Aktenzeichen M 10 K 18.5579
Leitsatz
1. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erfordert einen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, sodass die Dauer des Aufenthalts allein noch kein Daueraufenthaltsrecht begründet. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde (BVerwG BeckRS 2015, 50492). (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Obwohl der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2019 erschienen ist, konnte ohne ihn verhandelt und entschieden werden. Hierauf wurde der Kläger in der Ladung zur mündlichen Verhandlung gem. § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewahrt. Der angegriffene Bescheid vom 19. Juni 2018 wurde dem Kläger ausweislich der in der Behördenakte enthaltenen Postzustellungsurkunde am 16. Oktober 2018 zugestellt. Die Klageerhebung am 14. November 2018 erfolgte daher innerhalb der Klagefrist, die gem. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 16. Novembers 2018 endete.
2. Die Klage ist nicht begründet, da sich der Bescheid als rechtmäßig erweist.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ist § 5 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Die Beklagte nannte in ihrem Bescheid § 5 Abs. 5 FreizügG/EU als Rechtsgrundlage (Seite 5 des Bescheides auf Blatt 41 der Behördenakte). In der bis zum 28. Januar 2013 gültigen Fassung befand sich die Rechtsgrundlage der Verlustfeststellung im fünften Absatz des § 5 FreizügG/EU. Dass die Beklagte diese alte Fassung zitiert ist unschädlich, da sich die Fassungen weitestgehend decken und die Voraussetzungen für die Verlustfeststellung identisch geblieben sind.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Es fehlt nicht an der gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderlichen Anhörung. Der Kläger bestreitet, das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 24. Januar 2018 bekommen zu haben. Unabhängig von der Frage des tatsächlichen Zugangs hatte der Kläger jedenfalls während des behördlichen und des gerichtlichen Verfahrens ausreichend Gelegenheit, um sich zu äußern. Von dieser Möglichkeit hat er auch Gebrauch gemacht. Die Beklagte hatte so Gelegenheit ihre Entscheidung zu überdenken und diese gegebenenfalls zu korrigieren, zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2019. Ein Anhörungsfehler wurde damit jedenfalls gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt (vgl. Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 44. Edition, Stand: 01.07.2019, § 45 Rn. 42).
Auch die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides ist gegeben. Die Beklagte hat die Verlustfeststellung zu Recht auf Grundlage des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU getroffen.
Gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen für das Freizügigkeitsrecht innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder nicht vorliegen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Freizügigkeitsrecht vorliegt, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-PR 2015, 910; BVerwG, U.v. 3.8.2004 – 1 C 30/02 – NVwZ 2005, 220; Sennekamp/Pietzsch in Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2017, 4. Teil, § 9 C. III. 6. b) Rn. 155).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU sind vorliegend gegeben, da der Kläger aktuell nicht freizügigkeitsberechtigt ist, sich zu keinem Zeitpunkt fünf Jahre lang ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und die Ermessenausübung der Beklagten nicht zu beanstanden ist.
Wer unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 FreizügG/EU.
a) Der Kläger ist aktuell nicht freizügigkeitsberechtigt.
aa) Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen.
Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch aktuell nicht als Arbeitnehmer tätig ist. Trotz mehrfacher Aufforderung hat er der Behörde hierüber keine Nachweise vorgelegt. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger nicht angegeben, derzeit beschäftigt zu sein. Stattdessen hat er sich auf zurückliegende Beschäftigungen berufen.
bb) Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhalten. Dies gilt für sechs Monate und darüber hinaus, solange der Unionsbürger nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden.
Vorliegend ist bereits fraglich, ob sich der Kläger überhaupt zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufgehalten hat. Da er bereits ab dem 27. Januar 2011, also am dritten Tag nach der Einreise am 24. Januar 2011 Arbeitslosengeld II bezog und dies vorerst bis zum 19. August 2011 andauerte. Es ist ungeklärt, ob sich der Kläger während dieser Zeit um Arbeit bemühte. Nachweise für die Arbeitssuche wurden nicht vorgelegt.
