Aktenzeichen 6 K 1148/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 02.09.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Der Abzug der Aufwendungen für das im Dachgeschoss befindliche Büro ist auf 1.250 € begrenzt; die Einkünfte der Klägerin sind um eine Betriebseinnahme von 10.346 € zu erhöhen.
1. Die Aufwendungen für das Büro unterliegen der Abzugsbeschränkung auf 1.250 €. Das Büro ist als häusliches Arbeitszimmer anzusehen und nicht etwa als Lagerraum.
a) Im Streitfall findet § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I S. 1768), anwendbar erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 (vgl. § 52 Abs. 12 S. 9 EStG), Anwendung.
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 und 3 EStG nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
b) Der Gesetzgeber hat mit der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG an den von der Rechtsprechung vor Einführung der gesetzlichen Regelung (durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995, BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) geprägten Typus anknüpfen und keinen neuen Begriff des häuslichen Arbeitszimmers schaffen wollen (BFH-Urteile vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139; vom 16.10.2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185, und vom 05.12.2002 IV R 7/01, BStBl II 2003, 463).
Danach ist ein häusliches Arbeitszimmer ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. -organisatorischer Arbeiten dient (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.12.2004 XI R 13/04, BStBl II 2005, 344; vom 18.08.2005 VI R 39/04, BStBl II 2006, 428, und vom 22.11.2006 X R 1/05, BStBl II 2007, 304).
Aus dem Wesen des Typus des „häuslichen Arbeitszimmers“ folgt, dass seine Grenzen fließend sind und dass es Übergangsformen gibt. Der jeweilige Sachverhalt muss dem Typus wertend zugeordnet werden; entscheidend ist dabei das sich aus den konkreten Verhältnissen ergebende Gesamtbild (grundlegend: BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139). Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Urteile vom 23.09.1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7, und vom 16.10.2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185). Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht möglich, so sind weiterhin die von der Rechtsprechung zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entwickelten Kriterien zur Abgrenzung einer nahezu ausschließlich betrieblichen Veranlassung der Nutzung gegenüber einer nicht unwesentlichen privaten Mitveranlassung zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139, und vom 05.12.2002 IV R 7/01, BStBl II 2003, 463).
Das häusliche Arbeitszimmer ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (BFH-Urteile vom 28.08.2003 IV R 53/01, BStBl II 2004, 55, und vom 20.11.2003 IV R 3/02, BStBl II 2005, 203). Die Ausstattung mit einem Schreibtisch ist indessen nicht zwingend erforderlich. Ebenso wenig muss der Raum für die Verrichtung menschlicher Arbeit von einer gewissen Dauer hergerichtet sein. So kann etwa ein beruflich genutzter Archivraum, in dem Bücher, Akten und Unterlagen aufbewahrt, gesichtet und herausgesucht werden, der vorbereitenden und unterstützenden Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dienen und dadurch (Teil-)Funktionen erfüllen, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zukommen (BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139; BFH-Beschlüsse vom 15.03.2005 VI B 89/04, BFH/NV 2005, 1292, und vom 19.08.2005 VI B 39/05, BFH/NV 2005, 2007).
c) Andererseits sind Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit den Wohnräumen des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind (BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139). Aus diesem Grund unterliegen etwa die Aufwendungen für ein Tonstudio im Wohnbereich des Steuerpflichtigen nicht der Abzugsbeschränkung, sofern der Raum zwar mit einem Schreibtisch zum Abfassen der Kompositionen möbliert, im Übrigen aber so eingerichtet und ausgestattet ist, dass ihm die technischen Einrichtungen sowie eventuelle Schallschutzmaßnahmen der Art und dem Umfang nach das Gepräge geben (BFH-Urteile vom 16.10.2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185, und vom 28.08.2003 IV R 53/01, BStBl II 2004, 55). Die gleichen Maßstäbe gelten nach der Rechtsprechung des BFH auch für eine ärztliche Notfallpraxis (BFH-Urteile vom 05.12.2002 IV R 7/01, BStBl II 2003, 463, und vom 20.11.2003 IV R 3/02, BStBl II 2005, 203), für einen Ausstellungsraum (BFH-Urteil vom 26.06.2003 VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560) und für eine Werkstatt (BFH-Urteil vom 31.03.2004 X R 1/03, BFH/NV 2004, 1387).
d) Für einen Lagerraum hat der BFH im Urteil vom 19.03.2003 (VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163) ausgeführt, ein Raum im Keller des vom Steuerpflichtigen bewohnten Einfamilienhauses sei zwar grundsätzlich der häuslichen Sphäre zuzurechnen. Werde dieser Raum jedoch ausschließlich als Lager beruflich genutzt, so sei er seiner Funktion nach kein häusliches Arbeitszimmer.
