IT- und Medienrecht

Anscheinsbeweis für Kartellbefangenheit

Aktenzeichen  37 O 24526/14

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132320
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 33 Abs. 5
BGB § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1
UmwG § 133 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Anscheinsbeweis für Kartellbefangenheit: Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt vor, wenn die Absprachen der Kartellanten einen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Bereich umfassen und sich der konkrete Beschaffungsvorgang hierzu nahtlos einfügen lässt. Unter diesen Voraussetzungen spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um ein kartellbefangenes Geschäft handelt. (Rn. 60)
2. Die Verjährungsvorschrift des § 33 Abs. 5 GWB ist auch auf diejenigen Schadensersatzansprüche anzuwenden, die zum 01.07.2005 noch nicht verjährt sind und das kartellbehördliche Verfahren erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde. Dies entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach den Geschädigten gerade ermöglicht werden soll, den Ausgang eines kartellrechtlichen Verfahrens abzuwarten. (Rn. 102)
3. Kartellanten sind zum Ersatz des aus einem Kartellverstoß entstehenden Schadens nach § 33 Abs. 1 GWB a.F. bzw. § 33 Abs. 3 S. 1 GWB n.F. verpflichtet und ein solcher Schaden kann auch in einer kartellbedingten Preiserhöhung begründet sein (sog. Preisschirmeffekt). Ob die Kartellanten für Einkäufe bei Kartellaußenseiter aufgrund eines “umbrella pricing” haften, hängt von den jeweiligen Umständen hab. Erforderlich ist, dass die Anspruchsteller zu den Preisen der jeweiligen Produkten auch in Bezug auf die jeweiligen Zeitpunkte der Einkäufe sowie zur Marktabdeckung näheres darlegen müssen. (Rn. 114 – 115)

Gründe

Über die zulässige Klage entscheidet die Kammer im Wege eines eingeschränkten Teilgrundurteils über die Beschaffungsvorgänge der Klägerin bei den Kartellanten und weist die Klage im Übrigen (Teilendurteil) bezüglich der Beschaffungsvorgänge bei Nichtkartellanten ab.
A.
Die Klage ist zulässig.
Der Einwand der Beklagtenseite, es mangele an einer wirksamen Klageerhebung nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da der Klagegrund nicht hinreichend bestimmt sei, geht fehl. Die Klägerin macht den Schaden aus konkret von ihr bezeichneten Aufträgen geltend, die sie bezahlt habe. Der Klagegrund ist damit ausreichend bestimmt angegeben.
Auch der Einwand der Beklagtenseite, es lägen Alternativbegründungen dahingehend vor, der Anspruch werde auf eigene Schadensersatzansprüche oder abgetretene gestützt, ist unbehelflich. Die Klägerin hat klargestellt, dass auf abgetretene Schadensersatzansprüche von Zuwendungsgebern an die Klägerin die Klage nur in zweiter Linie gestützt wird (Bl. 359 d.A.).
B.
Betreffend der Beschaffungsvorgänge 1 bis 5 entscheidet die Kammer gem. § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab. Der Klägerin steht gemäß § 33 Abs. 1 GWB a.F. (in der vom 01.01.1999 bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung) i.V. m. § 1 GWB sowie § 33 Abs. 3, 4 GWB n.F. dem Grunde nach für die Beschaffungsvorgänge mit den Beklagten ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch zu. Die anspruchsbegründenden Tatsachen liegen vor, die Einwendungen der Beklagten und die Einrede der Verjährung haben keinen Erfolg.
I.
Die Kammer macht aus Gründen der Verfahrensökonomie von der Möglichkeit eines Grundurteils Gebrauch. Es dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Prozesses. § 304 ZPO setzt neben einer zulässigen Klage einen bezifferten Anspruch voraus, der nach Grund und Betrag streitig ist sowie dass der Streit über den Grund entscheidungsreif ist. Dies ist – bezogen auf die Beschaffungsvorgänge von Oberbaumaterialien durch die Klägerin bei den Kartellanten – der Fall. Da die Höhe des Schadensersatzanspruches ohne eine Beweisaufnahme nach derzeitigem Stand nicht bestimmt werden kann, erachtet die Kammer die Vorabentscheidung über den Grund als sachgerecht.
Soweit die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche auf eine vertraglich vereinbarte Schadensersatzpauschale stützt, versteht die Kammer diesen Streitgegenstand als Hilfsantrag für den Fall, dass der gesetzliche Schadensersatzanspruch verneint würde. Ausführungen hierzu sind daher diesbezüglich derzeit nicht veranlasst.