In jedem Fall entfiel das Recht auf Freizügigkeit aber sechs Monate nach der Einreise, da ab diesem Zeitpunkt Nachweise für die Arbeitssuche und die begründete Aussicht auf Einstellung vorgelegt werden müssen, um ein Freizügigkeitsrecht zu bejahen. Der Kläger hat hierfür weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren Nachweise vorgelegt. Gegen die Annahme der begründeten Aussicht auf Einstellung ist zudem anzuführen, dass es der Kläger seit seiner Einreise am 24. Januar 2011 nicht geschafft hat, mit Ausnahme der fünftägigen Beschäftigung im Juli 2016, eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Der Kläger ist damit aktuell nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.
cc) Die Beklagte geht zutreffender Weise davon aus, dass der Kläger nicht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU als Empfänger von Dienstleistungen freizügigkeitsberechtigt ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen in die Bundesrepublik begeben hat. Stattdessen erfolgt diese nur bei Gelegenheit (vgl. Huber in Huber/Eichenhofer/Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 1. Auflage 2017, Rn. 1511).
dd) Eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU ist ebenfalls nicht gegeben. Gem. § 4 Satz 1 FreizügG/EU haben nicht erwerbstätige Unionsbürger das Recht aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Damit soll sichergestellt werden, dass der einreisende Unionsbürger die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen muss (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-PR 2015, 910; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, FreizügG/EU § 4 Rn. 25).
Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger über ausreichende Existenzmittel verfügt. Der Bezug von Sozialhilfe spricht gerade gegen das Vorliegen von ausreichend Vermögenswerten. Das Vorliegen von Vermögenswerten hat der Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen.
ee) Das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland blieb auch nicht gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU aufgrund einer vorübergehenden Krankheit erhalten. Der Kläger trägt vor, aufgrund einer Behinderung dauerhaft arbeitsunfähig zu sein. Daher ist gerade nicht von einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Ein Attest, das eine andauernde Erkrankung belegt, wurde dagegen ebenfalls nicht vorgelegt.
b) Der Kläger hat sich auch nicht i.S.v. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU in der Vergangenheit fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Ein Daueraufenthaltsrecht gem. § 4a FreizügG/EU, das den Kläger gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht und damit gem. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU ein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet einräumen würde, besteht nicht.
Gem. § 5 Abs. 4 FeizügG/EU kann die Verlustfeststellung auch getroffen werden, wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts entfallen sind. Bestand dagegen fünf Jahre lang ständiger rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet, hat der Unionsbürger gem. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ein Daueraufenthaltsrecht erworben, das ihn unabhängig von den sonstigen Regelungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU gem. § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu Einreise und Aufenthalt berechtigt, sodass eine Verlustfeststellung gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU ausscheidet.
Ein ständiger rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren i.S.v. § 4a FreizügG/EU besteht dann, wenn der Unionsbürger aufgrund einer der Regelungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU fünf Jahre lang freizügigkeitsberechtigt war.
Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
Der Kläger trägt vor, sich nun seit 2011 durchgängig im Bundesgebiet aufzuhalten. Daraus kann sich aufgrund der dargestellten Regelungssystematik aber noch kein Daueraufenthaltsrecht ergeben. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erfordert einen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Dauer des Aufenthalts allein begründet daher noch kein Daueraufenthaltsrecht. Stattdessen ist eine fünfjährige Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU erforderlich (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, FreizügG/EU § 5 Rn 52f). Eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers kommt in der Zeit seit 2011 nur für die Zeit vom 25. bis 29. Juli 2016 in Betracht, in der er zusätzlich zu den Leistungen der Sozialhilfe 57 Euro verdiente. Ansonsten hat der Kläger die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts in dieser Zeit nicht erfüllt und keinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt i.S.d. § 4a FreizügG/EU innegehabt, sodass eine Dauer von fünf Jahren weit unterschritten ist.
Auch in der Zeit vor 2011 hat der Kläger kein Daueraufenthaltsrecht i.S.d. § 4a FreizügG/EU erworben, da auch hier kein durchgehender fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt gegeben war. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Versicherungsverlaufsbescheinigung bei der Deutschen Rentenversicherung hat der Kläger zwar zwischen dem 5. Oktober 1998 und dem 11. März 2008 immer wieder versicherungspflichtig gearbeitet, sodass er in diesen Zeiten als Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt war. Allerdings finden sich darin auch lange Zeitabschnitte, in denen der Kläger nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. So zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 31. Januar 2000 für 13 Monate, zwischen dem 1. August 2000 und dem 31. Mai 2002 für 23 Monate, zwischen dem 20. März 2004 und dem 31. März 2005 für ca. 11,5 Monate und dem 1. Februar 2006 und dem 30. September 2007 für 20 Monate. Selbst wenn man dem Kläger in diesen nicht rentenversicherungspflichtigen Zeiten jeweils sechs Monate zur Arbeitssuche i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU einräumt, liegen in jeder dieser Zeitspannen einige Monate ohne Freizügigkeitsrecht i.S.v. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, sodass auch hier kein fünfjähriger durchgehend rechtmäßiger Aufenthalt stattgefunden hat.
