IT- und Medienrecht

Markenmäßige Nutzung eines Zeichens im Onlinehandel

Aktenzeichen  33 O 19313/16

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2017, 140230
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die unbegründete Verwarnung von Abnehmern eines Lieferanten aus einem Markenrecht kann ebenso wie eine sonstige Schutzrechtsverwarnung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Ansprüche aus Schadensersatz und auf Unterlassung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht des Lieferanten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Privilegierung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes steht einem aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB hergeleiteten Unterlassungsanspruch gegen unberechtigte Abnehmerverwarnungen nicht entgegen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Beim Tatbestand der Verwechslungsgefahr iSv § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt eine Markenverletzung nur in Betracht, wenn durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens in die Herkunftsfunktion der Marke als deren Hauptfunktion eingegriffen wird. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4 Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Bezeichnung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, wobei in diesem Zusammenhang auch auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die Tatsache, dass durch Eingabe des Zeichens „Sam“ in Suchmaschinen das konkrete Produkt im Onlineshop besser auffindbar ist, genügt für sich genommen nicht für die Annahme einer markenmäßigen Nutzung dieses Zeichens. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, zu unterlassen, Abnehmer der Klägerin, die Bekleidungsstücke mit der Bezeichnung
Sam
von der Klägerin geliefert bekommen haben oder zukünftig geliefert bekommen werden und die. diese Bekleidungsstücke unter dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf anbieten,
aufgrund dieses Anbietens wegen angeblicher Verletzung der im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragenen deutschen Marke Nr. 2004517 und daraus resultierender angeblicher Ansprüche auf Unterlassung und/oder Auskunft und/oder Belegvorlage und/oder Kostenerstattung und/oder Schadensersatz abzumahnen, insbesondere wenn dies wie mit Abmahnschreiben der Rechtsanwälte … vom 25.03.2015, gemäß nachfolgend wiedergegebener Anlage K 1, geschieht,
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
wenn die Benutzung der Bezeichnung „Sam“ in Form eines Modellnamens erfolge, nämlich wenn dies wie in den Internetangeboten gemäß nachfolgend wiedergegebener Anlage K 2 ersichtlich geschieht:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75 000,-Euro und in Ziffer II, gegen Sicherheitsleistung in Höhe.von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist keine doppelte Rechtshängigkeit im Sinne von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gegeben, denn eine solche setzt neben der Identität der Parteien auch die Identität des Streitgegenstands voraus (vgl. dazu etwa Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 261 Rdnr. 7a ff.), woran es vorliegend fehlt:
I. Im vor dem Landgericht Frankfurt unter dem Az. 2-03 O 318/15 geführten Verfahren gemäß Anlage B 2, welches sich nunmehr in der Berufungsinstanz befindet, macht die Beklagte Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche allein gegen die Abnehmerin geltend, so dass weder die Parteien noch der Streitgegenstand dieses Verfahrens mit den Parteien und dem Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens identisch sind. Die Identität bloßer Vorfragen, nämlich wie hier der Frage, ob die Abmahnung der Abnehmerin durch die Beklagte begründet war, ist nicht ausreichend, um das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit zu begründen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 261 Rdnr. 7a ff).
II. Am vor der hiesigen Kammer unter dem Az. 33 O 9532/15 geführten Verfahren gemäß Anlage K 11, welches ebenfalls mittlerweile in der Berufungsinstanz anhängig ist, sind zwar neben der Abnehmerin auch die Parteien des hiesigen Rechtsstreits beteiligt. Allerdings erhebt die auch dort klagende Klägerin gegen die hiesige Beklagte eine negative Feststellungsklage, deren Streitgegenstand sich mit demjenigen der vorliegenden Unterlassungsklage nicht deckt und die deshalb ebenfalls keine Rechtshängigkeitssperre zu begründen vermag (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 256 Rdnr. 16).
B. Die Klage ist begründet.
Die von der Beklagten gegenüber der Abnehmerin der Klägerin ausgesprochene und als Anlage K 1 vorgelegte Schutzrechtsverwarnung vom 25.03.2015 war unbegründet, weshalb der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zusteht.