II.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen des § 33 Abs. 1 GWB a.F. i.V.m. § 1 GWB für die Vorgänge vor dem 01.07.2005 und gem. § 33 Abs. 3, 4 GWB n.F. für die Vorgänge danach liegen vor, da die Beklagten für die durch das sog. Schienenkartell entstandenen Schäden haften.
Die anspruchsbegründenden Tatsachen einschließlich der aktiven und passiven Sachbefugnis waren zu bejahen.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da sie die Beschaffungsvorgänge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchgeführt hat. Der geltend gemachte Schaden ist bei der Klägerin, die die Zahlungen geleistet hat, eingetreten.
Dem steht nicht entgegen der Einwand der Beklagten betreffend die Zuwendungen durch den Freistaat. Ob der Schaden durch die Zuwendungen ausgeglichen wurde, ist eine Frage der Vorteilsanrechnung und keine der Aktivlegitimation. Voraussetzung einer Vorteilsanrechnung ist in tatsächlicher Hinsicht ein adäquater Zusammenhang zwischen den schädigenden Ereignis und dem Vorteil. Normativ muss die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen (Pieneberg im Palandt BGB, 75. Auflage vor § 249 Rn. 68). Letzteres ist zu verneinen (vgl. Ziffer II 5.3 am Ende).
2. Die Beklagten sind passivlegitimiert.
2.1 Die Beklagten zu 1), sowie 3) bis 7) sind am Kartell beteiligt und haften daher für die diesbezüglichen Schadensersatzpflichten als Gesamtschuldner gemäß § 33 Abs. 1 GWB a.F., §§ 1, 33 Abs. 3 S. 1 GWB, §§ 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB.
2.2 Die Haftung der Beklagten zu 2) beruht auf § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG. Hiernach haften für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind, die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner. Die Beklagte zu 2) erwarb im Jahr 2010 im Wege einer Umwandlung durch Abspaltung als Gesamtrechtsnachfolgerin den Geschäftsbereich Gleisbau von der Beklagten zu 1). Damit haftet sie mit der Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin.
3. Die Kartellanten haben betreffend der streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge der Klägerin mit ihnen gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen (§ 1 GWB) verstoßen.
Hiernach sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
Die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen 1 bis 5 sind kartellbefangen, da ihnen jedenfalls aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zugrunde liegen, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und bewirken.
3.1 Die Kammer geht davon aus, dass der Beschaffungsvorgang 1, ein Auftrag der Klägerin vom 13.09.2001 an die S6. GmbH, die Anfang 2011 mit der Beklagten zu 1) verschmolzen ist, und Weichen betraf, von den Kartellabsprachen betroffen war.
Diese Überzeugung beruht auf einem Anscheinsbeweis.
Die Rechtsgrundsätze zum Anscheinsbeweis dürfen nur herangezogen werden, wenn sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt (vgl. OLG München, Urteil vom 22.02.2008, Az: 10 U 4455/07, Rn. 36).
Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt vor, wenn die Absprachen der Kartellanten einen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Bereich umfassen und sich der konkrete Beschaffungsvorgang hierzu nahtlos einfügen lässt.
Unter diesen Voraussetzungen spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um ein kartellbefangenes Geschäft handelt.
Die Klägerin hat zum Vorliegen eines Kartells unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes vorgetragen. Die von der Klägerin vorgetragenen kartellrechtwidrigen Absprachen in Bezug auf Ausschreibungen, Anfragen und Projekte über Oberbaumaterialien, u.a. Weichen sind von den Beklagten nicht bestritten worden und stehen im Übrigen in Bezug auf die Beklagten zu 1), zu 3) und zu 5) aufgrund der gegen sie verhängten Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes vom 18.07.2013 gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest.
Zwar wendet die Beklagtenseite ein, der Vortrag der Klägerin sei zu unsubstantiiert. Dem folgt die Kammer jedoch nicht, da ausreichende Umstände und Vorgänge beschrieben werden, die die entsprechenden Tatsachenfeststellungen ermöglichen.
Hiernach praktizierten von 2001 bis Mai 2011 Hersteller von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten und Kundenschutzabsprachen.
Im Bereich Weichen wurden die Aufträge bis Ende 2008 vor allem im Rahmen von Sitzungen des Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. innerhalb des Verbandes der Bahnindustrie abgesprochen. Beteiligt waren hierbei neben der Beklagten zu 1) u.a. das Unternehmen der Beklagten zu 3). An der Absprache beteiligt waren die Leiter der regionalen Verkaufsbüros, die regional zuständigen Vertriebsleiter, die Vertriebsverantwortlichen bzw. die Geschäftsführer der beteiligten Unternehmen. Hierbei dienten die Sitzungen des Arbeitskreises Marketing bzw. des Verbandes der Bahnindustrie als Plattform für die regelmäßigen Projektabsprachen 5 bis 8 Mal pro Jahr. Nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 und der Überführung unter das institutionelle Dach des Verbandes der Bahnindustrie existierte dort ein Nachfolgegremium. Insgesamt war der Teilnehmerkreis über die Jahre weitgehend unverändert.
