Aktenzeichen 33 O 11469/15
GMV/UMV Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. a), lit. b), Art. 13, Art. 102
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 18, § 19 Abs. 1, Abs. 3, § 24 Abs. 1, § 125b Nr. 2
ZPO § 32, § 256 Abs. 1
Leitsatz
1. Das über das Internet öffentlich zum Abruf per Download durch Dritte erfolgte Bereithalten eines Computerprogramms ohne Einwilligung des Urhebers verstößt gegen §§ 69 a, 69 c Nr. 4 UrhG (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen das Gestattungsrecht des § 69 c UrhG wird bereits verstoßen, wenn ein Nichtberechtigter über die in § 69 c UrhG genannten Rechte (Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe) für Computerprogramme ohne Zustimmung des Urhebers verfügt. Unerheblich ist, wann und ob der Erwerber des weiter übertragenen oder weiter eingeräumten Nutzungsrechts mit der Nutzung beginnt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer behauptet, Nutzungsrechte erworben zu haben, muss den Erwerb dieser Rechte konkret dartun und beweisen. Stützt er sich auf Vereinbarungen mit Dritten, muss er eine lückenlose Vertragskette bis zurück zum Urheber nachweisen können. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Vernichtung von originalen Product Keys. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
1.ohne Einwilligung der Klägerin das Microsoft Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ über das Internet öffentlich zum Abruf per Download durch Dritte bereit zu halten;
2.ohne Einwilligung der Klägerin bloße Product Keys (Produkt-Schlüssel in Form von Zeichenfolgen) als Lizenzen für das Computerprogrammpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ bestehend u.a. aus den Einzelprogrammen „Microsoft Access“, „Microsoft Word“, „Microsoft Excel“, „Microsoft Outlook“, „Microsoft OneNote“, „Microsoft PowerPoint“, „Microsoft Publisher“ und „Microsoft Info Path“ anzubieten, feilzuhalten und/oder sonst wie in den Verkehr zu bringen;
3.ohne Einwilligung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr in Deutschland unter Verwendung der Zeichen „Microsoft Office“ und/oder „Excel“ und/oder „PowerPoint“ und/oder „OneNote“ und/oder „Outlook“ bloße Product Keys (Produkt-Schlüssel in Form von Zeichenfolgen) für Computerprogramme der Klägerin anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin hinsichtlich der von ihm begangenen Handlungen nach Tenor zu Ziffer I. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über:
1.Namen und Adressen von Lieferanten der Product Keys,
2.Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber der als „Lizenzen“ angebotenen Product Keys und der heruntergeladenen Programmkopien,
3.Menge der ausgelieferten und bestellten als „Lizenzen“ angebotenen Product Keys sowie Menge der per Download in den Verkehr gebrachten Programmkopien sowie die Lieferzeiten,
4.Menge der vom Beklagten erhaltenen Product Keys,
5.die Einkaufszeiten und die Einkaufspreise,
6.die Verkaufszeiten und die Verkaufspreise,
7.den erzielten Umsatz, sämtliche Kostenfaktoren sowie den erzielten Gewinn,
8.sowie Art und Umfang der betriebenen Werbung;
dies alles (1. bis 8.) unter Vorlage der entsprechenden Belege, insbesondere unter Vorlage von Kopien der:
•Auftragsschreiben des Beklagten an seine Lieferanten;
•Auftragsbestätigungen der Lieferanten des Beklagten;
•Rechnungen der Lieferanten des Beklagten;
•Lieferscheine der Lieferanten des Beklagten;
•Bestellschreiben etwaiger gewerblicher Abnehmer des Beklagten;
•entsprechenden Auftragsbestätigungen des Beklagten an seine etwaigen gewerblichen Abnehmer;
•Rechnungen des Beklagten an seine etwaigen gewerblichen Abnehmer;
•Lieferscheine des Beklagten an seine etwaigen gewerblichen Abnehmer;
•etwaigen druckschriftlichen Werbemittel des Beklagten.
III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, welcher der Klägerin durch die im Tenor zu Ziffer I. beschriebenen Handlungen des Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
VI. Das Urteil ist in Ziffern I.1, I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 50.000,- Euro und in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- Euro vorläufig vollstreckbar. In Ziffer V. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klage ist zulässig.
