Aktenzeichen 34 T 1405/19
Leitsatz
Verfahrensgang
3 XIV 198/19 2019-05-17 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt
Tenor
I. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 17.05.2019, Az. 3 XIV 198/19, wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von RA F., H., wird zurückgewiesen.
IV. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 5.000,00 €.
Gründe
Der Betroffene ist nigerianischer Staatsangehöriger.
Am 10.05.2019 um 15.45 Uhr reiste er im Bus Richtung Deutschland ein und wurde im Rahmen der Grenzkontrolle am Grenzkontrollpunkt Kiefersfelden kontrolliert. Der Betroffene konnte keinerlei zur Einreise berechtigende Ausweisdokumente vorweisen und war auch noch nicht eingereist. Somit lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückweisung vor. Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Hinweise, dass die Zurückweisung in dem angestrebten Verfahren nicht durchgeführt werden konnte, lagen nicht vor.
Die beteiligte Ausländerbehörde beantragte nach Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Amtsgericht Rosenheim vom 11.05.2019, befristet bis spätestens 21.06.2019, gegen den Betroffenen gemäß §§ 15 Abs. 1 und 5, 57 Abs. 1 AufenthG Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zur vollzogenen Rückschiebung, längstens bis zum 28.06.2019 anzuordnen.
Da sich der Betroffene bei seiner Einreise nur mit einer zeitlich gültigen deutschen Duldung ausweisen konnte, jedoch keinen Pass besaß, obwohl er als nigerianischer Staatsangehöriger für die Einreise und dem Aufenthalt in Deutschland der Reisepass- und Sichtvermerkspflicht unterliegt, wurde er wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise im Versuch vor Ort vorläufig festgenommen. Bezüglich der Eintragungen im polizeilichen Fahndungssystem IN-POL, wo der Betroffene mehrfach erkennungsdienstlich erfasst wurde, sowie der Eintragungen im Ausländerzentralregister wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt verwiesen. Die EURO-DAC-Recherche verlief positiv mit zwei deutschen Treffern, nämlich am 22.08.2018 in München sowie am 22.08.2016 in Deggendorf. Bezüglich der Visa-Informationsrecherche sowie der Historie seines Asylverfahrens wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss verwiesen. Jedenfalls ist das Asylverfahren mit Bescheid des Verwaltungsgerichts München vom 16.10.2018 bestandskräftig abgeschlossen und der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Bei seiner Anhörung durch die Beteiligte gab der Betroffene an, auf jeden Fall in Deutschland verbleiben zu wollen und auf keinen Fall in sein Heimatland Nigeria zurückzukehren.
Durch die Beteiligte wurde daher beim zunächst zuständigen Amtsgericht Rosenheim die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer von 6 Wochen beantragt, um das zur Anwendung kommende Verfahren sowie den endgültigen Zielstaat zu bestimmen. Auf den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim, Az. 8 XIV 129/19 wird inhaltlich verwiesen. Der Beschluss ist sämtlichen Verfahrensbeteiligten zugestellt und bekannt.
Bereits am Montag nach der Festnahme fand ein Anhörungstermin am darauffolgenden Mittwoch, 15.05.2019 in München durch Angehörige der nigerianischen Botschaft statt, bei dem 34 T 1405/19 – Seite 4 – die Identität des Betroffenen als nigerianischer Staatsbürger geklärt wurde. Am 03.06.2019 wurde daraufhin ein Rückreisedokument Emergency Travel Certifikate, durch die nigerianischen Behörden ausgestellt.
Unter Blatt 107 der beigezogenen Ausländerakte befindet sich ein Aktenvermerk, wonach am 16.05.2019 der Koordinator der Rückführung Rosenheim, PHK Otte, die Bundespolizeidirektion München, Bundespolizeiinspektion Rosenheim, darüber informiert hatte, dass Rechtsanwalt F. voraussichtlich den Betroffenen vertreten werde, aber eine schriftliche Verfahrensvollmacht der Beteiligten noch nicht vorläge. Diese Information sei umgehend am 16.05.2019 telefonisch an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Ingolstadt weitergegeben worden. Ein Aktenvermerk darüber befindet sich in der Verfahrensakte nicht.