Anders als bei einem Archiv (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139) erfülle das Einlagern und Aufbewahren betrieblicher Bedarfsgegenstände in einem Warenlager auch keine (Teil-) Funktionen, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommen und deshalb – neben den Bürotätigkeiten am Schreibtischarbeitsplatz – ebenfalls der Nutzung des Raumes als Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zugerechnet werden können (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.2006 X R 1/05, BStBl II 2007, 304).
e) Nach diesen Grundsätzen unterliegen die Aufwendungen für einen zugleich als Büroarbeitsplatz wie auch als Warenlager betrieblich genutzten Raum, der zur häuslichen Sphäre des Steuerpflichtigen gehört, nur dann der Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer, wenn der Raum nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, vor allem aufgrund seiner Ausstattung und Funktion, ein typisches häusliches Büro ist und die Ausstattung und Funktion des Raumes als Lager dahinter zurücktritt.
Anderenfalls kann nicht die Rede davon sein, dass der Raum – im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Begriffsbestimmung, die auch die Verwaltung verwendet (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 07.01.2004 IV A 6 -S. 2145- 71/03, BStBl I 2004, 143, zu Tz. 7) – seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient.
Darüber, welche der beiden Nutzungsarten einem betrieblichen, zugleich als Warenlager und als Büroarbeitsplatz genutzten Raum der Funktion und Ausstattung nach das Gepräge gibt, ist im Wege einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.2003 VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163). Dabei können in die Abwägung insbesondere die funktionelle Bedeutung der jeweiligen Raumnutzung für den Betrieb des Steuerpflichtigen einzubeziehen sein, also die Frage, ob der Betrieb als solcher in stärkerem Maße durch Lagerhaltung oder aber überwiegend durch Bürotätigkeiten geprägt wird; dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der Steuerpflichtige zur Führung seines Betriebes auf die in Anspruch genommenen Lagerflächen tatsächlich angewiesen ist. Ferner kann einzubeziehen sein der räumliche und zeitliche Umfang der jeweiligen Nutzung, sowie der objektiv vorherrschende Gesamteindruck der Raumausstattung, der sich danach bestimmt, ob der Schreibtisch bzw. die Büroeinrichtung oder ob nicht vielmehr die aufgestellten Regale, Stau- und Ablagevorrichtungen die den Raum prägenden Möbelstücke darstellen.
Nach dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28.11.2006 4 K 78/06, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 345, ist die Abgrenzung zwischen einem (häuslichen) Arbeitszimmer und einem – bloßen – Lagerraum vorrangig aufgrund der Einrichtung und nicht aufgrund der konkreten Nutzung durch den Kläger vorzunehmen, denn der Typusbegriff des Arbeitszimmers werde durch objektive (äußere) Kriterien bestimmt, die von subjektiv-individuellen Aspekten unabhängig seien. Der somit maßgebliche objektive Umstand sei die „büromäßige Ausstattung“ (vgl. BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139, 141), die dem Raum sein Gepräge gebe. Insoweit komme dem Umstand, dass der Schreibtisch das „zentrale Möbelstück“ eines Arbeitszimmers darstelle (BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139, 141), besondere Bedeutung zu.
Die Feststellungslast trägt der Steuerpflichtige, denn es handelt sich im Hinblick auf den begehrten Abzug der durch die Nutzung des Raumes veranlassten Betriebsausgaben um eine steuermindernde Tatsache (vgl. BFH-Urteile vom 05.12.2002 IV R 7/01, BStBl II 2003, 463, und vom 20.11.2003 IV R 3/02, BStBl II 2005, 203).
f) Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt im Streitfall ein häusliches Arbeitszimmer vor; der Büroarbeitsplatz gibt dem Raum das Gepräge; das Warenlager tritt dahinter zurück.
aa) Das Büro im Dachgeschoss ist nach seiner Ausstattung und Funktion sowohl Büroarbeitsplatz als auch Lager.
Der Raum ist nach der vorgelegten Skizze mit 2 Tischen, 2 Schreibtischstühlen und 2 Rollcontainern sowie einer überwiegend offenen Regalstollenwand (Maße 313,5 cm x 250 cm x 33 cm) ausgestattet. Auf den Rollcontainern befinden sich Faxgerät, Tower-PC und Drucker. Über die Wanddose mit dem Internetanschluss ist der Laptop der Klägerin mit dem Internet verbunden.
Die Klägerin nutzte das Büro im Streitjahr zur Übermittlung der Neubestellungen von Waren im Rahmen ihrer Tätigkeit im Geschäftsbereich Handelsvertreter; die Neubestellungen wurden teilweise in Papierformulare eingetragen und an die Lieferanten gefaxt, teilweise über Laptop und das häusliche Internet an die Lieferanten übermittelt. Die gefaxten Bestellungen wurden in einem Karton im Büro aufbewahrt; nach einigen Wochen, nachdem die Bestellung erledigt war, wurden die Bestellpapiere weggeworfen. Im Büro wurden ferner die schriftlichen Unterlagen zu Handelsvertreter- und Werbungstätigkeit für das laufende Jahr aufgehoben.