I. Das angerufene Gericht ist nach § 32 ZPO örtlich zuständig, weil das streitgegenständliche Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ über den, vom Beklagten den im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I wohnhaften Testkäufern übermittelten Downloadlink im gesamten Bundesgebiet bestimmungsgemäß abrufbar gewesen ist, der Beklagte die in Rede stehenden Product Keys an im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München I wohnhafte Testkäufer übersandt hat, und die markenrechtsverletzenden Angebote des Beklagten bei Ebay ebenfalls im gesamten Bundesgebiet bestimmungsgemäß abrufbar waren. Hinsichtlich aller drei beanstandeten Handlungen liegt mithin der Erfolgsort unter Berücksichtigung der Regelungen über die Zuständigkeitskonzentration im Marken- und Urheberrecht (auch) im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts (vgl. zur Zuständigkeitskonzentration Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 140 Rdnr. 20 sowie Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 105 Rdnr. 5). Greifbare Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Wahl dieses Gerichtsstandes durch die Klägerin bestehen nicht.
II. Für den auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klageantrag Ziffer III. besteht wegen der vorliegend gegebenen Möglichkeit eines Schadenseintritts das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. In markenrechtlicher Hinsicht bewirkt jede Zeichennutzung zugleich einen Schadenseintritt, weil der Verletzte den Eingriff in sein Kennzeichenrecht als ein vermögenswertes Recht nicht ohne Entgeltzahlung hinnehmen muss und insoweit jedenfalls Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangt werden kann, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Lizenzeinräumung tatsächlich in Betracht gekommen wäre (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, Vor §§ 14-19 d Rdnr. 282 m.w.N.). Entsprechendes gilt auch für die aus UrhG geltend gemachten Ansprüche. Dass möglicherweise Lizenzen auf dem chinesischen Markt teurer gehandelt werden als auf dem europäischen Markt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
B. Die Klage ist ganz überwiegend begründet.
I. Das über das Internet öffentlich zum Abruf per Download durch Dritte erfolgte Bereithalten des streitgegenständlichen Computerprogramms „Microsoft Office Professional Plus 2013“ ohne Einwilligung der Klägerin verletzt urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen der Klägerin, weshalb dieser der mit Klageantrag Ziffer 1.1 gegen den Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 69 a, 69 c Nr. 4 UrhG zusteht.
1. Nach § 69 c Nr. 4 UrhG bedarf die öffentliche Zugänglichmachung eines Computerprogrammes der Zustimmung des Rechteinhabers. Das Recht der öffentlichen Wiedergabe bzw. der öffentlichen Zugänglichmachung unterliegt nicht der Erschöpfung (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Auflage, § 69 c Rdnr. 28).
2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin als „Urheberin“ entsprechende urheberrechtliche Verwertungsrechte zustehen, und dass diese dem Beklagten keine Zustimmung erteilt hat, das Computerprogramms „Microsoft Office Professional Plus 2013“ für Dritte zum Download bereit zu halten und damit öffentlich zugänglich zu machen. Dass es sich bei der öffentlich zugänglich gemachten Programmversion nur um eine frei zugängliche 30 Tage-Testversion der Klägerin handeln soll, spielt in diesem Zusammenhang ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob die Klägerin verpflichtet ist, ihr Computerprogramm für Dritte zum. Download zur Verfügung zu stellen; beides berechtigt den Beklagten nicht dazu, das Computerprogramm der Klägerin seinerseits – gleichsam im Wege der Ersatzvornahme – ohne deren Einwilligung öffentlich zugänglich zu machen.
II. Durch das Anbieten, Feilhalten und Inverkehrbringen bloßer Product Keys als Lizenzen für das Computerprogrammpaket „Microsoft Office Professional Plus 2013“ ohne Einwilligung der Klägerin verletzt der Beklagte das urheberrechtliche Gestattungsrecht der Klägerin, weshalb der mit Klageantrag Ziffer I.2 verfolgte Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 69 a, 69 c Nr. 1 UrhG begründet ist.