Der streitgegenständliche Beschaffungsvorgang für Weichen vom 13.09.2001 fügt sich in sächlicher und zeitlicher Hinsicht damit in die Absprachen ein. Auch liegt ein räumlicher Bezug vor. Die Absprachen erfolgten deutschlandweit, wobei die Beklagte zu 1) nur regional an den Absprachen teilgenommen hat. Da sie den streitgegenständlichen Auftrag erhalten hat, besteht auch ein räumlicher Zusammenhang.
Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagtenseite nicht zu erschüttern vermocht.
3.2 Auch der Beschaffungsvorgang 2, eine Auftragserteilung für 4 Weichen vom 04.12.2002 an die Beklagte zu 3 ist kartellbefangen.
Er fügt sich sächlich, räumlich und zeitlich nahtlos in die dargestellten Absprachen ein. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die Ausführungen der Beklagten zu 3), eine Kartellbefangenheit liege bei Direktvergabe ohne vorherige Ausschreibung nicht vor, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Die Beklagte zu 3) führt hierzu den an sie erteilten Auftrag (Beschaffungsvorgang 2) an. Nach den von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Angebot der Beklagten zu 3) hierzu (Anlage K BT 2) handelte es sich jedoch um eine öffentliche Ausschreibung. Dem Einwand fehlt daher jegliche tatsächliche Grundlage.
3.3 Die Beschaffungsvorgänge 3 und 4, Aufträge vom 08.03.2005 und vom 30.10.2008 an die Beklagte zu 3, die ebenfalls Weichen betreffen, waren ebenfalls Gegenstand von Kartellabsprachen.
Dies hat die Beklagte zu 1) bestätigt (Bl. 288 d.A.) und auch die Beklagten zu 3) hat dies eingeräumt (Bl. 532, 533 d.A.).
3.4 Auch der Beschaffungsvorgang 5 betreffend einen Auftrag vom 17.11.2008 für Schienen an die Beklagte zu 4) ist kartellbefangen.
An den wettbewerbsrelevanten Absprachen im Bereich Schienen und Schwellen waren die Beklagten zu 4), zu 7) sowie zu 3) bundesweit beteiligt, die Beklagte zu 1) regional. Da die Beklagte zu 1 auch von der Klägerin beauftragt worden war (Beschaffungsvorgang 1), bejaht die Kammer in regionaler Hinsicht eine Beteiligung der Beklagten zu 1).
Für den Bereich Schienen wurde spätestens Ende 2007 zwischen der Beklagten zu 3) und weiteren Kartellanten für den Privatmarkt vereinbart, dass über die beiden voestalpine Werke eine gezielte Zuweisung von Projekten an die Beklagte zu 3) bzw. die Beklagte zu 4) erfolgen solle. Es wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass die Beklagte zu 3) 60% der schienenbezogenen Aufträge zugewiesen werden sollen und die Beklagte zu 4) 40%. Diese Aufteilung wurde auf dem Treffen am 08.05.2008 bei der TSTG in Duisburg festgelegt. Betroffen von dieser Absprache waren Schienenprojekte zumindest ab einer Größenordnung von circa 100 Tonnen.
Der Beschaffungsvorgang 5 betraf gerade einen Schienenauftrag über 405 Tonnen vom 17.11.2008 an die Beklagte zu 4 und fügt sich daher nahtlos in die geschilderte Absprache ein.
4. Die Beklagten haften für diese Verstöße gegen das Kartellverbot. Betreffend der Vorgänge bis zum 30.06.2005 folgt dies aus § 33 Abs. 1 GWB in der vom 01.01.1999 bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung, da das Kartellverbot des § 1 GWB den Schutz anderer bezweckt. Derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine solche Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt, ist zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. Für den Zeitraum ab 01.07.2005 begründet § 33 Abs. 3 S. 1 GWB i.V. mit § 33 Abs. 1 S. 1 GWB in der durch die 7. GWB-Novelle geltenden Fassung die Anspruchsgrundlage. Hiernach genügt ein Verstoß gegen die Vorschriften des GWB. Hierzu genügt ein vorsätzlicher sowie fahrlässiger Verstoß. Die Beklagten haften, da sie schuldhaft gehandelt haben.
