IT- und Medienrecht

Einstweiliger Rechtsschutz – Interimsvergabe von Rettungsdienstleistungen

Aktenzeichen  AN 14 E 18.200

Datum:
10.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22396
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1 S. 1 u. 2
BayRDG Art. 13 Abs. 3, Abs. 5 S. 1
BayVwVfG Art. 58 Abs. 1
GWB § 105, § 106 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 155, § 156 Abs. 2
RL 2014/23/EU Art. 8
VO (EU) 2015/2172
VgV § 14 Abs. 4 Nr. 3
KonzVgV § 2, § 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Streit um die Beteiligung an einer Interimsvergabe von Rettungsdienstleistungen nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die eine abdrängende Sonderzuweisung an die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht besteht, wenn der Schwellenwert von derzeit 5.225.000 € nicht erreicht wird (Fortführung von VG Ansbach BeckRS 2017, 137782 Rn. 50 und 51). (Rn. 70 und 71) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine verbindliche Feststellung über die Wirksamkeit oder Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kann nicht in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, sondern nur in einem Hauptsacheverfahren getroffen werden (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 49752; BayVGH BeckRS 2010, 46285 Rn. 4 und BeckRS 2017, 139195 Rn. 8). (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über die Erbringung von Rettungsdienstleistungen bedarf nicht der Zustimmung eines Mitbewerbers (vgl. VG Bayreuth BeckRS 2013, 51196) und ist in Fällen besonderer Dringlichkeit ohne förmliches Auswahlverfahren möglich (Fortführung von VG Ansbach BeckRS 2017, 137782). (Rn. 78 und 81) (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine (außerordentliche) Kündigung eines Rettungsdienstvertrages im Wege vorläufigen Rechtsschutzes kommt angesichts des höherrangigen Interesses der Bevölkerung und der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen Rettungsdienst nicht in Betracht (vgl. BayVGH BeckRS 2010, 46285 Rn. 5 und 7). (Rn. 92) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
2. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
4. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der vom Antragsgegner durchgeführten Interimsvergabe für die Stationierung und den Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … Die Antragstellerin ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das Leistungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rettungsdienstes (Notfallrettung und Krankentransporte) erbringt.
Mit Vertrag vom 29. August 2017 beauftragte der Antragsgegner die … mit dem Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … Dieser Vertrag wurde durch den Antragsgegner im Oktober 2017 außerordentlich gekündigt.
Bis zur Neuvergabe dieser Rettungsdienstleistung nach Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens wird der Betrieb eines Rettungswagens am Standort … durch Erteilung einer Dienstleistungskonzession für den Zeitraum vom 19. Februar bis 18. November 2018 sichergestellt.
Das Vergabeverfahren für diese Interimsvergabe wurde durch den Antragsgegner auf der Grundlage des Art. 13 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) durchgeführt. Der Antragsgegner ging dabei davon aus, dass die Vorgaben des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) nicht zu berücksichtigen seien, weil der maßgebliche Auftragsschwellenwert von 5.225.000 Euro nicht erreicht sei.
Gegenstand der Konzession ist die Vorhaltung und der Betrieb eines Rettungswagens (RTW) sowie der Transport der Notfallpatienten mittels entsprechend geschulten Personals auf Weisung der Integrierten Leitstelle … Der Antragsgegner hat in den Vergabeunterlagen mehrere Mindestanforderungen an die Eignung der Bieter formuliert (vgl. Ziffer 12 lit. b) der Bewerbungsbedingungen – Teil A der Vergabeunterlagen). Unter anderem wird gefordert, dass der Bieter aus dem Zeitraum von 2015 bis 2017 drei Referenzen vorweisen kann, die vergleichbare Leistungen der Notfallrettung im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes zum Gegenstand haben. Eine weitere Mindestanforderung an die Eignung wurde in Bezug auf den sogenannten Sonderbedarf aufgestellt. Insoweit soll geprüft werden, ob der Bieter in der Lage ist, durch zusätzliches Leistungspotenzial auch Großschadenslagen zu bewältigen (Art. 19 Abs. 2 Satz 4 BayRDG).
In den Vergabeunterlagen für die streitgegenständliche Interimsvergabe ist vorgesehen, dass mit dem Angebot ein Konzept Notfallrettung einzureichen ist, das einer bestimmten Gliederung zu folgen hat und bestimmte Inhalte haben muss. In dem Konzept muss zunächst dargestellt werden, ob und wie die Mindestbedingungen gemäß der Leistungsbeschreibung erfüllt werden. In dem Konzept Notfallrettung soll ferner ausgeführt werden, wie der Bieter bzw. die Bietergemeinschaft eine effektive Durchführung des Rettungsdienstes am Standort gewährleisten will. Diese Angaben bilden die Grundlage für die Wertung anhand des Zuschlagskriteriums 2 (Konzept Notfallrettung) im Rahmen der vergleichenden Angebotswertung. In den Vergabeunterlagen wird außerdem darauf hingewiesen, dass in dem Konzept Notfallrettung alle geforderten bzw. erwarteten Angaben gemacht werden müssen. Insbesondere sei darauf zu achten, dass das Konzept wertungsfähige Aussagen zu den Mindestbedingungen aus der Leistungsbeschreibung (siehe hierzu im Einzelnen Teil B der Vergabeunterlagen, dort Ziffern 2 ff.) und den Wertungskriterien (siehe hierzu im Einzelnen unten Ziffer 12 lit. d) aa) dieser Bedingungen) enthält.
Am 21. Dezember 2017 wurden vier ausgewählte Unternehmen vom Antragsgegner zur Angebotsabgabe aufgefordert, unter anderem auch die Antragstellerin und die Beigeladene. Bis zum Ablauf der Angebotsfrist am 17. Januar 2018 gingen insgesamt zwei Angebote ein, das der Antragstellerin und das der Beigeladenen.
Der Antragsgegner bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Januar 2018 um Belege für die Verfügbarkeit des angegebenen Standortes für den Stellplatz, …, …, in Form eines Mietvertrages bzw. eines entsprechenden Vorvertrages (Teil B Nr. 2 g der Vergabeunterlagen). Die bloße Aussage, es sei mit der Firma … bereits abgestimmt, dass bei Zuschlag die Nutzung der Immobilie lückenlos erfolgen könne, genüge diesem Erfordernis nicht. Die Antragstellerin legte daraufhin eine Erklärung der derzeitigen Mieterin, der …, vom 15. Januar 2018 vor. Das Objekt sei zur Untermiete an die Beigeladene vergeben. Vorbehaltlich der Zustimmung des Vermieters sei man gerne zur Untervermietung an die Antragstellerin bereit.