I. Die unbegründete Verwarnung von Abnehmern eines Lieferanten aus einem Markenrecht kann ebenso wie eine sonstige Schutzrechtsverwarnung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Ansprüche aus Schadensersatz und auf Unterlassung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht des Lieferanten an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen (vgl. BGH GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung mit Verweis auf BGH GRUR 2005, 882 -Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, BGH GRUR 1955, 150 -Farina Belgien und die zum Patentrecht ergangene Entscheidung BGH GRUR 1966, 386 – Wärmeschreiber II). Die rechtliche Sanktionierung einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung beschränkt sich nicht auf die Schadensersatzhaftung für begangene unberechtigte Verwarnungen. Der Grundsatz, dass dem durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung Betroffenen nicht das Recht zuzubilligen ist, die gerichtliche Geltendmachung der vermeintlichen Ansprüche gegenüber seinen Abnehmern mit einem hiergegen gerichteten Unterlassungsanspruch zu verhindern, steht nur einer Unterlassungsklage gegen die gerichtliche Inanspruchnahme der verwarnten Abnehmer entgegen. Auf die außer- oder vorgerichtliche Abmahnung kann die Privilegierung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dagegen nicht übertragen werden. Die Privilegierung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes steht somit einem aus §§ 823 Abs. i, 1004 BGB hergeleiteten Unterlassungsanspruch gegen unberechtigte Abnehmerverwarnungen nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung mit Verweis auf BGH GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).
II. Die Abmahnung der Abnehmerin der Klägerin durch die Beklagte war unbegründet, weil die streitgegenständliche Art der^Verwendung des Zeichens „Sam“ durch die Abnehmerin weder die Herkunftsfunktion noch sonstige Funktionen der Klagemarke „SAM“ verletzt.
1. Die Abnehmerin der Klägerin hat die Bezeichnung „Sam“ in den (vorliegend allein maßgeblichen) Internetangeboten gemäß Anlage K 2 nicht markenmäßig benutzt, weshalb eine Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wegen Verwechslungsgefahr nicht gegeben ist.
a) Beim Tatbestand der Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt eine Markenverletzung nur in Betracht, wenn durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens in die Herkunftsfunktion der Marke als deren Hauptfunktion eingegriffen wird. Ein solcher Eingriff in die Herkunftsfunktion kommt hur in Betracht, wenn der Zeichenverwender das angegriffene Zeichen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (jedenfalls auch) dazu benutzt, um seine Waren / Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, wenn er es also „als Marke“ bzw. markenmäßig benutzt (vgl. Ströbele/Hacker/Hac/cer, MarkenG, 11. Auflage,. § 14 Rdnr. 106 mit Verweis auf u.a. EuGH GRUR 2009, 756 -L’Oreal/Beliure, BGH GRUR 2010, 838 – DDR-Logo, BGH GRUR 2012, 618 – Medusa und BGH GRUR 2013, 1239 -VOLKSWA GENA/olks. Inspektion),
b) Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Bezeichnung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, wobei in diesem Zusammenhang auch auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen ist (vgl. BGH GRUR 2010, 838 – DDR-Logo; BGH GRUR 2005, 414 -Russisches Schaumgebäck). Für die Frage der markenmäßigen Benutzung eines Zeichens kommt es nicht auf dessen Zweckbestimmung durch den Verwender, sondern allein darauf an, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als – Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht. Ob dies der Fall ist, kann nur unter sorgfältiger Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BGH GRUR 1988, 307 – Gaby, BGH GRUR 1995, 156 – Garant-Möbel; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage,. § 14 Rdnr. 196; Ströbele/Hacker/Hackrer, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 135). Anders, als die Beklagte meint, ist eine markenmäßige Benutzung auch nicht nur im Falle der Verwendung rein beschreibender Angaben ausgeschlossen (vgl. BGH GRUR 2008, 912 – Metrosex).
c) Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise – zu denen auch die Kammermitglieder als normal informierte, angemessen … aufmerksame und verständige Käufer von Hosen und zumindest potentielle Nutzer von Onlineshops gehören – dient die Bezeichnung „Sam“ in der konkret verwendeten Art und Weise, nämlich in Kombination mit dem Zusatz „Modell:“ unscheinbar eingepasst in eine Auflistung diverser Produktmerkmale, nicht der Unterscheidung der Waren der Klägerin von denen anderer Unternehmen, sondern einzig der Unterscheidung verschiedener Hosenmodelle innerhalb der Kollektion der Klägerin. Denn der angesprochene Verkehr ist an die gängige, langjährige und von der Klägerin. eindrucksvoll belegte Praxis der Bekleidungsbranche gewöhnt, zur Benennung der Modelle innerhalb einer Kollektion eines Herstellers männliche oder weibliche Vornamen zu verwenden, und ihm ist infolge dieser weit verbreiteten Übung auch geläufig, dass sich im Bekleidungssektor diverse Vornamen, bei unterschiedlichsten Herstellern wiederholen und regelmäßig durch mehrere Hersteller bzw. Anbieter gleichzeitig verwendet werden.
Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Abnehmerin im vorliegenden Fall ein Kennzeichen der Beklagten in einem Onlineangebot verwendet hat,, und dass bei einer solchen Verwendungsweise die Annahme einer (zumindest auch) rechtlich relevanten zeichenmäßigen Verwendung der fremden Kennzeichnung für den Verkehr nahe liegt und im Zweifel zugrundezulegen ist (vgl. BGH GRUR 1988, 307 – Gaby.mit Verweis auf u.a. BGH GRUR 1961, 280 – Tosca) Allerdings kommt es auch bei der Verwendung eines fremden Kennzeichens in einer Anzeige entscheidend darauf an, wie -und als was – sich dieses Zeichen seiner Art und seinem Sinngehalt nach dem Verkehr darstellt (vgl. BGH GRUR 1988, 307 – Gaby). In. diesem Zusammenhang ist neben der verbreiteten (nicht notwendig ständigen oder durchgängigen, weil auch eine nur gängige Praxis schon geeignet ist, das Verkehrsverständnis zu prägen) Übung in der Textilbranche, Vornamen als bloße Modellbezeichnung zu verwenden, auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung „Sam“ um einen dem Verkehr geläufigen Vornamen handelt, der deswegen jeder besonderen Eigenart entbehrt. Aus diesen Gründen sieht der angesprochene Verkehr in derlei Vornamen nicht zwingend einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller oder eine bestimmte Herkunft der Waren, wenn ihm diese entweder nicht -wenn auch in anderem Zusammenhang . – als-Produktkennzeichen bekannt sind (vgl. BGH GRUR 2010, 838 -DDR-Logo), was allerdings nicht einmal die Beklagte geltend macht und wofür im Streitfall auch nichts ersichtlich ist, oder wenn die konkrete Verwendung nicht die Annahme einer Benutzung als Herkunftshinweis begründet. Im Ergebnis wird mithin die Bezeichnung „Sam“ in der streitgegenständlichen Benutzungsform „Modell: Sam“ vom maßgeblichen Durchschnittsverbraucher dahingehend aufgefasst, dass diese allein dazu dient, das konkrete Hosenmodell zu individualisieren und nicht seiner Herkunft nach, sondern lediglich seiner Art nach zu bezeichnen, um dadurch das Angebot und die Bestellung von Waren eines bereits durch andere Kennzeichen klar und eindeutig erkennbaren Herstellers zu erleichtern (vgl! BGH GRUR 1970, 552 – Felina-Britta). Für dieses Verkehrsverständnis spricht nicht zuletzt, dass die Beklagte selbst davon ausgeht, dass „es für den Verkehr bei der Identifizierung des konkreten Produkts gerade auf die Kombination von Erst- und Zweitmarke, und nicht […] isoliert auf die Zweitmarke ankommt“ (S. 56 der Klageerwiderung, Bl. 101 d, A.), bzw dass,,[d]er Verbraucher […] die Produktbezeichnung […] immer in Kombination mit der Herstellermarke wahrnimmt] und […] nur durch diese Kombination das genaue Bekleidungsstück identifizieren [kann]“ (S. 58 der Klageerwiderung, Bl. 103 d. A.), denn damit spricht auch die Beklagte der Bezeichnung „Sam“ in der konkreten Verwendungsweise jegliche Eignung als Herkunftshinweis ab.
