Aktenzeichen V R 2/14
Leitsatz
NV: Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 987/2009 führt dazu, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Anschluss an das BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 17/13, BFHE 253, 134, BStBl II 2016, 612) .
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 28. November 2013, Az: 5 K 5145/13, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. November 2013 5 K 5145/13 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist deutscher Staatsbürger, der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) lebt. Seine 2010 geborene Tochter L lebt im Haushalt der von ihm dauernd getrennt lebenden Kindsmutter in Polen. Die Kindsmutter ist polnische Staatsangehörige und nicht erwerbstätig. Polnische Familienleistungen bezieht sie nicht.
2
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte einen Antrag des Klägers auf Kindergeld für L vom November 2012 ab, da die Kindsmutter einen vorrangigen Anspruch auf Kindergeld habe. Den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers wies sie mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2014 zurück. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 28. November 2013 5 K 5145/13 statt. Dagegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision.
3
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Februar 2015 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Trapkowski C-378/14 ausgesetzt. Nach Veröffentlichung des EuGH-Urteils Trapkowski vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst –DStRE– 2015, 1501) hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu dem EuGH-Urteil zu äußern.
4
Die Familienkasse rügt, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsermittlung verstoßen. In sachlich-rechtlicher Hinsicht ist sie der Auffassung, der EuGH habe ihren Rechtsstandpunkt bestätigt.
5
Die Familienkasse beantragt,das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt sinngemäß,die Revision zurückzuweisen.
7
Er hat im Revisionsverfahren per Telefax eine handschriftliche Erklärung der Kindsmutter übermittelt, in der sie um Überweisung des Kindergeldes auf ein Konto bittet, dessen Inhaber nach eigenen Angaben er ist. Damit sind nach seiner Auffassung die Bedenken der Familienkasse erledigt. In seiner Rechtsauffassung sieht er sich durch das EuGH-Urteil bestätigt.