Mit weiterem Schreiben vom 22. Januar 2018 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, detaillierte Angaben zur Personalbesetzung zu machen und eine Bestätigung des Untervermieters vorzulegen, dass der Standort … in … im Falle eines Zuschlags tatsächlich verbindlich zur Verfügung stehe. Auch ein Nachweis der Zustimmung des Vermieters sei zu erbringen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2018 erklärte die Antragstellerin, die 6,6 Planstellen könne sie wegen eines derzeitigen Personalüberhangs von 9 Rettungsassistenten bzw. Notfallsanitätern an den Standorten … und … sofort besetzen. Zudem könne sie auf Personalressourcen der … zurückgreifen. Außerdem habe sie einen guten Rücklauf auf ein von ihr veröffentlichtes Stellenangebot in der Region erhalten. Hinsichtlich der Verfügbarkeit des Standorts in der … gehe sie davon aus, dass die Untervermietung zwischen der … und der Beigeladenen nur so lange andauere, wie dieser den Rettungsdienst erbringe. Die Immobiliennutzung sei nur bis zur Neuvergabe des Standortes vereinbart. Die Antragstellerin legte hierzu ein Schreiben des Vermieters der Immobilie vom 23. Januar 2018 vor, in dem dieser erklärt, dass er einer Untervermietung des Standortes seitens der Mieterin … an die Antragstellerin zustimme, sofern das derzeit bestehende Untermietverhältnis zwischen dem … und der Beigeladenen beendet sei und die Beendigung schriftlich angezeigt werde und außerdem der Mieter eine schriftliche Anfrage wegen eines Untermietverhältnisses an den Vermieter stelle.
Der Antragsgegner bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Januar 2018 unter Bezugnahme auf Nr. 13 der Bewerbungsbedingungen der Vergabeunterlagen um die Vorlage einer Genehmigung nach Art. 21 ff. BayRDG für einen anderen Standort. Die Antragstellerin legte daraufhin mit Schreiben vom 24. Januar 2018 die Genehmigung zur Durchführung der Notfallrettung am Standort … vor, die bis zum 31. Dezember 2021 befristet ist, und bat um Rückmeldung, ob sie zusätzlich einen genehmigungsfähigen Antrag einreichen müsse.
Am 24. Januar 2018 beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners, dem Vergabevorschlag vom gleichen Tag folgend, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2018 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Der früheste Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei der 5. Februar 2018. Die Auswahlentscheidung sei nach objektiven Kriterien unter Beachtung des Wettbewerbsprinzips und des Grundsatzes der Gleichbehandlung erfolgt (Art. 13 Abs. 3 Satz 1 und 3 BayRDG). Maßgeblich sei eine wirtschaftliche und effektive Leistungserbringung (Art. 13 Abs. 3 Satz 4 BayRDG). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung … unter Abwägung sämtlicher Entscheidungskriterien nach pflichtgemäßer Ermessensausübung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zuschlag an die Beigeladene erteilt werden solle. Das Angebot der Antragstellerin sei aufgrund der vorgelegten Angebotsunterlagen weder wertungsfähig noch habe die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignung nachgewiesen werden können. Das Angebot sei daher von der Wertung auszuschließen gewesen. Hilfsweise seien trotzdem die Kosten des Angebots als angemessen bewertet worden und es sei die vergleichende Angebotswertung durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste Angebot sei.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 29. Januar 2018 das Vergabeverfahren und den Ausschluss ihres Angebots sowie hilfsweise die durchgeführte Wertung insgesamt. Das Verfahren verstoße gegen die bieterschützenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung. Zugleich erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Ausschluss von dem Vergabeverfahren und setzte dem Antragsgegner eine Frist zur Abhilfe bis zum 31. Januar 2018, 18 Uhr.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass eine Abhilfe nicht in Betracht komme. Den vorsorglich erhobenen Widerspruch halte sie zudem für nicht zulässig. Es sei sehr fraglich, ob die Auswahlentscheidung im Rahmen eines Auswahlverfahrens nach Art. 13 BayRDG als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei, zumal das Auswahlverfahren mit dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ende (Art. 13 Abs. 5 BayRDG). Dies könne aber dahinstehen, weil ein Widerspruch sowohl nach Art. 15 AGVwGO als auch nach § 44a VwGO unzulässig wäre.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehe keine Rechtspflicht des Antragsgegners, nichtberücksichtigte Bieter vor Vertragsschluss im Wege einer Vorabinformation zu informieren. Insbesondere sei eine Vorabinformation nach § 134 GWB hier nicht erforderlich, nachdem diese Bestimmung auf das hiesige Auswahlverfahren nach Art. 13 BayRDG weder direkt noch analog Anwendung finde. Der Antragsgegner habe sich jedoch aus Gründen der Transparenz und zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes für die Erteilung einer Vorabinformation entschieden. Im Übrigen würde das Schreiben vom 25. Januar 2018 auch den Anforderungen nach § 134 GWB genügen. Insbesondere seien die Gründe der Nichtberücksichtigung in ausreichendem Maße mitgeteilt worden.
Das Angebot der Antragstellerin sei nicht wertungsfähig, weil es die Mindestbedingungen der Leistungsbeschreibung nicht erfülle. Dies gelte möglicherweise für die Mindestbedingung Personal, jedenfalls aber für die Mindestbedingung für den Standort. Der diesbezügliche Nachweis sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht erfolgreich geführt worden, da die Verfügbarkeit des Standorts nach Auskunft des Vermieters abhängig von einer vorherigen Kündigung der Beigeladenen sei. Auch die fachliche Eignung der Antragstellerin habe nicht festgestellt werden können. Das Konzept für den Sonderbedarf entspreche nicht den insoweit bestehenden Mindestbedingungen. So sei für den Sonderbedarf nicht die Verfügbarkeit des Standortes nachgewiesen. Weiter fehle die Bestätigung der Antragstellerin, dass das angebotene Fahrzeug nicht im Regelbetrieb (Notfallrettung bzw. Krankentransport) eingesetzt werde und nicht schon anderweitig als Sonderbedarf nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayRDG einbezogen sei oder einbezogen werde. Außerdem sei auch die Mindestbedingung für das Personal im Sonderbedarf nicht erfüllt. Im Übrigen scheitere die Feststellung der Eignung der Antragstellerin auch daran, dass sie die insoweit bestehende Mindestanforderung hinsichtlich der Referenzen nicht erfülle.
Auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit könnte auf das Angebot der Antragstellerin kein Zuschlag erteilt werden. Bei vergleichender Angebotswertung nach Maßgabe der Zuschlagskriterien, in die das Angebot der Antragstellerin vorsorglich und ohne jegliche Anerkenntnis einbezogen worden sei, schneide ihr Angebot erheblich schlechter ab als die Konkurrenz. So habe das Angebot des Bestbieters hier einen Gesamtwert von 928 Punkten, das Angebot ihrer Mandantin hingegen nur 880 Punkte erreicht.
Aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 25. Januar 2018 werde nicht klar, welche Eignungskriterien sie im Einzelnen beanstanden und aus welchem Grund. Alle in dem Auswahlverfahren gestellten Fragen seien vom Antragsgegner hinreichend beantwortet worden. Dies gelte insbesondere für die Frage zum Bewertungsmaßstab, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht konkreter mitzuteilen sei (vgl. BGH, B.v. 4.4.2017 – X ZB 3/17). Insbesondere müsse den Bietern nicht mitgeteilt werden, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhänge. Diese Maßgabe für den Bereich der Oberschwellenvergabe müsse erst recht für eine Unterschwellenvergabe nach Maßgabe des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes gelten.
Der Antragsgegner habe im Rahmen seiner Angebotswertung auch das Vorliegen eines Unterkostenangebots geprüft und sich insoweit an die in den Vergabeunterlagen bekannt gemachten Maßgaben gehalten. Allerdings habe dabei ein Unterkostenangebot nicht festgestellt werden können. Im Übrigen sei das Angebot der Beigeladenen auch nicht das Kostengünstigste gewesen. Es habe keine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede gegeben. Auch die Behauptung, die Beigeladene habe Einzelkosten im Wege der Mischkalkulation auf andere Kostenkategorien umgelegt, sei nicht nachvollziehbar und unsubstantiiert.
Die Antragstellerin erhob mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 1. Februar 2018, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, Klage, mit der sie die Aufhebung des „Ablehnungs-/Ausschlussbescheids“ des Antragsgegners vom 25. Januar 2018 begehrt. Zugleich stellte sie Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.
Die Antragstellerin trägt vor:
Ihr stehe ein öffentlich-rechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch und Teilhabeanspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG zu. Wäre das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden, hätte die Beigeladene ausgeschlossen werden müssen und die Antragstellerin den Zuschlag erhalten müssen.
Der Antragsgegner habe der Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Januar 2018 ohne weitere Begründung mitgeteilt, dass die vorgelegte Vereinbarung nicht als Nachweis für die Verfügbarkeit des Standortes zum Leistungsbeginn 9. Februar 2018 dienen könne. Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 habe der Antragsgegner nochmals um eine Bestätigung des Untervermieters gebeten. Die Beigeladene hingegen habe zweimal die Chance auf Nachbesserung erhalten, was zum Ausschluss des Angebots der Beigeladenen hätte führen müssen.
Die Antragstellerin habe die Vorgaben zum Sonderbedarf erfüllt. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, bleibe festzuhalten, dass auch die Beigeladene die Vorgaben zum Sonderbedarf nicht erfüllt habe. Vorsorglich würden die Vorgaben zum Sonderbedarf insgesamt gerügt. Die Vorgaben und die Bepreisung des Sonderbedarfs bevorzugten rechtswidrig die Beigeladene. Weiter werde gerügt, dass der von der Beigeladenen (vermeintlich) vorgehaltene Sonderbedarf möglicherweise nicht die landesrechtlichen Anforderungen hierfür erfülle und die Beigeladene auch deshalb vom Verfahren hätte ausgeschlossen werden müssen. Fahrzeuge des Sonderbedarfs stellten keine eigenständige Fahrzeugkategorie dar und seien deshalb genehmigungspflichtig. Hierauf habe das Bayerische Staatsministerium des Innern in seiner Mitteilung vom 20. Februar 2018 erst kürzlich ausdrücklich hingewiesen. Die dort festgelegten Anforderungen würden von der Beigeladenen nicht eingehalten. Diese Fehler seien kausal für die Auswahlentscheidung. Hätte der Antragsgegner die Regeln beachtet, wäre die Beigeladene auszuschließen gewesen.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes stellte die Antragstellerin zunächst folgende Anträge:
2. Es wird festgestellt, dass die gegen den Ablehnungs/Ausschlussbescheid des Antragstellers vom 25. Januar 2018 erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat.
3. Vorsorglich wird beantragt, den Antragsgegner dazu zu verpflichten, den Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes rückgängig zu machen (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).
4. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, es vorläufig zu unterlassen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen in dem Vergabeverfahren zur Stationierung und dem Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … auf Basis einer Dienstleistungskonzession (Leistungszeitraum vom 19. Februar bis 18. November 2018) zu erteilen.
5. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, es vorläufig zu unterlassen, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren zur Stationierung und dem Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … auf Basis einer Dienstleistungskonzession (Leistungszeitraum vom 19. Februar bis 18. November 2018) zu erteilen.
6. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, es vorläufig zu unterlassen, die interimsweise Beauftragung eines Dritten mit dem Betrieb des Stellplatzes … (Vergabeverfahren zur Stationierung und dem Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … auf Basis einer Dienstleistungskonzession – Leistungszeitraum vom 19. Februar bis 18. November 2018) auszuführen/zu vollziehen.
7. Hilfsweise: Das Gericht erlässt einen Hängebeschluss/eine Zwischenverfügung, in dem es dem Antragsgegner vorläufig untersagt, der Beigeladenen oder irgendeinem Dritten den Zuschlag in dem Vergabeverfahren zur Stationierung und dem Betrieb eines Rettungswagens am Standort … im Rettungsdienstbereich … auf Basis einer Dienstleistungskonzession (Leistungszeitraum vom 19. Februar bis 18. November 2018) zu erteilen oder den Zuschlag auszuführen/zu vollziehen.
8. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache wird der Antragsgegner verpflichtet, weitere die geltend gemachte Rechtsposition der Antragstellerin beeinträchtigende Handlungen einstweilen zu unterlassen.
9. Die Verfahrensakten des Antragsgegners werden beigezogen und der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt, §§ 99, 100 VwGO.
10. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Am 5. Februar 2018 beauftragte der Antragsgegner die Beigeladene mit der Durchführung der Notfallrettung am Standort … für den Zeitraum 19. Februar 2018 bis 18. November 2018.
Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 8. Februar 2018 die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte Unterlassung der Zuschlagserteilung (Anträge Ziffern 4 und 5) für erledigt erklärt.
Die klageweise beantragte Aufhebung des Ablehnungs-/Ausschlussbescheids des Beklagten vom 25. Januar 2018 (Antrag Nummer 1) hat sie um folgende Anträge 1a) und 1 b) ergänzt:
1a) Die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Durchführung der Notfallrettung gemäß Art. 13 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes am Standort …, den der Beklagte am 5. Februar 2018 mit der Beigeladenen abgeschlossen hat, wird festgestellt.
1b) Hilfsweise: Dem Beklagten wird aufgegeben, den öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Durchführung der Notfallrettung gemäß Art. 13 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes am Standort …, den der Beklagte am 5. Februar 2018 mit der Beigeladenen abgeschlossen hat, unverzüglich (außerordentlich) zu kündigen.
Die von der Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bereits vorsorglich beantragte Vollzugsfolgenbeseitigung (Antrag Ziffer 3) wird ausdrücklich und unbedingt beantragt. Der Antrag wird klarstellend neu gefasst und lautet nunmehr wie folgt:
„Dem Beklagten (= dem Antragsgegner) wird aufgegeben, den öffentlich-rechtlichen Vertrag Bayerischen Rettungsdienstgesetzes am Standort …, den der Beklagte am 5. Februar 2018 mit der Beigeladenen abgeschlossen hat, unverzüglich (außerordentlich) zu kündigen.“
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin nahm am 15. Februar 2018 am Verwaltungsgericht Ansbach Einsicht in die vom Antragsgegner vorgelegten Verfahrensakten.“
Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 hat die Antragstellerin auch den Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses (Ziffer 7) für erledigt erklärt. Außerdem hat sie klargestellt, dass über den am 8. Februar 2018 gestellten Antrag Ziffer 1a) auch im einstweiligen Rechtsschutz entschieden werden soll.
Der Vertrag vom 5. Februar 2018 sei bereits wegen Verstoßes gegen die Informations- und Wartepflicht (Art. 19 Abs. 4 GG) nichtig im Sinne des § 134 BGB. Ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB ergebe sich aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, der das Verstreichenlassen einer angemessenen Informations- und Wartepflicht gegenüber dem unterlegenen Bieter vorsehe, ehe ein Vertragsschluss mit dem ausgewählten Konkurrenten erfolgen dürfe (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 30.11.2010 – 1 S 107.10 -, juris). In diesem Zusammenhang werde auf die Parallele zum Beamtenrecht sowie auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.12.2017 (I-27 U 25/17) verwiesen.
Der Vertrag greife in die Rechte der Antragstellerin ein und bedürfe daher gemäß Art. 58 BayVwVfG zur Wirksamkeit deren schriftlicher Zustimmung als betroffene Dritte. Im Übrigen bestehe – davon ausgehend, dass das angegriffene Ablehnungsschreiben des Antragsgegners ein Verwaltungsakt sei – ein Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung. Dieser sei unabhängig von Fragen des materiellen Rechts durch den Antragsgegner durch die unverzügliche und außerordentliche Kündigung und Rückabwicklung des Vertrags vom 5. Februar 2018 umzusetzen. In jedem Fall müsse das Gericht das „Inkrafttreten“ des Vertrags mit Wirkung zum 19. Februar 2018 verhindern.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Er hat der Erledigterklärung hinsichtlich der Anträge Ziffern 4 und 5 mit Schreiben vom 15. Februar 2018 und hinsichtlich des Antrags Ziffer 7 mit Schreiben vom 15. März 2018 zugestimmt.
Der Antragsgegner trägt vor:
Der am 5. Februar 2018 geschlossene Vertrag sei wirksam. Eine Nichtigkeit des Vertrages lasse sich nicht aus einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ableiten. Insbesondere bestehe vorliegend kein gesetzliches Verbot, das einen Vertragsschluss ohne Erteilung einer Vorabinformation untersagen würde. Der Antragsgegner unterliege in dem vorliegenden unterschwelligen Verfahren weder nach § 134 GWB noch nach Maßgabe anderer Reglungen einer Informations- und Wartepflicht. Gleichwohl habe er – sozusagen überobligationsgemäß – die Antragstellerin rechtzeitig über den bevorstehenden Vertragsschluss informiert.
Das vorliegende Vergabeverfahren richte sich allein nach Art. 13 BayRDG in Verbindung mit den Bestimmungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Im Bereich der Unterschwellenvergabe sei eine Vorabinformation an die unterlegenen Bieter gesetzlich nicht vorgesehen. So sei auch in der neu eingeführten Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) eine Vorabinformationspflicht bewusst nicht aufgenommen worden. Insoweit werde auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 verwiesen (1 BvR 1160/03). Auch in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung sei es herrschende Auffassung, dass bei unterschwelligen Vergaben keine Vorabinformationspflicht bestehe. Jedenfalls könne ein Vertragsschluss bei erfolgter Vorabinformation nicht mehr aufgehoben werden. Eine Nichtigkeit des Vertrages sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsgegner die Antragstellerin – unabhängig von der Frage des Bestehens einer Vorabinformationspflicht – mit Schreiben vom 25. Januar 2018 rechtzeitig über seine Absicht, den Vertrag mit der Beigeladenen abzuschließen, informiert habe.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung. Dieser Anspruch bestehe allenfalls unter der Prämisse, dass es sich bei dem Vorabinformationsschreiben vom 25. Januar 2018 um einen Verwaltungsakt handele. Die sei jedoch nicht der Fall, da dieser Mitteilung einer beabsichtigten Zuschlagserteilung der hierfür erforderliche Regelungscharakter fehle. Es handele sich dabei lediglich um eine „schlicht-hoheitliche Kommunikation des Ergebnisses des Auswahlverfahrens an die unterlegenen Bieter“, um diesen (Primär-)Rechtsschutz zu ermöglichen. Selbst wenn man die Vorabinformation als Verwaltungsakt einordnen würde, hätte sich dieser Verwaltungsakt durch den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages am 5. Februar 2018 mittlerweile erledigt. Zudem könne ein solcher Verfahrensverwaltungsakt nach § 44a VwGO nicht isoliert angegriffen werden.
Die Anträge nach § 123 VwGO seien unbegründet. Es bestehe kein Anordnungsanspruch der Antragstellerin, da das Vergabeverfahren rechtmäßig unter Beachtung des Art. 13 BayRDG in Verbindung mit den Bestimmungen des BayVwVfG durchgeführt worden sei. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin ausreichend über die Gründe der Ablehnung vorab informiert. Nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung zu § 134 GWB seien grundsätzlich keine allzu großen Anforderungen an die Vorabinformation zu stellen. Im Regelfall reiche es aus, wenn der Grund für die Nichtberücksichtigung kurz und präzise benannt werde. Das Angebot der Antragstellerin sei aus drei unterschiedlichen Gründen jeweils auszuschließen. Die Antragstellerin habe weder den Nachweis für die Verfügbarkeit des Standortes erbracht, noch erfülle sie die Mindestanforderungen hinsichtlich der Referenzen sowie hinsichtlich des Sonderbedarfs. Die Antragstellerin rüge nur pauschal die Unzulässigkeit der Eignungskriterien, ohne dass die Behauptungen konkretisiert oder belegt werden. Die Antragstellerin dürfte mit ihrer Rüge der Eignungskriterien nach Angebotsabgabe wohl präkludiert sein. Gleiches gelte für die Rüge der „Antworten zum Vergabeverfahren“. Der Wertungsmaßstab sei nach Rechtsprechung des BGH (B.v. 4.4.2017 – X ZB 3/17) nicht konkreter als hier geschehen mitzuteilen. Diese Rechtsprechung des BGH für den Bereich der Oberschwellenvergabe müsse erst recht für eine Unterschwellenvergabe gelten.
Die Antragstellerin habe den Nachweis der Erfüllung der Mindestbedingung für den Standort nicht erbracht. Der Antragsgegner habe entgegen der Auffassung der Antragstellerin die Verfügbarkeit eines Standortes bei Angebotsabgabe nicht gefordert. Vielmehr sei in Ziffer 2 lit. g) der Leistungsbeschreibung (Teil B der Vergabeunterlagen) lediglich vorgesehen gewesen, dass die Verfügbarkeit des betreffenden Standorts für den Bieter bzw. die Bietergemeinschaft beispielsweise durch Vorlage eines Mietvertrages bzw. eines entsprechenden Vorvertrages zu belegen sei. Diesen Nachweis habe die Antragstellerin auch auf entsprechende Nachforderung des Antragsgegners nicht erbringen können.
Das Angebot der Antragstellerin sei im Übrigen auch deshalb auszuschließen gewesen, weil diese die erforderlichen Mindestanforderungen an die Eignung in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt habe. So habe die Antragstellerin nicht die nach Ziffer 12 lit. b) der Bewerbungsbedingungen (Teil A der Vergabeunterlagen) geforderten drei Referenzen aus dem Zeitraum von 2015 bis 2017 benennen können. Die Stadt … habe die Antragstellerin mit der Durchführung von Krankentransporten außerhalb der öffentlich-rechtlichen Vorhaltung beauftragt. Dies sei nicht vergleichbar mit der Durchführung von Notfallrettung, da Krankenhaustransporte zeitunkritisch seien und sie außerhalb der öffentlich-rechtlichen Vorhaltung nicht durch die zuständige ILS koordiniert würden.
Die Antragstellerin habe auch die weitere Mindestanforderung nach Nummer 12 lit. b) der Bewerbungsbedingungen (Teil A der Vergabeunterlagen) hinsichtlich des Sonderbedarfs nicht erfüllt. Sie habe nicht nachweisen können, dass der Standort für das Sonderbedarf-Fahrzeug tatsächlich zur Verfügung stehe. Die Verfügbarkeit des Standorts hänge davon ab, ob die Beigeladene die bestehende Vereinbarung zur Untervermietung mit … im Falle eines Zuschlags an die Antragstellerin kündigen würde. Dies erscheine sehr fraglich. Außerdem fehle die Bestätigung, dass das angebotene Fahrzeug nicht im Regelbetrieb (Notfallrettung bzw. Krankentransport) eingesetzt werde und nicht schon anderweitig als Sonderbedarf nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 BayRDG einbezogen sei oder einbezogen werde (vgl. Vorgaben und Beschreibung Sonderbedarf (Teil C, Nummer 3 lit. c der Vergabeunterlagen). Auch die Mindestbedingung Personal sei nicht erfüllt. Gefordert sei eine Besetzung der Vorhaltung für den Sonderbedarf von je drei Rettungssanitätern bzw. Notfallsanitätern und Rettungshelfern. Die Antragstellerin gebe in ihrem Konzept an, dass sich immer zwei Mitarbeiter in Rufbereitschaft befänden. Wo sich die Mitarbeiter in der Rufbereitschaft aufhielten, bleibe allerdings offen.
Ein Unterkostenangebot der Beigeladenen sei schon deshalb nicht gegeben, weil dieses oberhalb des Angebotes der Antragstellerin liege. Im Übrigen habe der Antragsgegner im Rahmen der Angebotswertung auch das Vorliegen eines Unterkostenangebotes geprüft und sich insoweit an die in den Vergabeunterlagen bekanntgemachten Maßgaben gehalten. Ebensowenig liege entgegen der Behauptung der Antragstellerin eine Mischkalkulation vor.
Auch die von der Antragstellerin unsubstantiiert behauptete rechtswidrige Ausnutzung einer oligopolen Marktstellung sei nicht gegeben. Hinsichtlich der Annahme einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede gelten sehr strenge Anforderungen, wie das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 17. Januar 2018 (VII-Verg 39/17) ausgeführt habe.
Schließlich sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Das wirtschaftliche Interesse des erfolglosen Bieters an einer Auftragsvergabe genieße als solches keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Der erfolglose Bieter sei durch die Auftragsvergabe lediglich in einer Umsatzchance, nicht aber in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2006 – 1 BvR 1160/03). Demgegenüber hätte der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Folge, dass hier eine vertragslose Situation einträte mit der weiteren Konsequenz, dass der Rettungsdienst am Standort Allersberg zum Erliegen käme. Damit wären untragbare Risiken für Leib und Leben der Bevölkerung verbunden, welche dabei sehr viel schwerer wiegen würden als die vermeintlich verlorene Umsatzchance der Antragstellerin. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Verfahren um eine Interimsvergabe handele. Auch deshalb scheide vorliegend ein Anordnungsgrund aus.
Mit Schriftsatz vom 19. März 2018 stellte die Antragstellerin einen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO auf Durchführung eines in-camera-Verfahrens durch den Fachsenat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Sie beantragt festzustellen, dass die Verweigerung der Einsicht in die vollständige, d.h. unveränderte Originalakte, insbesondere die Verweigerung der Bekanntgabe der Antragsunterlagen der Mitbewerber und deren Bewertung rechtswidrig war. Wegen der offensichtlichen Entscheidungserheblichkeit der nicht vorgelegten Unterlagen bedürfe es für die Zulässigkeit des Antrags nach § 99 Abs. 2 VwGO keines formalen Beweisbeschlusses durch das Hauptsachegericht (vgl. OVG Münster, B.v. 20.9.2017 – 13a F 25/17 -, juris). Das Gericht habe von der Antragsgegnerin zweifelsfrei entscheidungserhebliche Unterlagen zur hier in Streit stehenden Zuweisungsentscheidung angefordert. Dem Rechtsstreit liege die Frage zugrunde, ob die von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung formell und materiell rechtmäßig sei. Hierbei komme es insbesondere auf die Bewertung und Gewichtung der einzelnen Angebote in Bezug auf die entscheidungsrelevanten Auswahlkriterien an. Würden sowohl die Angebote als auch ihre Bewertung und Gewichtung geheim gehalten, sei die Entscheidung des Antragsgegners offensichtlich nicht überprüfbar.