1. Nach § 69 c Nr. 1 UrhG hat der Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form vorzunehmen oder zu gestatten. Gegen dieses – nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 69 c UrhG eigenständige – Gestattungsrecht wird bereits verstoßen, wenn ein Nichtberechtigter über die in § 69 c UrhG genannten Rechte (Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe) verfügt. Die Weiterübertragung und Weitereinräumung von Rechten durch den Nichtberechtigten ist bereits als Verletzungshandlung einzustufen, wenn die nach §§ 34, 35 UrhG erforderliche Zustimmung des Urhebers nicht vorliegt. Es kommt also nicht darauf an, dass der Erwerber des weiter übertragenen oder weiter eingeräumten Nutzungsrechts mit der Nutzung beginnt (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 4. Auflage, § 15 Rdnr. 22 m.w.N.; LG Frankfurt, Urteil vom 19.11.2008, Az.: 2-6 O 437/08 = BeckRS 2009, 09347; LG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2011, Az.: 2-3 O 331/10 = BeckRS 2011, 15974; OLG Zweibrücken, MMR 2011, 679; LG Frankfurt, MMR 2013, 125; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2014, Az.; 11 W 34/12 = BeckRS 2014, 06976).
2. Mit den den Verkäufen der streitgegenständlichen Product Keys an die Zeugen S., L. und W. zugrundeliegenden Angeboten bei Ebay hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, der jeweilige Käufer erhielte mit dem anschließend übermittelten Product Key eine „Lizenz“ für die in Rede stehenden Computerprogramme (vgl. z.B. Angebot gemäß Anlage K 6: „Kategorie: Vollversion – Lizenz – online mlk“ und „Anzahl Lizenzen: 1“; Email gemäß Abbildung S. 14 der Klageschrift: „Lizenzschlüssel: …“; Email gemäß Anlage. K 9: „Lizenzschlüssel #1: …“ und „Die Lizenzen werden 3 Jahre in unserem System unter Ihren Namen abgespeichert und können bei Verlust kostenfrei angefragt werden.“; Email gemäß Anlage K 11: „Lizenzschlüssel #1: …“ und „Die Lizenzen werden 3 Jahre in unserem System unter Ihren Namen abgespeichert und können bei Verlust kostenfrei angefragt werden“). Die jeweiligen Testkäufe bestreitet der Beklagte nicht.
3. Der Beklagte geriert sich mithin als jemand, der berechtigt ist, Dritten die Erstellung von Vervielfältigungsstücken des in Rede stehenden Computerprogrammpakets der Klägerin mittels Download zu gestatten, obwohl er tatsächlich nicht über derartige – abgeleitete – Verwertungsrechte verfügt. Dadurch verletzt er das urheberrechtliche Gestattungsrecht der Klägerin aus § 69 c Nr. 1 UrhG:
a) Derjenige, der – wie hier der Beklagte – behauptet, Nutzungsrechte erworben zu haben, muss den Erwerb dieser Rechte konkret dartun und beweisen. Stützt er sich auf Vereinbarungen mit Dritten, muss er eine lückenlose Vertragskette bis zurück zum Urheber nachweisen können (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 5. Auflage, § 31 Rdnr. 24).
b) Dass es sich bei den streitgegenständlichen Product Keys um „originale“ Product Keys handelt, die ursprünglich von der Klägerin dazu vorgesehen waren, dass deren Lizenznehmer die lizenzierten Computerprogramme der Klägerin unter Verwendung dieser Keys aktivieren können, hat die Klägerin unstreitig gestellt. Die Klägerin hat aber auch vorgetragen, dass bloße Product Keys keine Nutzungsrechte beinhalten und solche auch nicht verkörpern. Es wäre also Sache des Beklagten gewesen, zum abgeleiteten Erwerb solcher Nutzungsrechte, d.h. von Vervielfältigungslizenzen, im Einzelnen vorzutragen und die Rechtekette bis zurück zum Urheber der streitgegenständlichen Computerprogramme darzulegen und unter Beweis zu stellen. Mit dem bloßen Nichtbestreiten der von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen, dass nämlich die jeweiligen Product Keys aus Volumenlizenzverträgen mit einer chinesischen Schule bzw. Bildungseinrichtung stammen, genügt der Beklagte schon seiner Darlegungs- und Beweislast nicht.