Im Rahmen ihres Geschäftsbereichs Werbung nutzte die Klägerin die Regalstollenwand zur Aufbewahrung der Werbegeschenkutensilien wie Kugelschreiberdosen, Flaschenöffner, Luftballons und Plastiktüten.
Damit dient das Büro nach seiner Funktion und Ausstattung der Erledigung ständig wiederkehrender verwaltungsorganisatorischer Arbeiten, nämlich der Erledigung von Nachbestellungen von Waren im Rahmen ihres Geschäftsbereichs Handelsvertreter. In diesem Zusammenhang ist nicht schädlich, dass der Raum nicht mit „echten“ Büromöbeln, sondern mit einfachen Tischen ausgestattet ist. Der BFH betont, die Grenzen des häuslichen Arbeitszimmers als Typusbegriff seien fließend; die Ausstattung mit einem Schreibtisch sei nicht zwingend erforderlich. Daraus folgt aus Sicht des Gerichts, dass auch ein mit „Behelfsmöbeln“ ausgestatteter Raum ein häusliches Arbeitszimmer sein kann, wenn dort die anfallenden gedanklichen, schriftlichen, verwaltungstechnischen bzw. hier verwaltungsorganisatorischen erfüllt werden (können). Das Büro erfüllt zudem in begrenztem Umfang die Funktion eines Archivs, da dort die Bestellformulare bis zur Abwicklung der Bestellung und der Vernichtung der Bestellformulare aufbewahrt werden; auch die laufenden Unterlagen der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin werden dort aufbewahrt.
Daneben dient das Büro nach seiner Funktion und Ausstattung als Warenlager für die Werbegeschenke.
bb) Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse gibt die Ausstattung und Funktion als häusliches Büro dem Raum sein Gepräge; die Ausstattung und Funktion als Lager tritt dahinter zurück.
Dies folgt zum einen aus dem Gesamteindruck der Ausstattung des Raums wie er sich aus der Skizze und aus der Schilderung des Klägers ergibt. Die zentralen und räumlich dominierenden Einrichtungsgegenstände sind die (Schreib-)Tische mit Stühlen und die Rollcontainer, also die Möbel des häuslichen Büroarbeitsplatzes. Die Stollenregalwand befindet sich seitlich neben der Tür. Mit über 3 m Breite und 2,5 m Höhe hat sie nicht unerhebliche Abmaße, aber mit 33 cm eine verhältnismäßig geringe Tiefe, so dass sie sich nur für die Aufbewahrung kleiner Gegenstände, wie im Streitfall auch geschehen, eignet.
Das Gepräge als Lagerraum ergibt sich auch nicht aus der funktionellen Bedeutung des Büros als Lager. Die Klägerin nutzt auch weitere Räume für diese Zwecke.
Die Klägerin nutzt im Keller und in der Garage weitere Flächen für die Lagerung von Gegenständen. Der Kläger hat vorgetragen, schwere und nichtempfindliche Ware aus dem Geschäftsbereich Handelsvertreter sei in der Garage eingelagert worden, empfindliche Ware im Keller. Die Utensilien für den Geschäftsbereich Werbung seien teils im Keller (schwere Gegenstände wie Theken und Backofen), teils im Büro aufgehoben worden.
Somit ergibt sich, dass lediglich kleinere, leichtere Utensilien im Büro aufbewahrt wurden; dies entspricht auch den Lagerungsmöglichkeiten im Regal.
In diesem Zusammenhang ist es für die Beurteilung des Büros ohne Bedeutung, dass die Klägerin den Kellerraum am 01.10.2006 aus dem Betriebsvermögen entnommen und am 01.10.2007 wieder eingelegt hat. Sie hat den Kellerraum im Streitjahr, wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert, tatsächlich als Lagerraum für schwerere Gegenstände und empfindliche Lebensmittel genutzt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angedeutet, im Büro seien weitere Gegenstände in Kartons auf dem Boden gelagert worden. Ein substantiierter Vortrag ist hierzu nicht erfolgt. Die Klägerin trägt für steuermindernde Tatsachen die Feststellungslast.
g) Die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für das häusliche Arbeitszimmer verstößt nicht gegen materielles Verfassungsrecht (vgl. BFH-Urteil vom 06.07.2005 XI R 87/03, BStBl II 2006, 18 m.w.N.). Auch unter dem Aspekt des kumulativen Nebeneinanders von Abzugsbegrenzung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG einerseits und der Besteuerung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen bei Gewinneinkünften andererseits ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abzugsbeschränkung als solcher. Zwar gehört bei Gewerbetreibenden das häusliche Arbeitszimmer regelmäßig zum notwendigen Betriebsvermögen; auch ist ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn dem Grunde nach ohne Rücksicht darauf zu versteuern, dass sich die den Buchwert mindernde AfA steuerlich nicht oder nicht in vollem Umfang ausgewirkt hat. Einer darin liegenden Verletzung des Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist jedoch bei der späteren Erfassung des Veräußerungsbzw. Aufgabegewinns Rechnung zu tragen (BFH-Urteil vom 28.08.2003 IV R 38/01, BFH/NV 2004, 327).
