IT- und Medienrecht

Markenmäßige Benutzung in Suchmaschinen

Aktenzeichen  29 U 3500/15

Datum:
12.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MittdtPatA – 2016, 343
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Es ist eine Benutzung eines fremden Zeichens, das Ergebnis einer Internetsuchmaschine so zu beeinflussen, dass bei Eingabe des Zeichens auch Angebote von Fremdprodukten erscheinen (vgl. BGH GRUR 2010, 835 Rn. 25 – POWERBALL); auch wenn die Nutzer dies erkennen, beeinträchtigt dies die Lotsenfunktion und damit die Herkunftsfunktion. (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist kein Keyword-Advertising, wenn Suchanfragen und Ergebnislisten lediglich Teil der kommerziellen Kommunikation des Plattformanbieters mit den Nutzern sind und die Anbieter darauf keinen Einfluss haben (Abgrenzung zu EuGH GRUR 2010, 445 – Google France). (redaktioneller Leitsatz)
3 Dem Inhaber eines Unternehmens werden Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet; arbeitsteilige Organisation kann die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

33 O 22637/14 2015-08-18 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.08.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar/Die Beklagten können jeweils die Vollstreckung aus Ziffer I. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 66.600,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten der geltend gemachte markenrechtliche Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu. Die Beklagten haben das Zeichen „O.“ und somit ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt, markenmäßig benutzt.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Ausweislich der Anlage K 14 bat der Markeninhaber der Klägerin die Nutzungsrechte an der Klagemarke eingeräumt und sie ermächtigt, Markenverletzungen zu verfolgen.
2. Die Klagemarke „O.“ genießt u. a. für Beutel, Säcke, Taschen für Sport und Freizeit, Wasserbeutel und Wassersäcke, Rucksäcke, Kleidersäcke und Transportsäcke, Fahrradtaschen, Lenkertaschen, Satteltaschen, Rahmentaschen, Motorradpacktaschen und Tankrucksäcke Schutz und somit für identische Waren wie die, die in den Ergebnislisten unter www.a…de bei Eingabe von „O.“ in die interne Suchmaschine erscheinenden Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anderer Hersteller.
3. Die Beklagten haben das Zeichen „O.“ benutzt, indem sie das Ergebnis ihrer Internetsuchmaschine dahingehend beeinflusst haben, dass als Ergebnis des Auswahlverfahrens bei Eingabe des Zeichens „O.“ auch Angebote von Fremdprodukten erscheinen (vgl. BGH GRUR 2010, 835 Tz. 25 – POWERBALL). Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Benutzung durch sie nicht erfolge, weil die Nutzer die Marke selbst eingäben und die Trefferliste nur das Ergebnis eines Algorithmus sei, der Suchergebnisse nach Relevanz zusammenstelle. Der Algorithmus wird durch die Beklagten vorgegeben und gerade durch diesen sich am Kundenverhalten orientierenden Algorithmus kommt es dazu, dass bei Eingabe des Zeichens „O.“ Konkurrenzprodukte angezeigt werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einer Benutzung der Marke durch sie auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23.03.2010 (GRUR 2010, 445 – Google und Google France) entgegen. Der EuGH hat entschieden, dass der Anbieter eines Referenzierungsdienstes eine Marke nicht selbst benutzt, wenn er die Werbenden mit Marken identische Zeichen als Schlüsselwörter aussuchen lässt, diese Zeichen speichert und anhand dieser Zeichen die Werbeanzeigen seiner Kunden einblendet. Der Kunde nutze das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation (EuGH GRUR 2010, 445, Tz. 55, 56 – Google und Google France). Ein solcher Fall des sog. Key word-Advertising (vgl. dazu auch EuGH GRUR 2011, 1124 – Interflora; BGH MMR 2014, 123 – Fleurop; BGH GRUR 2013, 290 – MOSTPralinen) ist vorliegend nicht gegeben. Die Anbieter auf der Plattform der Beklagten nehmen auf die Inhalte der Ergebnislisten keinen Einfluss. Die Ergebnisliste ist Teil der kommerziellen Kommunikation der Beklagten mit den Nutzern, nicht der Drittanbieter (vgl. OLG Köln MMR 2016, 109, 110 – Trefferliste bei A.).
