Aktenzeichen W 8 S 17.50406
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 12 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 32
GRCh GRCh Art. 4
Leitsatz
1 Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist nicht davon auszugehen, dass das polnische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer dorthin rücküberstellte Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSv Art. 4 GRCh ausgesetzt wären (wie BayVGH BeckRS 2016, 41725). (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Auch für sog. Dublin-Rückkehrer ist die medizinische Versorgung in Polen auf dem gleichen Niveau gewährleistet wie bei polnischen Staatsbürgern. Medizinische Behandlungsmöglichkeiten sind, wie generell in der EU, in Polen in ausreichendem Maß und für Asylbewerber kostenlos verfügbar; dies schließt die Behandlung psychischer Erkrankungen ein (vgl. VG Düsseldorf BeckRS 2017, 110194). (Rn. 15 – 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Eine Erkrankung an Multipler Sklerose bildet für Polen kein Abschiebungshindernis (wie VG München BeckRS 2014, 47257). (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Eine erhebliche konkrete Gefahr iSv § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG liegt aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr dann, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG BeckRS2007, 712). (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Eine der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. OVG LSA BeckRS 2011, 52497). (Rn. 27) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind armenische Staatsangehörige. Sie reisten am 5. Juni 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 4. Juli 2017 ihre Asylanträge.
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 6. Juli 2017 erklärten die polnischen Behörden mit Schreiben vom 12. Juli 2017 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2017 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Polen wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Am 21. Juli 2017 ließen die Antragsteller im Verfahren W 6 K 17.50405 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen die Abschiebungsandrohung der Beklagten vom 13. Juli 2017, Az: …, anzuordnen.
Zur Begründung ließen die Antragsteller unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen im Wesentlichen vorbringen: Der Antragsteller zu 1) sei schwer erkrankt. Er leide unter folgenden Erkrankungen: Multiple Sklerose, ED 2012, seit etwa sechs Monaten deutliche Verschlechterung des Gangbildes, aktuell Schmerzen im linken Bein. Aufgrund der vorgelegten Atteste bestünden hinreichend substanziierte Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu 1) wegen seiner akuten Erkrankung dringende ambulante neurologische Therapie benötige und nicht nach Polen überstellt werden könne. Eine Veränderung der medizinischen Betreuung könne das Leben des Antragstellers zu 1) stark gefährden, auf jeden Fall stark verkürzen. Der Antragsteller zu 1) befinde sich in Deutschland in laufender Behandlung. Neben den menschenunwürdigen Aufnahmebedingungen sei es in Polen ein großes Problem, dass die sozialen Aufnahmebedingungen unerträglich seien und der Zugang der Gesundheitsversorgung nicht gewährt werde. Beispielsweise bestehe dort keine adäquate Behandlungsmöglichkeit für behinderte Menschen. Die Unterkunftsbedingungen in Polen seien in Bezug auf so kranke Menschen, wie der Antragsteller zu 1), lebensgefährdend. Die medizinische Betreuung dort sei nicht gewährleistet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 17.50405) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragsteller ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheids vom 13. Juli 2017 begehren, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – betreffend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides – ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 13. Juli 2017 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.
Polen ist für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß den Vorschriften der Dublin III-VO zuständig (§§ 34a, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der Verordnung Nr. 604/2013/EU – Dublin III-VO). Die Zuständigkeit Polens ergibt sich vorliegend aus Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417 ff.) nicht davon auszugehen, dass das polnische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCharta) ausgesetzt wären (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2016 – 11 B 15.50130 – juris). Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im polnischen Asylsystem, zumal die Antragsteller nichts Dahingehendes vorgebracht haben.
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO gemacht hat.
Konkret sind keine gewichtigen Erkrankungen ersichtlich – vorgebracht wurde insbesondere für den Antragsteller zu 1): Multiple Sklerose; seit etwa sechs Monaten deutliche Verschlechterung des Gangbildes; aktuelle Schmerzen im linken Bein –, die in Polen nicht behandelt bzw. weiterbehandelt werden könnten. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Aufgrund der Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass die medizinische Versorgung in Polen auf dem gleichen Niveau gewährleistet wird wie polnischen Staatsbürgern und dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten wie generell in der EU im ausreichenden Maß verfügbar sind (vgl. etwa BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Polen, vom 1.4.2016; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Minden vom 10. März 2015) Dies schließt die Behandlung psychischer Erkrankungen mit ein. Selbst bei einer möglichen Inhaftierung hätten die Inhaftierten Zugang zu medizinischen Versorgung. Ausländern, die den Flüchtlingsstatus beantragt haben, werden folgende medizinische Leistungen gewährt: Grundfürsorge, fachärztliche Konsultationen, Spezialuntersuchungen, Hospitalisierung, medizinisches Rettungswesen im vertraglich festgelegten Umfang, Rehabilitation und zahnärztliche Behandlungen. Letztlich besteht ein Anspruch auf eine stationäre Krankenhausbehandlung, falls der Gesundheitszustand dies erfordert. Die medizinische Versorgung ist kostenlos und steht auch sogenannten Dublin-Rückkehrer zur Verfügung (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 4.5.2017 – 12 L 1538/17 A – juris; VG München, B.v. 7.4.2017 – M 9 S. 17.50790 – AuAS 2017, 132; B.v. 25.11.2016 – M 7 S. 16.50394 – juris; B.v. 17.11.2016 – M 6 S. 16.50621 – juris; VG Aachen, U.v. 3.2.2017 – 6 K 2121/14.A – juris; VG Potsdam, B.v. 25.1.2017 – 6 L 905/16.A – juris; B.v. 19.10.2016 – 6 L 977/16.A – EzAR-NF 65 Nr. 44; VG Cottbus, B.v. 11.10.2016 – 5 L 387/16.A – juris; jeweils m.w.N.).
