Europarecht

Verlustfeststellung für einen rumänischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  Au 6 K 17.338

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166
ZPO ZPO § 114
FreizügG/EU FreizügG/EU § 2 Abs. 1, § 4a, § 5 Abs. 4
RL 2004/38/EG RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 3 lit. a, lit. c, Art. 14 Abs. 4 lit. b, Art. 16, Art. 17

 

Leitsatz

1. Durch die Neufassung des § 5 Abs. 4 S. 1 FreizügG/EU wurde klargestellt, dass eine Verlustfeststellung nicht nur getroffen werden kann, wenn das Freizügigkeitsrecht ursprünglich bestanden hat und später entfallen ist, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu keinem Zeitpunkt bestanden haben. Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlischt mit dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Freizügigkeitsberechtigung zum Zweck der Arbeitssuche ist, dass zum einen die ernsthafte Absicht verfolgt wird, eine Erwerbstätigkeit zu suchen und aufzunehmen, und zum anderen auch eine begründete Aussicht auf Erfolg der Arbeitssuche angenommen werden kann. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Aufenthaltsrecht als nicht erwerbstätiger Unionsbürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 FreizügG/EU kommt nicht in Betracht, da der Kläger in unangemessener Weise Sozialleistungen in Anspruch nimmt. (Rn. 39 – 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, dass er das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren hat, sowie eine damit verbundene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
Der im … 1970 geborene Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger. Er steht derzeit unter Betreuung (siehe Betreuerausweis vom 15.11.2016 – Az: …).
Der Kläger reiste erstmals am 12. Oktober 2011 nach Deutschland ein und meldete sich zunächst in T. an, am 22. November 2011 zog er nach N. Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, dass er für einen längerfristigen Aufenthalt (über 3 Monate) eine Freizügigkeitsbescheinigung benötige und bat um Vorlage eines gültigen Nationalpasses, eines biometrischen Passbildes, eines Arbeitsvertrages und eines Nachweises der Krankenversicherung bzw. eines Nachweises über ausreichende Existenzmittel; eine Äußerung erfolgte hierauf nicht.
Der Kläger war während folgender Zeiten als Arbeitnehmer beschäftigt:
23. Juli bis 23. November 2012 als Sägewerksmitarbeiter im Sägewerk K.,
10. Juni bis 15. September 2013 als Helfer bei der Baufirma E. GmbH,
17. März bis 17. Juli 2014 als Helfer bei diversen Firmen über die Zeitarbeitsfirma T.
Nach Mitteilung des Jobcenters … (vom 13.1.2016, Bl. 50 der Behördenakte) befindet sich der Kläger seit dem 1. November 2013 im Leistungsbezug nach dem SGB II; er habe während der o.g. Beschäftigungen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwirkt und sei fast seit Beginn des Leistungsbezugs arbeitsunfähig.
Im Rahmen eines Anhörungsschreibens zu einer möglichen Verlustfeststellung seines Freizügigkeitsrechts mit Schreiben vom 3. März 2016 bat das Landratsamt um Vorlage von Nachweisen über Bewerbungsversuche, eines Krankenversicherungsnachweises und eines gültigen rumänischen Reisepasses oder einer ID-Card. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 21. März 2016 mit, an beiden Ellenbogen operiert worden zu sein und daher momentan nicht arbeiten zu können. Er werde versuchen, sich so schnell wie möglich um eine neue Arbeit zu bemühen. Momentan besuche er einen Sprachkurs in N. Neben einer Teilnahmebescheinigung des Sprachinstituts … und einem Entlassungsbericht des Stiftungskrankenhauses N. vom 26. November 2015 legte der Kläger die Kopie einer rumänischen Identitätskarte sowie die Kopie einer Krankenversichertenkarte der …K bei.