4. Die Beklagten haben das Zeichen „O.“ auch markenmäßig benutzt. Eine markenmäßige Verwendung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH GRUR 2010, 835, Tz. 23 – POWERBALL m. w. N.). Jedenfalls bei Einsatz einer internen Suchmaschine eines Verkaufsportals liegt eine markenmäßige Benutzung eines Zeichens vor, wenn das Zeichen dazu benutzt wird, den Kunden auf die Waren oder Dienstleistungen eines Drittanbieters hinzuweisen (vgl. BGH GRUR 2010, 835 Tz. 25 -POWERBALL; OLG München, Urteil vom 19.12.2013, Az. 6 U 5235/12, BeckRS 2015, 18275: OLG Köln MMR 2016, 109 – Trefferliste bei A.). Vorliegend sind den Kunden bei Eingabe des Zeichens „O.“ in die interne Suchmaschine der Beklagten – auch – Angebote von anderen Herstellern gezeigt worden, die Kunden wurden somit bei Eingabe des mit der Marke identischen Zeichens über die Suchmaschine der Beklagten zu Konkurrenzangeboten geleitet. Hierdurch wird die Lotsenfunktion und damit die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt.
Die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke liegt unabhängig davon vor, ob die Nutzer erkennen, dass es sich bei den angezeigten Treffern teilweise um Angebote anderer Hersteller handelt. Die Rechtsprechung zum sog. Keyword-Advertising, nach der hinsichtlich der Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist, nämlich zunächst, ob bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer aufgrund der allgemein bekannten Marktmerkmale das Wissen zu unterstellen ist, dass der Werbende und der Markeninhaber nicht miteinander wirtschaftlich verbunden sind und, falls dieses Wissen fehlt, ob für den Internetnutzer aus der Werbeanzeige erkennbar ist, dass die vom Werbenden angebotenen Waren nicht vom Markeninhaber stammen (vgl. BGH GRUR 2013, 290 Tz. 22 – MOST-Pralinen m. w. N.), findet vorliegend keine Anwendung. Ein Fall des Keyword-Advertising liegt hier nämlich gerade nicht vor. Die Anzeige der Drittprodukte ist nach dem Vortrag der Beklagten nicht auf das Verhalten der Drittanbieter, sondern auf eine Auswertung des Kundenverhaltens durch die Beklagten zurückzuführen.
Der vorliegende Fall ist auch ganz anders gelagert als die zum Keyword-Advertising entschiedenen Fälle. Der Nutzer einer externen Suchmaschine mag daran gewöhnt sein, neben „echten“ Treffern auch Werbeanzeigen präsentiert zu bekommen. Im vorliegenden Fall werden die Angebote der Drittanbieter dem Nutzer aber als „echte“ Treffer zu seiner Suchanfrage präsentiert. Eine Trennung zwischen zu der Suchanfrage tatsächlich passenden Treffern und nur anlässlich der Suche erscheinenden sonstigen Werbeanzeigen (vgl. dazu BGH MMR 2014, 123 Tz. 20, 21 – Fleurop) wird gerade nicht vorgenommen. Der Nutzer wird in keiner Weise darauf hingewiesen, dass die angezeigten Treffer teilweise zu seiner Suchanfrage nicht passen, sondern werden dem Nutzer – objektiv unzutreffend – als Treffer zu der Anfrage „O.“ präsentiert. Sie werden damit fehlerhaft als Produkte der Marke „O.“ dargestellt, wodurch die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird. Hieran ändert auch nichts, dass dem Nutzer möglicherweise z. B. aus früheren Nutzungen der Suchmaschine der Beklagten bekannt ist, dass die Trefferliste nicht immer zu der Suchanfrage passt oder sich ihm bei näherer Betrachtung der Angebote erschließt, dass es sich teilweise nicht um „O.