IT- und Medienrecht

Schöpfungshöhe bei einer Wortfolge

Aktenzeichen  33 O 15792/16

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
K & R – 2018, 204
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 73, § 85
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
KUG § 22

 

Leitsatz

1 Die Wortfolge „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let’s go, let’s fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“ stellt mangels Schöpfungshöhe kein geschütztes Werk iSd § 2 UrhG dar. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einem Sprachwerk iSv § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG muss der geistige Gehalt durch das Mittel der Sprache zum Ausdruck kommen, die geistige Leistung muss aus dem Werk selbst erkennbar werden, wobei weder die Art der Darbietung noch die stimmliche Intonation eine Rolle spielt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nicht schon jede Aufführung, jedes Singen oder Spielen ist eine Darbietung iSd § 73 UrhG, sondern Schutzgegenstand ist die künstlerische Interpretation eines Werkes. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten.

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gegeben. Ein solches fehlt grundsätzlich nur bei objektiv sinnlosen Klagen, d.h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, Vor § 253 Rdnr. 18). Das ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.
B. Die Klage ist nicht begründet.
Auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten bestehen selbst bei unterstellter Aktivlegitimation der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Eine Beweisaufnahme zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die streitgegenständliche Textpassage tatsächlich von der Klägerin stammt, war daher nicht erforderlich.
Im Einzelnen:
I. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Ansprüche nach dem UrhG zu.
1. Ansprüche der Klägerin wegen der behaupteten Verletzung ihres Urheberrechts scheitern schon daran, dass die streitgegenständliche Wortfolge „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let’s go, let’s fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“ kein geschütztes Werk im Sinne des § 2 UrhG darstellt. Weil der genannten Textpassage die erforderliche Schöpfungshöhe fehlt, liegt keine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG vor.
a) In Betracht kommt alleine das Vorliegen eines Sprachwerkes im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Bei einem solchen muss der geistige Gehalt durch das Mittel der Sprache zum Ausdruck kommen, die geistige Leistung muss aus dem Werk selbst erkennbar werden (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 2 Rdnr. 81), wobei in diesem Zusammenhang weder die Art der Darbietung noch die stimmliche Intonation eine Rolle spielt. Für die Schutzfähigkeit eines Sprachwerkes kommt es sowohl auf seine Art ais auch auf seinen Umfang an. Je kürzer die jeweilige Formulierung ist, desto mehr muss sie sich durch eine phantasievolle Wortwahl oder Gedankenführung von üblichen Formulierungen abheben (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 2 Rdnr. 83). Im Bereich der Sprachwerke ist allerdings auch die kleine Münze urheberrechtlich geschützt; es gelten deshalb grundsätzlich geringe Anforderungen an die hinreichende Individualität (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 2 Rdnr. 85).
b) Das streitgegenständliche Textfragment „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let’s go, let’s fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“ erschöpft sich in einer losen und willkürlich erscheinenden Aneinanderreihung situativ hervorgebrachter, gebräuchlicher anpreisender Begriffe banalster Art und Weise, denen insbesondere im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Äußerung (nämlich beim reklamehaften Anpreisen eines Fahrgeschäfts) jedwede Doppeldeutigkeit und Individualität fehlt. Ersichtlich ist diese Wortfolge in ihrer Belanglosigkeit eher vergleichbar mit den schutzlos gebliebenen Zeilen „Samba (Lachen) – hai que – Samba de Janairo“ (vgl. OLG Hamburg ZUM 1998, 1041) oder „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1978, 640) denn mit geschützten Äußerungen wie „Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt“ (vgl. OLG München ZUM 2009, 970) oder „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“ (vgl. LG München I GRUR-RR 2011, 447 – Karl-Valentin-Zitat). Die in Rede stehende Textpassage weist nach Auffassung der Kammer nicht die erforderliche Gestaltungshöhe auf, die sie als persönliche geistige Schöpfung kennzeichnen würde, selbst wenn man das Maß für die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts sehr niedrig ansetzt. Dieser Begriff hat nicht die Aufgabe, jede Abgrenzung überflüssig zu machen (sc auch OLG Hamburg ZUM 1998. 1041).
