IT- und Medienrecht

Anspruch auf Informationsgewährung

Aktenzeichen  Au 1 K 19.242

Datum:
30.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 12743
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 S. 1 Nr. 2a, Nr. 2c
VIG § 4 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 4
VIG § 5 Abs. 5 S. 1
VIG § 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1 § 3 S. 1 Nr. 2 VIG ist eine drittschützende Norm. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 40 LFBG ist keine ggü. § 2 Abs. 1 VIG vorrangige Norm. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Regelungen des VIG sind verfassungskonform; insb. sind sie mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Ebenso verstoßen sie nicht gegen Unionsrecht. (Rn. 27) (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei der Bestimmtheitsanforderung des § 4 Abs. 1 S. 2 VIG ist zu berücksichtigen, dass ein Antragsteller im Voraus nicht wissen kann, welche konkreten Informationen bei der auskunftspflichtigen Stelle vorliegen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
5 Eine zulässige Abweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a), b) und c) VIG setzt nicht voraus, dass sie durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt worden ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
6 § 4 Abs. 4 S. 1 VIG ist keine drittschützende Norm. Sie schützt allein das allgemeine Interesse an einer funktionierenden Verwaltung. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2019, mit dem einem Antrag des Beigeladenen auf Gewährung von Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz über den Gaststättenbetrieb der Klägerin stattgegeben wurde.
2. Die Klage ist als Drittanfechtungsklage zulässig.
a) Die Klägerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Adressat des angegriffenen Bescheids ist zwar nicht die Klägerin, sondern der Beigeladene, jedoch kann die Klägerin auf der Grundlage ihres Klagevorbringens die mögliche Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG sieht nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch den Schutz privater Belange vor. Nach dieser Vorschrift entfällt der Anspruch auf Informationsgewährung, wenn die dort aufgezählten Belange berührt werden. Es besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass die Veröffentlichung von Informationen über (inzwischen beseitigte) Mängel im Betrieb der Klägerin zu einer Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Art. 12 Abs. 1 GG führt (vgl. VG Regensburg, B.v. 15.3.2019 – RN 5 S 19.189 – juris Rn. 26; VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 – W 8 S 17.1396 – juris Rn. 21).
b) Vor der Klageerhebung musste auch nicht erfolglos ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO durchgeführt werden. Ein Vorverfahren wäre hier nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) unstatthaft gewesen.
Nichts anderes ergibt sich aus § 5 Abs. 5 VIG, wonach ein Vorverfahren abweichend von § 68 VwGO auch dann stattfindet, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde erlassen worden ist. Zwar wird mit dieser Vorschrift das eigentliche Entfallen des Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO (wieder) aufgehoben, sodass es im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 5 VIG bei dem Erfordernis der Durchführung eines Vorverfahrens auch im Falle einer Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde verbleibt. Allerdings sollte damit dem Landesgesetzgeber nicht die Möglichkeit genommen werden, die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens für den landesrechtlichen Anwendungsbereich des VIG zu regeln. Insofern ist § 5 Abs. 5 VIG keine sonstige abweichende Regelung in einem anderen Gesetz i.S.v. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO, die unberührt bleibt und als Bundesrecht einer landesgesetzlichen Regelung vorginge. Denn mit § 5 Abs. 5 VIG sollte gerade nicht verbindlich auch auf Landesebene angeordnet werden, dass ein Vorverfahren stattzufinden hat. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich die Vorschrift des § 5 Abs. 5 VIG dem Wortlaut nach explizit auf die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens bei Entscheidungen durch oberste Bundesbehörden beschränkt ist, wohingegen für Entscheidungen durch oberste Landesbehörden keine Regelung getroffen worden ist (anders noch bei der Vorgängerregelung, siehe hierzu ausführlich VG Ansbach, U.v. 18.3.2014 – AN 1 K 13.01466 – juris Rn. 133 ff.). Damit wird deutlich, dass es dem Landesgesetzgeber unbenommen bleiben sollte, mit einer landesgesetzlichen Regelung im Anwendungsbereich des VIG das Entfallen eines Vorverfahrens anzuordnen. Dies hat der Landesgesetzgeber in Bayern mit Art. 15 Abs. 2 AGVwGO getan.
3. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Beigeladenen steht ein Anspruch auf die von der Beklagten beabsichtigte Informationserteilung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG zu. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2019 ist demnach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Einschlägige Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung an den Beigeladenen ist § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG und nicht § 40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Der vom Beigeladenen geltend gemachte Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 VIG ist nicht durch andere Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 4 VIG ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 40 LFGB stellt schon deshalb keine vorrangige, die Anwendung des § 2 Abs. 1 VIG ausschließende Rechtsvorschrift dar, weil sie nicht denselben Sachverhalt regelt. Während § 2 Abs. 1 VIG den Fall einer antragsgebundenen Informationsgewährung zum Gegenstand hat, betrifft § 40 LFGB die aktive staatliche Informationsgewährung. Der individuelle Auskunftsanspruch einerseits und die aktive staatliche Information der Öffentlichkeit andererseits sind völlig verschiedene Arten der Informationsgewährung, bei denen auch hinsichtlich der wettbewerblichen Auswirkungen mit Blick auf die Intensität und Reichweite der gewährten Information gravierende Unterschiede bestehen (vgl. OVG NW, U.v. 12.12.2016 – 13 A 846/15 – juris Rn. 75 ff.). Hieran ändert nichts, dass der Auskunftbegehrende gegebenenfalls eine Veröffentlichung der Auskunft beabsichtigt. Zum einen ist mit der erteilten Auskunft nicht zugleich entschieden, dass die von der Auskunft umfassten behördlichen Unterlagen rechtmäßig veröffentlicht werden dürfen. Dies wäre der Klärung in einem zivilrechtlichen Gerichtsverfahren vorbehalten. Zum anderen besteht zudem ein Unterschied zwischen einer eigenen behördlichen Veröffentlichung und einer Veröffentlichung behördlicher Dokumente durch einen Privaten, z.B. auf dessen privater Internetseite.
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen des VIG bestehen keine. Insbesondere wird dadurch weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Insoweit schließt sich die Kammer vollumfänglich den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Februar 2017 an, auf welche hier ausdrücklich verwiesen wird (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 58 ff.).
Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen und vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris) ergibt sich vorliegend kein anderes Ergebnis. In dem genannten Beschluss stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass § 40 Abs. 1a LFGB mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit die Information der Öffentlichkeit nicht zeitlich befristet ist. Diese zu § 40 LFGB ergangene Entscheidung ist jedoch nicht auf die hier streitgegenständliche Informationserteilung auf Grundlage des VIG übertragbar. Wie bereits oben festgestellt, ist das aktive staatliche Informationshandeln nicht mit dem „Jedermannsrecht“ auf Gewährung von Informationen nach dem VIG zu vergleichen. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass der Anwendungsbereich des VIG mit der Informationsherausgabe an den jeweiligen Auskunftsberechtigten endet. Die Frage, wie der Antragsteller dann mit den ihm erteilten Informationen umgeht, ist nicht mehr Gegenstand der auf Grundlage des VIG getroffenen Entscheidung. Daher können auch die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in oben genannter Entscheidung, die maßgeblich auf die nachteiligen Auswirkungen für die betroffenen Lebensmittelunternehmer abstellt, welche sich gerade aus der Veröffentlichung der Informationen ergeben, nicht auf vorliegenden Fall übertragen werden.
Ebenso verstoßen die maßgeblichen Normen des VIG auch nicht gegen Europarecht. Insbesondere entfaltet Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar 2002 keine Sperrwirkung für mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften zur Verbraucherinformation unterhalb der Gefahrenschwelle (BayVGH, B.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 61 mit Verweis auf EuGH, U.v. 11.4.2013 – C-636/11 – juris).
c) Der Beigeladene ist hier, zwischen den Beteiligten unstreitig, als natürliche Person Berechtigter des Anspruchs auf Informationszugang nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG. Nach dieser Vorschrift hat nach Maßgabe dieses Gesetzes „jeder“ Anspruch auf freien Zugang zu den dort näher bezeichneten Informationen (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 25 ff.).
d) Der Antrag des Beigeladenen entspricht auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG. Danach muss der Antrag hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Hier hat der Beigeladene sein Auskunftsbegehren auf Informationen bezüglich der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im Betrieb der Klägerin sowie auf die in diesem Zusammenhang eventuell festgestellten Beanstandungen beschränkt und somit seinen Antrag themenbezogen eingegrenzt. Dies genügt dem Bestimmtheitserfordernis, zumal ein Antragsteller im Voraus nicht wissen kann, welche konkreten Informationen bei der auskunftspflichtigen Stelle vorliegen (vgl. hierzu auch VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 – RN 5 K 14.1110 – juris Rn. 46 f.; OVG NRW, U.v. 1.4.2014 – 8 A 655/12 – juris Rn. 138).
e) Die Informationen, die die Beklagte dem Beigeladenen zur Verfügung stellen möchte, sind sachlich vom Informationsanspruch umfasst. Bei den in den streitgegenständlichen Kontrollberichten aufgelisteten Mängeln handelt es sich um festgestellte nicht zulässige Abweichungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a), b) und c) VIG.
Die Beklagte beabsichtigt vorliegend die Herausgabe der beiden Kontrollberichte vom 23. Juli 2018 und 6. September 2018. Bei den darin aufgelisteten Mängeln handelt es sich um Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und des Produktsicherheitsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) VIG), um Abweichungen von Anforderungen der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) VIG) sowie um Abweichungen von Anforderungen unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) VIG). So wurden in den beiden Berichten unter anderem Verstöße gegen das LFGB, gegen die Lebensmittelhygiene-Verordnung sowie gegen die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittehygiene festgestellt.
(1) Zunächst ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, dass die nicht zulässigen Abweichungen durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt worden sind oder gar ein Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren durchgeführt wurde (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 47 f.). Darüber, dass die Durchführung eines Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren keine Voraussetzung für das Vorliegen einer festgestellten nicht zulässigen Abweichung ist, besteht – soweit erkennbar – sowohl in der Rechtsprechung (BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 41; VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 – RN 5 K14.1110 – juris Rn. 49; BT-Drs. 17/7374, S. 14 f. m.w.N.) als auch zwischen den Beteiligten Einigkeit.
Bezüglich der Frage, ob die Abweichung durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt sein muss, hat dagegen das Bundesverwaltungsgericht – ohne nähere Begründung – mit Beschluss vom 29. September 2017 (BVerwG, B.v. 29.9.2017 – 7 B 6/17 – juris) die Revision gegen das bereits zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugelassen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertrat bisher die Ansicht, dass die „Feststellung“ einer Abweichung keinen bestandskräftigen Verwaltungsakt voraussetzt (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 48). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer ausdrücklich an.
Diese Auslegung ergibt sich zunächst aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Ein Bestandskrafterfordernis würde dem gesetzgeberischen Anliegen einer umfassenden Information des Verbrauchers nicht gerecht werden. Denn der Informationszugang kann seinen Zweck nur erreichen, wenn er die relevanten Vorgänge auch zeitnah erfasst. Müsste erst die Bestandskraft entsprechender Verwaltungsakte abgewartet werden und damit unter Umständen auch die Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, wäre eine zeitnahe Verbraucherinformation nicht mehr gewährleistet (BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 48).
Auch dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Die Vorschrift differenziert vielmehr zwischen Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Abweichungen getroffen worden sind. Dementsprechend muss es schon ausreichen, dass die Behörde unzulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften festgestellt hat. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht einmal darauf an, dass die Behörde die festgestellten Abweichungen dann auch zum Anlass genommen hat, konkrete Maßnahmen gegen den Unternehmer einzuleiten (VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 – RN 5 K 14.1110 – juris Rn. 50).
(2) Nicht ausreichend für die Annahme von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 47) die bloße Feststellung von Abweichungen in einem naturwissenschaftlich-analytischen Sinne (sog. „Beanstandungen“). Vielmehr bedarf es zusätzlich einer juristisch-wertenden Einordnung, d.h. einer rechtlichen Subsumtion der Kontrollergebnisse durch die zuständige Behörde (so auch VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 – W 8 S 17.1396 – juris Rn. 31; VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 – RN 5 K 14.1110 – juris Rn. 51 f.; vgl. auch BT-Drs. 17/7374, S. 15).
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. In den streitgegenständlichen Kontrollberichten ist jeweils zuerst ausgeführt, welche Feststellungen im Rahmen der Kontrolle in bestimmten Räumlichkeiten getroffen wurden. In einem zweiten Schritt wurden dann die einzelnen Feststellungen den konkreten lebensmittelrechtlichen Vorschriften, von denen nach Ansicht der Beklagten in unzulässiger Weise abgewichen wurde, zugeordnet. Mit dieser Zuordnung wurde die erforderliche juristische Subsumtion vorgenommen, dass die naturwissenschaftlich-analytischen Feststellungen von bestimmten gesetzlichen Vorgaben abweichen.
(3) Dass die festgestellten Abweichungen noch andauern, ist hingegen nicht Voraussetzung des Informationszugangs. Denn auch Informationen über beseitigte Mängel aus der jüngeren Vergangenheit sind geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 53; VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 – W 8 S 17.1396 – juris Rn. 33; OVG Saarland, B.v. 3.2.2011 – 3 A 270/10 – juris Rn. 40 ff.). In § 3 Satz 1 Nr. 1 e) VIG findet sich lediglich ein Ausschlussgrund bezüglich Informationen, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
(4) Nach Auffassung der Kammer muss die von der Behörde festgestellte „nicht zulässige Abweichung“ auch keinen Produktbezug aufweisen.
Zunächst enthält die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG – anders als beispielsweise § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG – bereits ihrem Wortlaut nach keine Beschränkung auf produktbezogene Informationen. Zudem würde eine derart weitgehende Einschränkung auch dem oben dargestellten Sinn und Zweck des VIG, Einzelpersonen möglichst umfassende Informationen über Lebensmittel zu verschaffen, gerade zuwiderlaufen. Denn damit bliebe der komplette Prozess der Herstellung, Verarbeitung, Lagerung und Lieferung von Lebensmitteln aus dem Anwendungsbereich des VIG ausgeklammert. Es besteht jedoch auch ein Interesse des Verbrauchers an Informationen darüber, ob Betriebe beispielsweise bei der Herstellung von Lebensmitteln die gesetzlich vorgeschriebenen Hygienevorschriften einhalten, unabhängig davon, ob im Einzelfall die produzierten Lebensmittel selbst bereits nachteilig beeinflusst worden sind (so auch BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 36 ff.; B.v. 6.7.2015 – 20 ZB 14.977 – juris Rn. 4 jeweils mit Verweis auf die Gesetzesbegründung; VG Würzburg, B.v.8.1.2018 – W 8 S 17.1396 – juris Rn. 30; VG Ansbach, U.v. 18.3.2014 – AN 1 K 13.1466 – juris Rn. 173 ff.).
(5) Soweit in den Ziffern 38 und 40 im Kontrollbericht vom 23. Juli 2018 und in den Ziffern 18 und 20 im Kontrollbericht vom 6. September 2018 Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz festgestellt wurden, welche nicht unter § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG fallen (vgl. hierzu auch VG Würzburg, B.v. 11.4.2019 – W 8 S 19.289 – juris Rn. 38), so führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugesagt hat, diese Informationen vor einer etwaigen Herausgabe zu schwärzen.
f) Die Klägerin kann dem Informationszugang des Beigeladenen auch keine Ausschluss- oder Beschränkungsgründe nach § 3 Satz 1 Nr. 2 a) oder c) VIG entgegen halten.
(1) Zwar besteht der Informationsanspruch gemäß § 3 Satz 1 Nr. 2 a) VIG wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit Zugang zu personenbezogenen Daten beantragt wird. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Namen der Gaststätte und deren Adresse um ein personenbezogenes Datum in diesem Sinne handelt, ist dem Beigeladenen aber der Gaststättenname bereits bekannt, denn er hat ihn selbst in seinem Antrag auf Informationszugang genannt. Die Adresse der Gaststätte ist im Übrigen auf der Homepage der Klägerin veröffentlicht.
(2) Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Ausschluss bzw. die Beschränkung des Informationszugangs zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen berufen. Zwar besteht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 2 c) VIG der Anspruch wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart würden. Nach § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG kann jedoch der Zugang zu Informationen u.a. nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG – wie hier – nicht unter Berufung auf das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollen festgestellte Rechtsverstöße nicht unter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse fallen, weil an deren Geheimhaltung kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse besteht (BT-Drs. 16/5404 S. 12; BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 55 ff.).
g) Weiter kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beklagte den Antrag des Beigeladenen als rechtsmissbräuchlich hätte ablehnen müssen. Nach der Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG ist ein missbräuchlich gestellter Antrag abzulehnen. Dies ist nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt. Ziel dieser Vorschrift ist es, den informationspflichtigen Stellen eine angemessene Reaktion auf überflüssige Anfragen sowie querulatorische Begehren zu ermöglichen (BT-Drs. 16/5404, S. 12). Der Auskunftsanspruch ist demnach ausgeschlossen, wenn mit dem Antrag ein anderes Ziel als die begehrte Informationsgewährung verfolgt wird. Letztlich schützt die Vorschrift aber allein das allgemeine Interesse an einer funktionierenden Verwaltung, gesteht der Klägerin aber kein subjektives Abwehrrecht zu, eine sie betreffende Auskunftserteilung zu verhindern (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 32).
Darüber hinaus greift der Einwand der Klägerin auch in der Sache nicht durch. Die Klägerin macht geltend, die Anfrage solle vorliegend nicht den Verbraucher informieren, der die Anfrage verfasst habe, sondern die Kontrollergebnisse sollten, wie von Anfang an beabsichtigt, in eine Internetplattform eingebracht und damit für eine unbegrenzte Anzahl an Personen veröffentlicht werden. Die Motivation des Dritten sei nicht vom Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes, dem Verbraucher bei Konsumentscheidungen zu helfen, getragen. Der eigentliche Zweck sei das Erlangen von vermeintlich skandalträchtigen Informationen zur Weitergabe an … zur Veröffentlichung im Internet. Vorliegend ist aufgrund eines dem Beigeladenen möglicherweise drohenden zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens fraglich, ob zwingend angenommen werden kann, dass der Beigeladene die gewährten Informationen an einen Dritten zur Veröffentlichung weiterleiten bzw. die begehrten Kontrollberichte unmittelbar selbst ins Internet einstellen würde. So hat der Beigeladene selbst ausgeführt, dass auch bei einer über „…“ gestellten Anfrage bereits unsicher sei, ob der jeweilige Antragsteller die übermittelten Kontrollberichte überhaupt veröffentlichen werde. Eine automatisierte Veröffentlichung erfolge nicht, der Antragsteller müsse aktiv tätig werden. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die Informationserlangung und damit auch der Antrag auf Zugang zu den Informationen nicht rechtsmissbräuchlich sind. Ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Veröffentlichung anschließend trotz zunächst bestehender Absicht tatsächlich erfolgt, ist offen und könnte von der Klägerin ohnehin mit Hilfe zivilgerichtlichen Rechtsschutzes unterbunden werden, sofern eine derartige Veröffentlichung unzulässig ist. Auf diese Rechtsschutzmöglichkeit muss sich die Klägerin hier verweisen lassen.
h) Auch gegen die von der Beklagten beabsichtigte Art des Informationszugangs für den Beigeladenen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VIG kann die informationspflichtige Stelle den Informationszugang durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnen. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt, so darf dieser gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Vorliegend hat der Beigeladene mit seinem Antrag vom 14. Januar 2019 die Auskunft begehrt, wann die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen in der Gaststätte der Klägerin stattgefunden haben und ob es hier zu Beanstandungen gekommen ist. Für den Fall von Beanstandungen beantragte er ausdrücklich die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts. Die Beklagte hat dem Antrag des Beigeladenen mit Bescheid vom 7. Februar 2019 stattgegeben und angeordnet, dass die Informationsgewährung durch schriftliche Stellungnahme erfolgen werde. Soweit die Beklagte auch die Herausgabe der beiden letzten Kontrollberichte beabsichtigt, ist dies von der Stattgabe des Antrags im Bescheid vom 7. Februar 2019 (Ziffer 1) mitumfasst. Damit kommt die Beklagte dem Begehren des Beigeladenen auf eine bestimmte Art des Informationszugangs nach. Von diesem Begehren des Beigeladenen musste die Beklagte nicht durch Informationsgewährung auf andere Art abweichen, weil hierfür kein wichtiger Grund i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG gegeben ist. Soweit die Klägerin einwendet, dass in jedem Fall ein wichtiger Grund im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG vorliege, die begehrte Auskunft allenfalls im Rahmen einer Akteneinsicht zu gewähren, greift sie mit diesem Einwand nicht durch. Allein die theoretisch mögliche oder gar derzeit beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung der Kontrollberichte durch den Beigeladenen stellt keinen wichtigen Grund dar, bereits die begehrte Art des Informationszugangs abzulehnen, weil mit der Herausgabe der Kontrollberichte, wie oben festgestellt, gerade nicht zugleich entschieden ist, dass der Beigeladene diese auch weitergeben oder gar veröffentlichen darf. Nachdem die Klägerin mithilfe der Inanspruchnahme zivilgerichtlichen Rechtsschutzes eine gegebenenfalls rechtswidrige Veröffentlichung verhindern könnte, besteht daher auch kein Anlass, einen wichtigen Grund anzunehmen und die grundsätzlich bestehende gesetzliche Wahlfreiheit bezüglich der Art des Informationszugangs zu beschränken.
i) Schließlich sind auch keine verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken bezüglich des dem Beigeladenen in vorliegendem Fall konkret gewährten Informationszugangs ersichtlich. Insbesondere steht die Informationsgewährung im Einklang mit den Grundrechten der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. auch hierzu ausführlich BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris Rn. 58 ff.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
6. Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist, über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgeht und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 124 Rn. 10).
Die vorliegende Rechtssache weist mehrere grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit dem Verbraucherinformationsgesetz auf. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 40 LFGB sowie aufgrund der derzeit vermehrt auftretenden Antragstellungen über die Internetplattform „…“ (…/…). Bei solchen Informationsbegehren stellt sich in einer Vielzahl von Fällen insbesondere die Frage nach der Art der Informationsgewährung bzw. ob ein solcher Antrag als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Es bedarf somit einer obergerichtlichen Klärung, um diesen Zustand der Rechtsunsicherheit zu beseitigen.

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