Aktenzeichen RN 5 K 17.210
VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35
Leitsatz
1 Behörden und Verwaltungsgerichte können auch im Subventionsrecht tatsächliche und rechtliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl der Beurteilung von Verstößen zugrunde legen, ohne diese auf ihre Richtigkeit überprüfen zu müssen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen bestehen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 35 VO (EU) Nr. 640/2014 räumt kein Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen ein. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Widerruf der Zuwendung durch den angefochtenen Bescheid ist rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage ist Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 BayVwVfG i. V. m. Art. 5 (EU) Nr. 65/2011 und Art. 35 Abs. 2 Delegierte VO der Kommission (EU) Nr. 640 /2014 vom 11.03.2014.
Der Widerrufsbescheid ist formell rechtmäßig. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … war vorliegend gemäß § 60 Abs. 2 ZustV i. V. m § 2 Abs. 1 S. 2 und Anlage 2 der Verordnung über die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuständig. Das Verfahren lief ordnungsgemäß ab. Insbesondere lag eine Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor, da die Klägerin vor Erlass des Widerrufsbescheids Gelegenheit hatte, sich zur Angelegenheit zu äußern. Auch wurden alle Formerfordernisse eingehalten. Der Bescheid vom 10.01.2017 enthielt auch eine Begründung i. S. v. Art. 39 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG.
2. Der Widerrufsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Bescheid vom 05.02.2013, der der Klägerin eine geldwerte Förderung i. H. v. 54.843,00 € gewährte, stellt einen rechtmäßigen, begünstigenden Verwaltungsakt dar, der eine einmalige Geldleistung zum Gegenstand hatte. Die Geldleistung wurde vorliegend auch zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, da sie im Rahmen des Bayerischen Zukunftsprogramms „Agrarwirtschaft und Ländlicher Raum“ – Leader-Förderung (2007 – 2013) gemäß der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für den Bau eines …ladens im Ortszentrum von … bestimmt war.
Der Widerrufsgrund ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 BayVwVfG, weil mit dem Bewilligungsbescheid vom 05.02.2013 eine Auflage verbunden war und die Klägerin diese nicht erfüllt hat. Eine Auflage ist vorliegend in Nr. 4 des Zuwendungsbescheides zu sehen, der die „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderungen an kommunale Körperschaften“ zum Bestandteil des Bescheides gemacht hat. Diese waren dem Bescheid auch als Anlage beigefügt. Auch Nr. 5.1 des Bescheides, der geregelt hat, dass die Klägerin die Vergabevorschriften einzuhalten habe, stellt eine Auflage dar. Die Einhaltung der Vergabevorschriften ergab sich auch aus Nr. 3 der „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderungen an kommunale Körperschaften“, der auf die Einhaltung der Vergabegrundsätze verwies, die das Staatsministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen aufgrund von § 31 Abs. 2 KommHV bekanntgeben hat. Die genannten Punkte stellen Auflagen i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG und gerade keine Bedingungen i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG dar, weil die Klägerin unabhängig von einer Erfüllung der Auflage zunächst vom Grund-Verwaltungsakt Gebrauch machen konnte und eine Nichteinhaltung der Bestimmungen nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt hat. Die Klägerin hat die genannten Auflagen auch nicht erfüllt, weil der Erste Bürgermeister der Klägerin ausweislich der im Strafbefehl festgestellten Tatsachen strafbare wettbewerbswidrige Absprachen bei der Ausschreibung gem. § 298 Abs. 1 StGB getroffen hat und auch gegen das Verbot der Diskriminierung und das Transparenzgebot verstoßen hat und zudem sowohl auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, als auch auf Seiten der Bieter gehandelt hat und dadurch ein Interessenkonflikt gegeben war. Das Handeln des Ersten Bürgermeisters ist der Klägerin dabei gem. Art. 38 Abs. 1 GO i. V. M. § 31 BGB analog zuzurechnen.