Am 04.06.2019 erfolgte sodann durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim (Bl. 133 der beigezogenen Ausländerakte) die Mitteilung an die Lufthansa, dass die Rückführung des Betroffenen für den 24.06.2019 vorgesehen sei. Am 16.06.2019 wurde das Amtsgericht Ingolstadt durch die Bundespolizei per Mail informiert, dass der Flugtermin vom 24.06.2019, der bereits organisiert und gebucht war, aufgrund einer nochmals durchgeführten Gefahrenprognose storniert worden sei und der Betroffene nunmehr am 26.06.2019 mit einer Sammelchartermaßnahme mit Sicherheitsbegleitung nach Nigeria überstellt werde.
Am 17.05.2019 fand die Anhörung des Betroffenen vor dem Amtsgericht Ingolstadt statt. Eine schriftliche Verfahrensvollmacht befand sich nicht im Akt. Auch eine Mitteilung durch das Amtsgericht Rosenheim, dass dort am 16.05.2019 per Fax eine schriftliche Verfahrensvollmacht eingegangen sei, war bis zum 17.05.2019 nicht erfolgt. Das Amtsgericht Ingolstadt erließ demgemäß am 17.05.2019 den Beschluss, mit dem gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückweisung angeordnet wurde bis spätestens 28.06.2019. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wurde angeordnet. Mit Schriftsatz vom 27.05.2019, beim Amtsgericht Ingolstadt per Fax eingegangen am selben Tag, zeigte der Verfahrensbevollmächtigte zum ersten Mal gegenüber dem Amtsgericht seine Vertretung des Betroffenen an. Er legte gegen den Haftverlängerungsbeschluss vom 17.05.2019 Beschwerde ein und beantragte festzustellen, dass der angefochtene Beschluss des Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe, sowie dem Betroffenen Verfahrenskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Mit Schriftsatz vom 09.06.2019 (Bl. 113-114 d.A.) wurde die Beschwerde begründet.
Im Wesentlichen verwies der Verfahrensbevollmächtigte auf die Entscheidung EuGH vom 19.03.2019 in der Rechtssache Arib (Az. C 444/17, Cuja), wonach eine Zurückweisungshaft nicht mehr zulässig sei. Auch das Landgericht Traunstein habe einen entsprechenden Hinweisbeschluss vom 16.05.2019 erlassen. Ferner sei zum Zeitpunkt der Inhaftierung vollkommen unklar gewesen, ob der Betroffene innerhalb des beantragten Haftzeitraums überhaupt abgeschoben hätte werden können. Ferner habe sich der Betroffene im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht bereit erklärt, freiwillig auszureisen und da der Betroffene bei seinem Antreffen noch im Besitz einer Duldung gewesen sei, sei die Inhaftierung auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen unzulässig. Schließlich rügt der Verfahrensbevollmächtigte einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Der Beteiligten sei am 16.05.2019 bekannt gewesen, dass eine anwaltliche Vertretung vorläge. Dies sei gemäß Blatt 125 der Ausländerakte auch dem Amtsgericht Ingolstadt telefonisch mitgeteilt worden. Zur Anhörung am 17.05.2019 sei der Unterzeichner dennoch nicht geladen gewesen. Darüberhinaus sei eine schriftliche Vollmacht mit der Beschwerdeschrift gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim am 16.05. um 12.00 Uhr an das Amtsgericht Rosenheim gefaxt worden.
Mit Beschluss vom 14.06.2019 half das Amtsgericht Ingolstadt der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem zuständigen Landgericht Ingolstadt zur Entscheidung vor.
Am 26.06.2019 erfolgte die Rückführung des Betroffenen per Flug von München nach Nigeria.
II.
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt eingelegte Beschwerde ist zulässig. Gegen die Anordnung der Haft zur Sicherung der Überstellung ist gemäß §§ 106 Abs. 2 AufenthG, 58 Abs. 1 FamFG der Rechtsbehelf der Beschwerde statthaft. Die Beschwerdefrist von 1 Monat ist eingehalten, § 63 FamFG. Soweit die Aufhebung der Haftanordnung begehrt wurde, hat sich dies durch die erfolgte Abschiebung erledigt.