“-Produkte handelt. Die Herkunftsfunktion der Marke wird unabhängig von der Erkennbarkeit des Fehlers durch die falsche Darstellung beeinträchtigt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich die Zulässigkeit der Anzeige von Drittprodukten bei Eingabe des Zeichens „O.“ auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Staubsaugerbeutel im Internet (BGFI GRUR 2015, 1136). Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass es für eine wirksame vergleichende Werbung unerlässlich sein kann, die Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers dadurch erkennbar zu machen, dass auf eine ihm gehörende Marke oder auf seinen Handelsnamen Bezug genommen wird. Eine solche Bezugnahme verletze das fremde Kennzeichen nicht, wenn sie unter Beachtung der in der RL 2006/114/EG aufgestellten Bedingungen erfolge und das fremde Zeichen verwendet werde, um auf den Bestimmungszweck des angebotenen Produkts hinzuweisen (BGH a. a. O. Tz. 17 -Staubsaugerbeutel im Internet). Vorliegend handelt es sich aber nicht um vergleichende Werbung. Ein Vergleich setzt voraus, dass der Werbende eine konkrete Aussage über das Verhältnis seines Angebots zum Angebot des Mitbewerbers macht (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 6 Rn. 56). Die Angebote stehen hier kommentarlos nebeneinander, eine konkrete Aussage über das Verhältnis der Angebote zueinander wird nicht getroffen. Die Zulässigkeit der Verwendung der Marke ergibt sich hier daher auch nicht aus den im Bereich der vergleichenden Werbung geltenden Besonderheiten.
5. Die Zulässigkeit der Verwendung der Marke, um auf Drittprodukte hinzuweisen, ergibt sich vorliegend auch nicht aus einer ansonsten eintretenden unverhältnismäßigen Gefährdung des Geschäftsmodells der Beklagten. Grundsätzlich erscheint es bereits fraglich, ob ein mit Rechtsverletzungen durch einen bestimmten Algorithmus einhergehendes Geschäftsmodell überhaupt schutzwürdig sein kann. Jedenfalls ist es den Beklagten ohne weiteres zumutbar, den Algorithmus ihrer Suchmaschine dahingehend zu programmieren, dass bei Eingabe einer Marke in die Suchmaschine auch entsprechend der Anfrage des Kunden nur Angebote von Produkten dieser Marke in der Trefferliste erscheinen. Soweit die Beklagten meinen, das sei ihnen technisch nicht möglich, ist darauf zu verweisen, dass ausweislich der Anlage K9 andere Onlineshops offenbar sehr wohl in der Lage sind, den Algorithmus ihrer Suchmaschinen entsprechend zu programmieren, so dass dies auch den Beklagten möglich sein sollte.
6. Die Beklagten sind passivlegitimiert.
Die Verantwortung der Beklagten zu 3) ergibt sich aus deren Zuständigkeit für den technischen Betrieb der Webseite www.a…de.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) sind gemäß § 14 Abs. 7 MarkenG passivlegitimiert. Dem Inhaber eines Unternehmens werden Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugute kommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugute kommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben. Beauftragter kann auch ein selbstständiges Unternehmen sein. Entscheidend ist, dass der Werbepartner in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugute kommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt (BGH GRUR 2009, 1167 – Partnerprogramm). Der Betrieb der Webseite www.a…de dient der Beklagten zu 1) als Verkäuferin auf dieser Webseite und der Beklagten zu 2) als Vertragspartnerin der Drittanbieter. Der Betrieb der Webseite ist notwendiger Bestandteil des Geschäftsmodells der Beklagten zu 1) und zu 2). Sie können sich der Verantwortung für durch den Betrieb der Webseite angelegte Rechtsverletzungen nicht dadurch entziehen, dass sie diesen an einen Dritten auslagern.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

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