c) Diesem Ergebnis steht auch nicht die von der Klagepartei zitierte Entscheidung EuGH GRUR 2009, 1041 – Infopaq / DDF entgegen. Streitgegenständlich war zwar dort in der Tat ein aus nur elf Wörtern bestehender Ausschnitt eines Artikels aus der Tagespresse. Vom Urheberrechtsschutz erfasst ist ein solcher jedoch nur, soweit der wiedergegebene Bestandteil die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringt. Insoweit stellt der EuGH in Tz. 46 des genannten Urteils klar, dass Wörter als solche keine vom Schutz erfassten Bestandteile sind. Wie aber unter B.M.b) bereits festgestellt, fehlt es dem übernommenen Textfragment an jedweder Schöpfungshöhe. Dass dieses aber in einen weiteren – als solchem schutzfähigen – Text eingebunden gewesen wäre, hat die Klägerin demgegenüber nicht für sich in Anspruch genommen.
2. Eine Verletzung sonstiger Leistungsschutzrechte der Klägerin ist ebenfalls nicht ersichtlich.
a) Auf Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers im Sinne von § 73 UrhG beruft sich die Klägerin nicht. Solche bestehen vorliegend auch nicht, und zwar ungeachtet dessen, dass das dargebotene Werk nur seiner Art nach § 2 UrhG unterfallen muss und eine gewisse Schöpfungshöhe nicht verlangt wird (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Auflage, § 73 Rdnr. 8). Denn nicht schon jede Aufführung, jedes Singen oder Spielen ist eine Darbietung im Sinne des § 73 UrhG, sondern Schutzgegenstand ist die künstlerische Interpretation eines Werkes (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Auflage, § 73 Rdnr. 8). Daran fehlt es hier: Die Tätigkeit der Klägerin erschöpft sich in der stimmlichen Wiedergabe der streitgegenständlichen – für sich genommen schutzunfähigen – Textpassage „Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let’s go, let’s fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!“. Dieser Darbietung fehlt jegliche eigenpersönliche Ausprägung (vgl. dazu auch BGH GRUR 1981, 419 -Quizmaster), weil sie sich – wie es der Kammer aus eigener Anschauung bekannt ist – nicht von dem unterscheidet, was üblicherweise auf Jahrmärkten bei der Anpreisung und Bewerbung von Fahrgeschäften dargeboten wird. Eine künstlerische Interpretation liegt hierin nicht, so dass sich insoweit auch ein Schutz aus § 73 UrhG verbietet.
b) Verwertungsrechte der Klägerin aus § 85 UrhG bestehen nicht, weil die Klägerin schon nicht geltend macht, die organisatorische und wirtschaftliche Leistung erbracht zu haben, das streitgegenständliche Tonmaterial aufzuzeichnen und mithin Tonträgerherstellerin zu sein.
3. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Urheberschaft der Klägerin bzw. der (un-)zulässigen Übernahme fremder (Sprach-) Sequenzen in eigene Musikwerke, welche derzeit Gegenstand eines angeregten höchstrichterlichen Meinungsaustausches ist (vgl. BGH GRUR 2009, 403 – Metall auf Metall I, BGH GRUR 2013, 614 – Metall auf Metall II sowie dazu BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall und nachfolgend BGH GRUR 2017, 895 – Metall auf Metall III), kommt es nach alledem nicht mehr an.
II. Ansprüche der Klägerin gegen die. Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog bestehen ebenfalls nicht. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die streitgegenständliche Tonaufnahme von ihr stammt, verletzt deren – unterstellt unbefugte – Übernahme in das Lied „…“ nicht die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als ein durch Art. 1 und 2 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes „sonstiges Recht“ anerkannt (st.Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2000, 709 – Marlene Dietrich); ihm ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit jeher ein besonders hoher Rang beigemessen worden [vgl. nur BVerfG GRUR 2007, 1085 – Roman „Esra’). Es gewährleistet gegenüber Jedermann den Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (vgl. BGH GRUR 2000, 709 – Marlene Dietrich). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst unter anderem die persönliche Ehre und das Recht am eigenen Wort (vgl. BVerfG GRUR 1980, 1087 – Heinrich Böll).