Die Antragstellerin war gemäß § 1 Abs. 2 Bundespolizeigesetz, § 2 Bundespolizeizuständigkeitsverordnung zur Antragstellung zuständig. Der Betroffene ist gemäß §§ 3 und 4 AufenthG pass- und aufenthaltstitelpflichtig. Befreiungen hiervon liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat eine Einreiseverweigerung in Form einer Zurückweisungsentscheidung getroffen gemäß Art. 14 Schengener Grundkodex i.V.m. § 15 AufenthG. Die Zurückweisung konnte nicht unmittelbar vollzogen werden, da eine Zurückweisung nach Österreich mangels Zuständigkeit nicht möglich war und für die entsprechende Zurückweisung ins Heimatland die erforderlichen Papiere noch nicht vorhanden waren. Nachdem bereits am 15.05.2019 ein Anhörungstermin in München durch die Zentrale Passbeschaffung durchgeführt werden konnte, die zu einer eindeutigen Identifizierung des Betroffenen geführt hat, konnte sodann am 03.06.2019 ein Rückreisedokument durch die nigerianischen Behörden ausgestellt werden, was zu einer Flugbuchung führte. Rückführungshindernisse waren nicht ersichtlich. Die Freiheitsentziehung war erforderlich, mildere Mittel lagen nicht vor.
Das Amtsgericht Ingolstadt war für den Erlass der angegriffenen Entscheidung örtlich zuständig, § 416 FamFG. Der Betroffene befand sich in der Abschiebehafteinrichtung Eichstätt.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Anordnung der Zurückweisungshaft beruht auf § 15 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Danach soll der Ausländer zur Sicherung der Zurückweisung in Zurückweisungshaft genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Erforderlich sind bei der Zurückweisungshaft Darlegungen der Antragstellerin dazu, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen sie nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwendigen Haftdauer. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Zurückweisungshaft nicht angeordnet werden (BGH, Senat, Beschlüsse vom 10.05.2012, Az. V ZB 246/11 für Abschiebehaft und vom 06.12.2012, Az. V ZB 118/12 und 31.01.2013, Az. V ZB 20/12 jeweils für Zurückschiebungshaft).
Die Haftanordnung nach § 15 Abs. 5 AufenthG setzt den Erlass einer Zurückweisungsentscheidung voraus, sowie fehlende unmittelbare Vollziehbarkeit der Anordnung. Die beteiligte Behörde beantragte Anordnung der Sicherungshaft zum Zwecke der Sicherung der Einreiseverweigerung. Der Betroffene konnte lediglich eine Duldung, jedoch keinerlei sonstige legitimierende Ausweispapiere vorlegen. Er verfügte deshalb nicht über die erforderlichen Reisedokumente, Reisepass und Visum für die versuchte Einreise und den Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland. Der Betroffene machte hinsichtlich des Verbleibs seines Reisepasses auch mehrfach widersprüchliche und nachweislich falsche Angaben. So gab er bei der Ausländerbehörde des LRA Erding an, den Pass bereits auf der Flucht verloren zu haben (Bl. 169 der Ausländerakte). Bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim gab er an, seinen Pass erst in Holland verloren zu haben. Bei der PI Erding gab der Betroffenen im Rahmen einer Verlustmeldung im Jahre 2018 an, den Pass in Deutschland verloren zu haben. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 25.06.2019 auf das Beschwerdevorbringen des Verfahrensbevollmächtigten. Dagegen gab er in seiner Anhörung zu seinem Asylverfahren an, niemals Dokumente mit Ausnahme einer Geburtsurkunde, die von den Eltern einbehalten worden sei, gehabt zu haben. Allein diese Behauptung ist nachweislich falsch, da der Betroffene laut der durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim durchgeführten VIS-Recherche mittels seiner Fingerabdrücke im Rahmen eines Visa-Antrags in Pnompen/Kambodscha, einen Reisepass vorlegte.
Zudem gab der Betroffene gegenüber der Beteiligten bei seiner Einvernahme ausdrücklich an, auf jeden Fall in Deutschland bleiben zu wollen und sich auf keinen Fall für eine Ausreise nach Nigeria zur Verfügung zu stellen. Er habe sich in Deutschland am Bein verletzt und wolle daher auch in Deutschland bleiben, da er nun schwerbehindert sei.
Die Beteiligte hat die beantragte Haft auch im Hinblick auf die erforderliche Dauer ausreichend begründet. Wie die tatsächlich durchgeführte Rückführung am 26.06.2019 zeigte, war diese Prognose auch richtig. Danach wurde der Betroffene bereits am 15.05.2019 durch Vertreter der nigerianischen Botschaft beim Landesamt für Asyl in München angehört. Daran schließen sich 5 Wochen Bearbeitungszeit durch die nigerianischen Behörden zur Feststellung der Staatsangehörigkeit an, auf deren Dauer die Bundespolizei keinen Einfluss hat. Danach ist regelmäßig eine Woche Bearbeitungszeit bei der Bundespolizeiinspektion Rosenheim nach Eingang der Mitteilung, dass ein Passersatz ausgestellt wird, für die Organisation einer unbegleiteten Rückführung, Flugbuchung und tatsächlicher Rückführung nötig. Nachdem die unbegleitete Rückführung, die auf den 24.06.2019 angesetzt war, scheiterte, konnte innerhalb des beantragten Zeitraumes bis 28.06.2019 auch eine begleitete Sicherheitschartermaßnahme organisiert und durchgeführt werden. Das Verfahren wurde daher ohne zeitliche Verzögerung betrieben.
