates verwiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Nr.27725/10 – juris sowie B.v.18.6.2013 – Nr.53852/11 – juris).
bb) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen könnten, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere besteht keine Selbsteintrittspflicht der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO im Hinblick auf den Vortrag, die ärztliche Versorgung in Deutschland sei besser als in Portugal.
d) Soweit sich der Klägerbevollmächtigte auf Art. 11 Dublin III-VO beruft, geht der Vortrag schon deswegen ins Leere, da die Kläger keine Familienangehörigen i.S.d. Art. 2 Buchstabe g) Dublin III-VO bzw. keine unverheirateten minderjährigen Geschwister in Deutschland haben, die in zeitlicher Nähe zum Antrag der Kläger ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Insbesondere ist …, weiterer Sohn der Kläger zu 1 und 2 und Kläger in der Sache B 3 K 17.50222 bereits volljährig. Im Übrigen wurde auch dessen Asylantrag in Deutschland als unzulässig abgelehnt, da dieser ebenfalls bereits ein Antrag auf internationalen Schutz in Portugal gestellt hat.
e) Darüber hinaus spielt eine möglicherweise zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates (Portugal) über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 17 Dublin III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre (VG Bayreuth, B.v. 3.3.2017 – B 5 S 17.50112 – juris).
Damit ist der Asylantrag der Kläger in Deutschland gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG unzulässig. Eine materielle Prüfung hat in Deutschland nicht zu erfolgen.
2. Die Frage, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Portugal festzustellen, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da die Kläger keinen entsprechenden – hilfsweisen – Verpflichtungsantrag gestellt haben (s.o.).
Im Übrigen vermag das Gericht keine Abschiebungsverbote, insbesondere kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu erkennen.
Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei liegt nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstatt mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG).
Zwar berichtet der Kläger zu 1 von Herzproblemen bzw. einen erlittenen Herzinfarkt in Syrien und legt diesbezüglich ärztliche Atteste vor. Gleichzeitig gibt er jedoch bei der Befragung beim Bundesamt (vgl. Bl. 110 der Behördenakte) an, dass er nur noch Medikamente nehme und es ihm gut gehe. Auch aus den vorgelegten Bescheinigungen des Klinikums … vom 24.02.2017 und des Klinikums … vom 24.05.2017 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 1 an lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Das Klinikum … geht im Befundbericht vom 24.02.2017 davon aus, dass für die Herzbeschwerden eine muskulöse Genese ursächlich war. Dementsprechend wurde der Kläger ergänzend mit Ibuprofen 600 behandelt. Nach dem Bericht des Klinikums … vom 24.05.2017 wurde der Kläger zu 1 mit Verdacht auf Progression der bekannten koronaren Dreigefäßerkrankung stationär behandelt. Ein chronischer Verschluss wurde im Rahmen einer komplikationslosen PTCA (Behandlungsverfahren zur Aufweitung von Verengungen der Herzkranzgefäße) behoben. Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung wurde dem Kläger ein sogenannter Stent eingesetzt. Der Eingriff verlief komplikations- und reizlos. Es haben sich keine Hinweise auf höhergradige Herzrhythmusstörungen ergeben. Weiterhin wurde die „übliche Medikation bei koronaren Herzerkrankungen“ durchgeführt.
Auch aus dem neuerlichen Bericht des Klinikums … vom 21.08.2017 bzw. aus dem Attest des Hausarztes Dr. … vom 07.09.2017 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG. Neben den bekannten Herzproblemen, Bluthochdruck und Nikotinabusus wurden zwar im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 14.08.2017 bis zum 21.08.2017 noch Bandscheibenvorfälle diagnostiziert, jedoch handelt es sich auch bei dieser Diagnose um keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung des Klägers zu 1. Insbesondere besteht zum derzeitigen Zeitpunkt keine OP-Indikation, weder hinsichtlich der bestehenden Herzerkrankung, noch hinsichtlich der Bandscheibenvorfälle. Im Übrigen liegen dem Gericht keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zu 1 in Portugal nicht adäquat medizinisch versorgt werden könnte, so dass schon im Ansatz nicht davon auszugehen ist, dass sich die Krankheiten bei einer Abschiebung nach Portugal wesentlich verschlechtern würden.
Soweit vorgetragen wird, der Kläger zu 3 habe Rheuma und sei in Syrien in medizinischer Behandlung gewesen, rechtfertigt dies ebenfalls keine Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Einerseits wird ausgeführt, dass seit der Ausreise aus Syrien keine Medikamente mehr eingenommen wurden, andererseits fehlt es bezüglich dieses Krankheitsbilds schon an der Vorlage der notwendigen ärztlichen Bescheinigungen (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG). Für das Gericht ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass Rheuma in Portugal nicht ausreichend behandelt werden könnte.
Abschiebungshindernisse ergeben sich auch nicht daraus, die Kläger über Verwandtschaft (Tante, Bruder, Schwester des Klägers zu 1) in Deutschland verfügen. Aufgrund der dargestellten Verwandtschaftsverhältnisse besteht kein innerstaatliches Abschiebungsverbot aus Art. 6 GG.
Für eine Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1 bestehen ebenfalls keine tragfähigen Anhaltspunkte.
Die Minderjährigkeit der Kläger zu 4 und 5 steht deren Abschiebung nicht entgegen, da davon auszugehen ist, dass diese zusammen mit den Eltern nach Portugal überstellt werden.
3. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt – im Hinblick auf die Abschiebung nach Portugal vor.
4. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG) beruht auf § 11 Abs. 2 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.