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen dienen in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Darüber hinaus schützen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen aber auch Vermögenswerte Interessen der Person. Der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa der Stimme kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im Allgemeinen auf der Bekanntheit und dem Ansehen der Person in der Öffentlichkeit – meist durch besondere Leistungen etwa auf sportlichem oder künstlerischem Gebiet erworben – beruht (vgl. BGH GRUR 2000, 709 – Marlene Dietrich).
Die – unterstellte – Übernahme eines von der Klägerin in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einer breiten Öffentlichkeit kundgetanen Textes in das Lied „…“ berührt die Klägerin in ihrer Sozialsphäre und mithin in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. BGH GRUR 2012, 425 – Babyklappen).
Dieser – unterstellte – Eingriff in die Sozialsphäre der Klägerin ist allerdings nicht rechtswidrig, weil ihr Schutzinteresse die schutzwürdigen Belange der Beklagten nicht überwiegt. Dies ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem gemäß Art. 5 Abs. 3 GG ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Beklagten auf Kunstfreiheit.
a) Neben den Beklagten zu 1) bis 4) als Interpreten des streitgegenständlichen Musikstücks können sich auch die Beklagten zu 5) und 6) als Tonträgerverwertungsunternehmen auf das Grundrecht der Kuhstfreiheit berufen. Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch solche Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall unter Verweis auf BVerfG GRUR 2007, 1085 – Roman „Esra“). Da es gerade um die Mittlerfunktion geht, die auch von einem Unternehmen wahrgenommen werden kann, ist die Kunstfreiheit insofern gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ihrem Wesen nach auch auf die Beklagten zu 5) und 6) als inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall).
b) Die Kunstfreiheit schützt die künstlerische Betätigung selbst („Werkbereich“}, darüber hinaus aber auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, die sachnotwendig für die Begegnung der Öffentlichkeit mit dem Werk sind („Wirkbereich“) (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall). Sie ist in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten anderer Rechtsträger, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall).
c) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG stellt eine solche Schranke dar. Auch bei der Auslegung und Anwendung dieses „sonstigen Rechts“ im Sinne von § 823 Abs. 1 GG gebietet jedoch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eine kunstspezifische Betrachtung (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 -Metall auf Metall). Die kollidierenden Grundrechtspositionen der Klägerin einerseits und der Beklagten andererseits sind mithin in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Die hierbei vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Abwägung kann dementsprechend nicht allein aus der Perspektive eines einzelnen Grundrechts vorgenommen werden, sondern hat sich auf den Ausgleich zwischen gleichberechtigten Grundrechtsträgern zu beziehen (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 – Metall auf Metall).