Das Rückführungsverfahren konnte sich auch auf § 15 Abs. 5 AufenthG stützen. Die in der Beschwerdebegründung zitierte Entscheidung des EuGH in Sachen Arib (Az. C 444/17) steht dem nicht im Wege. Soweit das Landgericht Traunstein unter Beachtung dieser Entscheidung einen Hinweisbeschluss am 16.05.2019 erlassen hat, ist ein solcher für das hiesige Beschwerdegericht nicht bindend.
Die Beschwerde übersieht, dass der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, dass die Haftgerichte von der Entschließung der beteiligten Behörde auszugehen haben, die Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung in sein Heimatland oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat zu vollziehen. Die sachliche Richtigkeit dieser Entscheidung haben die Verwaltungsgerichte, nicht aber die Haftgerichte zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 12.04.2018, Az. V ZB 164/16). Dementsprechend sind die vorliegend mit der Beschwerde gegen die Rechtmäßigkeit der Aufenthaltsverhinderung vorgebrachten Bedenken untauglich, die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung in Zweifel zu ziehen. Das Amtsgericht hat insoweit ausreichend geprüft, dass und ob der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat sowie den Stand und den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Hier hat das Amtsgericht zu Recht festgestellt, dass der Betroffene unanfechtbar ausreisepflichtig ist.
Im Übrigen geht die Kammer bei der zitierten EuGH-Entscheidung davon aus, dass Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) der EU-Rückführungsrichtlinie i.V.m. Art. 32 des Schengener Grenzkodex (SGK) nicht anwendbar ist auf Drittstaatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhalten, auch dann nicht, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe einer Binnengrenze dieses Mitgliedsstaats aufhalten und dieser Mitgliedsstaat Binnengrenzkontrollen wieder eingeführt hat. Die Entscheidung des EuGH besagt jedoch nichts darüber, welche Vorschriften anwendbar sind, wenn ein Drittstaatsangehöriger, wie hier, gerade nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats, sondern an dessen Grenzkontrollstelle angetroffen wird. Dass es dem EuGH auf diese Unterscheidung ankommt, ergibt sich aus Randzeichen 36 der Entscheidungsgründe, in der das Gericht hervorhebt, dass dem Betroffenen des Verfahrens gerade nicht die Einreise in das Hoheitsgebiet verweigert wurde, sondern er nach der Einreise im Grenzgebiet kontrolliert wurde. Vor diesem Hintergrund kann die Gleichsetzung der Außengrenzlinie und des Außengrenzbereichs, die Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) der Rückführungsrichtlinie im Hinblick auf die Möglichkeit des Absehens von der Anwendung der Vorschriften der Rückführungsrichtlinie vorsieht, nicht auf die Binnengrenzen bei wieder eingeführten Grenzkontrollen übertragen werden. Der EuGH verlangt also im Fall der Wiedereinfühung von Binnengrenzkontrollen gerade eine differenzierte Betrachtung der Grenzlinie und der dort eingerichteten Grenzkontrollstellen einerseits und dem Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 20 km (in Frankreich) bzw. 30 km (in Deutschland). Es sind also zu betrachten die Maßnahmen, die ein Mitgliedsstaat an einer Grenzkontrollstelle nach Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen ergreifen darf. Hierzu ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH nichts, insbesondere nicht, wie die Beschwerde suggerierend will, dass die Drittstaatsangehörigen bereits in dem Mitgliedsstaat aufhältig wären, an dessen Kontrollstelle sie erscheinen und die Einreise begehren. Folgte man dieser Auffassung, so wären die in Art. 25 SGK ausdrücklich vorgesehenen Binnengrenzkontrollen ab Absurdum geführt, da der Zweck einer Grenzkontrolle, die Verhinderung der Einreise von hierzu nicht Berechtigten, nicht erreicht werden könnte. Zur Überzeugung der Kammer findet dementsprechend bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen gemäß Art. 25 SGK über Art. 32 SGK auch Art. 14 SGK Anwendung, wonach einem Drittstaatsangehörigen, der nicht die Einreisevoraussetzungen erfüllt, die Einreise zu verweigern ist. Der Zielstaat und das Verfahren für den Vollzug der Einreiseverweigerung richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls.