Es ist anerkannt, dass Behörden und auch die Verwaltungsgerichte tatsächliche und rechtliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl der Beurteilung von Verstößen zugrunde legen können, ohne dass diese selbst auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssen. Dabei konnte im vorliegenden Fall das Gericht auf eine eigene Beweiserhebung verzichten und die Erkenntnisse der strafgerichtlichen Entscheidungen verwerten. In vergleichbaren Fällen vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, dass Verwaltungsbehörden und in der Folge Verwaltungsgerichte auf eigene Ermittlungen verzichten und ihren Entscheidungen tatsächliche und rechtliche Feststellungen einer strafgerichtlichen Entscheidung zugrunde legen können (BayVGH vom 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 Rn. 30 und BVerwG vom 26.09.2002 – 3 C 37/01 – juris, Rn. 38). Dies gilt auch im Subventionsrecht, wenn es um strafrechtsrelevante Verstöße geht (vgl. VG Regensburg vom 17.03.2016 Az. RN 5 K 14.1782 dort: Kürzung von Agrarbeihilfen). Zwar ist ein Strafbefehl kein in einem ordentlichen Strafverfahren ergehendes Urteil, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Weil das Strafbefehlsverfahren vornehmlich der Vereinfachung und Beschleunigung dient, kann ein Strafbefehl regelmäßig nicht das Maß an Ergebnissicherheit bieten wie ein Urteil. Weil der Strafbefehl jedoch aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht ergeht (vgl. §§ 407, 408 StPO), einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält sowie eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt und gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangt, können im Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zur Grundlage der Beurteilung von Verstößen gemacht werden. Ein Abweichen von den Feststellungen einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung kann allerdings ausnahmsweise dann geboten sein, wenn gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (BVerwG vom 16.1.1991, NJW 1991, 1530; BVerwG vom 26.9.2002, NJW 2003, 913; BVerwG vom 6.3.2003, Az. 3 B 10.03 ; BayVGH vom 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 sowie vom 10.5.2012, Az. 21 ZB 11.1883 m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 StPO gegeben sind, die maßgeblichen und tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Behörde oder die Verwaltungsgerichte ausnahmsweise in der Lage sind, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären (BayVGH vom 25.9.2012, Az. 21 BV 11.340 ; vom 28.4.2010, Az. 21 BV 09.1993 sowie vom 28.3.2007, Az. 21 B 04.3153 ).
Die Klägerin kann aber im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg einwenden, dass die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im Strafbefehl nicht richtig sind. Soweit die Klägerin vorträgt, der Erste Bürgermeister habe den Strafbefehl lediglich auf Anraten seines Anwalts akzeptiert, um ein langwieriges und öffentlichkeitswirksames Verfahren zu vermeiden und um die Rechtssache zu schneller Erledigung zu bringen, so entkräften diese Ausführungen – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt – die im Strafbefehl enthaltenen Tatsachenfeststellungen in keinster Weise. Der Klägerin war aufgrund der zahlreichen Mitteilungen und Hinweise bekannt, dass eine etwaige Verurteilung zu einem vollständigen Widerruf der Zuwendungen führen kann. Es steht dem Ersten Bürgermeister der Klägerin selbstverständlich frei, auf der einen Seite den Strafbefehl samt Tatsachenfeststellungen – trotz Kenntnis des sich daraus ergebenden möglichen Widerrufs der geleisteten Zuwendungen – zu akzeptieren, um den Vorteil einer schnellen und leisen Erledigung der Angelegenheit zu erhalten und auf der anderen Seite im Nachgang zu behaupten, er bestreite die im Strafbefehl festgestellten Tatsachen weiterhin und man könne sich daher bei einem etwaigen Widerruf der Zuwendungen nicht auf den Inhalt des Strafbefehls stützen, sondern müsse eigene Ermittlungen anstellen. Eine solche Argumentation vermag allerdings die Tatsachenfeststellungen des Strafbefehls nicht zu entkräften. Insbesondere hat der Erste Bürgermeister der Klägerin den Strafbefehl nicht nur akzeptiert, sondern sogar die Einspruchsfrist verstreichen lassen, obwohl er wusste, dass der Strafbefehl zu einem vollständigen Widerruf der Zuwendungen führen kann. Es liegen vorliegend auch keine Gründe vor, welche das Gericht an der Richtigkeit der im Strafbefehl festgestellten Tatsachen zweifeln lassen.
Das Gericht hat die Strafverfahrensakten beigezogen. Dabei konnte es feststellen, dass die im Strafbefehl festgestellten Tatsachen auf Einlassungen des Ersten Bürgermeisters der Klägerin und anderer Zeugen beruhen. Die Feststellungen im Strafbefehl, dass es unter maßgeblicher Mitwirkung des Ersten Bürgermeisters der Klägerin zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen nach § 298 Abs. 1 StGB gekommen ist und die Ausschreibungen nur zum Schein durchgeführt wurden, um die beantragte Förderung zu erlangen, werden durch die im Strafverfahren eingeholten Aussagen des Ersten Bürgermeisters und auch durch andere Zeugen belegt. Dabei hat der Erste Bürgermeister der Klägerin sowohl auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers bei den wettbewerbswidrigen Preisabsprachen mitgewirkt, als auch auf Seiten der Bieter gehandelt. Dadurch war auch ein offensichtlicher Interessenkonflikt gegeben. Es handelt sich daher um schwerwiegende Vergabeverstöße, für die ein vollständiger Widerruf der bewilligten Förderung gerechtfertigt ist.