5. Die Kammer geht auch von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aus. Die Schadensersatzpflicht des § 33 Abs. 1 S. 1 GWB setzt voraus, dass bei der Klägerin zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden in irgendeiner Höhe eingetreten ist, da der Schaden zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört (vgl. Vollkommer, aaO, § 304 Rn. 6). Die erforderliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass irgendein Schaden entstanden ist, war zu bejahen. Insoweit gilt die Erleichterung nach § 287 ZPO (Vollkommer, aaO).
5.1 Der Klägerin kommen die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu Gute, so dass die Kammer von einer Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ausgeht.
Grundlage des Anscheinsbeweises sind besonders zuverlässige Sätze der Lebenserfahrung, nach denen aus bestimmten Ursachen in aller Regel bestimmte Wirkungen hervorgehen und umgekehrt bestimmte Wirkungen auf bestimmte Ursachen rückschließen lassen (LG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2015, Az: 14d O 4/14, Rn. 194, juris m.w.N.) Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein, dass sich aus ihnen der Rückschluss auf die zu beweisende Behauptung aufdrängt (vgl. ebenda).
Ein Quotenkartell hat typischerweise wettbewerbsbeschränkende Effekte (KG Berlin, Urteil vom 01. Oktober 2009, Az: 2 U 17/03 Kart, Rn. 57 laut juris). Denn der einzelne Anbieter hat auf Grund des Quotenkartells – im Vergleich zur wettbewerbsmäßigen Situation – (1.) einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise, weil er sich durch die Preissenkung ohnehin keine zusätzlichen Marktanteile erschließen kann, und (2.) größere Möglichkeit, seine Preise zu erhöhen, weil er nicht Gefahr läuft, durch die Preiserhöhung Marktanteile an seine Wettbewerber zu verlieren (KG Berlin, Urteil vom 01. Oktober 2009, Az: 2 U 17/03 Kart, Rn. 58, juris).
Diese für ein Quotenkartell und damit für den Beschaffungsvorgang 5 zutreffende typisierte Geschehensablauf ist auch auf die Absprachepraxis bei den Weichen (=Beschaffungsvorgänge 1 bis 4) übertragbar.
Die generelle Eignung eines Kartells, für seine Mitglieder wirtschaftliche Vorteile entstehen zu lassen, folgt daraus, daß die beteiligten Unternehmen durch die Festlegung bestimmter Quoten der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb am Markt zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen, was regelmäßig über die von ihnen angebotenen Preise erfolgt. Wird den beteiligten Unternehmen von vornherein eine fest umrissene Quote zugedacht, können die Marktmechanismen keine Wirkung entfalten. Damit wird grundsätzlich der Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft gesetzt. Deshalb liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise höher liegen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise. Das Unternehmen, das aufgrund der ihm eingeräumten Quote nicht im Wettbewerb bestehen muss, wird regelmäßig seine Preissenkungsspielräume nicht nutzen. Die Bildung eines Kartells und seine Durchführung indizieren daher, dass den Beteiligten hieraus auch jeweils ein Vorteil erwächst. Unternehmen bilden derartige Kartelle, um keine Preissenkung vornehmen und damit auch keine Gewinnschmälerung hinnehmen zu müssen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen regelmäßig eine Kartellrendite entstehen. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt sonst erzielbare Preise erbringt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005, Az: KRB 2/05, Rn. 20, juris m.w.N.).
Dieser typische Geschehensablauf liegt auch bei einem Stammkundensystem vor, wenn zwischen den Kartellanten einer als Spielführer agiert und sich danach die Verteilung der Aufträge richtet. Die mit Kartellen bezweckte Angebotsbeschränkung, Marktaufteilung oder Preisanhebung wirkt sich regelmäßig in Form von höheren Preisen aus (BGH, ORWI, Urteil vom 28.06.2011, KZR 75/10, Rn. 26 lt. juris m.w.N.). Wie vom Bundeskartellamt ausgeführt oblag es dem „führenden Unternehmen“, den teilnehmenden Unternehmen die Preise zu nennen, die diese kommunizieren sollten. Auch mit einer solchen Vorgehensweise wird der Preiswettbewerb daher weitgehend außer Kraft gesetzt.
5.2 Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagtenseite nicht erschüttert.
Auch wenn man die von der Beklagten zu 1) dargelegte Motivation ihrerseits zu ihrer Kartellbeteiligung als wahr unterstellt, steht dies der Annahme einer durch die Absprachen bedingten Preiserhöhung nicht entgegen.