Vorliegend wurde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aufgrund der Staatsangehörigkeit des Betroffenen die Einreiseverweigerung nach Nigeria verfügt und letztendlich auch durchgeführt.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH kommt daher wegen des 34 T 1405/19 – Seite 9 – grundsätzlich unterschiedlichen Sachverhalts nicht in Betracht, ebenso wie die beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Auf das Vorliegen von Haftgründen kommt es im Rahmen des § 15 Abs. 5 AufenthG nicht an. Haftgründe lagen aber dennoch vor in Form der bereits oben genannten ausdrücklichen Weigerung des Betroffenen, freiwillig nach Nigeria zurückzukehren. Insofern ist auch die Einschätzung des Amtsgerichts Ingolstadt in dem angegriffenen Beschluss nachvollziehbar dahingehend, dass die nunmehrige Einlassung des Betroffenen, doch freiwillig zurückkehren zu wollen, eine Schutzbehauptung darstellt. Auf die fehlende Mitwirkung bzw. Täuschung bezüglich des nigerianischen Passes wird ebenfalls verwiesen.
Sofern in der Beschwerdebegründung des Verfahrensbevollmächtigten gerügt wird, dass zum Zeitpunkt der Inhaftierung beim Amtsgericht Rosenheim bewusst ein Antrag auf vorläufige Haft gemäß § 427 FamFG gestellt wurde, obwohl eine Rückführung lediglich angedacht, aber keinesfalls näher eingrenzbar sei, so wird klargestellt, dass Gegenstand der vorliegenden Haftbeschwerde nicht der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim ist, sondern der des Amtsgerichts Ingolstadt. Bei Beschlusserlass am 17.06.2019 jedenfalls war die Vorsprache des Betroffenen durch die nigerianische Botschaft bereits erfolgt und das Identifizierungsverfahren damit eingeleitet. Damit konnte auch die oben geschilderte zeitliche Prognose zur Dauer der beantragten Haft angesetzt werden.
Bei der Anhörung des Amtsgerichts Ingolstadt wurde auch nicht gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen, insofern, als der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht zum Termin geladen wurde. Die Anhörung fand am 17.05.2019 statt. Ausweislich des Aktenvermerks in der beigezogenen Ausländerakte wurde die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Ingolstadt von der Bundespolizeiinspektion am 15.05.2019 (lediglich) darüber informiert, dass Rechtsanwalt F. voraussichtlich die Vertretung übernehmen werde. Dies stellt jedenfalls keine eindeutige Vertretungsanzeige dar, sondern lediglich eine Absichtserklärung. Eine schriftliche Vollmacht wurde nicht zum Amtsgericht Ingolstadt gereicht. Die Kammer weist darauf hin, dass dem Verfahrensbevollmächtigen aus einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Vertretungen bekannt ist, dass das Amtsgericht Ingolstadt das zuständige Gericht für eine Haftentscheidung ist, wenn sich die betroffene Person in der Abschiebehafteinrichtung der JVA Eichstätt befinden. Es wäre ihm also problemlos möglich gewesen, nicht nur zum Amtsgericht Rosenheim eine Vollmacht zu übersenden, sondern auch an das Amtsgericht Ingolstadt. Vom Amtsgericht Rosenheim erfolgte jedenfalls keine Weitergabe der Vollmacht an das Amtsgericht Ingolstadt. Das Amtsgericht Ingolstadt war daher nicht gehalten, auf bloßen Verdacht hin einen voraussichtlichen Verfahrensbevollmächtigten zum Termin zu laden. Da die Haft damit vom 10.05.2019 bis einschließlich 26.06.2019 dauerte, war diese in Anbetracht der von der Bundespolizei geschilderten Verfahrensdauer verhältnismäßig. Mildere Mittel waren nicht ersichtlich. Die Zustimmung der beteiligten Staatsanwaltschaft lag vor.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
IV.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts stammt aus §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.
Mangels Erfolgsaussicht des Vorbringens war der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen, § 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Verfahrenskostenhilfe war auch nicht aufgrund der Schwierigkeit bislang noch ungeklärter Rechtsfragen zu gewähren. Die EuGH-Entscheidung betrifft ersichtlich nicht die Fälle einer sofortigen Zurückweisung an der Grenzstelle. Die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe durch die Beschwerdekammer ist nicht anfechtbar (Zöller/Geimer, § 127 Rn. 10).