Anders als die Beklagte meint, genügt für die Annahme eines markenrechtlichen Verstoßes auch nicht eine nicht völlig fernliegende Möglichkeit eines Verkehrsverständnisses dahingehend, dass nicht unerhebliche Teile des Verkehrs „Sam“ als.- neben EUREX BY BRAX – zweiten Hinweis auf die Herkunft der Ware im Sinne einer Produktmarke ansähen, weil es im vorliegenden Fall allein auf die Auffassung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der in Rede stehenden Waren ankommt (vgl. BGH GRUR 2013, 631 -AMARULA/Marulablu). Denn weil die Beurteilung der Frage, ob . eine Zeichenverwendung als herkunftshinweisend angesehen werden kann, eine Rechtsfrage ist (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 137), die unter Heranziehung des Leitbildes eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen ist, kann die Verkehrsauffassung grundsätzlich nur einheitlich festgestellt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 9 Rdnr. 246). Der Ausnahmefall einer gespaltenen Verkehrsauffassung ist vorliegend nicht gegeben, weil sich die streitgegenständlichen Angebote nicht an verschiedene Verkehrskreise richten, die sich – wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise – objektiv voneinander abgrenzen ließen (vgl. BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu mit Verweis auf u.a. BGH GRUR 2004, 947 – Gazoz).
Schließlich genügt auch die Tatsache, dass durch Eingabe des Zeichens „Sam“ in Suchmaschinen das konkrete Produkt im Onlineshop der Abnehmerin besser auffindbar ist, für sich genommen nicht für die Annahme einer markenmäßigen Nutzung dieses Zeichens. Denn richtig ist zwar, dass es für eine markenmäßige Verwendung reichen kann, dass ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer zu der Internetseite des Verwenders zu führen (vgl. BGH GRUR 2010, 835 – POWER BALL). Allerdings gilt dies nicht in Fällen, in denen die angegriffene Bezeichnung auf der aufgefundenen‘ Internetseite wie Vorliegend ausschließlich in zulässiger, weil nicht markenmäßiger (oder sonstige Markenfunktionen verletzender, – siehe dazu nachfolgend unter B.II.2) Art und Weise benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 835 – POWER BALL, Tz. 28), denn anderenfalls würde man auch rein beschreibenden Angaben wie „Hose“, „blau“ oder „Größe 42“ stets eine herkunftshinweisende Funktion beimessen, wenn diese – wie regelmäßig – das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine beeinflussen.
d) Der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts Frankfurt gemäß dem als Anlage B 2 vorgelegten Urteil vom 12.05.2016 schließt sich die Kammer deshalb nicht an. Die streitgegenständliche Verwendungsform in der Auflistung der Produktmerkmale und mit dem Zusatz „Modell.“ unterscheidet sich nach hiesiger Auffassung maßgeblich von einer Verwendung des Zeichens „Sam“ in der Artikelüberschrift, wie sie beispielsweise der in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 15.05.2012, Az.: 6 U 2/12 (abrufbar unter BeckRS 2013, 22729), zugrunde gelegen hat, bzw. von . einer Verwendung eines Zeichens „RODEO DRIVE“ beim Vertrieb von Brillen, wie sie der in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 08.11.2005, Az.: I – 20 U 110/04 (abrufbar unter BeckRS 2011, 17100), zugrunde gelegen hat, so dass die dortigen Feststellungen zur Verkehrsauffassung betreffend die Einordnung als Zweitmarke nicht auf die hiesige Fallgestaltung übertragbar sind.
2. Die angegriffene Benutzung des Zeichens „Sam“ beeinträchtigt auch keine weiteren Markenfunktionen im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass auch keine Markenverletzung unter dem Gesichtspunkt der Doppelidentität gegeben ist.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt allerdings Doppelidentität im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vor, weil sowohl die sich gegenüberstehenden Waren, nämlich „Bekleidungsstücke“, als auch die sich gegenüberstehenden Zeichen identisch sind. Maßgeblicher Bestandteil in der angegriffenen Bezeichnung „Modell: Sam“ ist der Bestandteil „Sam“, die abweichende Groß- bzw. Kleinschreibung ist eine völlig unbedeutende Abweichung und stellt den identischen Gesamteindruck aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht in Frage (vgl. dazu Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 281 ff. unter Verweis auf u.a. EuGH GRUR 2010, 841 – Portakabin/Primakabin).
b) Allerdings fehlt es vorliegend an einer Funktionsbeeinträchtigung der Klagemarke.