3. Auch ist der Widerruf ermessensfehlerfrei ergangen. Die Höhe der Kürzung ist am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Hierbei handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Rechtsfrage. Darüber hinaus steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu. Nach Art. 35 Abs. 1 der Delegierten VO (EU) Nr. 640/2014 wird die beantragte Förderung ganz abgelehnt oder zurückgenommen, wenn die Förderkriterien nicht erfüllt sind. Nach Art. 35 Abs. 2 dieser VO wird die „beantragte Förderung ganz oder teilweise abgelehnt oder ganz oder teilweise zurückgenommen, wenn folgende Verpflichtungen oder sonstige Auflagen nicht eingehalten werden:
a) …
b) „sonstige für das Vorhaben geltende Auflagen, insbesondere die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe.“
Diese EG-Vorschrift räumt für Rücknahme und Widerruf kein Ermessen ein.
Hierfür spricht vor allem auch, dass das Unionsbzw. das vormalige Gemeinschaftsrecht einen Durchsetzungsanspruch gegenüber dem nationalen Recht und gegenüber nationalen Behördenentscheidungen hat („effet utile“, Art. 4 Abs. 3 EUV). Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine europarechtlich geregelte Förderung aus EG-finanzierten Mitteln. Folgerichtig fließen die Gelder aus der Kürzung auch zum größten Teil in den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) zurück, aus dem die Direktzahlungen finanziert werden, Art. 25 der VO (EG) Nr. 73/2009 und Art. 55 der VO (EU) Nr. 1306/2013. Die Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Frage, ob die Rückforderung zu Unrecht gewährter Unionsmittel zweckmäßig ist, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit dieser Verpflichtung unvereinbar (vgl. EuGH, U. v. 21. September 1983 – Rs. 205 bis 215/82, Deutsche Milchkontor – juris, Rn. 22). Gleiches muss für die Frage der Kürzung noch nicht ausbezahlter Unionsbzw. Gemeinschaftsgelder gelten. Damit ist es nicht sachgerecht, der nationalen Behörde einen Ermessensspielraum darüber zu belassen, in welcher Höhe einem europäischen Fonds zustehende Gelder gekürzt werden. Die Entscheidung hierüber trifft bereits das europäische Recht selbst über die Festlegung einer verhältnismäßigen Kürzung bzw. Streichung. Die diesbezügliche Behördenentscheidung ist dann gerichtlich voll überprüfbar. Damit wird letztendlich auch eine einheitliche Anwendung des europäischen Rechts verfolgt.
Bestätigt wird diese Auffassung durch den Vergleich mit der Rechtsprechung zur nach Unionsrecht gebotenen Rücknahme von Verwaltungsakten, insbesondere von Subventionsbewilligungen (EuGH, U. v. 21. September 1983 – Rs. 205 bis 215/82, Deutsche Milchkontor – juris, Rn. 22; EuGH, U. v. 16. Juli 1998 – C-298/96 – Ölmühle – juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, U. v. 18. November 2014 – 10 S 847/12 –, juris, Rn. 48). Soweit europarechtliche Vorschriften zur Rückforderung verpflichten, verbleibt der Behörde nicht der im nationalen Verwaltungsrecht (Art. 48, 49 BayVwVfG) vorgesehene Ermessensspielraum. Im Falle der Kürzung gibt es keine Vorschriften aus dem nationalen Recht, die zur Durchsetzung des Europarechts anzuwenden wären, sondern das Ob und die Höhe der Kürzung sind unmittelbar im Gemeinschaftsrecht geregelt, Art. 23 EG (VO) Nr. 73/2009, Art. 70ff EG (VO) Nr. 1122/2009 und Art. 35 Abs. 2 der Delegierten VO Nr. 640/2014.