Die von Klägerseite aufgeworfene Frage wirkt sich nicht im Streitjahr aus, sondern im Jahr der (künftigen) Entnahme, Veräußerung oder Aufgabe.
2. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin sind zu Recht um 10.346 € zu erhöhen.
Die Leistung der Kaskoversicherung stellt bei der Klägerin Betriebseinnahme dar. Dies ergibt sich zum einen aus der Zuordnung des verunfallten Fahrzeugs zum Betriebsvermögen und der Versicherungsleistung als Ersatz der betrieblich veranlassten Reparaturkosten; die Versicherung deckt betriebliche Risiken ab.
Die Klägerin kann sich zum anderen nicht darauf berufen, die Versicherungsleistung sei ihr nicht zugeflossen; sie hat es unterlassen, die Auskehrung der Versicherungsleistung an sich gegenüber dem Kläger zu fordern. Diese Nichtgeltendmachung des Anspruchs ist wie ein Verzicht aus privaten Gründen zu behandeln und als Entnahme zu werten. Der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ist entsprechend um den Wert der Forderung zu erhöhen.
a) Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Diese beiden maßgebenden Begriffsmerkmale ergeben sich aus einer Zusammenschau des Einnahmebegriffs in § 8 Abs. 1 EStG (Geld oder Geldeswert) und der in § 4 Abs. 4 EStG enthaltenen Definition der Betriebsausgaben (durch den Betrieb veranlasst). „Betrieblich“ veranlasst ist eine Zuwendung von Vermögenswerten dann, wenn ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht (BFH-Urteile vom 22.07.1988 III R 175/85, BStBl II 1988, 995, sowie vom 08.11.2007 IV R 24/05, BStBl II 2008, 356). Nach diesem Maßstab gehören Schadenersatz- oder Versicherungsleistungen für Beschädigung, Zerstörung oder Diebstahl grundsätzlich zu den Betriebseinnahmen, wenn sie für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vereinnahmt werden (vgl. BFH-Urteil vom 27.01.2016 X R 2/14, BStBl II 2006, 534).
b) Wird ein bewegliches Wirtschaftsgut sowohl betrieblich als auch privat (gemischt) genutzt, wie dies bei Fahrzeugen häufig der Fall ist, kommt je nach Umfang der betrieblichen Nutzung die Einordnung als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht. Allerdings kann es ungeachtet der gemischten Nutzung nur ganz – ggf. als gewillkürtes – oder gar nicht als Betriebsvermögen erfasst werden, da ein bewegliches Wirtschaftsgut nicht teilbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1969 IV R 160/67, BStBl II 1970, 317). Vereinnahmt der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit Schäden an solchen Wirtschaftsgütern Ersatzleistungen, so folgen diese der Zuordnung des Wirtschaftsguts zu den jeweiligen Vermögenssphären.
c) aa) Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören, beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nach der Art des versicherten Risikos. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebliches Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen; ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden, während die Einnahmen (die Versicherungsleistungen) nicht steuerbar sind (BFH-Urteile vom 19.05.2009 VIII R 6/07, BStBl II 2010, 168; vom 23.04.2013 VIII R 4/10, BStBl II 2013, 615; vom 06.021992 IV R 30/91, BStBl II 1992, 653; vom 26.08.1993 IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306).
Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört oder beschädigt werden, stellen betriebliche Risiken dar. Ansprüche und Verpflichtungen aus den entsprechenden Sachversicherungen gehören zum Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteile vom 18.07.1968 I 224/65, BStBl II 1968, 737; vom 09.12.1982 IV R 54/80, BStBl II 1983, 371; vom 19.05.2009 VIII R 6/07, BStBl II 2010, 168).
bb) Für die Einordnung eines Risikos als betrieblich oder privat ist nicht entscheidend, welche Aufwendungen oder Schäden bei Eintritt des Versicherungsfalles vom Versicherer zu ersetzen sind. Ausschlaggebend ist, ob die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst wird (BFH-Urteile vom 19.05.2009 VIII R 6/07, BStBl II 2010, 168; vom 23.04.2013 VIII R 4/10, BStBl II 2013, 615).
d) Nach ständiger Rechtsprechung sind Schadenersatz- oder Versicherungsleistungen, die als Ausgleich für den Substanzverlust eines im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugs vereinnahmt werden, stets Betriebseinnahmen.
Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zerstört oder gestohlen, so stellen die zum Ausgleich gezahlten Versicherungsleistungen grundsätzlich Betriebseinnahmen dar (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.1989 I R 213/85, BStBl II 1990, 8, für die Schadenersatzleistung des Unfallgegners für ein während einer Privatfahrt zerstörtes Betriebsfahrzeug; BFH-Urteile vom 20.11.2003 IV R 31/02, BStBl II 2006, 7, sowie vom 13.05.2009 VIII R 57/07, HFR 2010, 245, für die Leistung der Kaskoversicherung wegen Diebstahls in betrieblichem Nutzungszusammenhang). Es handelt sich insoweit um das „stellvertretende commodum“ i.S. des § 285 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-, das im Betriebsvermögen an die Stelle des zerstörten oder entwendeten Wirtschaftsgutes getreten ist.
Die Versicherungsleistung gehört ebenso zum Betriebsvermögen wie (zuvor) das Wirtschaftsgut selbst.
e) Es kommt weder darauf an, ob der Schaden während der betrieblichen oder der privaten Nutzung eingetreten ist, noch kann die Leistung nach dem Verhältnis der üblichen Nutzungsquoten in einen betrieblichen und einen privaten Teil aufgespalten werden.
aa) Die betriebliche Veranlassung der Einnahme wird nicht durch eine Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken in Zweifel gezogen (vgl. BFH-Urteil vom 13.05.2009 VIII R 57/07, HFR 2010, 245).
bb) Die Versicherungsleistung ist nicht nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits aufzuteilen.
Der BFH hatte im Urteil vom 13.05.2009 VIII R 57/07, HFR 2010, 245, über die Zuordnung der Erstattung der Kaskoversicherung nach Diebstahl eines geparkten, sich im (Sonder-) Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugs zu entscheiden.
Gegen eine Aufteilung der Versicherungsleistung nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits spricht nach der Entscheidung des BFH, dass die Kaskoversicherung für das entwendete Fahrzeug ausschließlich ein Wirtschaftsgut des (Sonder-) Betriebsvermögens betraf und der Versicherungsfall – die Entwendung des Fahrzeugs – im dortigen Fall betrieblich veranlasst war.
Für die ausschließliche Erfassung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme spricht des Weiteren, dass solche Einnahmen nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechend der Art des versicherten Risikos zuzuordnen sind. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebsbedingtes und im Schadensfall verwirklichtes Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen; ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden, während die Einnahmen (die Versicherungsleistung) nicht steuerbar sind (BFH-Urteile vom 06.02.1992 IV R 30/91, BStBl II 1992, 653; vom 26.08.1993 IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306), vgl. bereits oben unter 2. c) aa).
Der BFH nimmt auch in diesem Zusammenhang darauf Bezug, dass Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört, beschädigt oder wie im Streitfall durch Diebstahl entzogen werden, betriebliche Risiken darstellen.
Der Umstand, dass im Urteilsfall vom 13.05.2009 VIII R 57/07 die vom Kläger abgeschlossene Kaskoversicherung auch das (Diebstahls-) Risiko im Zusammenhang mit einer Privatnutzung abdeckte, führte dort zu keiner anderen Entscheidung, da sich ein solches Risiko vorliegend nicht verwirklicht habe.
f) Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Versicherungsleistung zu Recht als Betriebseinnahme erfasst worden, weil sie durch ein betrieblich veranlasstes Schadensereignis ausgelöst wurde und das Risiko eines solchen Schadens Gegenstand des Versicherungsvertrages war.
aa) Das Fahrzeug 1 stellt (zumindest gewillkürtes) Betriebsvermögen der Klägerin dar. Die Fahrzeugvollversicherung (Vollkasko inkl. Teilkasko) bezieht sich auf betriebliche, nicht auf persönliche Risiken; sie deckt die Beschädigung des betrieblichen Fahrzeugs einer Handelsvertreterin durch einen selbst verschuldeten Unfall ab.
Anders als von Klägerseite vorgetragen, werden mit der Kaskoversicherung nicht private Risiken versichert; dies ergibt sich schon aus dem Charakter und dem Einsatz des versicherten Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens.
Eine auch private Nutzung des Fahrzeugs führt nicht zu einer Zuordnung der Versicherungsleistung zur privaten Sphäre.
Eine von den Klägern als Ergänzung des Versicherungsvertrags vorgebrachte Einigkeit, wonach mit dieser Versicherung die privaten Risiken abgedeckt werden sollten, ist nicht nachgewiesen; es kann somit dahinstehen, ob die Kläger hierüber durch Vereinbarung überhaupt disponieren können.
Zweifel an der Belastbarkeit dieses Vortrags ergeben sich aber zumindest daraus, dass die Klägerin die Prämien der Kaskoversicherung bis zum Schadenseintritt (= Tag des Unfalls am 27.06.2007) in der Gewinnermittlung 2005 als Betriebsausgaben angesetzt hatte. In den danach erstellten Gewinnermittlungen 2006 und 2007 ist die Prämie der Kaskoversicherung nicht als Betriebsausgaben erfasst. Beim ebenfalls im Betriebsvermögen gehaltenen Fahrzeug 2 setzte sie die Aufwendungen für die Kaskoversicherung zumindest in den Jahren 2006 und 2007 an.
bb) Die Klägerin hat die Aufwendungen für die Reparatur des sich im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugs zu Recht als Betriebsausgaben angesetzt.
Die Versicherungsleistung gleicht die Reparaturkosten – unter Abzug eines Selbstbehalts von 300 € – aus; sie ist eine betrieblich veranlasste Einnahme. Das Gericht geht davon aus, dass die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zum Ausgleich für den Substanzverlust eines im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeugs entsprechend heranzuziehen sind, da die Versicherungsleistung ebenso den Reparaturaufwand ausgleicht.
cc) Eine Aufteilung der Versicherungsleistung in einen betrieblichen und einen privaten Teil erfolgt nicht.
Der Schadensfall des betrieblichen Fahrzeugs erfolgte auf einer betrieblichen Fahrt; das versicherte Risiko – Beschädigung des betrieblich genutzten Fahrzeugs durch selbst verschuldeten Unfall – ist der betrieblichen Sphäre zuzuordnen (s.o.).
dd) Der fehlende Ansatz der Kaskoprämie als Betriebsausgabe in (2006 und) 2007 ändert daran nichts; die Versicherungsleistung ist nicht Gegenleistung für gezahlte Prämien, sondern wirtschaftlicher Gegenwert für durch den Versicherungsfall erlittene Verluste (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 4 Rz. 271).
g) Aus dem Versicherungsvertrag folgt in der vorliegenden Konstellation aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch der Klägerin auf Auskehrung der Versicherungsleistung an sie gegenüber dem Kläger. Die Nichtgeltendmachung des Anspruchs ist wie ein Verzicht aus privaten Gründen zu behandeln und als Entnahme zu werten.
aa) Nach § 43 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) kann der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung).
Fallen Halter eines Fahrzeugs und Versicherungsnehmer auseinander (sog. abweichende Halterschaft), liegt ein Fall der Versicherung für fremde Rechnung i.S.v. § 43 VVG vor. Der Versicherungsnehmer schließt den Vertrag im eigenen Namen für einen anderen, den Halter des Fahrzeugs, ab.
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.05.1975 IV ZR 209/73, NJW 1975, 1273, geht die Rechtsprechung davon aus, dass zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem ein gesetzliches Treuhandverhältnis eigener Art als gesetzliches Schuldverhältnis unabhängig von einem etwaig zusätzlich bestehenden Schuldverhältnis besteht. Dieses wird aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hergeleitet (vgl. auch Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 46 VVG, Rn. 4, 6).
Nach Eintritt des Versicherungsfalls muss der Versicherungsnehmer die Pflichten beachten, die ihn aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis treffen. Er ist treuhänderisch verpflichtet, den Anspruch gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, den ihm nicht zustehenden Entschädigungsbetrag einzuziehen und an den Geschädigten auszukehren (vgl. Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 46 VVG, Rn. 12). In Fällen einer freiwilligen Versicherung ist der Versicherungsnehmer jedoch – anders als bei einer Pflichtversicherung – nicht zwingend aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis verpflichtet, die Versicherung in Anspruch zu nehmen, wenn der Versicherte über einen eigenen sicheren Anspruch verfügt. Dem Versicherungsnehmer ist es nicht zumutbar, die Nachteile, die mit einer Inanspruchnahme des Versicherers in Form von Rabattverlusten, Prämienerhöhungen oder gar einer Kündigung verbunden sind, in Kauf zu nehmen. Besteht aber etwa eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten, kann das eigennützige Motive des Versicherungsnehmers ausblenden, beispielsweise bei der Mitversicherung von Familienangehörigen in der Privathaftpflicht- oder Hausratsversicherung. Hier sichern sich die Angehörigen im Vertrauen auf den bestehenden Versicherungsschutz nicht selbst ab, oder können dies wegen Minderjährigkeit gar nicht tun. Der Versicherungsnehmer ist entsprechend kraft des bestehenden Treuhandverhältnisses zwischen ihm und seinen Angehörigen verpflichtet, die Versicherung in Anspruch zu nehmen und die erlangte Versicherungsleistung auszukehren (Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 46 VVG, Rn. 17).
bb) Der Klägerin stand hier gegenüber dem Kläger als Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Auskehrung der Versicherungsleistung aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis zu.
Fallen, wie im Streitfall, Halter eines Fahrzeugs und Versicherungsnehmer auseinander, liegt ein Fall der Versicherung für fremde Rechnung i.S.v. § 43 ff VVG vor.
Es handelt sich bei der Kaskoversicherung nicht um eine Pflichtversicherung, sondern um eine freiwillige Versicherung, bei der der Versicherungsnehmer grundsätzlich nach Treu und Glauben nicht verpflichtet ist, sich selbst Nachteile zuzufügen. Der Versicherungsnehmer ist etwa nicht verpflichtet, die Nachteile, die mit einer Inanspruchnahme des Versicherers verbunden sind, hier etwa Rückstufung in der Schadenfreiheitsklasse, in Kauf zu nehmen. Vorliegend geht es jedoch nicht darum, ob der Kläger als Versicherungsnehmer unter Inkaufnahme von Nachteilen verpflichtet ist, die Versicherung in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hat die Versicherung tatsächlich in Anspruch und damit auch den Nachteil der Rückstufung in Kauf genommen und eine Gutschrift der Versicherungsleistung auf sein Konto erhalten. Er ist zur Auskehrung an die Klägerin verpflichtet. Behält er nun die Versicherungsleistung zurück und kehrt sie nicht an die geschädigte Klägerin aus, so verhält er sich treuwidrig.
Der vom Kläger benannte Grund, er schade sich selber durch eine zusätzliche Steuerbelastung im Rahmen der Zusammenveranlagung, hindert das Vorhandensein eines Auskehrungsanspruchs nach Treu und Glauben nicht. Zum einen hat der Kläger den Versicherungsvertrag auf Grundlage und in Kenntnis der ehelichen Lebensgemeinschaft geschlossen und ist willentlich Versicherungsnehmer unter Ausnutzung der für ihn günstigeren Tarife geworden. Zum anderen folgt eine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme der Versicherung aus Gründen des Vertragsverhältnisses mit dem Versicherer – wie Rabattverlust, Prämienerhöhung, Kündigung, Kürzung der eigenen Entschädigung. Eine Erhöhung der Steuerbelastung im Rahmen der Zusammenveranlagung mit der Klägerin ist nur eine mittelbare finanzielle Folge, die ihre Ursache nicht im Versicherungsverhältnis im weiteren Sinne hat, sondern in der Eheschließung und Zusammenveranlagung des Versicherungsnehmers mit der Versicherten.
Unter den hier gegebenen Umständen kann die Klägerin vom Kläger die Auskehrung der Versicherungsleistung an sich fordern.
cc) Die Nichtgeltendmachung des Anspruchs durch die Klägerin ist wie ein Verzicht aus privaten Gründen zu behandeln und als Entnahme zu werten.
(i) Die Nichtgeltendmachung bzw. der Erlass einer betrieblichen Forderung aus privaten Gründen ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Entnahme zu werten.
Der BFH hat zum Erlass einer Honorarforderung durch einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, wie folgt zwischen betrieblichen und privaten Gründen unterschieden (BFH-Urteil vom 16.01.1975 IV R 180/71, BStBl II 1975, 526): sieht ein Steuerpflichtiger aus betrieblichen Gründen davon ab, eine entstandene Honorarforderung einzuziehen oder erlässt er sie aus betrieblichen Gründen dem Schuldner, so kann dies weder zu einer Erhöhung des Gewinns des Steuerpflichtigen in Höhe der nicht eingezogenen oder erlassenen Honorarforderung noch zu einer Minderung des Gewinns in dieser Höhe führen, denn eine Betriebseinnahme in Höhe der Honorarforderung ist in diesem Falle nicht zugeflossen und eine Ausgabe in Höhe der Honorarforderung ist – anders als z.B. beim Verlust einer betrieblichen Darlehnsforderung – nicht geleistet. Das steuerliche Ergebnis ist letztlich das gleiche, wie wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln würde; in diesem Falle wäre zwar bereits die Honorarforderung im Jahr ihrer Entstehung gewinnerhöhend zu erfassen gewesen; umgekehrt hätte sich dann aber der Verlust der Honorarforderung als Betriebsvermögensverlust im Jahr seines Eintritts gewinnmindernd ausgewirkt. Betriebliche Gründe im vorstehenden Sinne sind z.B. dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Honorarforderung nicht einzieht und sie erlässt, weil er ihre Beitreibung für aussichtslos erachtet (z.B. wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners oder wegen zu erwartender Einreden aus Gründen der Gewährleistung) oder weil er sich davon verspricht, dass er vom Honorarschuldner weitere Aufträge erhalten werde.
Sieht ein Steuerpflichtiger hingegen aus privaten Gründen davon ab, eine entstandene Honorarforderung einzuziehen oder erlässt er sie dem Schuldner aus privaten Gründen, so sind dem Steuerpflichtigen zwar ebenso wie bei einer Nichteinziehung oder einem Erlass einer Honorarforderung aus betrieblichen Gründen keine Betriebseinnahmen zugeflossen. Gleichwohl ist der Gewinn des Steuerpflichtigen um den Wert der aus privaten Gründen nicht eingezogenen oder erlassenen Honorarforderung zu erhöhen, weil der Vorgang als Entnahme der Forderung zu werten ist und bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben der Wert der Entnahmen – jedenfalls soweit diese nicht in Geld bestehen – hinzuzurechnen ist.
Während in § 4 Abs. 1 EStG ausdrücklich ausgesprochen ist, dass Gewinn der sich aus einem Betriebsvermögensvergleich ergebende Unterschied, vermehrt um die Entnahmen und vermindert um die Einlagen, ist, bezeichnet § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn lediglich den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Das ändert aber nichts daran, dass auch bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG Entnahmen und Einlagen zu berücksichtigen sind, und zwar grundsätzlich in der Weise, dass der Wert der Entnahmen dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hinzugerechnet und der Wert der Einlagen davon abgezogen wird. Diese rechtliche Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Verhältnis, in dem die Vorschrift des § 4 Abs. 1 EStG zur Vorschrift des § 4 Abs. 3 EStG steht. § 4 Abs. 3 EStG schafft keinen neuen und selbständigen Gewinnbegriff, sondern nur eine vereinfachte Technik der Gewinnermittlung. Daraus folgt, dass über die Gesamtheit der Jahre hinweg die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG letztlich zu demselben Gesamtergebnis führen muss, wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG. Wenn aber die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu demselben Gesamtergebnis führen muss wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und wenn für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Berücksichtigung von Entnahmen und Einlagen wesentlich ist, so kann für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nichts anderes gelten, soweit sich nicht etwas Abweichendes aus der Eigenart dieser Gewinnermittlungstechnik, wie z.B. für die Entnahme von Geld, ergibt.
Ebenso wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sind auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter – Ausnahme Geld – entnahmefähig und deshalb zurechnungspflichtig.
(ii) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:
Bei dem Anspruch auf Auskehrung der Versicherungsleistung handelt es sich um eine betriebliche Forderung der Klägerin. Diese folgt der Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen; die Versicherung deckt betriebliche Risiken ab.
Die Klägerin hat die Forderung gegenüber dem Kläger nicht geltend gemacht. Betriebliche Gründe hierfür sind nicht ersichtlich.
Nach Überzeugung des Gerichts erfolgte eine Nichtgeltendmachung zwischen den Ehegatten aus privaten Gründen. Das Verhalten der Klägerin entspricht nicht dem unter fremden Dritten Üblichen.
Die Kläger leben in ehelicher Lebensgemeinschaft. Eine genaue Trennung der finanziellen Sphären der Ehegatten ist nicht ersichtlich; so erhielt die Klägerin am 13.08.2007 – etwa 2 Wochen nach Erhalt der Versicherungsleistung – eine Gutschrift von 8.500 € auf ihrem betrieblichen Konto, die der Kläger als Liquiditätshilfe im Rahmen der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft bezeichnete.
Der Klägerin kam die Versicherungsleistung unabhängig von der Einordnung der Gutschrift von 8.500 € letztlich im Rahmen der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zu gute.
Ein fremder Dritter hätte sich nicht in dieser Weise verhalten: hätte zum einen ein Dritter einen Kaskoschaden an seinem betrieblichen PKW erlitten und die Reparaturkosten getragen und zum anderen der Versicherungsnehmer diesen Schaden gegenüber der Versicherung geltend gemacht und die Versicherungsleistung erhalten, so hätte der Dritte die Auskehrung der Versicherungsleistung zum Ausgleich seines Aufwands gefordert, um zu vermeiden, dass sich der (finanzielle) Schaden bei ihm und die Ausgleichsleistung beim anderen Beteiligten befindet.
Die Nichtgeltendmachung des Anspruchs auf Auskehrung der Versicherungsleistung aus privaten Gründen ist als Entnahme der Forderung zu werten.
Die vom BFH aufgestellten Grundsätze zu Erlass/Nichteinziehung einer Honorarforderung aus privaten Gründen sind auf die hier vorliegende Konstellation der Nichtgeltendmachung einer der Auskehrung der Versicherungsleistung aus privaten Gründen übertragbar. In beiden Fällen liegt eine betriebliche Forderung vor, die aus außerbetrieblichen, privaten Gründen nicht geltend gemacht wird.
Die Entnahme ist mit den Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG entsprechend), hier dem Nominalwert der Forderung zu bewerten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.