Das Jobcenter teilte auf Anfrage der Ausländerbehörde, ob noch Aussicht auf Beschäftigung bestehe, mit Schreiben vom 13. Juni 2016 mit, der Kläger nehme (seit 11.1.2016 bis 8.10.2016) an einem Deutschkurs beim Sprachinstitut … teil. Während dieser Zeit habe er auf Grund seiner Erkrankung häufige entschuldigte Fehlzeiten gehabt. Die fehlenden Deutschkenntnisse und sein Alkoholproblem seien Vermittlungshemmnisse, welche eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt sehr erschwerten. Auf die ausgehändigten Vermittlungsvorschläge habe er sich größtenteils beworben, Eigenbemühungen könnten forciert werden. Eine dauerhafte Integration sei zum derzeitigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Mit Schreiben vom 19. August 2016 teilte das Jobcenter mit, dass der Kläger weiterhin den Integrationskurs besuche. Die Leistungen nach dem SGB II seien bis zum 31. Oktober 2016 bewilligt. Der Kläger habe sich bei den Arbeitgebern gemeldet; ein erfolgreicher Abschluss des Integrationskurses wäre für die weitere Arbeitssuche dringend erforderlich.
Mit Telefax vom 8. Oktober 2016 teilte der Betreuer des Klägers mit, dass dieser ein ambulantes Angebot in der psychiatrischen Klinik in D. wahrnehme. Er besuche nun die Tagesklinik. Mit Telefax vom 28. Oktober 2016 teilte der Betreuer die Entlassung des Klägers aus der Tagesklinik mit. Der Kläger wolle einen Kontakt zur Suchtberatung herstellen. Am 14. November 2016 teilte der Betreuer mit, der Kläger nehme derzeit Medikamente, die den Suchtdruck verringerten. Die geplante Dauer der kontinuierlichen Einnahme betrage sechs Monate. Die Medikation habe die zeitweilige Arbeitsunfähigkeit des Klägers zur Folge.
Das Jobcenter teilte mit E-Mail vom 4. Januar 2017 (Bl. 119 f. der Behördenakte) ergänzend mit, dass der Kläger seit dem 7. November 2016 bis zuletzt 3. Januar 2017 regelmäßig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt habe. Den Sprachkurs habe der Kläger auf Grund der bekannten Suchtproblematik nicht abschließen können. Dieser befinde sich im laufenden Leistungsbezug; auf Vermittlungsvorschläge habe er sich wegen seiner derzeitigen Arbeitsunfähigkeit nicht beworben.
Der Bundeszentralregisterauszug (vom 28.12.2016, Bl. 90 ff. der Behördenakte) weist für den Kläger sechs Eintragungen auf. Die vorletzte Verurteilung erfolgte am 21. September 2015 durch das Amtsgericht … (…) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten (Bewährungszeit drei Jahre). Dieser lag eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr am 31. März 2015 zu Grunde. Die letzte Verurteilung erfolgte am 18. August 2016 durch das Amtsgericht … (…) wegen einer Nötigung am 3. März 2016 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 EUR.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2017 (zugestellt am 1.2.2017) stellte der Beklagte fest, dass der Kläger das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren habe (Nr. 1). Der Kläger wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides zu verlassen (Nr. 2), die Abschiebung nach Rumänien wurde angedroht, falls er seiner Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachkomme. Rechtsgrundlage für die Verlustfeststellung sei § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. Hiernach könne der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen seien oder diese nicht vorlägen. Durch die Neufassung des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU werde klargestellt, dass eine Verlustfeststellung nicht nur getroffen werden könne, wenn das Freizügigkeitsrecht ursprünglich bestanden habe und später entfallen sei, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu keinem Zeitpunkt bestanden hätten (BT-Drs. 18/2581 S. 16). Die in § 5 Abs. 4 FreizügG/EU genannte 5-Jahres-Frist beziehe sich darauf, dass nach Ablauf eines rechtmäßigen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Daueraufenthaltsrecht erworben werde. Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlustes erlösche mit dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU hätten Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Der Formulierung in § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU „unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2“ sei zu entnehmen, dass das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpfe und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall der Voraussetzungen nicht mehr berührt werde (BVerwG, B.v. 13.7.2010 – 1 C 14.09). § 4a FreizügG/EU setze die Vorschriften des Kapitels 4 der Richtlinie 2004/38/EG (sog. Unionsbürgerrichtlinie) um. Nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG habe jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang im Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten habe, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts sei nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit dem in der Unionsbürgerrichtlinie und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie genannten Voraussetzungen stehe. Dass das Daueraufenthaltsrecht einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraussetze, folge u.a. aus dem 17. Erwägungsgrund der Unionsbürgerrichtlinie, wonach der Daueraufenthalt den Unionsbürgern zugutekommen soll, die sich gemäß den in der Richtlinie festgelegten Bedingungen fünf Jahre lang ununterbrochen in dem Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten haben (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-424/10 u.a.). Das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts setze somit unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt habe.