4. Die Höhe der Kürzung von 100% ist verhältnismäßig. Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist eine Rechtsfrage, die der vollen richterlichen Überprüfung zugänglich ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist nach Art. 35 Abs. 3 der Delegierten VO(EU)Nr.640/2014 insbesondere auf die Schwere des Verstoßes abzustellen. Die Schwere eines Verstoßes hängt insbesondere davon ab, wie die Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der nicht eingehaltenen Verpflichtungen oder Auflagen sind. Führt die Gesamtbewertung auf der Grundlage der Kriterien zu der Feststellung, dass es sich um einen schwerwiegenden Verstoß handelt, so wird die Förderung abgelehnt oder vollständig zurückgenommen (so Art. 35 Abs. 5 der o.g. VO). Zur näheren Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge hat die EG-Kommission Leitlinien erlassen. Nach diesen Leitlinien werden die Schwere einer Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge und die damit verbundenen finanziellen Folgen für den EUHaushalt anhand folgender Faktoren geprüft: Ausmaß des Wettbewerbs, Transparenz und Gleichbehandlung. Werden in einem einzigen Ausschreibungsverfahren mehrere Unregelmäßigkeiten festgestellt, so werden die Korrektursätze nicht kumuliert; der Korrektursatz (5%, 10%, 25%, oder 100%) wird anhand der schwerwiegendsten Unregelmäßigkeit bestimmt. In den schwerwiegendsten Fällenwenn die Unregelmäßigkeit bestimmte Bieter/Bewerber begünstigt oder wenn ein zuständiges Gericht oder eine Behörde einen Betrug im Zusammenhang mit der Unregelmäßigkeit nachgewiesen hatkann eine Finanzkorrektur in Höhe von 100% vorgenommen werden, so Ziffer 1.3 der Leitlinien). Auch wenn die Leitlinien die Formulierung „kann“ verwenden, wird dadurch kein Ermessen eingeräumt. Es handelt sich hier nicht um die Einräumung eines Ermessensspielraums, sondern um die Zuweisung einer Kompetenz. Bei der Ausübung ihrer Kompetenz ist die entsprechende Behörde nicht frei, sondern an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Leitlinien und auch die von der Behörde verwendete Matrix des StMELF dienen zur Konkretisierung und Interpretierung der vorgegebenen Kriterien und damit dazu, ein vergleichbares Verwaltungshandeln für vergleichbare Fälle herbeizuführen. Nach den Leitlinien ist eine Finanzkorrektur von 100% bei einer Interessenkollision vorgesehen (Nr. 21 des Anhangs). Ferner ist in Nr. 24 eine 100-prozentige Kürzung vorgesehen, wenn Lieferaufträge ohne Wettbewerb vergeben werden. Nach der Matrix des StMELF ist bei Vorsatz bzw. Betrug die Aufhebung des Zuwendungsbescheides vorgesehen, bei Interessenkonflikt ein Sanktionssatz von 100% in Anlehnung an die oben genannten Leitlinien.
Wie sich aus den Tatsachengrundlagen des Strafbefehls und des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ergibt, wurden bei der Vergabe des hier streitgegenständlichen Förderungsprojekts wettbewerbswidrige Absprachen durchgeführt, die sogar den Straftatbestand des § 298 StGB erfüllen. Aus dem Strafbefehl und den Strafakten ergeben sich Preisabsprachen hinsichtlich der Gewerbe „Fensterbau“, „Innenausbau“ sowie „Außendämmung und Verputz“ eindeutig. Aus dem beigezogenen Strafakten geht auch hervor, dass der erste Bürgermeister einen bestimmenden Einfluss auf den Ablauf des Vergabeverfahrens und den Inhalt der Angebote genommen hat. Dabei bezogen sich die Absprachen nicht nur auf die drei oben genannten Gewerke, sondern auch auf andere Gewerke. Die Staatsanwaltschaft hat das strafrechtliche Verfahren bezüglich der anderen Gewerke nur gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt, da die zu erwartende Strafe angesichts der verfolgten Taten nicht erheblich ins Gewicht gefallen wäre. Durch diese Preisabsprachen wurden bestimmte Bieter/Bewerber begünstigt. Denn die in die Absprache einbezogenen Bewerber wussten, welches Angebot sie abgeben müssen, damit es das günstigste ist. Es handelt sich damit um einen der schwerwiegendsten Fälle eines Verstoß gegen die Vergabevorschriften, für die die Leitlinien eine Finanzkorrektur in Höhe von 100% vorsehen.
Zudem liegt auch noch eine Interessenkollision vor. Der erste Bürgermeister der Klägerin hat sowohl auf der Bieterseite als auch auf der Veranstalterseite bei den wettbewerbswidrigen Preisabsprachen mitgewirkt. (Mit-) Täter können im Falle des § 298 StGB nicht nur Personen sein, die einem BieterKartell angehören. Auch Personen auf der Seite des Veranstalters können als Täter einbezogen sein (sogenannte vertikale Absprachen). Im vorliegenden Fall lag eine vorsätzliche wettbewerbswidrige Absprache bei der Vergabe vor. Ferner bestand auch ein Interessenkonflikt – wie oben ausgeführt-, der auch durch den Strafbefehl durch die Verurteilung wegen Untreue gem.§ 266 StGB festgestellt worden ist.
Es kann bei der Frage der Kürzungsquote nicht berücksichtigt werden, dass das Vorhaben möglicherweise der Gemeinde (Klägerin) sehr günstig gekommen ist oder Einsparungen vorliegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH unterliegen öffentliche Auftraggeber einer Verpflichtung zur Transparenz, die im Wesentlichen die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlicher Entscheidung von ihrer Seite ausschließen soll. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Unionssystems von grundlegender Bedeutung ist, mit dem Verlust eines durch die Unionsregelung verliehenen Anspruchs, etwa eines Anspruchs auf einen Zuschuss, geahndet werden. Im Rahmen der Berechnung von Finanzkorrekturen ist es jedoch nicht möglich, angebliche Einsparungen, die unter Verstoß gegen die einschlägigen Unionsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens erzielt worden sind, zu berücksichtigen (vgl. EuGH,1. Kammer, Urteil vom 16.9.2013-T 402/06 Leits.7 u. Rn.124 – juris). Ebenso ist es auch im nationalen Recht. Ein schwerer Verstoß rechtfertigt bereits den Widerruf der vollständigen Zuweisung, ohne dass der Zuweisungsgeber verpflichtet ist, einen zusätzlichen Verstoß gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung zu belegen (vgl. OVG Münster Urteil vom 20.4.2012- 4 A 1055/09). Dies lässt sich auch damit begründen, dass es den betreffenden Behörden und der Rechtsgemeinschaft nicht zumutbar ist, sehenden Auges eine bereits zugesicherte und noch nicht ausgezahlte Förderung aufrecht zu erhalten, wenn der Begünstigte hinsichtlich des bereits ausgezahlten Betrages schwere Vergabeverstöße begangen hat und diese sogar strafrechtliche Konsequenzen i. F. e. Strafbefehls nach sich zogen. Selbst wenn man von einem Ermessen ausging, liegt hier aber eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Das Ergebnis der Kürzungsquote von 100% ist somit nicht zu beanstanden.
5. Auch wurde vorliegend die Widerrufsfrist nach Art. 49 Abs. 2a S. 2, 48 Abs. 4 S. 1 BayVwVfG von einem Jahr seit Kenntnisnahme der den Widerruf begründenden Tatsachen eingehalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt die Frist zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihr die für die Widerrufsentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, über den Widerruf des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahme – oder Widerrufsentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis(vgl. BVerwG vom 20.09.2001-C 6 /01 Rn.13 – juris). Der Widerrufsbescheid wurde vorliegend am 10.01.2017 erlassen. Bezüglich des Fristbeginns ist hierbei nicht auf den Juli 2015 abzustellen, in welchem die Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kenntnis darüber erhielt, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs sowie wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei den Ausschreibungen eingeleitet wurde. Das Ermittlungsverfahren mit offenem Ausgang stellt für sich alleine genommen noch keinen Widerrufsgrund dar. Erst mit Erlass des Strafbefehls und dessen Rechtskraft waren die notwendigen Tatsachenfeststellungen getroffen worden, auf deren Grundlage ein Widerruf des Verwaltungsakts in Betracht kommt. Es musste aber danach noch die gesetzlich vorgesehene Anhörung der Klägerin durchgeführt werden. Erst nach Abschluss dieses Anhörungsverfahrens begann die Jahresfrist zu laufen. Diese Frist wurde aber vorliegend gewahrt. Nachdem die Jahresfrist gewahrt ist, kann dahingestellt sein, ob sich auch Hoheitsträger darauf überhaupt berufen können oder ob sie bei Verstößen gegen Unionsrecht überhaupt anwendbar ist.
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klage war daher im Hauptantrag abzuweisen. Auch der Hilfsantrag war abzuweisen, da es sich bei der Widerrufsentscheidung um keine Ermessensentscheidung handelt.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 173 S. 1 VwGO i. V. m §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO