Aktenzeichen 20 CE 19.1995
Leitsatz
1. Die Anhörung nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB muss den zur Veröffentlichung vorgesehenen Text im Wortlaut enthalten. (Rn. 44)
2. § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB steht mit dem Recht der Europäischen Union, insbesondere mit Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (Basis-VO), in Einklang. (Rn. 57)
3. Das Inverkehrbringen von offenen Backwaren auf einem mit Mäusekot verunreinigten Verkaufsregal stellt stets einen erheblichen Verstoß gegen Vorschriften dar, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen. (Rn. 55)
Verfahrensgang
AN 14 E 19.1653 2019-09-12 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt im Stadtgebiet der Antragsgegnerin einen Lebensmittelmarkt (Filiale). Bei einer lebensmittelrechtlichen Kontrolle am 6. August 2019, bei welcher die Filialleiterin und der Verkaufsleiter zugegen waren, wurde u.a. Schadnagerbefall festgestellt. Dem Kontrollbericht ist hierzu zu entnehmen:
„Das Regal für offene Teigwaren ist in einem derart schlechten, altverschmutzten unhygienischen und durch Ungezieferbefall (Schadnager) verunreinigten Zustand, dass eine gesundheitliche Gefährdung von Verbrauchern durch dort behandelte Lebensmittel nicht auszuschließen ist (…).“
Mit Schreiben vom 6. August 2019 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB angehört. Das Schreiben lautet auszugsweise im Wortlaut:
„Verantwortungsbereich: folgende Mängel wurden durch den Kontrolleur/in vor Ort festgestellt: Das Regal für offene Teig- und Backwaren war verschmutzt und zum Teil mit Kot von Schadnagern behaftet.
Für die genannten Mängel haben Sie mit einem Bußgeld i.H.v. mindestens dreihundertfünfzig Euro (Prognose) zu rechnen. Wegen der festgestellten Mängel und des zu erwartenden Bußgeldes ist die Stadt … Ordnungsamt-Lebensmittelüberwachung nach § 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet, folgende Daten zu veröffentlichen:
– ihren Namen als Lebensmittelunternehmer
– die Gründe der behördlichen Beanstandung
– das Datum der Betriebskontrolle
– das Datum der erfolgten Mängelbeseitigung
– das Datum für den Zeitraum der Veröffentlichung auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit unter www.lgl.bayern.de“.
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 16. August 2019 wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit angehört.
Als angewandte Vorschriften werden genannt:
§ 3 LMHV
§ 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB
Art. 4 Abs. 2 Anh. II Kap.4 Nr. 1a VO (EG) Nr. 852/2004 i. V.m.
§ 10 Nr. 1 LMHV
§ 59 Abs. 1 Nr. 8 LFGB
§ 60 Abs. 1 und 5, Abs. 2 Nr. 26a, Abs. 4 Nr. 2a LFGB
§ 2 Nr. 5 lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung.
In dem Schreiben wird mitgeteilt, dass auch gegen die Filialleiterin und den Verkaufsleiter Bußgeldverfahren eingeleitet worden seien und dass die Antragstellerin über § 30 OWiG belangt werden solle.
Mit weiterem Schreiben vom 16. August 2019 kündigte die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Anhörung vom 6. August 2019 die Veröffentlichung der Informationen gem. § 40 Abs. 1a LFGB an. Dabei gab sie als Rechtsgrundlagen § 3 Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) sowie § 11 Abs. 2 Nr. 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) an. Die Veröffentlichung der Informationen erfolge auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nach einer Wartefrist von sieben Werktagen ab Zustellung dieses Schreibens, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei. Auf die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO wurde hingewiesen.
Mit Antrag vom 26. August 2019 begehrte die Antragstellerin gerichtlich die Untersagung der angekündigten Veröffentlichung über die Kontrolle des Betriebs am 6. August 2019, der mit Beschluss vom 12. September 2019, den Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 18. September 2019, abgelehnt wurde.