Der Kläger erfülle bereits seit etwa zweieinhalb Jahren nicht mehr diese Freizügigkeitsvoraussetzungen. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 1a sowie Nr. 2, 3, 4 und 5 FreizügG/EU seien nicht erfüllt. Eine Arbeitnehmertätigkeit könne der Kläger nicht mehr nachweisen, er beziehe nach Mitteilung des Jobcenters (seit 1.11.2013) Leistungen nach dem SGB II, der aktuelle Anspruch betrage 709,00 EUR monatlich zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherung. Die Voraussetzungen für das Recht auf Freizügigkeit nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU seien demnach entfallen. Es sei nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu prüfen gewesen, ob die Feststellung des Rechtsverlustes geboten sei. Ein Indiz für das Überwiegen des öffentlichen Interesses gebe der Gesetzgeber anhand der einschlägigen Vorschriften hinsichtlich des Rechts auf Freizügigkeit selbst. Die Bundesrepublik sei ein Sozialstaat; die Sozialstaatlichkeit sei nur aufrecht zu erhalten, wenn die sie stützenden Sozialsysteme vor Überlastung geschützt würden. Ein Zuzug von Hilfsbedürftigen aus dem Ausland in diese Sozialsysteme gefährde neben der reinen Funktionsfähigkeit auch die Akzeptanz der sozialen Sicherungssysteme. Nachdem der Kläger seinen Lebensunterhalt seit mehr als drei Jahren für sich nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könne, bestehe die dringende Annahme, dass er für unbestimmte Dauer auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen wäre. Der Kläger habe ein erhebliches Alkoholproblem, das noch nicht erfolgreich therapiert worden sei und verfüge über keine ausreichenden Deutschkenntnisse, die ihm auf dem Arbeitsmarkt weiterhelfen könnten. Vorsprachen beim Jobcenter könne er lediglich mit einem Dolmetscher bewältigen; bei einem Beratungsgespräch (am 13.1.2016) sei er der Kundenberaterin alkoholisiert entgegengetreten. Dem Kläger sei es zuzumuten, sich in seinem Heimatland oder in einem anderen EU-Staat um Arbeit und Einkommen zu bemühen. Es sei ihm ebenso zumutbar, in seinem Heimatstaat Rumänien Sozialleistungen in dem dort gewährten Rahmen zu beziehen. Die Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit liege daher im öffentlichen Interesse. Demgegenüber verfüge der Kläger nicht über schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet. Weiterhin könne sich ein Ausländer grundsätzlich auf die Regelung des Art. 8 Abs. 2 EMRK berufen, wenn er faktisch zu einem Inländer geworden sei. Dies treffe jedoch beim Kläger schon auf Grund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer nicht zu. Er werde von den Folgen der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nicht unverhältnismäßig getroffen. Im Übrigen sei die Integration des Klägers nicht nur wirtschaftlich gescheitert; er sei während seines Aufenthalts im Bundesgebiet wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auf Grund der raschen Folge strafrechtlicher Verfehlungen dürften insbesondere auf Grund der nicht therapierten Alkoholabhängigkeit auch in Zukunft ähnliche Delikte zu erwarten sein. Nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU sei der Kläger zur Ausreise verpflichtet, die gesetzte Ausreisefrist sei im Hinblick auf die bisherige Aufenthaltsdauer angemessen.
Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben; er beantragt,
der Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2017 wird aufgehoben.
Zudem wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten beantragt. Hinsichtlich der Begründung wurde zunächst auf den Akteninhalt verwiesen. Eine weitergehende Begründung ist entgegen der Ankündigung auch nach Akteneinsicht nicht erfolgt.