Der Vortrag, ein Schaden sei deshalb ausgeschlossen, weil die in dem klägerischen Gutachten angegebenen Nachkartellpreise teilweise höher als die angeblichen Kartellpreise seien, steht dem nicht entgegen. Aus dem Gutachten, dessen Rohdaten weder den Beklagten noch dem Gericht bekannt sind, lassen sich insoweit keine unstreitigen Tatsachen ableiten, die der Annahme eines typischen Geschehensablaufs entgegenstehen. Aus welchen Gründen die Preise höher sind, ist für die Kammer nicht dargelegt und erkennbar. Da für die Preisbildung neben einem potentiellen Wegfall eines Kartellaufschlags verschiedene Faktoren in Betracht kommen, vermag ein solcher Umstand den Anscheinsbeweis nicht zu erschüttern.
5.3 Auch die weiteren Einwände der Beklagtenseite gegen die Annahme, ein Schaden sei eingetreten, fruchten nicht.
Dem Einwand der Beklagten zu 3), der Klägerin könne bei dem europaweit ausgeschriebenen Beschaffungsvorgang 4 kein Schaden entstanden sei, da es ihr auf dem europäischen Wettbewerbsmarkt nicht möglich war, ein günstigeres Angebot als das ihre einzuholen, ist ohne Erfolg. Darlegungen zu den europäischen Marktverhältnissen fehlen ebenso wie Ausführungen, welche europäischen Wettbewerber für die Münchner Ausschreibungen überhaupt in Betracht kommen könnten.
Der Ansicht der Beklagten zu 3), die Klägerin habe keine Vermögenseinbußen erlitten, da die Beschaffungsvorgänge öffentliche Förderungen erhalten haben, folgt die Kammer nicht. Voraussetzung einer Vorteilsanrechnung ist neben einem adäquatem Zusammenhang auch eine normative Komponente. Hiernach muss die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen (vgl. BGH, ORWI, Urteil vom 28.06.2011, KZR 75/10 Rn. 58 lt juris). Zuwendungen der öffentlichen Hand, die der Finanzierung von Anschaffungen dienen, bezwecken nicht den Ausgleich kartellwidriger Preiserhöhungen. Eine Anrechnung scheidet unter normativen Gesichtspunkten daher aus.
III.
Auch haben die Einwendungen der Beklagten sowie die Einrede der Verjährung keinen Erfolg.
1. Soweit die Beklagten einwenden, dass der Klägerin ein Mitverschulden vorzuwerfen sei, ist dies unbehelflich. Zwar kann gem. § 254 BGB zu einer geminderten Schadensersatzpflicht führen, das bei der Entscheidung über den Grund des Anspruches mit zu berücksichtigen wäre (vgl. Vollkommer, aaO, § 304 Rn. 8). Die Voraussetzungen liegen jedoch angesichts der erfolgten Ausschreibungen nicht vor.
2. Der Einwand der Beklagtenseite zu einer „Passing –On Defence“ hat keinen Erfolg. Zwar scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin im Wege der Vorteilsausgleichung aus, wenn sie kartellbedingte Preisaufschläge an ihre Kunden weitergegeben hat.
Eine entsprechende Weitergabe hätte die Beklagtenseite jedoch auch darlegen müssen. Wie die Klägerin die Kosten aus den streitgegenständlichen Einkäufen weitergibt, wird nicht konkret vorgetragen. Allein der Umstand, dass die Klägerin Alleingesellschafterin der S7. M1. GmbH ist und diese die Muttergesellschaft der Münchener Verkehrsbetriebe GmbH (MVG), lässt nicht erkennen, welche Auswirkungen die Kosten aus den streitgegenständlichen Einkäufen haben. Dass kartellbedingte Preiserhöhungen der Grund für die Anhebung der Fahrpreise im Verbundgebiet der MVV seien, vermag die Kammer daher nicht zu Grunde zu legen.
Die Beklagte zu 3) führt hierzu nichts ausreichend Konkretes aus. Auch die Ausführungen der Beklagten zu 4 bis 7, dass der vermeintlich entstandene Schaden über die Tochterunternehmen der Klägerin auf die Passagiere abgewälzt wurden, enthalten keine hinreichend konkreten Tatsachen hierzu.
Im Übrigen gelten insoweit strenge Anforderungen an die Darlegungslast: Um erfolgversprechend eine Vorteilsausgleichung geltend zu machen, muss der beklagte Kartellteilnehmer anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel dazu vortragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt. Weiter ist darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen, dass der Weiterwälzung keine Nachteile des Abnehmers gegenüberstehen, insbesondere kein Nachfragerückgang, durch den die Preiserhöhung (ganz oder teilweise) kompensiert worden ist. Der Kartellteilnehmer hat auch darzulegen, wie sich gegebenenfalls eigene Wertschöpfungsanteile des weiterverkaufenden Abnehmers auf den Vorteilsausgleich auswirken. Soweit sich Preiserhöhungen auf den eigenen Wertschöpfungsanteil des Weiterverkäufers beziehen, können sie nicht als kartellbedingt angesehen werden (so BGH, ORWI, aaO, Rn. 69).
3. Die Einrede der Verjährung hat keinen Erfolg.
Die dreijährige Verjährungszeit gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge keine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenen Umständen hatte, sondern erst nach dem vom Bundeskartellamt geführten Verfahren Kenntnis von dem Schienenkartell hatte.
Die nach § 199 Abs. 3 BGB geltende 10-jährige Verjährungsfrist ist nicht abgelaufen.
Die zeitlich erste Schlussabrechnung der streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge war am 13.03.2002.
Durch die Einleitung des Bußgeldverfahrens gegen die Beklagten durch das Bundeskartellamt spätestens Anfang 2011 wurde die Verjährung gem. § 33 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 GWB gehemmt.
Dieser ist entgegen der Ansicht der Beklagtenseite auch anwendbar. Zwar meint die Beklagtenseite, die durch die 7. GWB-Novelle neu geschaffene Vorschrift des § 33 Abs. 5 GWB 2005, die eine Hemmung der Verjährung in Bezug auf Schadensersatzansprüche nach § 33 Abs. 3 S. 1 GWB 2005 für die Dauer eines Kartellbußgeldverfahrens vorsieht, sei auf Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Kartellverstößen unanwendbar, die vor Inkrafttreten des § 33 Abs. 5 GWB am 1.Juli 2005 begangen wurden. Dieser Ansicht folgt die Kammer nicht. Insbesondere folgt dies nicht aus der ORWI-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, ORWI, Urteil vom 28.06.2011, Az: KZR 75/10). Die Vorschrift des § 33 Abs. 5 GWB ist vielmehr auf diejenigen Schadensersatzansprüche anzuwenden, die zum 01.07.2005 noch nicht verjährt sind und das kartellbehördliche Verfahren erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde. Dies entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach den Geschädigten gerade ermöglicht werden soll, den Ausgang eines kartellrechtlichen Verfahrens abzuwarten.
Diese Hemmung endete frühestens 6 Monate nach dem Erlass der Bußgeldbescheide vom 18.07.2013 gegen die Beklagtenseite, d.h. nicht vor dem 18.1.2014. Zu diesem Zeitpunkt war noch ein Jahr der Verjährungsfrist nicht abgelaufen.
Die am 19.12.2014 eingereichte Klage, die im Februar 2015 nach Einzahlung des Kostenvorschusses an die Beklagten zugestellt wurde, verhinderte damit den Eintritt der Verjährung.
C.
Im Übrigen war durch Teilurteil die Klage bezüglich der Beschaffungsvorgänge 6 bis 10 abzuweisen.
I.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO liegen vor.
Es ist in Verbindung mit einem Grundurteil möglich (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 304 Rn. 1 m.w.N.).
Zwar hat die Klägerin ihre Klage betragsmäßig zusammengefasst. Bei der auf zehn verschiedene Beschaffungsvorgänge gestützten Klage geht es jedoch um zehn verschiedene Streitgegenstände, so dass insoweit eine getrennte Aburteilung erfolgen konnte.
Die Gefahr widersprechender Entscheidungen ist zu verneinen. Auch wenn ein kartellbedingter Preisaufschlag, wie ihn die Klägerin behauptet, als Schaden infolge eines potentiellen Sachverständigengutachtens festgestellt werden kann, führt dies nicht zur Bejahung eines Preisschirmeffekts.
II.
Die Klägerin konnte im Gegensatz zu den anderen Beschaffungsvorgängen eine Kartellbefangenheit der Beschaffungsvorgänge 6 – 10 nicht begründen, da diesen Vertragsbeziehungen keine Absprachen mit Kartellanten, sondern Angebote von Nichtkartellanten zu Grunde lagen.
III.
Auch eine Schadensersatzverpflichtung aufgrund einer kartellbedingten Preiserhöhung bei diesen Beschaffungsvorgängen aufgrund von Preisschirmeffekten vermochte die Klägerin nicht ausreichend darzulegen.
1. Zwar sind Kartellanten zum Ersatz des aus einem Kartellverstoß entstehenden Schadens nach § 33 Abs. 1 GWB a.F. bzw. § 33 Abs. 3 S. 1 GWB n.F. verpflichtet und ein solcher Schaden kann auch in einer kartellbedingten Preiserhöhung begründet sein (sog. Preisschirmeffekt).
Die klägerischen Darlegungen vermögen jedoch auch nach entsprechenden Hinweisen der Kammer eine solche haftungsbegründende Kausalität nicht zu begründen, da eine Beeinflussung der Kartellaußenseiter durch die Preise der Kartellanten nicht dargelegt wurde.
Gelingt es einem Kartell, den Preis für bestimmte Produkte künstlich hoch zu halten, und sind bestimmte Marktbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Art des Produkts oder der Größe des von diesem Kartell erfassten Marktes, erfüllt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das nicht am Kartell beteiligte konkurrierende Unternehmen entschließt, den Preis für sein Angebot höher festzusetzen, als es dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen, d. h. ohne das Kartell, getan hätte (EuGH, Kone, Urteil vom 05.06.2014, Az: C 557/12, Rn. 29 lt. juris). In einem solchen Kontext ist jedoch festzustellen, dass der Kartellaußenseiter seine Entscheidung über die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als eine völlig autonome Entscheidung anzusehen ist, unter Bezugnahme auf einen Marktpreis treffen konnte, der durch dieses Kartell verfälscht worden und damit wettbewerbswidrig war (EuGH, Kone, Rn. 30). Folglich gehört die Schädigung des Kunden eines nicht an einem Kartell beteiligten, aber von den wirtschaftlichen Bedingungen des „umbrella pricing“ profitierenden Unternehmens durch einen Angebotspreis, der höher ist, als er es ohne dieses Kartell gewesen wäre, zu den möglichen Folgen des Kartells, die den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben können.
Daher kann ein durch das „umbrella pricing“ Geschädigter den Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, obwohl er insoweit keine vertraglichen Beziehungen zu ihnen hatte, wenn erwiesen ist, dass dieses Kartell nach den Umständen des konkreten Falles und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Marktes ein „umbrella pricing“ durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten (EuGH, Kone, Rn. 34).
2. Die Klägerin hat die hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein „umbrella pricing“ für die Beschaffungsvorgänge 6 und 7 nicht ausreichend dargelegt.
Hierzu hätte sie zu den Preisen der jeweiligen Produkten auch in Bezug auf die jeweiligen Zeitpunkte sowie zur Marktabdeckung näheres darlegen müssen, worauf die Kammer auch am Ende der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2016 hingewiesen hat.
Dieser Darlegungslast ist der Kläger nicht nachgekommen.
Die Klägerin hat einen kartellfreien Marktpreis für Vignolschienen weder für die Auftragserteilung vom 13.09.2001 noch für die Auftragserteilung vom 08.03.2005 benannt und auch keine konkreten Tatsachen hierzu benannt, um schlüssig einen Marktpreis, der bei einem funktionierenden Wettbewerb vorliegen würde, für den Zeitpunkt der Beschaffungsvorgänge 2001 und 2005 zu bestimmen. Ferner hat sie keine hinreichenden Tatsachen dargetan, die auf eine kartellbedingte Erhöhung des Marktpreises im Jahr 2001 und 2005 für Vignolschienen schließen lassen.
Insoweit ist nicht ersichtlich, dass die von den Kartellaußenseitern der Klägerin unterbreiteten Preise kartellbedingt erhöht waren. Ein typischer Geschehensablauf dahingehend, dass die von Kartellanten bestimmten Preise von den Kartellaußenseitern übernommen werden, liegt nicht vor.
Da die auf Schienen bezogenen Absprachen wie dargelegt auf Vereinbarungen „spätestens Ende 2007“ beruhten, ist schon nicht erkennbar, welches Ausmaß in den maßgeblichen Jahren 2001 und 2005 wettbewerbsbeschränkende Absprachen für Vignolschienen hatten. Zwar erwähnt die Klägerin eine kartellrechtswidrige Vertriebsvereinbarung im Jahr 2001 zwischen der Beklagten zu 3) und der Beklagten zu 4). Welche Auswirkungen diese Vereinbarung zu welchem Zeitpunkt auf den Wettbewerb und die anderen Mitbewerber hatte, ist jedoch nicht dargelegt. Wann der avisierte Marktanteil von über 90% erreicht worden sein soll, ist nicht dargelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Marktgröße die Kartellanten im Schienenbereich in den maßgeblichen Jahren 2001 und 2005 hatten, zumal bei den streitgegenständlichen Schienenaufträgen (Beschaffungsvorgänge 5 – 7) erst der Auftrag vom 17.11.2008 an die am Kartell beteiligte Beklagte zu 4 ging.
Soweit die Klägerin pauschal ausführt, dass die Lieferanten, die nicht am Kartell beteiligt waren, ihrerseits die Oberbaumaterialien von Kartellanten bzw. zu kartellbedingt überhöhten Konditionen beschafften, hat sie hierzu keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen.
Marktbedingungen, die auf eine allgemeine Preiserhöhung schließen lassen könnten, sind daher nicht dargelegt.
Hinzu kommt, dass bei dem Beschaffungsvorgang 6 aus dem Jahr 2001 für Vignolschienen das Angebot des beauftragten Nichtkartellanten 14% niedriger ist als das Bieterangebot des nächstgelegenen Kartellanten. Da die Klägerin für Vignolschienen einen kartellbedingten Preisaufschlag von 10,7% behauptet, würde auch bei einer entsprechenden Wahrunterstellung einer kartellbedingten Preiserhöhung der Umbrella-Effekt gerade nicht bestehen. Liegt nämlich der Kartellaußenseiter mit seinem Angebot unter dem kartellbedingten Preisaufschlag, so hat er sich gerade nicht an den Kartellpreisen orientiert und beeinflussen lassen.
Auch für den Beschaffungsvorgang 7 aus dem Jahr 2005 für Vignolschienen vermochte die Klägerin trotz des gerichtlichen Hinweises keine Anhaltspunkte aufzeigen, die einen Preisschirmeffekt begründen könnten. So ist in dem von der Klägerin vorgelegten IAW-Gutachten (Anlage K 10, S. 74) ein kartellbedingter Preis von 68,04 €/Meter Vignolschiene angegeben und ein Nachkartellpreis von 62,41 €. Angesichts der im klägerischen Schriftsatz vom 27.05.2016 bezeichneten Lieferung von 7.800 Metern Vignolschienen liegt dem erteilten Auftrag über 342.489,84 € brutto ein bei weitem niedriger Meterpreis zugrunde. Damit liegt der Kartellaußenseiter nach den von der Klägerin gemachten Angaben sogar unter dem Marktpreis. Vor diesem Hintergrund kann daher nicht von einem Preisschirmeffekt ausgegangen werden.
3. Die Klägerin hat auch eine Möglichkeit für ein solches „umbrella pricing“ für die Beschaffungsvorgänge 8 bis 10 nicht ausreichend dargelegt.
Die Aufträge für Kiefernholzschwellen in den Jahren 2001, 2005 und 2008 gingen allesamt an Kartellaußenseiter.
Für den Schwellenbereich hat die Klägerin keine konkreten Tatsachen vorgetragen, in welcher Form, und in welchem Umfang hier Absprachen getroffen wurden. Mangels Darlegung von Marktbedingungen hierzu ist nicht ersichtlich, ob Kartellaußenseiter, die bei den streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen bei Kiefernholzschwellen durchgängig zum Zuge kamen, bei der Bestimmung ihrer Angebotspreise durch das Schienenkartell beeinflusst worden wären.
Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, welche Marktbedingungen für Holz-Schwellen 2001, 2005 und 2008 herrschten, wie viele der Kartellanten in dem Holz-Schwellen-Bereich tätig waren und wie viele Kartellaußenseiter neben den beiden streitgegenständlichen Ausschreibungsgewinnern noch auf dem Markt sich befanden.
Auch nach dem vorgelegten Gutachten gab es für Holzschwellen keine signifikanten Ergebnisse (vgl. Anlage K 10, S. 113).
Eine kartellbedingte Preiserhöhung ist somit nicht schlüssig dargelegt.
4. Auch der Verweis der Klägerin auf ein aktuelles Urteil des LG Hannover vom 05.07.2016, Az: 18 O 405/14, S. 19 verfängt nicht.
Soweit dort eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bejaht wird, dass Beschaffungsvorgänge bei Nicht-Kartellanten von dem Kartellrechtsverstoß beeinflusst waren, trifft dies für die hier streitgegenständlichen Umstände nicht zu. Der dortige Preisschirmeffekt wird wie folgt beschrieben: „Soweit aufgrund von kartellbedingten Preiserhöhungen bisherige Kartellkunden auf Kartellaußenseiter ausweichen, weil dort niedrigere Preise sind, steigt dort die Nachfrage, und die typische und damit vorhersehbare Folge ist, dass auch Kartellaußenseiter ihre Preise erhöhen.“
Weder für die Beschaffung von Vignolschienen noch für die von Kiefernschwellen war die Klägerin ausweislich ihrer eigenen Beschreibung der Beschaffungsvorgänge zunächst Kartellkunde, so dass die beschriebene Situation – ein Ausweichen auf Kartellaußenseiter – gerade nicht übertragbar ist.

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