Das Verwaltungsgericht führte aus, die Antragsgegnerin gehe zutreffend von einem durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht aus, dass die Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienten, verstoßen habe. Die Feststellungen der Antragsgegnerin, nach welchen vorliegend § 3 Satz 1 LMHV sowie § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB verletzt worden seien, seien nicht zu beanstanden. Die Mängel würden seitens der Antragstellerin nicht bestritten. Auch der erforderliche Lebensmittelbezug sei gegeben. Denn eine konkretere Bezeichnung der betroffenen Produkte sei nur eingeschränkt möglich und sinnvoll. Auch ein Verstoß gegen § 3 Satz 1 LMHV liege bei Kot von Schadnagern auf einem Regal mit offenen Teig- und Backwaren zweifellos vor. Die Erheblichkeitsschwelle von einem zu erwartenden Bußgeld von dreihundertfünfzig Euro sei überschritten. In vergleichbaren Fällen verhänge die Antragsgegnerin ausweislich der vorgelegten Behördenakten Bußgelder i.H.v. 500,00 EUR bis 1.000.00 EUR. Nachdem schließlich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. April 2013, Az.: C-636/11, entschieden habe, dass Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, nach der eine Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Name oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in Verkehr gebracht worden sei, zulässig sei, wenn ein Lebensmittel zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sei, sei diese für § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LFGB getroffene Aussage auf § 40 Abs. 1a LFGB übertragbar. Eine abschließende unionsrechtliche Regelung liege damit nicht vor.
Mit der am 2. Oktober 2019 erhobenen und mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 begründeten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erfasse Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002 auch den Fall, dass ein Lebensmittel ohne stoffliche Beeinträchtigung für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sei. § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB sei deshalb mit Unionsrecht unvereinbar. Da dies unmittelbare Auswirkungen auf die Bußgeldandrohung habe, welche ihrerseits notwendige Tatbestandsvoraussetzungen von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB sei, sei diese Frage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Eilverfahren klärungsbedürftig. Im Hinblick auf die erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB habe die Bezeichnung der betroffenen Lebensmittel möglichst schonend und für den Betroffenen damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen dies gar nicht der Fall sei. Eine Spezifizierung habe ggf. inhaltlich (Produktart), räumlich oder auch zeitlich zu erfolgen. Ob es sich bei dem als zugrunde liegenden Mangel genannten Passus „das Regal für offene Teig- und Backwaren war verschmutzt und zum Teil mit Kot von Schadnagern behaftet“ um den endgültigen geplanten Veröffentlichungstext handle, sei nicht eindeutig. Aber selbst wenn es so wäre, sei der notwendige Produktbezug nicht hergestellt. Denn es handle sich vielmehr um die Darstellung eines allgemeinen Hygienemangels, ohne dass klar werde, welche Produkte in welchem Ausmaß betroffen gewesen seien. Wegen der Wirkung der Veröffentlichung im Internet, die zeitlich unbegrenzt dort zur Verfügung stehe, auch wenn sie von der „offiziellen Behördenseite“ schon gelöscht worden sei, erweise sich die geplante Veröffentlichung als ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin. Damit habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Auch sei die Voraussetzung, dass mit einem Bußgeld von dreihundertfünfzig Euro für den Verstoß zu rechnen sei, nicht erfüllt. Denn der Antragstellerin könne ein etwaig ordnungswidriges Verhalten ihrer Angestellten nicht über § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG zugerechnet werden. Insbesondere seien weder die Filialleiterin noch der Verkaufsleiter befugt, die Antragstellerin im Außenverhältnis einschränkungslos zu vertreten. Sie verfügten auch nicht im Innenverhältnis über ein erhebliches Maß an eigenverantwortlicher Entscheidungskompetenz (wird ausgeführt). Die Entscheidung des EuGH zu Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf § 40 Abs. 1a LFGB übertragbar, weil die Vorschriften des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LFGB und § 40 Abs. 1a LFGB nicht miteinander vergleichbar seien (wird ausgeführt). § 40 Abs. 1a LFGB stehe außerhalb der abschließenden Regelungen der VO (EG) Nr. 178/2002 zur Information der Öffentlichkeit, welche der Gefahrenabwehr und nicht generalpräventiven Zwecken dienten.
Die Antragstellerin beantragt,
I.
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts … vom 12. September 2019 wird aufgehoben.
II.
Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, die mit Schreiben vom 6. August 2019 und 16. August 2019 angekündigte Veröffentlichung der Kontrolle des Betriebs der Antragstellerin in … …, … …, vorzunehmen.
III.
Hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, die mit Schreiben vom 6. August 2019 und 16. August 2019 angekündigte Veröffentlichung der Kontrolle des Betriebs der Antragstellerin in … … … …, im Internet, insbesondere auf der Homepage des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), vorzunehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 teilte diese mit, für die Veröffentlichung sei folgender Text vorgesehen:
Unter der Rubrik Verstoß:
„Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel
Mängel bei der Schädlingsbekämpfung“
Unter der Rubrik Produkt:
„Das Regal für offene Teig- und Backwaren war verschmutzt und zum Teil mit Kot von Schadnagern verunreinigt.“
Der erforderliche Produktbezug sei gegeben.
Auf die Frage, ob gegen die Antragstellerin eine Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG verhängt werden könne, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass die im Unternehmen verantwortliche Person mit einem Bußgeld in dieser Höhe zu rechnen habe.
Ob die unstreitig erfolgten Verstöße nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB oder nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002 zu ahnden seien, könne offenbleiben, da es für die Veröffentlichung nicht auf die Bezeichnung der verletzten Vorschrift, sondern nur auf das zu erwartende Bußgeld ankomme. Für dessen Höhe sei der Verstoß und der Bußgeldrahmen maßgeblich. Diese seien bei der Verletzung beider genannten Normen gleich. Das Urteil des EuGH vom 11. April 2013 sei auf § 40 Abs. 1a LFGB übertragbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördensowie auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne Rechtsfehler abgelehnt. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in der Hauptsache und damit der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zu. Die beabsichtigte Veröffentlichung der am 6. August 2019 in der Filiale der Antragstellerin festgestellten Hygienemängel auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erweist sich als rechtmäßig. Die von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Rechtsgrundlage der geplanten Veröffentlichung ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB.
Nach dieser Norm informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.
Nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB hat die Behörde, bevor sie die Öffentlichkeit nach den Abs. 1 und 1a informiert, den Hersteller oder Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Dabei muss die Behörde bereits im Rahmen der Anhörung dem Betroffenen den Wortlaut des geplanten Veröffentlichungstextes zur Kenntnis bringen (so auch Ziff. 2.3 Satz 5 der Vollzugshinweise zu Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz v. 24. April 2019 – Az.: 42-G8900-2018/10-88 (BayMBl. Nr. 161)). Der Betroffene kann ohne Kenntnis vom Wortlaut der geplanten Veröffentlichung die Folgen für sein Unternehmen, die sich unmittelbar aus dem Text der Veröffentlichung ergeben, nicht abschätzen und insbesondere auch nicht prüfen, ob ein Rechtsmittel im Vorfeld der Veröffentlichung erfolgreich sein wird. Denn letztlich bestimmt der Wortlaut der geplanten Veröffentlichung maßgeblich den Prüfungsgegenstand im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, da – in Zusammenschau mit den zugrunde liegenden Behördenakten – nur am Veröffentlichungstext selbst überprüft werden kann, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB vorliegen. Vorliegend kann dahinstehen, ob die Anhörung der Antragsgegnerin vom 6. August 2019 diese Anforderungen erfüllte. Jedenfalls hat sie mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 den – für die gerichtliche Prüfung allein maßgeblichen – Wortlaut der geplanten Veröffentlichung präzisiert und so die Anhörung dem Rechtsgedanken des Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG folgend nachgeholt.
1. Auf die mit der Beschwerdebegründung aufgeworfene und in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutierte Frage, ob § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB mit Unionsrecht wegen der Geltung des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Basis-VO) vereinbar ist, kommt es für das vorliegende Verwaltungsstreitverfahren nicht an (Übersicht zum Streitstand: VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 25 f.).
Denn dem insoweit allein maßgeblichen Text der geplanten Veröffentlichung lässt sich nicht entnehmen, dass die Antragstellerin für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel in den Verkehr gebracht hätte. Die Antragsgegnerin veröffentlicht derartige Verstöße auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/ueberwachung/informationen_40_1a/index.htm) unter der Rubrik „Verstoß“ mit der Formulierung: „Inverkehrbringen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln“. Da sie diese Formulierung vorliegend nicht verwenden will, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die Veröffentlichung auf die Feststellung der hygienischen Defizite und die Mängel bei der Schädlingsbekämpfung in der Filiale der Antragstellerin beschränken will. Dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren zu einem Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB eingeleitet und die Antragstellerin hierzu angehört wurde, ist insoweit nicht relevant, da sich die streitgegenständliche nachteilige Wirkung für den Lebensmittelunternehmer allein aus dem Text der Veröffentlichung und nicht aus den (darüber hinaus) seitens der Behörde zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten-Tatbeständen ergibt.
2. Der Veröffentlichungstext weist den nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erforderlichen Produktbezug auf. § 40 Abs. 1a LFGB soll Transparenz staatlichen Handelns herstellen und durch ungehinderten Zugang zu Informationen eigenverantwortliche Entscheidungen der Verbraucher am Markt ermöglichen (BT-Drs. 17/7374, S. 2). Dazu ist erforderlich, die betroffenen Produkte so zu bezeichnen, dass sie der Verbraucher eindeutig identifizieren kann. Auch Sammelbezeichnungen sind hierfür ausreichend, sofern eine genauere Eingrenzung nicht möglich ist. Die Anforderungen an den Produktbezug des Veröffentlichungstextes sind vom Einzelfall abhängig und können je nach Betriebsart hinsichtlich der an ihn zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen voneinander abweichen (vgl. zur Veröffentlichung allg. Hygienemängel in einer Gaststätte und in einem Lebensmittelmarkt HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 29).
Aus dem geplanten Text der Veröffentlichung ergibt sich, dass sich der Mangel auf „offene Teig- und Backwaren“ bezieht. Nachdem in der Filiale der Antragstellerin Backwaren offen in Selbstbedienungsregalen zum Verkauf angeboten werden, kann der Verbraucher dem geplanten Veröffentlichungstext mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, auf welche Produktgruppe des Lebensmittelsortiments sich die Mangelfeststellung bezieht und seine Kaufentscheidung danach treffen.
3. Dass die Informationen über das Lebensmittelunternehmen auch noch nach Ablauf der Frist des § 40 Abs. 4 LFGB und nach Löschung der Eintragung im Internet auffindbar sind, begegnet aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts keinen Bedenken (BVerfG a.a.O. Rn. 59), da sich dieses Problem auch bei einer gedruckten Veröffentlichung nicht ausschließen ließe und eigenen Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegt. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus:
„Dem steht nicht entgegen, dass eine zeitliche Begrenzung im Fall der Verbreitung im Internet nicht vollständig realisiert werden könnte. Auf der Internetseite der veröffentlichenden Behörde kann der Inhalt der Veröffentlichung im Unterschied zu einer gedruckten Veröffentlichung nachträglich mit Hinweisen versehen, gelöscht oder auf sonstige Weise modifiziert werden. Soweit darüber hinaus eine zeitlich kaum begrenzte Zugriffsmöglichkeit vermittels des sog. „Caches“ einer Suchmaschine oder sonstiger Archive besteht, lässt sich immerhin aus der äußeren Gestaltung ersehen, dass es sich nicht mehr um eine aktuelle und offizielle Information durch die Behörde handelt. Eine Zusammenstellung früherer Bekanntmachungen durch Dritte wäre im Übrigen auch im Fall einer gedruckten Veröffentlichung nicht auszuschließen und unterliegt eigenen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Vor allem aber ändert der Umstand, dass sich die einmal im Internet verbreiteten Informationen möglicherweise nicht vollständig aus der Öffentlichkeit zurückholen lassen, nichts daran, dass eine zeitliche Begrenzung der unmittelbaren Verbreitung die Belastung abmildert und darum zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten ist.“
4. Die der Veröffentlichung zugrunde liegenden Verstöße erweisen sich – auch unter Außerachtlassung des nur ordnungswidrigkeitenrechtlich verfolgten Verstoßes gegen § 11 Abs. 2 Nr. 1 LFGB bzw. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b VO (EG) 178/2002 – als nicht nur unerheblich und rechtfertigen prognostisch ein Bußgeld i.H.v. mehr als dreihundertfünfzig Euro.
a. Entgegen der Beschwerde ist für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der zu erwartenden Bußgeldhöhe von dreihundertfünfzig Euro nicht allein auf den Lebensmittelunternehmer selbst abzustellen, sodass die aufgeworfenen Fragen einer Zurechnung des Verhaltens von Angestellten über § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG nicht entscheidungserheblich sind. Schon dem Wortlaut der Norm, die passiv formuliert ist („verstoßen worden ist“) lässt sich eine derartige Einschränkung nicht entnehmen. Eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung des Lebensmittelunternehmers selbst oder seiner Organe ist für die Frage der Veröffentlichungspflicht nicht zu fordern. Nach Sinn und Zweck der Norm kommt es vielmehr darauf an, ob der für den lebensmittelrechtlichen Verstoß unmittelbar Verantwortliche (hier die Filialleiterin und der Verkaufsleiter), der regelmäßig in der Sphäre des Lebensmittelunternehmers tätig wird, ein Bußgeld in dieser Höhe zu erwarten hat (s.a. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 55 ff.). Über die Zurechnungsnorm des § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG könnten sich sonst große Lebensmittelkonzerne mit streng hierarchisch gegliederter Unternehmensstruktur einer Veröffentlichung entziehen. Dies liefe sowohl dem Sinn und Zweck des § 40 Abs. 1a LFGB, eine Verbesserung des Verbraucherschutzes zu erreichen, als auch der Zielrichtung des § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG, der eine Besserstellung juristischer Personen gegenüber natürlichen Personen vermeiden soll (Rogall, Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 17 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung EOWiG BT-Drs. V/1269 S. 57 ff.) zuwider, da die Anwendung dieser Norm im Rahmen des Tatbestandes des § 40 Abs. 1a LFGB zu einer unangemessenen Benachteiligung von Inhabern kleiner familiär geführter Lebensmittelunternehmen führen würde. Eine Exkulpationsmöglichkeit für juristische Personen soll § 30 Abs. 1 OWiG gerade nicht bewirken. Angesichts der stark untergliederten Unternehmensstruktur der Antragstellerin in Lebensmittelfilialen ist daher maßgeblich auf die für die Lebensmittelhygiene Verantwortlichen vor Ort abzustellen. Dies ist vorliegend die Filialleiterin, im Rahmen seiner Aufsichtspflicht auch der Verkaufsleiter. Gegen beide sind – so lässt es sich den Behördenakten entnehmen – bereits Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
b. Dass es sich bei den zur Veröffentlichung vorgesehenen Hygieneverstößen gegen § 3 Satz 1 LMHV i.V.m. § 10 Nr. 1 LMHV, § 14 Abs. 2 Nr. 1, § 60 Abs. 2 Nr. 26a, Abs. 5 LFGB und gegen Art. 4 Abs. 2 Anh. II Kap. 5 Nr. 1a VO (EG) Nr. 852/2004, §§ 62 Abs. 1 Nr. 2a), § 60 Abs. 4 Nr. 2a, Abs. 5 LFGB i.V.m. § 2 Nr. 5 LMRStV um nicht nur unerhebliche i.S.d. § 40 Abs. 1a LFGB handelt, wird von der Antragstellerin mit der Beschwerde schon nicht angezweifelt.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannten Bußgeldvorschriften hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 21.5.2019 a.a.O. Rn. 35 ff.). Diese liegen nach der Rechtsauffassung des Senats auch nicht auf der Hand.
Der Feststellung der Erheblichkeit des Verstoßes kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die verfassungskonforme Anwendung des § 40 Abs. 1a LFGB entscheidende Bedeutung zu (vgl. BVerfG, a.a.O.). Wegen der Hygienemängel in unmittelbarer Verbrauchernähe bei offen gelagerten Lebensmitteln (Selbstbedienungsregal), der von Mäusekot ausgehenden Gesundheitsgefahren (vgl. Ratgeber des Robert-Koch-Instituts zur Übertragung des Hanta-Virus https://www.rki.de>EpidBull>Merkblaetter>Ratgeber_Hantaviren, zuletzt recherchiert am 12.11.2019) und der hohen Anzahl betroffener Verbraucher hat auch der Senat keine Zweifel, dass nach den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 21.3.2018, a.a.O. – juris Rn. 54) zur Konkretisierung genannten Kriterien die Verstöße von einer Schwere sind, die die für die Antragstellerin möglicherweise gravierenden Folgen rechtfertigen. § 40 Abs. 1a Satz 2 LFGB lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber Verstöße dann als erheblich ansieht, wenn sie die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken. Dies ist bei potentiell infektiösem Mäusekot in unmittelbarer Nähe offen gelagerter Lebensmittel in einem Lebensmittelmarkt zu bejahen.
Angesichts des Bußgeldrahmens von 50.000,00 EUR für einen Verstoß gegen § 3 LMHV und gegen Art. 4 Abs. 2 Anh. II Kap. 5 Nr. 1a VO (EG) Nr. 852/2004 (§ 60 Abs. 5 Nr. 2 LFGB, für fahrlässige Begehung nach §§ 2, 17 Abs. 2 OWiG 25.000,00 EUR) bestehen insbesondere wegen der bereits dargestellten Erheblichkeit und des Fehlens näherer Anhaltspunkte für die Bemessung des konkret zu erwartenden Bußgeldes etwa in Form eines Bußgeldkatalogs für lebensmittelrechtliche Verstöße auch keine Bedenken, dass sich das Bußgeld prognostisch im Bereich über dreihundertfünfzig Euro bewegen wird (vgl. zu den kumulativ geforderten Erheblichkeitsvoraussetzungen BVerfG, a.a.O. Rn. 53). Zwar kommt der behördlichen Einschätzung zur voraussichtlichen Bußgeldhöhe eine gewisse Indizwirkung zu. Diese Tatbestandsvoraussetzung unterliegt aber der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit und ist deshalb nicht von behördlichem Verhalten in der Praxis der Bußgeldverhängung abhängig.
5. § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB steht in Einklang mit dem Recht der Europäischen Union, insbesondere mit Art. 10 Basis-VO. Insofern lässt sich die Entscheidung des EuGH zu § 40 Abs. 1 LFGB (EuGH, U.v. 11.4.2013 – C-636/11 – juris), wonach es dem nationalen Gesetzgeber durch Art. 10 der Basis-VO nicht verwehrt sei, eine nationale Regelung zu erlassen, die auch Verstöße unterhalb der Schwelle des Bestehens einer Gesundheitsgefahr für den Verbraucher einer Veröffentlichungspflicht unterwirft, auch auf die Fälle des § 40 Abs. 1a LFGB übertragen. Die Basis-VO lässt insbesondere nicht erkennen, dass weitergehende nationale Regelungen zum Schutz der Verbraucher ausgeschlossen werden sollen (so auch EuGH, a.a.O. – juris Rn. 37). Der Entscheidung des EuGH lässt sich aber auch nicht entnehmen, dass der nationale Gesetzgeber eine Veröffentlichungspflicht erst dann vorsehen kann, wenn zum Verzehr ungeeignete Lebensmittel betroffen sind. Die entsprechende Aussage des EuGH ist vielmehr der Vorlagefrage geschuldet (Rn. 28). Der EuGH bezieht sich für sein Auslegungsergebnis maßgeblich auf Art. 17 Abs. 2 UA 2 der Basis-VO, wonach die Mitgliedstaaten ein System amtlicher Kontrollen betreiben und andere den Umständen angemessene Maßnahmen durchführen, einschließlich der öffentlichen Bekanntgabe von Informationen über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln, sodass die Regelung in § 40 Abs. 1a LFGB keinen unionsrechtlichen Bedenken begegnet.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Für Veröffentlichungen, die ab dem 14. Dezember 2019 erfolgen, sind die Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 (Neue EU-Kontrollverordnung) zu beachten, insbesondere Art. 8 Abs. 5, Art. 167 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/625. Da wohl mit einer Veröffentlichung unmittelbar nach der Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu rechnen ist, kommt es vorliegend darauf nicht streitentscheidend an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. In Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 hat der Senat den Auffangwert angesetzt und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abgesehen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).