d) Die – unterstellte – Übernahme der klägerischen Textpassage in das als Kunstwerk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu bewertende Musikstück “…“ der Beklagten zu 1) bis 4) ist in der konkreten Form als ein Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen. Dem keinesfalls als gering anzusetzenden Interesse der Klägerin am Schutz ihrer persönlichen Ehre und ihres Rechts am eigenen Wort steht das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse der Beklagten gegenüber, ohne finanzielle Risiken oder inhaltliche Beschränkungen in einen Schaffensprozess im künstlerischen Dialog mit vorhandenen Werken treten zu können, wobei das hier in Rede stehende Sampling zu tongestalterischen Zwecken genauso von der Kunstfreiheit geschützt ist, wie wenn es zum Zweck der kritischen Auseinandersetzung mit dem Original erfolgt (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 -Metall auf Metall). Steht der künstlerischen Entfaltungsfreiheit ein vergleichsweise geringfügiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Dritten gegenüber, so kann dieses zu Gunsten der Freiheit der künstlerischen Auseinandersetzung zurückzutreten haben (vgl. nur BVerfG GRUR 2007, 1085 -Roman „Esra’).
So liegt der Fall hier; Bei der Bestimmung der Intensität des -unterstellten – Eingriffs auf Seiten der Klägerin ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sie in ihrer Sozialsphäre, nicht aber in ihrer Privat- oder gar Intimsphäre betroffen ist, und dass das die streitgegenständliche Passage übernehmende Musikstück zwar durchaus Geschmackssache, nicht aber per se in einem nicht hinnehmbaren Maße anstößig ist. Darüber hinaus ist zu sehen, dass die aufgenommene Stimme in auf Jahrmärkten üblicher Weise verzerrt und damit verfremdet ist, und die Klägerin daher nicht ohne Weiteres für Dritte erkenn- und identifizierbar ist. Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Sachverhalt mithin von der vom OLG Hamburg entschiedenen Konstellation, in der ein Sprachimitator in einer Rundfunkwerbung die künstlerische Eigenart eines in Wort und Stimmklang bundesweit bekannt gewordenen’ Schauspielers nachgemacht hat (vgl. OLG Hamburg GRUR 1989, 666 -Heinz Erhardt). In diesem Zusammenhang dürfen auch die gesetzgeberischen Wertungen des KUG nicht unberücksichtigt bleiben, nach dessen § 22 Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, wobei Ansprüche nach dem KUG die Erkennbarkeit des Abgebildeten voraussetzen und die Identifizierbarkeit durch den engsten Freundes- und Familienkreis nicht genügt (vgl. BeckOK/Engels, UrhG, 17. Edition, § 22 KUG Rdnr. 23). Das Recht am eigenen Bild ist als Teil des allgemeinen Persöniichkeitsrechts aber insoweit dem Recht am eigenen Wort vergleichbar. Weil außerdem. die Stimme der Klägerin beim sog. Rekommandieren auch ihrem eigenen Vorbringen nach ohne Einschränkung öffentlich abrufbar ist, weil sie nämlich etwa in einem Song des Musikprojekts … enthalten ist und mit ihrer Billigung kommerziell genutzt wird, und zwar in einer Form, die mit der hier streitgegenständlichen Passage im Wortlaut identisch und in der Intonation mindestens frappierend ähnlich ist, ist die Eingriffsintensität durch die – unterstellte – Übernahme der in Rede stehenden Textpassage in das Musikstück der Beklagten zu 1) bis 4) im Ergebnis als vergleichsweise gering zu bewerten, mit der Folge, dass das allgemeine Persöniichkeitsrecht der Klägerin in diesem Fall hinter der Kunstfreiheit der Beklagten zurückzutreten hat.)
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das im Prinzip mögliche eigene Einspielen der streitgegenständlichen Tonaufnahme durch die Beklagten keinen gleichwertigen Ersatz darstellen würde. Denn der Einsatz von Samples ist eines der stilprägenden Elemente des Hip-Hop und der direkte Zugriff auf das Originaltondokument ist dabei – ähnlich wie bei der Kunstform der Collage – Mittel zur „ästhetischen Reformulierung des kollektiven Gedächtnisses kultureller Gemeinschaften“ und wesentliches Element eines experimentell synthetisierenden Schaffensprozesses. Die erforderliche kunstspezifische Betrachtung verlangt, diese genrespezifischen Aspekte nicht unberücksichtigt zu lassen. Dass in anderen Bereichen Samples auch oder vorrangig zum Zweck der Kostenersparnis eingesetzt werden, darf nicht dazu führen, den Einsatz dieses Gestaltungsmittels auch dort unzumutbar zu erschweren, wo es – wie vorliegend – stilprägend ist (vgl. BVerfG GRUR 2016, 690 -Metall auf Metall).
C. Soweit der nachgereichte Schriftsatz der Klägervertreterin vom 14.11.2017 anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 132 Rdnr. 4), eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 156 Rdnr. 4).
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 Abs. 1 ZPO. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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