Handels- und Gesellschaftsrecht

Leistungen, Berufung, Beschaffenheitsvereinbarung, Erinnerung, Revision, Vorabentscheidungsersuchen, Leistung, Leistungsphase, Abnahme, Hinweis, Schlussrechnung, Teilklage, Abrechnung, Zulassung, schriftliche Vereinbarung, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  27 U 3253/16 Bau

Datum:
31.1.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164740
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

14 O 933/15 2016-07-15 Urt LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.07.2016, Aktenzeichen 14 O 933/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.07.2016 und die Ausführungen im Hinweis des Senats vom 14.12.2016, S.2, Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren wird beantragt von der Beklagten:
I. Das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu), AZ: 14 O 933/15, vom 15.07.2016 wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
Hilfsweise wird die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landgerichts Kempten beantragt.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.07.2016, Aktenzeichen 14 O 933/15, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Dort wurde – soweit konkrete Rügen zu etwaigen Rechtsverletzungen vorgebracht wurden – auf die Berufungsbegründung bereits erschöpfend eingegangen.
Aufgrund der Stellungnahme der Beklagten vom 25.01.2017 ergibt sich keine veränderte Einschätzung zu den Aussichten der Berufung. Ausführungen zur Stellungnahme sind nur wie folgt veranlasst:
1. Was die Berechnungsgrundlagen für das Honorar der Leistungsphasen 7 bis 9 nach HOAI (2009) anlangt, wird zunächst auf die Ausführungen unter Ziffer 1. des Hinweises verwiesen. Soweit sich die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 27.08.2015 (Bl. 54/60 d. A.) bezieht, kann darin kein substantiierter Vortrag zur Frage von etwaigen Mehrungen gefunden werden. Ein konkretes Bestreiten kann damit nicht konstatiert werden. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 27.08.2015 befassen sich zentral mit der Frage der Wirksamkeit des vereinbarten Pauschalhonorars. Ein konkreter Angriff gegen die Berechnung für die Leistungsphasen 7 bis 9 (Rechnung der Klägerin K 3) findet sich nicht.
Soweit sich dem Schriftsatz vom 27.08.2015 ein (substantiiertes?) Bestreiten von Rechnungspositionen der zusätzlichen Beauftragungen entnehmen lässt, muss in Erinnerung gerufen werden, dass es sich um eine Teilklage handelte und das Landgericht eine Teilforderung in Höhe von 100.000,- € unter Summierung einzelner Rechnungspositionen für begründet erachtete. Über diese Positionen (vgl. Urteil Seite 6 unten/7 oben; Hinweis des Senats S. 2) hinausgehende zusätzliche Beauftragungen etc. sind für die Überprüfung des Urteils im Rahmen der Berufung unmaßgeblich.
2. Zum Argumentationsfeld der unwirksamen Pauschalvereinbarung wegen Mindestsatzunterscheidung bedarf es keines nochmaligen Hinweises der Beklagten dazu, dass unstreitig im Zeitpunkt der Auftragserteilung keine Unterschreitung der Mindestsätze gegeben war. Hiervon ist auch das Landgericht und der Senat im Hinweis ausgegangen. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch Besonderheiten, die bei der Würdigung des Einzelfalles zu berücksichtigen waren, so dass die exorbitante Baukostensteigerung von ca. 2 Mio. € in die Überlegungen zur Frage der Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung einzubeziehen war. Hinsichtlich Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2. im Hinweis verwiesen.
3. Unter Ziffer 3. des Hinweises ist begründet ausgeführt worden, inwiefern vorliegend für die Abrechnung nach Mindestsätzen der HOAI (2009) eine schriftliche Vereinbarung nicht erforderlich war.
4. Hinsichtlich des von der Beklagten reklamierten Vertrauensschutzes wurden die Argumente der Abwägung im Hinweis unter Ziffer 4. dargestellt. Auch unter Ziffer 2. des Hinweises, S. 4, wurde zu den – von der Beklagten beauftragten – von der Fa. I. Gewerbebau GmbH durchgeführten Kostenermittlungen ausgeführt. Die Beklagte war demnach frühzeitig darüber informiert, dass die Schätzung, die nur zur Honorarermittlung für ein Angebot der Planungsleistungen erfolgte (K 2, S. 3), wenig Bestand haben kann.
5. Eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich einer Baukostenobergrenze lag nicht vor. Dass eine Kostenschätzung Vertragsgrundlage sein mag, bedeutet nicht automatisch, dass diese Kostenschätzung auch den Charakter einer Beschaffenheitsvereinbarung haben könnte. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wurde entgegen der Mutmaßung der Beklagten von der Klägerin nicht – und auch nicht nach dem von der Beklagten im Schriftsatz vom 25.01.2007, S. 4, verwendeten Zitat aus der Klage – selbst vorgebracht. Soweit der Senat im Hinweis unter Ziffer 5. ausgeführt hat, dass im Zusammenhang mit der Anlage B 3 eine Täuschung der Klagepartei über zu erwartende Baukosten näher liege als ein Vertrauensverstoß der Klägerin, verweist die Beklagte erneut auf die Anlage B 3 und die dort angefügte Kostenermittlung vom 22.09.2011. Hierbei muss es sich um die von der Klagepartei vorgelegte Kostenermittlung der Fa. I. vom 22.09.2011, endend mit 4.998.481,- € (K 2) handeln. Es gab jedoch – ebenfalls unter dem Datum vom 22.09.2011 – eine weitere Baukostenschätzung der Fa. I. lautend auf 5.636.468,- € (vgl. Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Kempten vom 13.08.2014, 11 O 56/14). Die niedrigere Kostenschätzung (K 2) wurde ausweislich der Seite 3 der Anlage K 2 offensichtlich nur zur Einholung eines Honorarangebots für Planungsleistungen bei der Klägerin erstellt.
6. Hinsichtlich „Abrechnung auf Basis Mindestsätze“ wurde zu dem von der Beklagten wiederholt eingebrachten Argument der Planungssicherheit die Auffassung des Senats unter Ziffer 6. des Hinweises dargelegt.
7. Nachdem vom Senat im Hinweis unter Ziffer 7. zum Berufungsvorbringen unter der Überschrift „VI. Abnahme ?“ ausgeführt worden war, dass es für die Fälligkeit der Architektenvergütung nicht auf die Abnahme, sondern auf die Erbringung der vertragsgemäßen Leistung ankomme, wird erstmals im Schriftsatz vom 25.01.2017 unter der Überschrift „VII. Zur Abnahme“ vorgebracht, dass die vertragsgemäße Leistung der Leistungsphase 9 noch nicht erbracht sei. Diese vertragsgemäße Erbringung der Architektenleistung beginne erst mit Ablauf der 5-jährigen Gewährleistungsfrist. Da die vertragsgemäße Leistung noch nicht erbracht und damit nicht abgenommen sei, sei auch der Schlussrechnungsbetrag noch gar nicht fällig. Ungeachtet der Tatsache, dass auf Leistungen der Leistungsphase 9 hinsichtlich Objektbetreuung und Dokumentation nach Ausführung der Bauleistungen nur ein Prozentsatz von 3% entfällt (vgl. Vertrag 3.3), findet sich in der Berufungsbegründung kein Wort zu fehlenden Leistungen der Leistungsphase 9. Maßgeblich ist allein der Vortrag bzw. der Angriff gegen das Ersturteil im Rahmen der Berufungsbegründungsfrist (vgl. § 520 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2., 3.). In der Berufungsbegründung findet sich weder unter der Überschrift „Abnahme?“ noch im sonstigen Text ein Berufungsangriff unter dem Aspekt, dass eine Fälligkeit der Schlussrechnung an einer fehlenden Leistung scheitern sollte.
8. In der Stellungnahme vom 25.01.2017 bringt die Beklagte erstmals vor, dass die HOAI europarechtswidrig sei. Nach Auffassung der europäischen Kommission sei die HOAI europarechtlich zu beanstanden, da sie als unverhältnismäßiges und nicht gerechtfertigtes Hindernis im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen zu sehen sei. Da die streitgegenständliche Pauschalvereinbarung nur unwirksam sein könne, wenn die HOAI Bestand habe, sei ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH erforderlich.
Der Senat hält weder ein Vorabentscheidungsersuchen noch die Zulassung der Revision für erforderlich. Der Senat sieht keinen Ansatz dafür, dass die HOAI europarechtswidrig sei. Im Übrigen geht der Gedankengang der Beklagten fehl. Ansatzpunkt für die vorgebliche Europarechtswidrigkeit ist die Dienstleistungsfreiheit im europäischen Raum. Vorliegend sind nur Architektenleistungen im Inland betroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.

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