Der Beklagte hat noch keinen Antrag gestellt. Ausweislich der vorgelegten Behördenakte, teilte das Jobcenter auf Anfrage des Beklagten mit E-Mail vom 14. März 2017 (Bl. 120 der Behördenakte) mit, dass die Leistung ALG II ab 1. März 2017 aufgrund des Verlustes der Freizügigkeit aufgehoben worden sei; zu den beantworteten Fragen hätten sich keine Änderungen ergeben, bis 17. März 2017 habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte.
II.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (vgl. Eyermann, a.a.O., § 166 Rn. 38).
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist nach diesen Maßstäben im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und voraussichtlich auch im maß-geblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn. 11) nicht gegeben. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Insoweit gilt Gleiches wie für andere aufenthaltsrechtliche Entscheidungen, die Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung sein können (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910; U.v. 3.8.2004 – 1 C 30.02 – BVerwGE 121, 297 für Ausweisungen von Unionsbürgern nach altem Recht). Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2017 ist nach Aktenlage wohl rechtmäßig, insbesondere leidet er auch an keinem Ermessensfehler und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
1. Die in Nr. 1 des Bescheids des Beklagten vom 26. Januar 2017 gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) erfolgte Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig. Der Beklagte konnte den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU feststellen; der Kläger hielt sich im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides noch nicht fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
a) Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen oder diese nicht vorliegen; § 4a Abs. 6 FreizügG/EU gilt entsprechend (§ 5 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU). Durch die Neufassung dieser Regelung wurde klargestellt, dass eine Verlustfeststellung nicht nur getroffen werden kann, wenn das Freizügigkeitsrecht ursprünglich bestanden hat und später entfallen ist, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu keinem Zeitpunkt bestanden haben (vgl. BT-Drs. 18/2581 S. 16; BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 24). Die vorgenannte Fünfjahresfrist bezieht sich darauf, dass nach Ablauf eines rechtmäßigen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Daueraufenthaltsrecht erworben wird. Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlischt demnach mit dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn.16).
Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Der Formulierung „unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2“ ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt hierfür ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall der Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn.16 m.w.N.).
Die Regelung des § 4a FreizügG/EU setzt die Vorschriften des Kapitels IV der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl EU Nr. L 158 S. 77 – sog. Unionsbürgerrichtlinie – im Folgenden: RL 2004/38/EG), um. Nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (vgl. EuGH, U.v. 11.11.2014 – C-333/13, Dano – NVwZ 2014, 1648 Rn. 71; U.v. 8.5.2013 – C-529/11, Alarape und Tijani – InfAuslR 2013, 262 Rn. 35; U.v. 6.9.2012 – C-147/11 u.a., Czop u.a. – juris Rn. 35, 38; U.v. 21.12.2011 – 21.12.2011 – C-424/10, C 425/10, Ziolkowski und Szeja – Slg. 2011, I-14035 Rn. 46). Dass das Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt, folgt u.a. aus dem 17. Erwägungsgrund RL 2004/38/EG, wonach der Daueraufenthalt den Unionsbürgern zugutekommen soll, die sich gemäß den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen fünf Jahre lang ununterbrochen in dem Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – 21.12.2011 – C-424/10, C 425/10 – Slg. 2011, I-14035 Rn. 42; vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn.16).
Eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU ist demnach nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn ein Unionsbürger sich fünf Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt vielmehr voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn.17; U.v. 31.5.2012 – 10 C 8.12 – Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 3 Leitsatz 1 und Rn. 16). Dies ist im Fall des Klägers nicht der Fall.
b) Der streitgegenständliche Bescheid vom 26. Januar 2017 findet seine Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU. Die Entscheidung des Beklagten ist auch ermessensfehlerfrei, insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
aa) Der Beklagte konnte im Zeitpunkt des Bescheidserlasses im Januar 2017 den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU feststellen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU i.V.m. Art. 16 oder Art. 17 RL 2004/38/EG erworben hatte. Abzustellen ist dabei darauf, ob im Zeitpunkt der Verlustfeststellung bereits ein Daueraufenthaltsrecht entstanden war (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn 26 f.). Nach dem Wirksamwerden des Verlustfeststellungsbescheids – also mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe (vgl. Art. 43 BayVwVfG) – kann der Betroffene nicht mehr allein durch den weiteren Aufenthalt und die auf dem Unionsbürgerstatus beruhende Freizügigkeitsvermutung in den Status eines Daueraufenthaltsberechtigten hineinwachsen, weil durch die Verlustfeststellung die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts endet. Dass für die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nur die Wirksamkeit der Verlustfeststellung maßgeblich ist, ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU; diese Vorschrift (a.F. vom 30.7.2004) sah das Entstehen der Ausreisepflicht erst mit der Unanfechtbarkeit der Feststellungsentscheidung vor. Mit dem ersten Richtlinienumsetzungsgesetz (vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970) wurde das Erfordernis der Unanfechtbarkeit vom Gesetzgeber bewusst gestrichen (BT-Drs. 16/5065, S. 211). Die Ausreisepflicht bleibt bestehen, solange sie nicht erfüllt und die zugrundeliegende Feststellung wirksam ist (vgl. Epe in GK-AufenthG, FreizügG/EU, Stand Juni 2017, § 7 Rn. 7). Mit Bekanntgabe des Bescheides vom 26. Januar 2017 war der Kläger somit ausreisepflichtig und konnte sich nicht mehr auf die auf dem Unionsbürgerstatus beruhende Vermutung, wonach sich ein Unionsbürger rechtmäßig im jeweils anderen Mitgliedstaat aufhält, berufen (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 26 f.).
bb) Der Kläger ist voraussichtlich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bezüglich der Verlustfeststellung nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger i.S.v. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Der Beklagte ging zutreffend davon aus, dass sich eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers und damit das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) weder aufgrund einer Arbeitnehmereigenschaft oder zur Arbeitssuche noch aus einem anderen in § 2 Abs. 2 FreizügG/EU aufgeführten Tatbestand ergibt.
(1) Der Kläger ist nicht als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a RL 2004/38/EG, Art. 45 Abs. 3 Buchst. c AEUV freizügigkeitsberechtigt. Er war zwar während der vorgenannten Zeiten beschäftigt, zuletzt vom 17. März bis 17. Juli 2014 als Helfer bei diversen Firmen über eine Zeitarbeitsfirma. Nach der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses jedenfalls im Juli 2014, die grundsätzlich den Verlust der Arbeitnehmereigenschaft bedeutet (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2014 – 10 C 13/2241 – juris Rn. 4; Dienelt in Renner/Berg-mann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 57 m.w.N.) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers gemäß § 2 Abs. 3 FreizügG/EU (s.a. Art. 7 Abs. 3 RL 2004/38/EG) jedoch nur unter den dort genannten Voraussetzungen erhalten.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 FreizügG/EU bleibt das Recht nach Absatz 1 für Arbeitnehmer u.a. unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit; der Begriff des „Arbeitnehmers“ ist dabei unionsrechtlich auszulegen. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU). Nach der Rechtsprechung spricht vieles dafür, dass diese Fiktion des Fortbestehens der Arbeitnehmereigenschaft nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU auch dann eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis, das die Arbeitnehmereigenschaft des Unionsbürgers begründet hat, nicht mehr besteht (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 51 m.w.N.). Die Fortwirkungsregelung führt dazu, dass der Unionsbürger arbeitsuchender Arbeitnehmer ist; der Aufenthalt ist nicht zweckfrei, sondern wird nur deshalb eingeräumt, um eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Der Unionsbürger muss sich daher arbeitslos melden und die erforderlichen Eigenbemühungen anstellen, um eine Arbeitsstelle zu finden. Im Anschluss an die Fortwirkungsdauer schließt sich also nicht erneut der Zeitraum von sechs Monaten zur Arbeitsuche (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) an; nach sechs Monaten kann der Unionsbürger daher nur dann noch Freizügigkeit beanspruchen, wenn er nachweist, mit begründeter Aussicht auf Erfolg nach Arbeit zu suchen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 105).
Die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU, welche der Umsetzung des Art. 7 Abs. 3 Buchst. a RL 2004/38/EG dient und auf eine nur vorübergehende arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit abstellt, greift nicht. Denn nach Aktenlage ist weder davon auszugehen, noch ist seitens des Klägers dargelegt, dass er seine konkrete Beschäftigung nur vorübergehend krankheits- oder unfallbedingt nicht ausüben konnte (vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016; § 2 FreizügG/EU Rn. 35; Tewocht in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 01.08.2017 Rn. 46). Zwar merkte das Jobcenter in der Mitteilung vom 13. Januar 2016 an, der Kläger sei fast seit Beginn des Leistungsbezugs (1.11.2013) arbeitsunfähig. Die Tätigkeit bei einer Baufirma endete jedoch bereits zum 15. September 2013, demnach scheidet eine Kausalität der vorgenannten später eintretenden Arbeitsunfähigkeit für die Beendigung dieser Beschäftigung aus. Die Beschäftigung von März bis Juli 2014 erfolgte bei diversen Firmen über eine Zeitarbeitsfirma, das Vorliegen der „Fiktionswirkung“ des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU hat der Kläger nicht nachgewiesen; er hat keine ärztlichen Bescheinigungen oder Ähnliches über eine vorübergehende Erwerbsminderung bzw. Arbeitsunfähigkeit zum 17. Juli 2014 vorgelegt, sondern im Schreiben vom 21. März 2016 lediglich mitgeteilt, wegen einer Operation momentan nicht arbeiten zu können und hierzu den vorgenannten Entlassungsbericht des Krankenhauses (vom 26.11.2015) vorgelegt (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 52 f. zur notwendigen Kausalität zwischen einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung und der Aufgabe der Erwerbstätigkeit). Unabhängig davon nahm der Kläger ab Januar 2016 an einem Sprachkurs teil, so dass jedenfalls eine ggf. zunächst bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht mehr fortbestand und zum Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft führte.
Im Fall des Klägers besteht die Erwerbstätigeneigenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU (s.a. Art. 7 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/38/EG) fort. Nach Aktenlage war der Kläger (insgesamt) weniger als ein Jahr beschäftigt; dementsprechend teilte auch das Jobcenter dem Beklagten (am 13.1.2016, Bl. 50 der Behördenakte) mit, der Kläger habe während der vorgenannten Beschäftigungen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwirkt; denn die Regelanwartschaftszeit stellt darauf ab, dass in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate ein Versicherungspflichtverhältnis bestand. Unabhängig davon, dass der Kläger die notwendige Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit, die auch Art. 7 Abs. 3 Buchst. b bzw. c RL 2004/38/EG fordert, nicht vorgelegt hat, bliebe demnach die Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU nur während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Selbst wenn also zugunsten des Klägers die Fortwirkungsregelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU Anwendung finden könnte, ergibt sich danach mit Blick auf die bis 17. Juli 2014 erfolgte Tätigkeit jedenfalls ab 18. Januar 2015 kein rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet.
(2) Es ist auch voraussichtlich nicht davon auszugehen, dass der Kläger als Arbeitssuchender nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU (s.a. Art. 45 Abs. 3 Buchst. c AEUV) freizügigkeitsberechtigt ist. Danach sind Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, freizügigkeitsberechtigt. Nach Art. 45 Abs. 3 Buchst. c AEUV beinhaltet die unionsrechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit (auch) das Recht, sich (arbeitslos) in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort aufzuhalten, um eine Beschäftigung als Arbeitnehmer zu suchen (stRspr; vgl. EuGH, U.v. 26.5.1993 – C-171/91, Tsiotras – Rn. 8; U.v. 23.3.2004 – C-138/02, Collins – Rn. 36). Das Aufenthaltsrecht, das den Arbeitssuchenden danach zusteht, kann jedoch zeitlich begrenzt werden. Da das Unionsrecht nicht regelt, wie lange sich Unionsbürger zur Stellensuche in einem Mitgliedstaat aufhalten dürfen, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, hierfür einen angemessenen Zeitraum festzulegen (EuGH, U.v. 23.3.2004 – C-138/02, Collins – Rn. 37). Einen dafür bestimmten Zeitraum von sechs Monaten hat der Gerichtshof der Europäischen Union dabei für grundsätzlich ausreichend erachtet (EuGH, U.v. 26.2.1991 – C-292/89, Antonissen – Rn. 21); dem Betroffenen soll ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um im Aufnahmemitgliedsstaat von Stellenangeboten, die seinen beruflichen Qualifikationen entsprechen, Kenntnis zu nehmen und sich ggf. bewerben zu können. Eine solche zeitliche Begrenzung ist im Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern allerdings nicht festgelegt. Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass dann, wenn der Betroffene nach Ablauf eines solchen Zeitraums den Nachweis erbringt, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, er vom Aufnahmemitgliedstaat nicht ausgewiesen werden darf (EuGH, U.v. 23.3.2004 – C-138/02, Collins – Rn. 37 m.w.N); dies ist inzwischen auch in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/38/EG festgelegt. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Freizügigkeitsberechtigung zum Zweck der Arbeitssuche ist jedoch, dass zum einen die ernsthafte Absicht verfolgt wird, eine Erwerbstätigkeit zu suchen und aufzunehmen, und zum anderen auch eine begründete Aussicht auf Erfolg der Arbeitssuche angenommen werden kann. Die ernsthafte Absicht zur Arbeitsaufnahme muss dabei auch objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 11.2.2014 – 10 C 13.2241 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte voraussichtlich zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Freizügigkeitsberechtigung nicht mehr nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ergibt, insbesondere der Zeitraum von sechs Monaten seit Längerem überschritten ist, sowie für den Kläger nicht die begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Arbeitssuche besteht. Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2016 lediglich mit, momentan nicht arbeiten zu können, sich aber so schnell wie möglich um eine neue Arbeit zu bemühen. Bemühungen des Klägers, die eine nachhaltige und nachvollziehbare und damit ernsthafte Arbeitssuche belegen, sind damit nicht dargelegt; solche sind auch nicht aus den vorgenannten Schreiben des Jobcenters ersichtlich. Nach dem Schreiben vom 13. Juni 2016 (Bl. 75 der Behördenakte) nahm der Kläger vom 11. Januar bis zum 8. Oktober 2016 an einem Deutschkurs teil und hatte sich auf ausgehändigte Vermittlungsvorschläge größtenteils beworben; die fehlenden Deutschkenntnisse und das Alkoholproblem des Klägers stellten danach Vermittlungshemmnisse dar. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger (noch) nicht alle erforderlichen Maßnahmen – insbesondere regelmäßige und kontinuierliche Bewerbungen um konkrete Arbeitsplatzangebote, ggf. Nachweis erfolgloser Vermittlungsversuche des Jobcenters, Besuche von Unternehmen, Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen etc. – unternommen und nachgewiesen hat, um eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu finden (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2014 – 10 C 13.2241 – juris Rn. 6 m.w.N; OVG LSA, B.v. 23.6.2016 – 2 O 165/15 – juris; SächsOVG, B.v. 2.2.2016 – 3 B 267/15 – InfAuslR 2016, 173).
(3) Ein Freizügigkeitsrecht des Klägers ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen. Der Kläger übt keine selbständige Erwerbstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU aus. Der Beklagte hat auch zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 und 4 Freizüg/EU nicht vorliegen. Freizügigkeitsberechtigt sind danach Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 und 4 Freizüg/EU), sowie Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 und 4 Freizüg/EU). Das Erbringen und Empfangen von Dienstleistungen zeichnen sich durch einen vorübergehenden Charakter aus. Der Kläger ist weder ein selbständig erwerbstätiger Erbringer noch Empfänger von Dienstleistungen, sondern hat vielmehr hier seinen Wohnsitz angemeldet und seinen ständigen Aufenthalt begründet. Der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts vor Ablauf von fünf Jahren nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.
(4) Ein Aufenthaltsrecht als nicht erwerbstätiger Unionsbürger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU kommt nach zutreffender Auffassung des Beklagten nicht in Betracht. Danach müsste der Kläger während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt haben (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn. 21). Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG sind ausreichende Existenzmittel solche, die sicherstellen, dass der Freizügigkeitsberechtigte die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats nicht in Anspruch nehmen muss. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen vermag. Erforderlich ist vielmehr eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 a.a.O.). Zwar kann der Umstand, dass ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger zum Bezug von Sozialhilfeleistungen berechtigt ist, einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH, U.v. 19.9.2013 – C-140/12, Brey – NZS 2014, 20 juris Rn. 63). Insbesondere dem 10. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG ist jedoch zu entnehmen, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG genannte Voraussetzung vor allem verhindern soll, dass die hierin genannten Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-424/10 und C-425/10 – juris Rn. 40; U.v. 19.9.2013 a.a.O. Rn. 54). Zur Beurteilung der Frage, ob ein Ausländer Sozialhilfeleistungen in unangemessener Weise in Anspruch nimmt, ist, wie aus dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38/EG hervorgeht, zu prüfen, ob der Betreffende vorübergehende Schwierigkeiten hat, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände des Betreffenden und der ihm gewährte Sozialhilfebetrag zu berücksichtigen. Von einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kann zudem nicht ohne eine umfassende Beurteilung der Frage ausgegangen werden, „welche Belastung dem nationalen Sozialhilfesystem in seiner Gesamtheit aus der Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der individuellen Umstände, die für die Lage des Betroffenen kennzeichnend sind, konkret entstünde“ (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn. 21).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger in unangemessener Weise Sozialleistungen in Anspruch nimmt. Der Beklagte hat im gegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass der Kläger seit 1. November 2013 ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nimmt; wenngleich die Leistung nunmehr zum 1. März 2017 aufgehoben wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Sozialhilfeleistung unabhängig von etwaigen Beitragszahlungen, wie sie für eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer typisch wären, gewährt wird. Aufgrund der geringen Beschäftigungszeiten besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I, das beitragsabhängig gewährt wird. Eine übermäßige Inanspruchnahme kommt – wie hier – also bei beitragsunabhängigen Unterstützungen eher in Betracht als bei beitragsabhängigen, denen eine eigene, durch das Freizügigkeitsrecht privilegierte Erwerbsleistung vorausging. Dass der Kläger keine solche Anwartschaft begründet hat, ist ein weiteres Indiz dafür, dass er Sozialhilfe übermäßig – weil jahrelang ausschließlich beitragsunabhängig – in Anspruch genommen hat. Der Beklagte stellte zudem darauf ab, dass der Kläger fast seit Beginn dieses Leistungsbezugs arbeitsunfähig sei und aufgrund von Alkoholproblemen und mangelnden Deutschkenntnissen massive Schwierigkeiten habe, auf dem Arbeitsmarkt im Bundesgebiet Fuß zu fassen; die Dauer des Leistungsbezugs würde demnach weiter auf unabsehbare Zeit andauern. Zumal Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Anwartschaft auf eine Rente wegen (dauerhafter) Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung erworben hat, nicht ersichtlich sind. Der Bezug der Leistung nach dem SGB II wurde zutreffend als ein gewichtiges Indiz dafür gewertet, dass der Kläger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt.
cc) Die demnach im Ermessen des Beklagten stehende Feststellung des Verlustes auf Einreise und Aufenthalt ist auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht festzustellen und die Feststellung ist auch verhältnismäßig. Denn die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU führt zur Beendigung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sowie zur Verlassenspflicht des Unionsbürgers und unterliegt damit dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit (vgl. EUGH, U.v. 20.9.2001 – C-184/99, Grzelczyk – juris Rn. 43 f.; U.v. 17.7.2002 – C-413/99, Baumbast – juris Rn. 91 ff.; U.v. 7.9.2004 – C-456/02, Trojani – juris Rn. 45 ff.). Der Beklagte hat bei der Entscheidung auch berücksichtigt, dass die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht automatisch einen Verlust des Freizügigkeitsrechts zu begründen vermag; Art. 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG wurde demnach hinreichend beachtet.
2. Die Ziffern 2 und 3 des Bescheids sind voraussichtlich ebenso wenig zu beanstanden. Die Ausreisepflicht ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU; die hierfür gesetzte Frist ist angemessen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen