Europarecht

Zum Merkmal des “Ausrichtens” gemäß Art. 15 Abs. 1 c) des Luganer Übereinkommens vom 30.10.2007

Aktenzeichen  3 U 1548/15

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124744
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
LugÜ 2007 Art. 15 Abs. 1 c)

 

Leitsatz

Ein Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ 2007 kann dann angenommen werden, wenn der Gewerbetreibende bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck bringt, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in dem betreffenden Staat herzustellen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 478/14 Rae 2015-07-01 Endurteil LGANSBACH LG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Ansbach vom 01.07.2015, Az. 2 O 478/14 Rae, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des Landgerichts Ansbach und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%o des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.821,15 € festgesetzt.

Gründe

A
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung geltend. Bei den Beklagten zu 1) und 2) handelt es sich um schweizerische Rechtsanwälte, die mit Datum vom 07.06.2011 die Beklagte zu 3) gründeten.
Die Klägerin hatte am 25.07.2002 mit der inzwischen insolventen G… AG (im Folgenden: G… AG), einer schweizerischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich, einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen und an diese verschiedene Zahlungen geleistet. Der G… AG wurde nach schweizerischem Recht Nachlassstundung gewährt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der neben dieser auch eine Vielzahl weiterer Anleger der G… AG vertrat und bereits seit einigen Jahren mit der Kanzlei der Beklagten zusammenarbeitete, fragte beim Beklagten zu 1) Ende 2010 an, ob dieser die Mandanten auch im Nachlassverfahren vertreten würde. Mit E-Mail vom 03.01.2011 (Anlage K 46) übersandte dieser sodann an den Klägervertreter unter dem Betreff „G… Nachlassstundung“ Auftrag, Vollmacht und „ein Rundschreiben an Klienten“ (Anlage K 24). Das Formular für den Auftrag wurde an die Klägerin versandt, die es mit Datum 18.03.2011 unterzeichnete und an ihren Prozessvertreter zurückschickte, von dem es an die Beklagten weitergeleitet wurde. Hierdurch beauftragte die Klägerin die Beklagten insbesondere mit der „Forderungseingabe in das Nachlassverfahren und Vertretung an den Gläubigerversammlungen betreffend der Nachlassstundung G… AG“ (Anlage K 2).
Der Beklagte zu 1) meldete die Forderung der Klägerin einschließlich entgangenem Gewinns im Nachlassverfahren der G… AG an. Die Forderung der Klägerin wurde vom Sachwalter der G… AG bestritten und ist bis heute nicht anerkannt.
Am 07.11.2011 fand im Nachlassverfahren der G… AG eine Gläubigerversammlung statt, in der den Gläubigern ein Nachlassvertrag mit Forderungsabtretung zur Unterzeichnung, d.h. Zustimmung, vorgelegt wurde. Der Beklagte zu 1) stimmte namens der Klägerin dem Nachlassvertrag mit Forderungsabtretung zu (Anlage K 3).
Die Klägerin erlitt erhebliche Verluste und machte in der Folgezeit deswegen Schadensersatzansprüche gegen die G… AG, die keine Erlaubnis für eine Vermögensverwaltung gemäß § 32 KWG hatte, und deren ehemalige Verwaltungsratsmitglieder bzw. Direktoren vor dem Landgericht Ansbach geltend. Die Klage unter dem Aktenzeichen 3 O 664/11 Fin wurde nach Klagerücknahme gegen eine der Beklagten im Übrigen durch Teilurteil vom 17.12.2013 (Anlage K 1) abgewiesen. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass eventuelle Ansprüche der Klägerin jedenfalls durch ihre Zustimmung zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung vom 07.01.2011 gemäß Art. 303 SchKG erloschen seien. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Klägerin wirft den Beklagten vor, durch die Zustimmung zum Nachlassvertrag die Rechtswirkung des Art. 303 Abs. 2 SchKG ausgelöst zu haben, so dass gegen die Funktionsträger der G… AG nicht mehr vorgegangen werden konnte. Sie ist der Ansicht, dass die Schadensersatzprozesse gegen diese andernfalls erfolgreich gewesen wären.
Die Klägerin hat beantragt,
1.Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 35.821,15 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2.Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin 1.369,78 € eigene außergerichtliche Kosten und 613,50 € Gerichtskosten zu ersetzen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Das Landgericht hat die Klage wegen seiner fehlenden internationalen Zuständigkeit abgewiesen. Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II greife nicht ein. Dabei könne dahin stehen, ob die Klägerin Verbraucherin i.S.d. Vorschrift sei. Denn jedenfalls liege kein „Ausrichten“ der Tätigkeit der Beklagten auf den Wohnsitzstaat der Klägerin mithin keine Verbrauchersache i.S.d. Abschnitts 4 des LugÜ vor. Solches ergebe sich weder aus der Gestaltung der Internetseite der Beklagten noch aus der besonderen Situation der Mandatsanbahnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre Klageansprüche weiterverfolgt. Sie meint, das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei dem Rundschreiben vom 03.01.2011 (Anlage K 24) mit der Zusendung der übrigen Vertragsunterlagen (Anlagenkonvolut K 2) um ein Ausrichten der Tätigkeit auf Deutschland i.S.v. Art. 15 Abs. 1 c) 2.Alt. LugÜ II handele. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Entscheidung vom 07.12.2010, Az.: C-585/09) werde ein breites Spektrum von Tätigkeiten erfasst, das keine „Werbung“ voraussetze. Jedenfalls aber ergebe sich ein Ausrichten aufgrund der Werbemaßnahmen durch die Beklagten, wobei keine Einschränkung auf Werbemaßnahmen für allgemeine Kunden zu erfolgen habe. Vielmehr sei auch ein ausdrückliches Angebot an einen einzelnen Empfänger ausreichend. Die Zwischenschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei dabei unerheblich. Unabhängig vom Zustandekommen der jeweiligen Mandatsverhältnisse sei ein Indiz für das Ausrichten der Tätigkeit auf Deutschland, dass verschiedene Mandanten von den Beklagten vertreten worden seien. Die Initiative des Verbrauchers sei für das Ausrichten i.S.d. Vorschrift unschädlich. Das Begrüßungsschreiben vom 03.01.2011 der Beklagten und die Zusendung der Auftragsformulare rechtfertige jeweils alleine schon die Annahme des Ausrichtens der Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat der Klägerin. Das Ausrichten der Tätigkeit auf Deutschland ergebe sich auch aus dem Internetauftritt der Beklagten. Im Übrigen führt die Berufung zur Begründetheit der Klage aus.
Die Klägerin beantragt,
I. Unter Abänderung des am 01.07.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Ansbach, Az. 2 O 478/14 Rae werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 35.821,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
II. Unter Abänderung des am 01.07.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Ansbach, Az. 2 O 478/14 Rae wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 1.369,78 € eigene außergerichtliche Kosten und 613,50 € Gerichtskosten zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung und hilfsweise für den Fall, dass der Senat das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen annehme, die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
Sie verteidigen das Ersturteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Ergänzend führen sie aus, der Anwendung des Art. 15 LugÜ II stehe weiter entgegen, dass die Klägerin nicht als Verbraucherin anzusehen sei, da die Gelder, die sie der G… AG übergeben habe, vermutlich ihrer selbständigen gewerblichen Tätigkeit entstammten. Die Klägerin habe zur Herkunft der Gelder keine Angaben gemacht. Sie habe ihre Verbrauchereigenschaft nicht dargelegt und bewiesen. Der fehlende Sachvortrag gehe zu ihren Lasten. Die Parteien hätten deshalb wirksam gemäß Art. 23 Abs. 1 a LugÜ II eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen können, nach der die ordentlichen Gerichte des Kantons Zürich zuständig seien. Das Landgericht sei im Übrigen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Ausrichten i.S.d. Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II vorliegend nicht gegeben sei. Dies ergebe sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VI ZR 14/11) aber schon daraus, dass die Klägerin nicht durch die berufliche Tätigkeit der Beklagten zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.
B
I.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage wegen seiner fehlenden Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Für die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung ergibt sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht. Die hierfür allein in Betracht kommende Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 LugÜ II greift nicht ein. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob die Klägerin Verbraucherin im Sinne der Vorschriften ist. Denn es liegt jedenfalls kein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf den Wohnsitzstaat der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II und daher keine Verbrauchersache i.S.d. Vorschrift vor.
1. Die Beklagten haben ihren Wohnsitz bzw Sitz in der Schweiz. Im Verhältnis zur Schweiz ist die internationale Zuständigkeit im revidierten Luganer Übereinkommen vom 30.10.2007 (LugÜ II) geregelt, das am 1.1.2011 für die Schweiz in Kraft getreten ist (Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., Anh I Art. 1 EuGVVO Rn. 12). Es gilt gemäß Art. 63 Abs. 1 für alle Klagen, die nach dem Inkrafttreten erhoben werden, mithin auch für die hier am 5.5.2014 eingereichte Klage.
Danach sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates zu verklagen (Art. 2 LugÜ II), falls nicht das Abkommen einen Gerichtsstand in einem anderen Mitgliedstaat zulässt (Art. 3 Abs. 1 LugÜ II).
2. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II, Art. 16 Abs. 1 LugÜ II, die hier allein eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach begründen könnten, sind nicht erfüllt.
Danach kann ein Verbraucher eine Klage vor den Gerichten des Vertragsstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, wenn den Gegenstand des Verfahrens Ansprüche aus einem Vertrag bilden, den ein Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 a) und b) der Vorschrift nicht vorliegen und der Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche in irgendeinem Wege auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
a) Die Beklagten haben ihre Tätigkeit nicht in irgendeinem Wege auf Deutschland ausgerichtet.
aa) Ein Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit i.S.d. Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II kann dann angenommen werden, wenn der Gewerbetreibende bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck bringt, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in diesem Staat herzustellen. Deshalb ist im Fall eines Vertrages zwischen einem Gewerbetreibenden und einem bestimmten Verbraucher zu ermitteln, ob vor dem Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern in dem anderen Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz hat, tätigen wollte (BGH NJW 2015, 2339 Rn. 14; EuGH, Urteil vom 07.12.2010 -C-585/08, NJW 2011, Rn. 75 f) . Anhaltspunkte dafür, dass ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat, können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 15 Abs. 1 c) EuGVVO a.F. (EuGH a.a.O., Rn 93), dem Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II entspricht, folgende Umstände sein: Der internationale Charakter der Tätigkeit des Gewerbetreibenden, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen aus anderen Mitgliedstaaten zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetre-ferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaates der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt.
bb) Diese Grundsätze hat das Landgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt und zu Recht angenommen, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten zu 1) und 2) auf Deutschland vorliegen. Wie die Kammer zutreffend ausführt, ergeben sich diese weder aus der Gestaltung der Internet-Website der Beklagten noch aufgrund der Umstände der Beauftragung der Beklagten durch die Klägerin.
(1) Aufgrund der Gestaltung der Internetseite der Beklagten ist nicht von einem Ausrichten deren Tätigkeit auf Deutschland i.S.d. Art. 15 Abs. 1 c) 2. Alt. LugÜ auszugehen.
Zunächst ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, nicht ausreichend. Das gleiche gilt für die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten (EuGH a.a.O. Rn. 77). Die Tätigkeit der Beklagten hatte keinen internationalen Charakter. Zwar enthält die Rubrik „Dienstleistungen“ die Formulierung: „E… Rechtsanwälte vertritt natürliche Personen und Unternehmungen aus der Schweiz und dem Ausland“. Aus der nachfolgenden Angabe: „Unsere Anwälte sind vor allen Gerichten der Schweiz zugelassen “ ergibt sich aber, dass die Tätigkeit auf das Schweizer Rechtssystem und damit eine Tätigkeit in der Schweiz ausgerichtet ist. Die unter der Überschrift „Kontakt“ abgebildete Anfahrtskizze enthält nur einen Auszug aus der Züricher Stadtkarte und keine Beschreibung von Deutschland aus. Auf die Verwendung der deutschen Sprache kommt es nicht an, da diese in der Schweiz die üblicherweise verwendete Sprache ist (EuGH a.a.O. Rn. 94). Aus der Angabe der internationalen Vorwahl bzw. der Verwendung der Top-Level-Domain „com“ kann eine Ausrichtung auf Deutschland ebenfalls nicht hergeleitet werden. Wie das Landgerichts Frankenthal in einem Parallelver fahren (Urteil vom 09.03.2015, Az.: 4 O 392/14,vom Beklagtenvertreter vorgelegt) zutreffend ausführt, kann die Angabe der internationalen Vorwahl zum einen auch der Kontaktaufnahme durch schweizerische Verbraucher, die sich im Ausland aufhalten, dienen, zum anderen dem Bestreben, erheblichen Geschäftsbetrieb zu suggerieren, nicht aber zwangsläufig den bewussten Ent-schluss zur Ansprache von Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten zum Ausdruck zu bringen. Die Verwendung der Top-Level-Domain „com“ nimmt allgemein auf eine Firma Bezug, ohne auf einen Geschäftsabschluss speziell mit deutschen Kunden abzuzielen. Nach einer Gesamtschau der genannten Umstände ist daher aufgrund des Internetauftritts nicht von einem Ausrichten der Tätigkeit auf Deutschland auszugehen.
(2) Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich auch im Zusammenhang mit dem Rundschreiben vom 03.01.2011 und der Zusendung der übrigen Vertragsunterlagen kein Ausrichten der Tätigkeit auf Deutschland.
Es handelt sich hierbei nicht um eine entsprechende Werbemaßnahme der Beklagten. Insofern folgt der Senat der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart in einem Parallelverfahren (Urteil vom 22.12.2015, Az.: 12 U 91/15, Anlage BB 7), wonach ein Werben und Ausrichten nur dann gegeben ist, wenn der Vertragspartner „allgemein Kunden ansprechen“ möchte und nicht nur „gezielt bestimmte Einzelpersonen“, wie vorliegend. Das OLG Stuttgart (Urteil S. 13 ff) hat hierzu ausgeführt:
„Gezielt bestimmte „Einzelpersonen“ und gleichzeitig „allgemein Kunden“ spricht zwar auch derjenige an, der eine bestimmte Gruppe von Interessenten für seine Werbung aussucht. Es ist der Werbung immanent, dass gerade eine bestimmte Zielgruppe erreicht werden soll…Andererseits ist vorliegend zu beachten, dass das Schreiben im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zwischen dem Kläger und der in vertretenen Kanzlei B… ihm „persönlich/vertraulich“ überlassen und zuvor zwischen ihren Anwälten und der Kanzlei der Beklagten zu 1) und 2) über die Möglichkeit einer Vertretung der Mandanten der Klägervertreter verhandelt wurde, um auch von Seiten der Klägervertreter die Interessen ihres eigenen Mandanten wahrzunehmen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich diese Schreiben an bereits konkretisierte – wenn auch den Beklagten namentlich noch nicht bekannte – Personen gerichtet haben, mit denen der Vertragsschluss faktisch – wenn auch rechtlich noch nicht bindend – über die Klägervertreter ausgehandelt war und nur noch des formalen Vollzugs durch die Unterschrift des Mandanten bedurfte. Das Schreiben vom 03.01.2011 kann deshalb im Ergebnis nicht als gewöhnliches Werbeschreiben angesehen werden.
Es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Kanzlei der Beklagten zu Ziffer 1) und 2) ihre Tätigkeit bereits vor der entwaigen Werbung des Klägers auf irgendeinem Wege auf Deutschland ausgerichtet hatte. Allein das etwaige Werbeschreiben an die Klägerin genügt ebenso wenig, wie die Übersendung der Vertragsunterlagen, die diesem beigefügt waren.
Aus dem Schreiben vom 03.01.2011 geht zwar hervor, dass die Kanzlei der Beklagten zu 1) und 2) bereits seit Jahren „gemeinsam geschädigte Anleger der Unternehmung G… AG“ vertreten hat. Die Kanzlei B…, die Klägervertreter, stellt unzweifelhaft eine in Deutschland gelegene Kanzlei dar und vertritt nach den Umständen die deutschen Anleger, die Vermögen bei der G… AG angelegt haben. Es ist allerdings weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Zusammenarbeit in einer Weise erfolgt ist, die über das bloße „Doing-Business“ hinaus ein „gezieltes“ (vgl. hierzu insb. BGH NJW 2015, 2339 Rn. 13) auf Deutschland ausgerichtetes Marketing erkennen lässt. Unterstellt, die Kanzlei der Beklagten Ziffer 1) und 2) hätte in der Vergangenheit nicht nur die unstreitig durchgeführten Vollstreckungsverfahren, sondern auch weitere Mandante über die Kanzlei der Klägervertreter erhalten und sogar direkt mit diesen Mandanten abgerechnet, wie der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz behauptet, wäre hieraus noch nicht zu ersehen, dass die Mandate nicht nur aufgrund einer Empfehlung der Klägervertreter für ihre eigenen Mandanten zustande gekommen sind. Dies würde ein bloßes „Doing-Business“ auf Seiten der Kanzlei der Beklagten zu 1) und 2) begründen.
Auch aus der E-Mail der Kanzlei der Beklagten zu 1) und 2) vom 23.11.2010 (Anlage K 6) geht nicht hervor, in welcher Weise die beklagten Anwälte zuvor mit der Kanzlei B… zusammengearbeitet und gegebenenfalls Kunden geworben haben. Es kann damit derzeit nicht festgestellt werden, ob lediglich ein „Doing-Business“ oder ein „gezieltes“, auf Deutschland ausgerichtetes Marketing zuvor betrieben wurde.”
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
cc) Der Senat stimmt dem Oberlandesgericht in der zitierten Entscheidung auch darin zu, dass insoweit ohne Bedeutung ist, dass die Initiative für den Vertragsschluss mit der Kanzlei der Beklagten zu 1) und 2) von den Anwälten der Klägerin ausging und der Vertragsschluss mit veranlasst wurde durch die Aktivitäten Dritter, nämlich die Empfehlung der Kanzlei B… und den Umstand, dass die Klägerin die Unterlagen auf deren Initiative erhielt. Unerheblich ist ferner, ob die Klägerin durch das Werbeschreiben zum Vertragsschluss mit den beklagten Anwälten motiviert wurde, da eine Kausalität der Werbetätigkeit für den Vertragsschluss nicht erforderlich ist. Auch insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart unter II. b. (1) und (a), Seite 15 f. Bezug und macht sich diese zu eigen.
b) Da der Verbrauchergerichtstand bereits mangels eines Ausrichtens i.S.d. Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II nicht geben ist, kann der Senat die Frage offenlassen, ob die insofern beweispflichtige (Gei-mer in Zöller a.a.O. Art. 17 EuGVVO, Rn. 6) Klägerin auch als Verbraucherin i. S. der Vorschrift angesehen werden kann.
II. Nebenentscheidungen
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Streitfall gibt nach der Entscheidung des OLG Stuttgart Anlass, die Kriterien für das Merkmal des Ausrichtens i.S.d. Art. 15 Abs. 1 c) LugÜ II im Zusammenhang mit Fällen wie vorliegend näher zu bestimmen. Im Hinblick hierauf wird auch im hiesigen Verfahren die Revision zugelassen.

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