aa) Bei doppelt-identischer Benutzung der angegriffenen Bezeichnung liegt eine Rechtsverletzung jedenfalls. dann vor, wenn die Benutzung die . Herkunftsfunktion, als. Hauptfunktion einer Marke beeinträchtigt. Darüber hinaus kommt eine Verletzung auch dann in Betracht, wenn irgend eine andere Funktion der Marke beeinträchtigt ist, was nicht zwingend . eine markenmäßige Benutzung im herkömmlichen Sinne voraussetzt (vgl. Ströbele/Hacker/Hac/rer, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 107 unter Verweis auf BGH GRUR 2011, 1135 -GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE).)
bb) In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass die über’die Herkunftsfunktion hinaus in Betracht kommenden Funktionen wie insbesondere die Qualitäts-, Kommunikations-, Werbe- und Investitionsfunktion zwangsläufig nur benutzten Marken zukommen können (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 108). Nur die Herkunftsfunktion ist eine originäre Funktion der Marke, alle anderen Funktionen sind dagegen erworbene Funktionen, die entsprechende Marktaktivitäten des Markeninhabers voraussetzen (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, Einl Rdnr. 42), d.h. die genannten Funktionen kommen der Marke somit nicht schon originär mit dem formalen Schutz durch den Registereintrag zu, sondern nur kraft eines gewissen Besitzstandes, den sich der Markeninhaber erarbeitet haben muss (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 14 . Auflage, Einl Rdnr. 40). Hierzu fehlt es jedoch an (ausreichendem) Vortrag der Beklagten zu etwaigen Investitionen in den Ruf der Klagemarke oder getätigten Werbeaufwendungen, zumal auch schon keine übermäßige Benutzung der Klagemarke als solcher behauptet wird, und sich die vorgelegten Unterlagen B 8, B 9, B 13 und B 14 auf einen Zeitraum bis lediglich zum Jahre 2012 bzw. 2013 beziehen. Unabhängig davon fehlt -es an hinreichend konkretem Sachvortrag., der erkennen ließe, worin konkret die Beeinträchtigung welcher weiteren Funktionen der Beklagtenmarke liegen soll. Die angegriffene Benutzungsform verletzt daher weder die Herkunftsfunktion der Klagemarke (siehe dazu oben B.II.1) noch deren sonstige Markenfunktionen.)
III. Die unbegründete Abnehmerverwarnung der Beklagten stellt auch einen unmittelbaren Eingriff in den Geschäftsbetrieb der Klägerin dar.
1. Bei der unberechtigten Abnehmerverwarnung ergibt sich die Unmittelbarkeit des Eingriffs in den Geschäftsbetrieb des Herstellers oder Lieferanten schon daraus, dass sie dessen Absatz beeinträchtigen kann. Denn der abgemahnte Abnehmer wird häufig, zumal wenn er auf Konkurrenzprodukte oder andere Lieferanten ausweichen kann, geneigt sein, sich der Verwarnung zu beugen, um damit den mit einem Rechtsstreit verbundenen Nachteilen aus dem Weg zu gehen. Bereits die darin liegende Gefahr stellt – unabhängig davon, ob sich der unberechtigt verwarnte Abnehmer fügt oder nicht – eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Herstellers und des Lieferanten dar (vgl BGH GRUR 2006, 433 -Unbegründete Abnehmerverwarnung mit Verweis auf BGH GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und BGH GRUR 1955, 150 – Pahna Belgien).