Bei psychischen Erkrankungen besteht in Polen die Möglichkeit, die erforderliche medizinische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Ebenso wie die medizinische Versorgung ist die psychologische Betreuung kostenlos und durch qualifiziertes Personal sichergestellt. Dabei besteht die Möglichkeit von einem Psychologen im Beisein eines Dolmetschers begutachtet zu werden. Auch die Überweisung an den Psychiater ist möglich. Die Informationen zum Zugang zu Psychologen erhalten Asylsuchende in den Aufnahmeeinrichtungen. Wenn nötig, können sie auch durch Sozialarbeiter begleitet werden (vgl. dazu BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Polen, vom 1.4.2016; VG Aachen, B.v. 30.1.2015 – 6 L 895/14.A – juris; jeweils m.w.N.). Des Weiteren geht die Dublin III-VO davon aus, dass auch eventuell psychisch erkrankte Asylantragsteller überstellt werden können und sollen, wofür die in Art. 32 Dublin III-VO geregelten Vorkehrungen getroffen werden.
Auch hinsichtlich der Überstellung vulnerabler Personen, etwa Behinderter, bestehen keine Bedenken. Wird ein vulnerabler Antragsteller identifiziert, bewertet die polnische Behörde, ob eine spezielle Behandlung (im Verfahren auch in Bezug auf Unterbringung) nötig ist. Dazu können auch medizinische bzw. psychologische Untersuchungen veranlasst werden. Wenn die Vulnerabilität bestätigt wird, ist im Verfahren speziell darauf Rücksicht zu nehmen. Einige Unterbringungszentren sind für Vulnerable angepasst. Drei Zentren haben behindertengerechte Eingänge und ein entsprechendes Zimmer und Badezimmer. Vier weitere Zentren sind teilweise angepasst (vgl. m.w.N. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Polen, vom 1.4.2016).
Im Übrigen ist auch sonst nicht dafür ersichtlich, dass die medizinische und sonstige Versorgung in einem EU-Staat wie Polen für jemanden, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist – wie zeitweise der Antragsteller zu 1) –, jedenfalls dem Grunde nach nicht gesichert wäre (vgl. VG München, B.v. 22.4.2014 – M 1 S. 14.50072 – juris).
Auch eine Erkrankung an Multiple Sklerose begründet kein Abschiebungshindernis (vgl. VG München, B.v. 16.1.2014 – M 16 S. 13.31357 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 15.1.2014 – 6a L 1836 13.A – juris;).
Das Gericht teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass eine notwendige medizinische Behandlung in Polen möglich ist. Dies gilt auch für kranke Personen, die spezielle Untersuchungen benötigen und gegebenenfalls in ein Krankenhaus oder zu sonstigen speziellen Untersuchungen überwiesen werden können.
Die betreffenden gegenteiligen Ausführungen in der Antragsbegründung gehen nach dieser Erkenntnislage ins Leere.
Weiter ist zu den für den Antragsteller zu 1) geltend gemachten Erkrankungen anzumerken, dass diese Erkrankungen grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat mittlerweile ausdrücklich klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 2 und 3 AufenthG). Neben diesen materiellen Kriterien für die Gesundheitsgefahren, die im Übrigen auf eine bestehende Rechtsprechungslinie aufbauen, hat der Gesetzgeber zudem in § 60a Abs. 2c AufenthG – ebenfalls angelehnt an entsprechende Rechtsprechung – ausdrücklich auch prozedurale Vorgaben für ärztliche Atteste zur hinreichenden Substantiierung des betreffenden Vorbringens aufgestellt (vgl. Kluth, ZAR 2016, 121; Thym, NVwZ 2016, 409 jeweils m.N. zur Rspr.). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Daran fehlt es hier.
Der ärztlichen Bescheinigung von Dr. S* … vom 13. Juli 2017 fehlt schon eine Diagnose. Weiter ist dort lediglich ausgeführt, es könne noch nicht sicher beurteilt werden, ob es sich um eine schubförmige Erkrankung oder um eine primär chronische Progrediente handle, weshalb die weitere Therapie derzeit noch nicht festgelegt werden könne. Dem Arztbrief des … Krankenhauses S* … vom 20. Juli 2017 ist neben der Diagnose (Multiple Sklerose, ED 2012, seit etwa sechs Monaten deutliche Verschlechterung des Krankenbildes, aktuelle Schmerzen im linken Bein, G35.9) zu entnehmen, dass eine ausreichende Behandlung bislang nicht stattgefunden habe. Der Patient habe aktuell auch keine Medikamente eingenommen. Eine Einschätzung habe aufgrund des kurzen stationären Aufenthalts und aufgrund fehlender Vorinformationen nicht erfolgen können. Es werde Krankengymnastik empfohlen. Weiter ist festgehalten, dass der Antragsteller zu 1) wesentlich behindert oder vor einer Behinderung bedroht sei, aber nicht schwerbehindert sei. Eine Behandlung sei auch zweckmäßig, wenn der Patient Deutschland vor einem Abschluss der Behandlung verlassen müsse.
Weitergehende Atteste wurden nicht vorgelegt, geschweige denn solche, denen zu entnehmen wären, dass die Behandlung bzw. Weiterbehandlung des Antragstellers zu 1) gerade bzw. nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen könnte und nicht auch in Polen möglich wäre.
Ausgehend von dieser Rechtslage ist gerade im Hinblick auf die geltend gemachten Erkrankungen des Antragstellers festzustellen, dass – wie bereits oben ausgeführt – entsprechende Behandlungsmöglichkeiten auch in Polen existieren. Der Antragsteller ist von Rechts wegen gehalten, alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des zur Verfügung stehenden polnischen Gesundheitssystems zu begegnen und die dortigen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren und ihnen die Spitze zu nehmen.
Zudem liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Für die Annahme einer solchen Gefahr fehlen greifbare Anhaltspunkte. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist, wie bereits ausgeführt, die Behandlung von Erkrankungen in Polen hinreichend gewährleistet.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden im vorliegenden Einzelfall – soweit erforderlich – geeignete Vorkehrungen zum Schutz der Antragsteller treffen werden. Auf die Verpflichtung aus Art. 29 Abs. 1 UA 2 Dublin III-VO wird hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es in Einzelfällen geboten sein, vor einer Rückverbringung mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufzunehmen, den Sachverhalt zu klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – Asylmagazin 2014, 341 m.w.N.). Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG LSA, B.v. 20.6.2011 – 2 M 38/11 – InfAuslR 2011, 390, 392).
So liegt es auch im vorliegenden Fall. Das zuständige Bundesamt hat in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass der Antragsteller zu 1) bei der Übergabe an diese – soweit medizinisch erforderlich – eine Weiterbehandlung sowie hinreichende ärztliche Versorgung erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren auszuschließen.
Des Weiteren ist die Antragsgegnerin nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO bei der Überstellung gehalten, dem zuständigen Mitgliedsstaat Informationen über die besonderen Bedürfnisse bezüglich der Gesundheit der zu überstellenden Person zu übermitteln, um es den zuständigen Behörden im zuständigen Mitgliedsstaat gemäß den innerstaatlichen Recht zu ermöglichen, diese Person in geeigneter Weise zu unterstützen – unter anderem die unmittelbar notwendige medizinische Versorgung zu leisten – und um die Kontinuität des Schutzes und der Rechte sicherzustellen, die die Dublin III-VO und andere einschlägige Bestimmungen des Asylrechts bieten. Dem Zielstaat wird daher im Vorfeld der Rückführung bei Vereinbarung eines Überstellungstermins mitgeteilt, wenn eine Person unmittelbar nach der Ankunft in ärztliche Hände übergeben werden soll. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen, wie etwa psychisch Kranken, keine grundlegenden Einwände bestehen (vgl. Thym, ZAR 2013, 331 mit Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR sowie etwa VG München, U.v. 6.5.2016 – M 12 K 15.50793 – juris; VG Würzburg, B.v. 5.3.2014 – W 6 S. 14.30235 – juris).
Schließlich sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte, nicht ersichtlich. Eine Reise- oder Transportunfähigkeit wurde von den Antragstellern nicht substanziiert geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich, insbesondere liegen dazu keine aussagekräftigen, ärztlichen Belege vor. Möglichen krankheitsbedingten Gefahren kann und muss – wie schon ausgeführt – gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen sowohl bei der Überstellung als auch bei der Ankunft in Polen Rechnung getragen werden (VG Düsseldorf, B.v. 4.5.2017 – 12 L 1538/17.A – juris; VG München, U.v. 6.5.2016 – M 12 K 15.50793). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine ärztliche Bescheinigung ohne Aussagen zur Reisefähigkeit bzw. zur Reiseunfähigkeit des Betreffenden nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG erfüllt (BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 10 CE 17.750 – juris).
Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit sind auch deshalb nicht anzunehmen, da es dem Antragsteller zu 1) offensichtlich auch trotz Erkrankung an Multipler Sklerose möglich war, nach Deutschland zu reisen (vgl. VG München, B.v. 16.1.2014 – M 16 S. 13.31357 – juris). Zudem ist nach der Bescheinigung des … Krankenhauses S* … vom 20. Juni 2017 eine Behandlung auch dann zweckmäßig sei, wenn der Patient Deutschland vor Abschluss der Behandlung verlassen müsste, sodass ärztlicherseits offenkundig von einer Reisefähigkeit ausgegangen wird.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.