Der Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO sei auch begründet. Der Antragsgegner sei zur unverzüglichen Übersendung seiner vollständigen Verwaltungsakte an die erkennende Kammer verpflichtet. Ein Verweigerungsrecht aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehe nicht. Der Antragsgegner sei weder berechtigt, die Schwärzungen vorzunehmen, noch habe er substantiiert dargelegt, dass die nicht vorgelegten Unterlagen schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten und dass ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse bestehe. Soweit der Antragsgegner auf die Entscheidung des OLG München (B.v. 8.11.2010 – Verg 20/10) verweise, könne dies nicht überzeugen, weil es sich um eine vergaberechtliche Entscheidung handele. Außerdem befänden sich in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners keine ihrem Wesen nach geheimzuhaltenden Vorgänge. Es genüge nicht, wenn der Antragsgegner sich mit einer vagen Bezugnahme auf Angebotspreise und Durchführungskonzepte der Mitbewerber berufe. Diese wären nur dann auch aktuell noch schutzbedürftig, wenn sie nicht bereits bekannt geworden seien und tatsächlich im Hinblick auf ein Verfahren zur Vergabe des Hauptvertrags noch Relevanz entfalten könnten. Entsprechendes wäre von der obersten Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO darzulegen. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO. Wenn der Antragsgegner die vollständigen Akten nicht ungeschwärzt vorlege, könne die erkennende Kammer eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Antragsgegners treffen (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03). Dieser habe darzulegen, dass die Auswahlentscheidung rechtmäßig gewesen sei.
Der Antragsgegner hält eine vollumfängliche Akteneinsicht der Antragstellerin vor dem Hintergrund der Vergabe des Hauptvertrages für äußerst bedenklich. Die Antragstellerin könnte sich aus der Einsicht in die Vergabeakte der Interimsvergabe ganz erhebliche, unzulässige Vorteile im Wettbewerb um den Hauptvertrag verschaffen. Der Antragsgegner habe deshalb die Akte ohne die Angebote und hinsichtlich der Angebotswertung der Beigeladenen geschwärzt vorzulegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
II.
1. Soweit die Antragstellerin und der Antragsgegner den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (in Bezug auf die Anträge unter Ziffern 4, 5 und 7), ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden.
Es entspricht der Billigkeit, insoweit der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da ihre Anträge zu Ziffern 4, 5 und 7 aller Voraussicht nach keinen Erfolg gehabt hätten.
Mit den Unterlassungsanträgen (Ziffern 4 und 5) begehrte die Antragstellerin vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz. Für einen vorbeugenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Dieses ist grundsätzlich zu verneinen, solange die Antragstellerin – wie hier – in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 -, juris; VG Ansbach, B.v. 8.12.2017 – AN 14 E 17.02475 -, juris). Aus dem Sachvortrag der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes die Gefahr bestanden hätte, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstehen würde (vgl. BayVGH, B. v. 30.11.2010 – 9 CE 10.2468 – juris; OVG NRW, B. 22.6.2017 – 13 B 238/17 –, juris).
Auch der Antrag unter Ziffer 7 auf Erlass eines Hängebeschlusses hätte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Ob eine Zwischenentscheidung in Form eines „Hängebeschlusses“ im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren erforderlich ist, ist im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln (vgl. BVerwG, B. v. 20.8.2012 – 7 VR 7.12 -, juris). Der Erlass eines Hängebeschlusses ist, wenn keine anderen überwiegenden Interessen vorliegen, zulässig und geboten, wenn der Eilantrag nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos ist und ohne den Beschluss die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gefährdet wäre, weil irreversible Zustände oder schwere und unabwendbare Nachteile einzutreten drohen (vgl. BVerfG, B. v. 11.10.2013 – 1 BvR 2616/13 -, juris; BVerwG, B.v. 20.8.2012 – 7 VR 7.12 -, juris; VGH BaWü, B.v. 18.12.2015 – 3 S 2424/15 -, juris; HessVGH, B.v. 28.4.2017 – 1 B 947/17 -, juris; VG Ansbach, B.v. 8.12.2017 – AN 14 E 17.02475 -, juris). Wie bereits erwähnt, ist dies hier nicht der Fall. Sonstige Gründe, die den Erlass eines Hängebeschlusses im Rahmen einer Interessenabwägung geboten erscheinen lassen, sind ebenfalls nicht zu erkennen.
2. Soweit die Antragstellerin den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO aufrechterhalten hat, ist der Antrag nur teilweise zulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist nur teilweise zulässig.
Zwar ist für alle Anträge der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
Bei dem hier seitens der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch auf Beteiligung an dem Verfahren zur interimsweisen Vergabe von Rettungsdienstleistungen handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die flächendeckende Versorgung mit rettungsdienstlichen Leistungen ist nach Art. 1 Satz 2 BayRDG vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 eine öffentliche Aufgabe und durch einen öffentlichen Rettungsdienst sicherzustellen. Die streitgegenständliche (interimsweise) Vergabe von Rettungsdienstleistungen findet ihre Rechtsgrundlage in der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 13 BayRDG. Nach Art. 13 Abs. 5 S.1 BayRDG kann der Träger rettungsdienstlicher Aufgaben die Durchführung des Rettungsdienstes auf anerkannte Hilfsorganisationen und andere Leistungserbringer durch öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen. Da die Rechtsnatur des Vertrages damit kraft Gesetzes dem öffentlichen Recht zugewiesen ist, ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BGH, NZBau 2012, 248 − Rettungsdienstleistungen III; BayVGH, B. v. 23.12.2009 – 21 CE 09.3131 – juris).
Der Verwaltungsrechtsweg ist auch nicht aufgrund einer abdrängenden Sonderzuweisung ausgeschlossen. Die Sonderzuweisung an die Vergabenachprüfungsinstanzen nach §§ 155, 156 Abs. 2 des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) greift hier nicht ein. Zwar handelt es sich bei der Interimsvergabe um eine Dienstleistungskonzession im Sinne des § 155 in Verbindung mit § 105 GWB. In Bayern werden Verträge über die Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz in der Form von Dienstleistungskonzessionen (sog. “Konzessionsmodell“) und nicht mittels Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (sog. „Submissionsmodell“) vergeben (vgl. dazu EuGH, U. v. 10.3.2011, Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler – C-274/09 –, juris Rdnrn. 22 f.; BayVerfGH, Entscheidung v. 24. Mai 2012 – Vf. 1-VII-10 –, Rn. 68, juris). Allerdings gelten nach § 106 Abs. 1 Satz 1 die Bestimmungen des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nur für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. In Bezug auf Konzessionen nach § 105 GWB verweist § 106 Abs. 2 Nr. 4 GWB auf Art. 8 der Richtlinie 2014/23/EU sowie auf die Verordnung (EU) 2015/2172 der Europäischen Kommission für Konzessionen in der jeweils geltenden Fassung. Danach beträgt der hier maßgebliche Schwellenwert für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen derzeit 5.225.000,00 Euro (vgl. auch § 2 KonzVgV). Im vorliegenden Fall wurde der maßgebliche Schwellenwert nicht erreicht, mit der Folge, dass eine Sonderzuweisung zur Vergabekammer nicht gegeben ist.
Aus diesem Grund kommt es auf die Frage, ob die Voraussetzungen der Bereichsausnahme „Rettungsdienst“ nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB bzw. Art. 10 Abs. 8 lit.g) RL 2014/23/EU im vorliegenden Fall erfüllt sind, nicht an (vgl. dazu OVG NRW, B. v. 19.1.2017 – 13 B 1163/16 -, juris; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 19.8.2016 – VKD 14/16 – juris; VG Düsseldorf, B. v. 15.9.2016 – 7 L 2411/16 -, juris; Bühs: Rettungsdienstvergabe wieder vor dem EuGH – EuZW 2017, 804; VK Südbayern, B. v. 14.2.2017 – Z3-3/3194/1/54/12/16 -, juris).
Weiter ist die Antragstellerin auch antragsbefugt. Die von ihr vorliegend geltend gemachten Ansprüche hinsichtlich der Vergabe von Rettungsdienstleistungen sind nicht offensichtlich ausgeschlossen.
Allerdings sind die von der Antragstellerin gestellten Anträge zu Ziffern 1a), 2 und 6 aus folgenden Erwägungen unzulässig:
2.1. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag vom 5. Februar 2018 nichtig ist (Antrag Ziffer 1a), ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft. Dem Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigt, kann in einem Eilverfahren, in dem nur eine vorläufige, nicht jedoch eine endgültige und verbindliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit getroffen werden kann, nicht Rechnung getragen werden. Die aufgrund summarischer Prüfung ergehende einstweilige Anordnung dient der Sicherung eines Rechts oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Die vom Antragsgegner für die Interimsvergabe durchgeführte Ausschreibung und Vergabe der Rettungsdienstleistungen wirft Rechts- und Tatsachenfragen auf, die einer abschließenden Prüfung im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zugänglich sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2009 – 21 CE 09.3131 -, juris). Eine verbindliche Entscheidung über die Wirksamkeit oder Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist nur in einem Hauptsacheverfahren möglich (vgl. auch BVerwG, B.v. 27.1.1995 – 7 VR 16/94 -, juris; BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 -, juris).
Hinzu kommt, dass die bloße Feststellung der Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages auch noch keinen im Wege des § 123 Abs. 1 VwGO sicherungsfähigen Anspruch der Antragstellerin, beispielsweise auf Abschluss des Vertrages mit ihr, begründen würde. Die Rechtsstellung der Antragstellerin würde mithin selbst im Erfolgsfalle nicht verbessert (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.2018 – 1 WDS-VR 12.17 -, juris).
Unabhängig davon wäre der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages bei der gebotenen summarischen Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit auch unbegründet. Es spricht viel dafür, dass der mit der Beigeladenen geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag (Art. 54 BayVwVfG) über den Betrieb eines Rettungswagens am Standort … wirksam zustande gekommen ist.
Der Vertrag ist insbesondere nicht mangels erforderlicher Zustimmung des Klägers gemäß Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG unwirksam. Zweck dieser Vorschrift ist es, zu verhindern, dass die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung bestehende Anfechtungsmöglichkeit des betroffenen Dritten dadurch umgangen wird, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen wird. Dies setzt voraus, dass durch den Regelungsgehalt des Vertrags in eine bestehende materiell-rechtliche Position eines Dritten eingegriffen wird, was hier nicht der Fall ist. Mit dem streitgegenständlichen Vertrag wurde lediglich die Erbringung von Dienstleistungen durch die Beigeladene vereinbart, so dass der Vertrag selbst keine belastenden Auswirkungen für die Antragstellerin mit sich bringt. Diese ist nur durch eine Minderung ihrer Erwerbschancen aufgrund des Abschlusses des Vertrags mit der Beigeladenen statt ihr indirekt betroffen. Auf solche Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzsituationen bei der Vergabe von Aufträgen ist diese Vorschrift nicht anwendbar (vgl. VG Bayreuth, U.v. 11.12.2012 – B 1 K 12.445 –, Rn. 88).
Der am 5. Februar 2018 geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß Art. 59 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Eine Nichtigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der Verletzung vergaberechtlicher Verfahrensvorschriften. Da der geschätzte Auftragswert für die interimsweise zu vergebenden Leistungen im vorliegenden Fall nicht den maßgebliche Schwellenwert für Dienstleistungskonzessionen von derzeit 5.225.000 € erreicht (§ 155 GWB i. V. m. § 106 Abs. 1, 2 Nr. 4 GWB i. V. m. § 2 KonzVgV), war kein Vergabeverfahren nach den Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) durchzuführen. Die Bestimmung des § 134 GWB, die eine Vorabinformation an die unterlegenen Bieter vorsieht, findet deshalb keine Anwendung. Die Durchführung des Vergabeverfahrens richtet sich im vorliegenden Fall allein nach Art. 13 BayRDG. Unabhängig vom Bestehen einer Vorabinformationspflicht hat der Antragsgegner die Antragstellerin rechtzeitig über den bevorstehenden Vertragsschluss informiert, so dass eine Nichtigkeit des Vertrages auch deshalb ausscheidet.
Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Informations- und Wartepflicht nichtig. Die von der Antragstellerin herangezogene Rechtsprechung zum Beamtenrecht ist nach Auffassung des Gerichts nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar.
Ohne dass es darauf ankäme, ist auch darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner im vorliegenden Fall aufgrund der besonderen Dringlichkeit sogar berechtigt gewesen wäre, eine Interimsvergabe ohne förmliches Auswahlverfahren durchzuführen. Er hätte die streitgegenständlichen Rettungsdienstleistungen als ultima ratio, also auch ohne förmliches Auswahlverfahren direkt vergeben können (vgl. dazu VG Ansbach, B.v. 8.12.2017 – AN 14 E 17.02475 -, juris). Denn selbst bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, deren errechneter Auftragswert – anders als im vorliegenden Fall – den maßgeblichen Schwellenwert nach § 2 KonzVgV überschreitet, ist in Fällen besonderer Dringlichkeit eine direkte Vergabe ohne Eröffnung eines Wettbewerbs möglich. Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 1 KonzVgV, der auf die Vorschriften der Vergabeverordnung und damit unter anderem auf § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV verweist. Ist eine Interimsvergabe von Dienstleistungskonzessionen unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 KonzVgV i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV ausnahmsweise möglich, so muss dies erst recht für eine Konzessionsvergabe unterhalb des Schwellenwerts nach § 2 KonzVgV von derzeit 5.225.000,00 Euro gelten, wie es hier der Fall ist (vgl. VG Ansbach, aaO.).
2.2. Auch der Antrag zu Ziffer 2, mit dem die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass die gegen den „Ablehnungs- und Ausschlussbescheid“ des Antragsgegners vom 25. Januar 2018 erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, ist unzulässig.
Es bestehen bereits Zweifel daran, ob es sich bei diesem Schreiben überhaupt um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG handelt, der mit der Anfechtungsklage angreifbar ist, oder lediglich um eine nicht anfechtbare Verfahrenshandlung.
Dies kann jedoch dahinstehen, weil jedenfalls das für einen Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Das streitgegenständliche Interimsvergabeverfahren wurde mit dem Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen am 5. Februar 2018 abgeschlossen, so dass die begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen das Schreiben vom 25. Januar 2018 die Rechtstellung der Antragstellerin nicht mehr verbessern könnte. Etwas anderes würde auch dann nicht gelten, wenn der Vertrag unwirksam oder nichtig wäre.
2.3. Über den hilfsweise gestellten Antrag unter Ziffer 6), den Antragsgegner zu verpflichten, es vorläufig zu unterlassen, die interimsweise Beauftragung eines Dritten mit dem Betrieb des Stellplatzes … zu vollziehen, ist ebenfalls zu entscheiden, da der Antrag zu 1a) abgelehnt wurde. Auch dieser Antrag ist unzulässig.
Die Antragstellerin begehrt damit vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz. Wie bereits ausgeführt, ist für einen vorbeugenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (vgl. dazu die obigen Ausführungen zu 1). Dieses ist hier zu verneinen, weil die Antragstellerin in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. dazu BVerwG, U. v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 -, juris). Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes die Gefahr bestünde, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstehen würde (vgl. BayVGH, B. v. 30.11.2010 – 9 CE 10.2468 – juris; OVG NRW, B. 22.6.2017 – 13 B 238/17 –, juris). Die Antragstellerin macht in keiner Weise geltend, dass sie durch die interimsweise Beauftragung der Beigeladenen in ihrer Existenz gefährdet sei, oder dass durch den Abschluss oder die Durchführung öffentlich-rechtlicher Verträge irreversible Zustände geschaffen würden. Da es vorliegend nur um die interimsweise Vergabe zusätzlicher Rettungsdienstleistungen geht, ist die Antragstellerin zudem auch nicht gehindert, sich an der noch im Jahr 2018 für den Standort … geplanten europaweiten Ausschreibung zu beteiligen. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch deshalb, weil sich die Rechtsstellung der Antragstellerin selbst bei einem Erfolg dieses Antrags nicht verbessern würde. Unabhängig davon hätte ein Erfolg dieses Antrags zur Konsequenz, dass die rettungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet wäre.
3. Die übrigen Anträge (Anträge 1b, 6, 8, 9, 10) sind zwar zulässig, aber unbegründet.
Zu den von der Antragstellerin gestellten Anträgen ist im Einzelnen folgendes auszuführen:
3.1. Nachdem der Antrag 1a) bereits als unzulässig abzulehnen war, war auch über den hilfsweise gestellten Antrag 1b) zu entscheiden. Dieser Antrag, mit dem die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, den mit der Beigeladenen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 5. Februar 2018 unverzüglich (außerordentlich) zu kündigen, hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit wie hier nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache – nämlich die Verpflichtung zur Kündigung des Vertrages – vorwegnimmt, ist dies im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen (st.Rspr., vgl. u.a. BVerwG, B.v. 8.9.2017 – 1 WDS-VR 4.17 -, juris; BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 -, juris; OVG NRW, B.v. 19.9.2014 – 5 B 226/14 -, juris Rn. 5 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist schon zweifelhaft, ob der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Kündigung des streitgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Vertrags über den Betrieb eines Rettungswagens am Standort … hat. Die Antragstellerin macht insoweit einen Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung geltend und beruft sich auf § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO bzw. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO (analog) bzw. §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Voraussetzung dafür ist allerdings ein rechtswidriger Eingriff des Antragsgegners in ein geschütztes Recht der Antragstellerin. Ein solcher rechtswidriger Eingriff ist hier nach der gebotenen summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
Letztlich kann dies aber dahinstehen. Denn die Antragstellerin hat jedenfalls keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie begehrt hier die außerordentliche Kündigung des Rettungsdienstvertrages und damit eine „Vorwegnahme“ der Hauptsache. Besondere Gründe, die es unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im vorliegenden Einzelfall als unzumutbar erscheinen lassen, sie auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sind nicht ersichtlich und wurden seitens der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen. Dem Interesse der Antragstellerin an einer Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages steht das gewichtige Interesse des Antragsgegners gegenüber, seiner Aufgabe nach Art. 4 Satz 3 BayRDG, der Sicherstellung der rettungsdienstlichen Versorgung der Bevölkerung durch Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport, nachzukommen. Im Rahmen der hier gebotenen Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Bevölkerung und Allgemeinheit an einem funktionsfähigen Rettungsdienst am Standort … die privaten Interessen der Antragstellerin, zumal es sich hier nur um eine Interimsvergabe handelt und die Antragstellerin nicht gehindert ist, sich an dem Vergabeverfahren zu beteiligen (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2009 – 21 CE 09.3131 -, juris). Eine (außerordentliche) Kündigung des Vertrages im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes kommt angesichts dieser höherrangigen Interessen nicht in Betracht.
3.2. Hinsichtlich der Beiziehung der Verwaltungsakten (Antrag Ziffer 9) bedarf es keines Ausspruchs. Die Akten wurden dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Ausnahme der Angebote sowie der geschwärzten Stellen in der Angebotswertung der Beigeladenen zur Einsicht übermittelt. Der Antragsgegner hält die nicht vorgelegten Unterlagen für geheimhaltungsbedürftig. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind die bisher nicht vorgelegten Unterlagen für die Entscheidung über den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht entscheidungserheblich. Der Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf Feststellung, dass die Verweigerung der uneingeschränkten Vorlage der Akten rechtmäßig ist, musste dem zuständigen Fachsenat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs deshalb nicht vorgelegt werden. Etwas anderes kann sich gegebenenfalls für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergeben.
3.3. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin war nicht für notwendig zu erklären, da kein Vorverfahren stattgefunden hat (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO sowie § 161 Abs. 2 VwGO.
Als unterliegende Beteiligte hat die Antragstellerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies schließt die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht ein, da diese keinen Antrag gestellt und deshalb nicht am Prozesskostenrisiko teilgenommen haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), so dass es nicht der Billigkeit entspricht, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an Nr. 16.5 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anhang zu § 164 Rn. 14). Bei Streitigkeiten über die Beteiligung am Rettungsdienst sind 15.000,00 € pro Fahrzeug in Ansatz zu bringen. Bei der streitgegenständlichen Interimsvergabe geht es um die Vorhaltung eines Rettungstransportwagen (RTW). Der so ermittelte Streitwert von 15.000,00 € war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs), so dass sich 7.500,00 Euro ergeben.

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