Andere Freizügigkeitstatbestände des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU kommen auch hier nicht in Betracht.
Damit hat der Kläger kein Daueraufenthaltsrecht i.S.v. § 4a FreizügG/EU erworben, das eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU ausschließen würde.
c) Die Beklagte hat das ihr von § 5 Abs. 4 FreizügG/EU eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Gem. § 114 Satz 1 VwGO ist die behördliche Ermessensausübung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Der Verwaltungsakt kann danach nur bei einer Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens für rechtswidrig erklärt werden oder wenn von dem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Ermessensfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Verlustfeststellung verhältnismäßig und überschreitet daher die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid eine umfangreiche Interessenabwägung durchgeführt.
Insbesondere hat sie sich mit den bei Fällen der Verlustfeststellung aufgrund des Bezuges von Sozialleistungen geltenden Besonderheiten ausführlich auseinandergesetzt. Der Schutz des Sozialsystems der Bundesrepublik Deutschland ist ein legitimes Ziel, die Maßnahme der Verlustfeststellung ist dazu geeignet, erforderlich und angemessen.
Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen vermag. Erforderlich ist vielmehr eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen. Die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU führt ebenso wie die Ausweisung zur Beendigung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sowie zur Verlassenspflicht des Unionsbürgers und unterliegt damit dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, wie es der EuGH in seiner Rechtsprechung entwickelt hat. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Ausländer Sozialhilfeleistungen in unangemessener Weise in Anspruch nimmt, ist zu prüfen, ob der Betreffende vorübergehende Schwierigkeiten hat und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände des Betreffenden und der ihm gewährte Sozialhilfebetrag zu berücksichtigen. Von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann zudem nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde (BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-PR 2015, 910).
Die genannten Abwägungskriterien hat die Beklagte in ihre Entscheidung einbezogen. Sie ging berechtigterweise von einer Unangemessenheit des Sozialhilfebezuges durch den Kläger aus, da der Kläger nicht nur vorübergehend und nicht nur in geringem Umfang Sozialhilfe bezog und weiterhin bezieht.
Auch die Auswirkungen der Sozialleistungsgewährung auf das nationale Sozialsystem hat die Beklagte ausführlich dargestellt. Der Beklagten ist dabei zuzustimmen, als sie ausführt, dass das Sozialsystem vor Überlastung zu schützen sei, durch den Zuzug von Sozialhilfeempfängern sowohl die Funktionsfähigkeit als auch die Akzeptanz des Sozialsystems gefährdet werde, die Mittel zur Sozialhilfe von anderen Bürgern aufzubringen seien und daher ein gerechter Ausgleich zwischen Leistungserbringern und Bedürftigen herzustellen sei.
Auch im Übrigen wurde das Bleibeinteresse des Klägers mit dem öffentlichen Interesse an der Verlustfeststellung ausreichend abgewogen. Das private Bleibeinteresse des Klägers ist als nicht besonders hoch einzustufen. Er hat nach den vorliegenden Informationen keinen festen Arbeitsplatz, keine familiären Bindungen im Bundesgebiet und mit dem Platz im Ledigenwohnheim keinen besonders schützenswerten Lebensmittelpunkt. Die Integrationschancen in seinem Heimatland Italien sind aufgrund des langjährigen dortigen Aufenthalts und der Sprachkenntnisse als Muttersprachler als gut einzuordnen.
Daher überwiegt das öffentliche Interesse an der Verlustfeststellung.
d) Ziffer 2 des Bescheids ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung der einmonatigen Ausreisefrist sowie die Abschiebungsandrohung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 FreizügG/EU, dessen Voraussetzungen mit der Verlustfeststellung erfüllt sind.
Die Ausreisefrist von einem Monat hält die Mindestgrenze des § 7 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU ein. Aufgrund der nicht sehr guten Integration des Klägers war eine längere Frist nicht anzusetzen. Dem Kläger bleibt damit ausreichend Zeit um seine Angelegenheiten in Deutschland zu regeln und aus der Bundesrepublik auszureisen (vgl. Kurzidem in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 23. Edition, Stand: 01.08.2019, FreizügG/EU § 7 Rn. 5).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.