c) Selbst wenn man aber zugunsten des Beklagten unterstellen wollte, dass er nicht nur die Product Keys, sondern auch entsprechende Lizenzen an dem streitgegenständlichen Computerprogramm „Microsoft Office Professional Plus 2013“ von chinesischen Volumenlizenzvertragspartnern der Klägerin erworben hätte, könnte sich dieser nicht auf einen Erschöpfungseintritt berufen, denn in diesem Fall wären die jeweiligen Programmkopien erstmals in der Volksrepublik China und nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden. Eine internationale Erschöpfung gibt es – entgegen der Ansicht der Beklagtenvertreter – nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht (vgl. etwa Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Auflage, § 69 c Rdnr. 22 und § 17 Rdnr. 35; Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, 4. Auflage, § 69 c Rdnr. 32; zum MarkenG auch Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 24 Rdnr. 45, jeweils m.w.N.; EuGH ZUM-RD 2006, 495 – Laserdisken / Kulturministeriet; BGH GRUR 1996, 271 – Gefärbte Jeans). Darauf, dass der Beklagte auch die weiteren Voraussetzungen für einen Erschöpfungseintritt nach Maßgabe der UsedSoft-Entscheidungen (EuGH GRUR 2012, 904 – UsedSoft GmbH / Oracle International Corp.; BGH GRUR 2014, 264 – UsedSoft II; BGH GRUR 2015, 772 – UsedSoft III; OLG München MMR 2015, 397 – UsedSoft; BGH GRUR 2015, 1108 – Green-IT) nicht dargetan hat, kommt es nach alledem nicht mehr an.
III. Schließlich verletzt das Anbieten und Inverkehrbringen von Product Keys für Computerprogramme der Klägerin sowie das Besitzen solcher Keys zu den vorgenannten Zwecken unter Verwendung der Zeichen „Microsoft Office“, „Excel“, „PowerPoint“, „OneNote“ und „Outlook“ ohne Einwilligung der Klägerin deren Kennzeichenrechte und begründet den mit Klageantrag Ziffer I.3 verfolgten Unterlassungsanspruch gemäß Art. 102 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. a) bzw. b) GMV / UMV bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2, Abs. 5 MarkenG:
1. Der Beklagte hat mit den Klagemarken Nr. 007 138 225 „MICROSOFT OFFICE“, Nr. 004 064 978 „EXCEL“, Nr. 2 105 404 „POWERPOINT“, Nr. 002 937 951 „OneNote“ sowie Nr. 000 317 891 „OUTLOOK“ identische Zeichen für identische Waren, nämlich Downloadversionen von Computerprogrammen, benutzt im Sinne von Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. a) GMV / UMV und § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. es besteht jedenfalls Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. b) GMV / UMV und § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil hochgradig ähnliche Zeichen für hochgradig ähnliche Waren verwendet wurden.
2. Der Beklagte ist für das Vorliegen der Zustimmung der Klägerin als Schutzrechtsinhaberin bzw. für das Vorliegen der Voraussetzungen der Schutzschranke der Erschöpfung nach Art. 13 GMV / UMV bzw. § 24 Abs. 1 MarkenG darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BGH GRUR 2012, 626 – Converse I), Beweiserleichterungen zu seinen Gunsten greifen vorliegend nicht.
a) Obwohl die markenrechtliche Erschöpfung an den Vertrieb eines körperlichen Gegenstands anknüpft, kann in entsprechender Anwendung von Art. 13 GMV / UMV bzw. § 24 Abs. 1 MarkenG auch das Recht des Markeninhabers erschöpft sein, seine Marke für nichtkörperliche Kopien von Computerprogrammen zu benutzen, auf die sich das urheberrechtliche Verbreitungsrecht erstrecken und erschöpfen kann (vgl. BGH GRUR 2014, 264 – UsedSoft II, Tz. 50; Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 24 Rdnr. 135).
b) Weil aber der Beklagte keine zureichenden Angaben zur Lieferkette gemacht hat (siehe oben B.II.3.b) bzw. das erstmalige Inverkehrbringen der Programmkopien außerhalb der Europäischen Union bzw. außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes erfolgt ist, kann weder von einer Zustimmung der Klägerin noch von Erschöpfung ausgegangen werden.
3. Der zugesprochene Unterlassungsanspruch wurde im. Tenor klarstellungshalber auf Deutschland beschränkt, weil der Klageantrag Ziffer 1.3 dahingehend auszulegen war. Denn; der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wird nicht nur auf Gemeinschaftsmarken, sondern auch auf eine deutsche Marke gestützt, und die Klägervertreter zitieren in ihren Ausführungen zur Begründetheit dieses Anspruchs lediglich das deutsche MarkenG.
IV. Der mit Klageantrag Ziffer II. geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch folgt aus § 101 Abs. 1 und Abs. 3 UrhG bzw. Art. 102 Abs. 2 GMV / UMV, § 125 b Nr. 2 MarkenG i.V.m. §§ 19 Abs. 1 und Abs. 3 MarkenG, § 242 BGB und der mit Klageantrag Ziffer III. verfolgte Schadensersatzfeststellungsanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG bzw. Art. 102 Abs. 2 GMV / UMV, § 125 b Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 14 Abs. 6 MarkenG. Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, da ihm zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
1. Fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, wer die Rechtsverletzung also bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. An das Maß der Sorgfalt sind strenge Anforderungen zu stellen. Es besteht grundsätzlich eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht. Nicht ausreichend ist es beispielsweise, auf die bloße Zusicherung des Vorlieferanten zu vertrauen (Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, 5. Auflage, § 97 Rdnr. 57; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, §§ 14-19 d Rdnr. 222).
2. Der Beklagte hat insoweit, nichts dafür vorgetragen, dass er den ihm obliegenden Prüfpflichten genüge getan hätte, so dass ihm zumindest ein fahrlässiges Verhalten entgegenzuhalten ist.
3. Wegen der Möglichkeit der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie besteht auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (siehe oben A.II.).
V. Der Klägerin steht jedoch der geltend gemachte Vernichtungsanspruch weder aus §§ 69 f, 98 UrhG noch aus Art. 102 Abs. 2 GMV / UMV, § 125 b Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 18 MarkenG zu, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war. Denn bei den streitgegenständlichen Product Keys handelt es sich unstreitig um originale Keys der Klägerin und mithin weder um rechtswidrig hergestellte, verbreitete oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmte Vervielfältigungsstücke (§ 98 Abs. 1 S. 1 bzw. § 69 f Abs. 1 S. 1 UrhG) oder um Vorrichtungen, die vorwiegend zur Herstellung dieser Vervielfältigungsstücke gedient haben (§ 98 Abs. 1 S. 2 UrhG), oder um Mittel, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern (§ 69 f Abs. 2 UrhG), noch um widerrechtlich gekennzeichnete Waren (§ 18 Abs. 1 S. 1 MarkenG) oder Materialien und Geräte, die vorwiegend zur widerrechtlichen Kennzeichnung der Waren gedient haben (§ 18 Abs. 1 S. 2 MarkenG).
C. Eine Schriftsatzfrist nach § 139 Abs. 5 ZPO zu den „von der Kammer gegebenen Ausführungen zur Darlegung der Rechtekette“ war den Beklagtenvertretern nicht einzuräumen. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Einführung in den Sach- und Streitstand und der Erörterung der Sach- und Rechtslage lediglich ihre Rechtsauffassung mitgeteilt. Hinweise wurden nicht erteilt und waren auch nicht erforderlich, zumal die Klägervertreter bereits mit Schriftsatz vom 17.03.2016 zur Notwendigkeit, die Rechtekette darzulegen, unter Angabe von Nachweisen in Rechtsprechung und Kommentarliteratur ausgeführt haben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 139 Rdnr. 6 a und 7). Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die streitgegenständlichen Product Keys aus Volumenlizenzverträgen mit chinesischen Bildungseinrichtungen stammen, und vertritt der Beklagte darüber hinaus den Standpunkt, dass derartigen Product Keys eine Lizenz „innewohne“. An diesen Angaben zur Rechtekette muss sich der Beklagte aber festhalten lassen, so dass unter keinen Umständen Erschöpfung eingetreten sein kann, und es auch insofern auf weiteren Vortrag zur Rechtekette nicht ankommt.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.