2. Zwar ist der Beklagten darin Recht zu geben, dass es sich im Streitfall nicht um die „typische“ Konstellation einer unbegründeten Abnehmerverwarnung handelt, weil die von der Beklagten mit der streitgegenständlichen Abmahnung beanstandete Zeichenverwendung in den als Anlage K 2 vorgelegten Internetangeboten unstreitig auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung der Abnehmerin beruht und die konkrete Form der Zeichennutzung als solche nicht von der Klägerin vorgegeben war (weshalb die Kammer im unter dem Az. 33 O 9532/15 geführten Verfahren auch das Bestehen des. erforderlichen Feststellungsinteresses für die dortige negative Feststellungsklage der hiesigen Klägerin gegen die hiesige Beklagte verneint hat). Dass die Bezeichnung „Sam“ aber als Modellbezeichnung von der Klägerin gegenüber der Abnehmerin (ggf. mit weiteren Zusätzen) verwendet worden ist, bestreitet die Beklagte nicht, wenn sie in der Klageerwiderung darauf abstellt, dass „allein die Abnehmerin mögliche Vorgaben der Klägerin so modifiziert [habe], dass es sich erst dann um eine rechtsverletzende Nutzung des Zeichens „Sam““ gehandelt habe. Weil aber auch in einem solchen Fall die Verwendung der Bezeichnung „Sam“ durch die Abnehmerin letztlich auf die Klägerin als Herstellerin und Lieferantin zurückzuführen ist, besteht die greifbare Gefahr, dass die Verwarnung der Abnehmerin durch die Beklagte zu Verwerfungen in der Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und ihrer Abnehmerin führt – und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin gegenüber ihrer Abnehmerin letztlich tatsächlich regresspflichtig! ist. In diesem Zusammenhang haben die Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals anschaulich (und insoweit unwidersprochen) dazu ausgeführt, dass Zwischenhändler wie die hiesige Abnehmerin kein Interesse an einer zeit- und kostenintensiven Anspruchsdurchsetzung gegenüber dem Verwarner haben, sondern im Zweifel den Hersteller der ‚ Einfachheit halber auslisten. Gerade vor dieser Beeinträchtigung der Geschäfts- und Lieferbeziehungen aber soll der Hersteller und Lieferant bei einer – wie im Streitfall – unbegründeten Schutzrechtsverwarnung durch das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der unbegründeten Abnehmerverwarnung geschützt werden.
IV. Der in der Verwarnung der Abnehmerin der Klägerin liegende Eingriff in den Geschäftsbetrieb der Klägerin war auch rechtswidrig. Die Frage, ob sich die Rechtswidrigkeit schon daraus ergibt, dass die Verwarnung unberechtigt war, oder ob sie erst auf Grund einer Abwägung der im Einzelfall gegenüberstehenden Interessen und Güter festgestellt werden kann, weil es sich bei dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen offenen Tatbestand handelt (vgl. BGH GRUR 2006,. 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung mit Verweis auf BGH GRUR 1963, 255 – Kindemähmaschinen, BGH GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung sowie BGH GRUR 2006, 432 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II), kann auch im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn auch bei Abwägung der im vorliegenden Fall widerstreitenden Belange ist wegen der überwiegenden schützenswerten Interessen der Klägerin die Rechtswidrigkeit zu bejahen: Dem Interesse der Beklagten, zur Verteidigung ihrer Markenrechte gegen (vermeintliche) Markenverletzungen durch Abnehmer vorzugehen, steht das Interesse der Klägerin gegenüber, einem unter Umständen sogar existenzgefährdenden Eingriff in ihre Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber ihren Abnehmern entgegenzutreten (so auch BGH GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung mit Verweis auf BGH GRUR . 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, Vor §§ 14 – 19d Rdnr. 411). Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist weiter zu berücksichtigen, dass die Schutzrechtsverwarnung im vorliegenden Fall aus Rechtsgründen unbegründet war, weil die Zeichenverwendung der Abnehmerin nicht funktionsverletzend und damit nicht markenrechtswidrig ist. An der Wiederholung einer unbegründeten Abmahnung kann jedoch schon per se kein schützenswertes Interesse bestehen (vgl. Ströbele/Hacker/Hac/cer, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 491 mit Verweis auf BGH GRUR 2009, 878 – Fräsautomat und BGH GRUR 2011, 995 – Besonderer Mechanismus).)
V. Der aus einem rechtswidrigen. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb folgende Unterlassungsanspruch ist -anders als ein etwaiger Schadensersatzanspruch -verschuldensunabhängig (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, Vor §§ 14 – 19d Rdnr. 414; Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 492; Palandt/Herrler, BGB, 76. Auflage, § 1004 Rdnr. 13; zum Schadensersatzanspruch etwa: BGH GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung, Tz. 23; BGH GRUR 1974, 290 – maschenfester Strumpf, BGH GRUR 2006, 432 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II).
VI. Aus dem festgestellten rechtswidrigen Eingriff ergibt sich schließlich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BGH GRUR 2006, 433 – Unbegründete Abnehmerverwarnung).
C. Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 12.09.2017, bei Gericht eingegangen am selben Tag, anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 132 Rdnr. 4), eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 156 Rdnr. 4).
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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