Aktenzeichen 14 W (pat) 5/18
Art 3 Buchst b EGV 469/2009
Art 3 Buchst c EGV 469/2009
Art 3 Buchst d EGV 469/2009
Leitsatz
Abraxis II
1. Im Rahmen der Erteilungsvoraussetzung des Art. 3 (b) AMVO ist ausschließlich zu prüfen, für welches konkrete Erzeugnis (Wirkstoff oder Wirkstoffkombination) die eingereichte Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde.
2. Zur Frage der Abgrenzung der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (b) AMVO von Art. 3 (c) und (d) AMVO.
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2009 000 065.6
für das Grundpatent EP 0 961 612 B2 (deutsches Az. 697 39 348.8)
…
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 26. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw, den Richtern Schell und Dipl.-Chem. Dr. Jäger sowie der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Wagner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 961 612 B2 (deutsches Az. 697 39 348.8) mit der Bezeichnung
2
“Protein-stabilisierte pharmazeutische Wirkstoffe und deren Verwendung”.
3
Am 8. Oktober 2009 beantragte die Beschwerdeführerin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) auf Basis dieses Patents die Erteilung eines Schutzzertifikats für das Erzeugnis „Paclitaxel albumin”. Im Laufe des patentamtlichen Verfahrens hat sie den Antrag auf das Erzeugnis “Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung” abgeändert. Als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in der Bundesrepublik Deutschland benannte sie den Zulassungsbeschluss der Europäischen Kommission mit der Zulassungsnummer EU/1/07/428/001, vom 14. Januar 2008, für das Arzneimittel “Abraxane-paclitaxel”.
4
Mit Beschluss vom 4. Juli 2017 hat die Patentabteilung 44 des DPMA den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die der Anmeldung zugrundeliegende Genehmigung stelle nicht die erste Genehmigung i. S. v. Art. 3 (d) der Verordnung (EG) 469/2009 (AMVO) dar. Paclitaxel sei der Wirkstoff des Arzneimittels Abraxane, der durch die Zulassung als Erzeugnis gemäß Art. 3 (b) AMVO identifiziert werde. Bei Abraxane handle es sich um eine neue Formulierung der einzig vorhandenen pharmakologisch aktiven Substanz Paclitaxel. Die neue Formulierung dieses vorbekannten Wirkstoffs sei entwickelt worden, um dessen Wasserunlöslichkeit zu überwinden und Überempfindlichkeitsreaktionen bei lösungsmittelbasierten Formulierungen zu vermeiden. Albumin weise weder eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung auf, noch finde sich ein Hinweis für ein therapeutisches Anwendungsgebiet von humanem Albumin. Gemäß Roter Liste 2007 Nr. 86121 bis Nr. 86128 seien bereits im Jahr 2007 Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paclitaxel zur Behandlung von Karzinomen zugelassen worden, so dass die vorgelegte Genehmigung für Abraxane nicht die erste Zulassung für das Erzeugnis Paclitaxel in Deutschland darstelle. Somit fehle es an der Erteilungsvoraussetzung des Art. 3 (d) AMVO.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.
6
Das Beschwerdeverfahren wurde im Hinblick auf ein Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice von England und Wales in dem damals dort anhängigen Parallelverfahren ausgesetzt, mit dem sich Richter Arnold mit folgender Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt hatte (Rechtssache C-443/17 – Abraxis = GRUR 2019, 603, vor Rdn. 14):
7
Ist Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen, dass er die Erteilung eines ESZ erlaubt, wenn die in Art. 3 Buchst. b dieser Verordnung erwähnte Verkehrsgenehmigung die erste Genehmigung innerhalb des Geltungsbereichs des Grundpatents für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist und das Erzeugnis eine neue Formulierung eines alten Wirkstoffs darstellt?
8
Diese Vorlagefrage hat der Gerichtshof mit seinem Urteil vom 21. März 2019 (abgedruckt in GRUR 2019, 603, Ls.) wie folgt beantwortet:
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Art. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel in Verbindung mit ihrem Art. 1 Buchst. b ist dahin auszulegen, dass die in Art. 3 Buchst. b dieser Verordnung genannte Genehmigung für das Inverkehrbringen, die zur Stützung einer Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats für eine neue Formulierung eines alten Wirkstoffs angeführt wird, nicht als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen für das betreffende Erzeugnis als Arzneimittel angesehen werden kann, wenn dieser Wirkstoff bereits als solcher Gegenstand einer solchen Genehmigung war.
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Nach der Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens wurde die Beschwerdeführerin mit Zwischenbescheid vom 13. Dezember 2019 auf die vorläufige Rechtsansicht des Senats hingewiesen.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,
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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein ergänzendes Schutzzertifikat für das Erzeugnis
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„Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung”
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mit einer Laufzeit vom 25. September 2017 bis zum 24. September 2022 zu erteilen.
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Darüber hinaus regt die Beschwerdeführerin die Vorlage der Sache zur Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Hierzu hat sie im Laufe des Verfahrens die folgenden Fragen vorgelegt:
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1. Welche Kriterien gelten bei der Bestimmung des Erzeugnisses gemäß Art. 1 (b) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009, um zu entscheiden, ob es sich bei einem Erzeugnis, das zu einem späteren Zeitpunkt zugelassen wurde, um dasselbe oder ein anderes Erzeugnis handelt, verglichen mit einem zu einem früheren Zeitpunkt zugelassenen Erzeugnis?
17
2. Insbesondere, handelt es sich bei einem Erzeugnis um ein anderes Erzeugnis, wenn es erheblich unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit im Vergleich zu einem bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugelassenen Erzeugnis aufweist?
18
3. Insbesondere, handelt es sich bei einem Erzeugnis um ein anderes Erzeugnis, wenn eine Änderung an der Pharmakokinetik der therapeutisch wirksamen Komponente, der Pharmakodynamik und/oder an der Toxizität vorgenommen wurde, welche zu einer Änderung des Unbedenklichkeits-/Wirksamkeitsprofils führen könnte?
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4. Wird in einer Genehmigung, die arzneimittelrechtlich ein Fertigarzneimittel zulässt, ein Wirkstoff „identifiziert“?
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5. Wenn ja, wo? In der Zulassungsentscheidung selbst? Im Anhang I einer zentralen Zulassung (wie funktioniert dies bei nationalen Zulassungen, die keine „Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels“ kennen)? Im EPAR?
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6. Wenn – bei zentralen Zulassungen – im Anhang I und/oder im EPAR, dann wo dort? Im Abschnitt 2 über die „Qualitative und quantitative Zusammensetzung“? Wenn ja, wie muss der Wirkstoff dort beschrieben sein? In einem Wort? In einem Kompositum? Wie können Komplexformulierungen beschrieben werden? Auch in anderen Abschnitten der Zusammenfassung? Was, wenn die Zusammenfassung verschiedene Referenzen enthält?
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Wie sind diejenigen Abschnitte der Zusammenfassung zu bewerten, die nicht auf den Wirkstoff, sondern auf das Fertigarzneimittel abstellen – dabei aber denklogisch immanent auf dessen Wirkstoff?
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7. Sind diese – typischerweise verschiedenen – Referenzen „verbindlich“, d. h. gibt es eine autonome und abschließende Kompetenz der Zulassungsbehörde, das „Erzeugnis“ unter der AMVO zu bestimmen, oder ist dies einer rechtlichen Bewertung durch die Gerichte zugänglich, oder eine solche sogar notwendig?
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8. Soweit das Erzeugnis durch die Ämter und ggf. durch die Gerichte bestimmt werden kann (und muss), gilt dann als Maßstab der Gemeinschaftskodex zur Bestimmung eines neuen Wirkstoffes, insbesondere Art. 10 Abs. 2 b) Satz 2, sowie das Reflection Paper der EMA dazu?
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Abweichend von ihrer Antragstellung benennt die Beschwerdeführerin das antragsgemäße Erzeugnis („Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung”) in ihrem Vorbringen mit „nab-Paclitaxel“. Den Zulassungsunterlagen ist diese Bezeichnung nicht zu entnehmen.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, der aktive Bestandteil des zugelassenen Arzneimittels Abraxane sei nicht etwa Paclitaxel, sondern nab-Paclitaxel. nab-Paclitaxel sei ein neuer Wirkstoff im Sinne der AMVO, da er im Vergleich zu Paclitaxel erheblich andere pharmakokinetische, pharmakodynamische und Toxizitäts-Eigenschaften aufweise. Keinesfalls könne nab-Paclitaxel als bloße Kombination aus einem Wirkstoff mit einem Hilfsstoff angesehen werden. Die Patentabteilung habe sich nicht mit den präklinischen und klinischen Daten auseinandergesetzt und die Bestandteile Albumin und Paclitaxel fälschlicherweise als separate Komponenten aufgefasst. Infolgedessen habe sie nicht erkannt, dass Albumin als Bestandteil der Nanopartikel Wirkungen zeige, die weit über die Wirkungen eines Hilfsstoffs hinausgingen. Albumin wirke in den Nanopartikeln zusammen mit Paclitaxel als integrale Einheit und ermögliche es, dass Abraxane erheblich verbesserte bzw. andere pharmakokinetische, pharmakodynamische und Toxizität-Eigenschaften sowie weitere therapeutische Vorteile im Vergleich zu lösungsmittelbasiertem Paclitaxel zeige. So bestünde zwischen dem modifizierten Albumin und Paclitaxel eine dreifach stärkere Bindungsaffinität im Vergleich zu nativem Humanserumalbumin. Infolgedessen sei die Bindung zwischen dem modifizierten Albumin und Paclitaxel in Abraxane vergleichbar mit kovalenten Bindungen. Aufgrund dieser hohen Bindungsaffinität stoße Abraxane bestimmte biologische Mechanismen an, wie bspw. die rezeptorvermittelte Transzytose, die durch lösungsmittelbasiertes Paclitaxel nicht erreicht würden. Darüber hinaus zeige Abraxane eine bessere Aufnahme in die Tumorzellen und eine höhere Zytotoxizität sowie eine größere Selektivität in Bezug auf Tumorgewebe verglichen mit normalem Gewebe. Abraxane dringe tiefer in das Tumorgewebe ein und erzeuge einen größeren und länger andauernden zytotoxischen mitotischen Arrest in Tumorgeweben. Das pharmakokinetische/pharmakodynamische Profil unterscheide sich mit einem höheren Durchsatz, einem höheren Verteilungsvolumen sowie unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen innerhalb des Tumors grundlegend von dem Profil des lösungsmittelbasierten Paclitaxels. Außerdem zeige Abraxane erheblich andere Wirksamkeitsprofile als lösungsmittelbasiertes Paclitaxel sowie ein deutlich verbessertes Unbedenklichkeitsprofil im Vergleich zu lösungsmittelbasiertem Paclitaxel.
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Eine Fokussierung auf die Semantik in den Zulassungsunterlagen sei nicht weiterführend, vielmehr müsse stattdessen darauf abgestellt werden, dass sich nab-Paclitaxel von dem bereits früher zugelassenen Wirkstoff Paclitaxel in allen wesentlichen Eigenschaften erheblich unterscheide. Die insoweit maßgeblichen Beurteilungskriterien habe der Senat auch seiner Entscheidung “Paliperidonpalmitat” zugrunde gelegt. Ausgehend von diesen Kriterien und unter Berücksichtigung der erheblich verbesserten Eigenschaften von nab-Paclitaxel im Vergleich zu Paclitaxel müsse nab-Paclitaxel als neuer Wirkstoff angesehen werden, so dass die eingereichte Genehmigung die erste i. S. v. Art. 3 (d) AMVO für das antragsgemäße Erzeugnis darstelle.
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Nach Auskunft der Beschwerdeführerin wurde für das verfahrensgegenständliche Erzeugnis ergänzende Schutzzertifikate in Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien und der Schweiz erteilt. In Irland sei das Verfahren aktuell ausgesetzt. In den Niederlanden befinde sich die Anmeldung noch im Erteilungsverfahren, das nach der Abraxis-Entscheidung des EuGH wieder aufgenommen worden sei. In Belgien sei das Verfahren durch Nichtzahlung der Jahresgebühr beendet worden, in Schweden und Großbritannien durch Zurückweisungen der Anmeldungen.
29
In ihrem Vorbringen stützt sich die Beschwerdeführerin auf zahlreiche in das Verfahren eingeführte Dokumente. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
30
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
31
1. Ein ergänzendes Schutzzertifikat kann gemäß Art. 3 AMVO nur erteilt werden, wenn das antragsgemäße Erzeugnis zum Zeitpunkt der Anmeldung durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist und für das Erzeugnis eine gültige Zulassung als Arzneimittel gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder der Richtlinie 2001/82/EG erteilt wurde, bei der es sich um die erste Zulassung des Erzeugnisses als Arzneimittel handeln muss. Zudem darf für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt worden sein.
32
2. Die Zertifikatsanmeldung erfolgte auf Basis des europäischen Patents EP 0 961 612 B2 (deutsches Az. 697 39 348.8). Das Grundpatent beschreibt durchgängig nur eine pharmakologisch aktive Substanz wie bspw. Paclitaxel, die in Form von Partikeln vorliegt, die von Albumin beschichtet sind. Anhaltspunkte für eine eigene arzneiliche Wirkung von Albumin ergeben sich aus dem Grundpatent nicht, vielmehr lehrt das Patent ausdrücklich Paclitaxel als das pharmakologisch aktive Agens und Albumin als Hilfsstoff. Im Hinblick auf den Stand der Technik wird auf lösungsmittelbasiertes Paclitaxel verwiesen, bei dem zur Überwindung der Unlöslichkeit polyethoxyliertes Rizinusöl als Löslichkeitsverstärker der Formulierung beigesetzt werde (sog. lösungsmittelbasiertes Paclitaxel). Dieser Löslichkeitsverstärker löse jedoch Überempfindlichkeitsreaktionen bei den zu behandelnden Patienten aus, weswegen diese mit zusätzlichen Medikamenten vor der Gabe von löslichkeitsverstärktem Paclitaxel behandelt werden müssten.
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3. Vor diesem Hintergrund lehrt das Grundpatent als eine Aufgabe der Erfindung, das pharmakologisch aktive Agens, zum Beispiel „Taxol“, in einer unmodifizierten Form (Unterstreichung durch den Senat) in einer Zusammensetzung zu verabreichen (Absatz [0021]). Weitere beispielhafte pharmakologisch aktive Agentien sind in Absatz [0062] offenbart. „Taxol“ ist einer davon (Seite 9, Zeile 2 des Patents). In Absatz [0026] wird das „Albumin“ als „Stabilisierungsagens“ (englisch: „stabilizing agent“) bezeichnet. Das Albumin ist zudem ein bevorzugtes Protein in der Formation der polymeren Hülle (Absatz [0067]). In Absatz [0028] des Patents wird ausgeführt, dass erfindungsgemäße Zusammensetzungen das pharmakologisch aktive Agens innerhalb der polymeren Hülle enthalten.
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4. Anspruch 1 des Grundpatents ist auf eine Zusammensetzung gerichtet „umfassend Partikel eines festen oder flüssigen, im wesentlichen unlöslichen pharmakologisch aktiven Agens, beschichtet mit Protein […]“. Das „pharmakologisch aktive Agens“ ist in Anspruch 14 als „Paclitaxel“ und das „Protein“ in Anspruch 17 als „Albumin” definiert. Anspruch 1 in Kombination mit Anspruch 14 definiert damit Paclitaxel als das pharmakologisch aktive Agens. Das Grundpatent schützt somit eine an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung des Wirkstoffs Paclitaxel.
35
5. Gemäß Art. 3 (b) AMVO muss für das antragsgemäße Erzeugnis (hier: Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung) als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 2001/83/EG erteilt worden sein. Im Rahmen der Prüfung des Art. 3 (b) AMVO ist somit folgende Frage zu beantworten:
36
Für welches konkrete Erzeugnis (Wirkstoff oder Wirkstoffkombination) wurde die von der Anmelderin vorgelegte Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt?
37
Wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorgehoben hat, wird die Genehmigung i. S. v. Art. 3 (b) AMVO nicht für einen Wirkstoff an sich erteilt, sondern für ein Arzneimittel, das den fraglichen Wirkstoff enthält. Wenn sie jedoch im Weiteren ausführt, für die Beantwortung der Frage, welcher Wirkstoff als Arzneimittel zugelassen wurde, sei die Genehmigung allenfalls ein Ausgangspunkt, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist die im jeweiligen Verfahren vorgelegte Genehmigung nicht nur ein Ausgangspunkt, sondern die Grundlage zur Beantwortung der oben formulierten Prüfungsfrage des Art. 3 (b) AMVO. Die Genehmigung soll das fragliche Erzeugnis im Erteilungsverfahren identifizieren (EuGH, GRUR Int 1997, 363, Rdn. 44 – Biogen) und damit belegen, dass es vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder der Richtlinie 2001/82/EG durchlaufen hat (Art. 2 AMVO). Der Beschwerdeführerin ist es an keiner Stelle ihrer Argumentation gelungen, andere, rechtlich zulässige Beurteilungskriterien aufzuzeigen.
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6. Im vorliegenden Fall ist somit im Rahmen von Art. 3 (b) AMVO insbesondere auf den Zulassungsbeschluss EU/1/07/428/001 der Europäischen Kommission für das Arzneimittel “Abraxane-paclitaxel” und dessen Anhänge abzustellen. Darüber hinaus kann insoweit auch auf den im Rahmen der Beurteilung des Zulassungsantrags für Abraxane erstellten Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht zurückgegriffen werden, in dem die Merkmale des Arzneimittels charakterisiert werden (vgl. EuGH, GRUR Int 2015, 272, Rdn. 8 f., 32, 37, 39, 42, 44, 47 – Forsgren).
39
7. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin stellt dieser, nach den gesetzlichen Vorgaben der AMVO notwendige Rückgriff auf die behördliche Zulassungsentscheidung, keinen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip dar, da die Entscheidung über das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 AMVO beim DPMA und dem Bundespatentgericht verbleibt. Dass diese sich dabei nach dem Willen des Verordnungsgebers auf zuvor ergangene behördliche Entscheidungen stützen müssen (Patenterteilung und Arzneimittelzulassung) steht dem nicht entgegen. Die von der Beschwerdeführerin befürchtete “Delegation der Letztentscheidung” über die Erteilung des Schutzzertifikats an die nicht justiziable Entscheidung einer Behörde besteht somit nicht.
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8. Wenn die Beschwerdeführerin im Weiteren geltend macht, die vom Senat angeführte Fundstelle in der Entscheidung “Biogen” des Gerichtshofs (EuGH, a. a. O., Rdn. 44 – Biogen) stelle gerade keine inhaltliche Ausführung darüber dar, wie sich der Zulassungsbescheid materiell zum Wirkstoff verhalte, weshalb der EuGH insoweit auch von einem bloßen Formerfordernis spreche, trifft ihre Interpretation nicht zu. Diese Einordnung des Gerichtshofs als “Formerfordernis” bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die Notwendigkeit der Vorlage einer Kopie im Rahmen von Art. 8 (1) b AMVO, mit der das Bestehen einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel nachzuweisen ist, was auch die anschließende Randnummer der Entscheidung verdeutlicht (vgl. EuGH, a. a. O., Rdn. 45 – Biogen). Die Bedeutung der Feststellung des Gerichtshofs, dass die Genehmigung das Erzeugnis identifiziert, wird hierdurch nicht relativiert.
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9. Mit der vorliegenden Zertifikatsanmeldung wurde eine gültige Genehmigung der Europäischen Kommission für das Arzneimittel “Abraxane-paclitaxel” vorgelegt. Wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, findet sich in Abschnitt 2 der Zulassungsunterlagen (Qualitative und quantitative Zusammensetzung) der Hinweis: „Jede Durchstechflasche enthält 100 mg Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung“. In Abschnitt 5.1 (Pharmakodynamische Eigenschaften) wird ausgeführt: “Paclitaxel ist ein Antimikrotubuli-Wirkstoff … Abraxane enthält Paclitaxel, das an ca. 130 nm große Humanserumalbumin-Nanopartikel gebunden ist, so dass Paclitaxel in einem nicht-kristallinen, amorphen Zustand vorliegt”. Als weitere einschlägige Fundstellen benennt die Beschwerdeführerin Abschnitt 6.5 (Art und Inhalt des Behältnisses) und dort den Hinweis: „Durchstechflasche, 50 ml (Typ 1 Glas) mit Stopfen (Butylkautschuk), mit einer Dichtung (Aluminium) und 100 mg Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung” sowie Abschnitt 6.6 (Rekonstitution und Gabe des Arzneimittels): “Abraxane wird als steriles lyophilisiertes Pulver geliefert und muss vor der Verwendung rekonstituiert werden. Nach der Rekonstitution enthält jeder ml der Suspension 5 mg Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung”.
42
10. Entgegen der Wertung der Beschwerdeführerin belegen diese Fundstellen, dass es sich bei dem in Abraxane enthaltenen Wirkstoff ausschließlich um Paclitaxel handelt, der hier in einer bestimmten Formulierung vorliegt. Dies wird auch in der von der Anmelderin als D1 vorgelegten “Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels” auf Seite 51 unter Punkt 6. klargestellt:
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“Der Wirkstoff ist Paclitaxel. Jede Durchstechflasche enthält 100 mg bzw. 250 mg Paclitaxel als an Albumin gebundene Nanopartikel-Formulierung.”
44
In diesem Zusammenhang kann darüber hinaus auf weitere Feststellungen in der D1 verwiesen werden, wie etwa auf Seite 7
45
(4.4) “Abraxane ist eine Albumin-gebundene Nanopartikel-Formulierung von Paclitaxel, die wesentlich andere pharmakologische Merkmale als andere Formulierungen von Paclitaxel aufweisen dürfte”
46
oder auf die Seiten 25 bis 27, wo die unter Punkt 5.2 (Pharmakokinetische Eigenschaften) getroffenen Feststellungen zur Verteilung, Proteinbindung, der Fraktion und Exposition des Wirkstoffs in Abraxane ausschließlich auf Paclitaxel bezogen sind, ebenso wie die unter Punkt 5.3 aufgeführten präklinischen Daten zur Sicherheit des in Abraxane enthaltenen Wirkstoffs. Auch dem von der EMA im Rahmen der Beurteilung des Zulassungsantrags für Abraxane erstellten Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (D39) lässt sich eindeutig entnehmen, dass es sich bei dem in Abraxane enthaltenen Wirkstoff ausschließlich um Paclitaxel handelt.
47
11. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, ein Herauspicken einzelner Erwähnungen von Paclitaxel sei nicht geeignet, ein vollständiges Bild vom Wirkstoff von Abraxane zu geben. Bei der gebotenen Betrachtung der Genehmigungsunterlagen in ihrer Gesamtheit erweise sich, dass der Wirkstoff in Abraxane keineswegs Paclitaxel sei. So werde in einer Reihe von Stellen in der Zusammenfassung nicht spezifisch auf den Wirkstoff abgestellt, sondern auf das Arzneimittel als solches und dahinter verberge sich natürlich auch der Wirkstoff “nab-Paclitaxel”. Eine Zulassungspflicht für einen Wirkstoff existiere weder im europäischen noch im nationalen Arzneimittelrecht, sondern es werde immer das Arzneimittel als Ganzes zugelassen. Deshalb richte sich auch der Blick aus der Zulassungsperspektive auf die Gesamtheit des Fertigarzneimittels und nicht etwa primär auf den Wirkstoff. Dementsprechend werde der Wirkstoff auch nicht durch die Genehmigung „identifiziert“, schon gar nicht „verbindlich“. Vielmehr sei für die Bestimmung des in dem zugelassenen Arzneimittel enthaltenen Wirkstoffs in Art. 3 (b) AMVO anhand der materiellrechtlichen Bestimmung zur Abgrenzung von Wirkstoffen eine rechtliche Bewertung unter Berücksichtigung aller Umstände erforderlich. Bei dem rechtlichen Maßstab, mit dem der Wirkstoff innerhalb eines zugelassenen Arzneimittels bestimmt werden könne, handle es sich auf der einen Seite um die Erwägungsgründe der AMVO und auf der anderen Seite um Artikel 10 Abs. 2 b) Satz 2 des Gemeinschaftskodex, mit seinen Kriterien zur Abgrenzung von Wirkstoffen, die in Anhang I, Teil II, Abschnitt 3 des Gemeinschaftskodex genauer ausformuliert würden.
48
12. Die Beschwerdeführerin schlägt damit vor, den Wirkstoff innerhalb eines zugelassenen Arzneimittels durch den Maßstab zu bestimmen, der für die Abgrenzung von zwei Wirkstoffen heranzuziehen ist. Dies würde folgendes bedeuten: bei der Prüfung von Art. 3 (b) AMVO müsste zusätzlich zu dem in den Zulassungsunterlagen als solchen benannten Wirkstoff zunächst stets ein zweiter, nicht in den Zulassungsunterlagen genannter Wirkstoff (hier: nab-Paclitaxel) konstruiert werden und unter Heranziehung der erst in Art. 3 (c) und (d) AMVO einschlägigen Beurteilungskriterien dem in den Zulassungsunterlagen explizit als solchen genannten Wirkstoff gegenübergestellt werden. Wenn sich aus diesem Vergleich ergeben sollte, dass es sich bei den beiden Stoffen um unterschiedliche Wirkstoffe handelt, müsste der nicht in den Zulassungsunterlagen genannte Stoff statt des dort explizit genannten Wirkstoffs als eigentlicher Wirkstoff des zugelassenen Arzneimittels angesehen werden. Die Unzulässigkeit einer solchen Vorgehensweise liegt auf der Hand.
49
13. Im Rahmen der Prüfung der Erteilungsvoraussetzung des Art. 3 (b) AMVO geht es ausschließlich um die Frage, für welches konkrete Erzeugnis eine Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde. Diese Frage ist anhand der vorgelegten Genehmigung zu beantworten, was sich unmissverständlich aus dem Wortlaut von Art. 3 (b) AMVO ergibt. Auch der Gerichtshof hat diese Bedeutung der Genehmigung sowie der dazugehörigen Zulassungsunterlagen in seiner Auslegung der AMVO bestätigt (vgl. EuGH, a. a. O., Rdn. 44 – Biogen, sowie EuGH, a. a. O., Rdn. 34 ff. – Forsgren). Wenn die Beschwerdeführerin nun fordert, die in Art. 3 (b) AMVO zu treffende Feststellung des Wirkstoffs müsse anhand der materiellrechtlichen Bestimmungen zur Abgrenzung von Wirkstoffen erfolgen, übersieht sie, dass sich diese Frage bei der Prüfung von Art. 3 (b) AMVO überhaupt nicht stellen kann. Indem die Beschwerdeführerin also die im Rahmen von Art. 3 (b) AMVO zu beantwortende Frage:
50
“Für welchen konkreten Wirkstoff wurde die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt?”
51
durch eine andere, bei der Prüfung von Art. 3 (b) AMVO allerdings nicht einschlägige Frage ersetzt:
52
“Handelt es sich bei zwei Stoffen um unterschiedliche Wirkstoffe?”,
53
übergeht sie den mit Art. 3 (b) AMVO vorgesehenen Prüfungsschritt und wendet sich unmittelbar Art. 3 (c) und (d) AMVO zu. Denn erst nach Abarbeitung des mit Art. 3 (b) AMVO vorgesehenen Prüfungsschritts sind die Erfordernisse der Art. 3 (c) und (d) AMVO zu prüfen. Übertragen auf die vorliegende Anmeldung bedeutet dies: nachdem die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Zulassung ausschließlich Paclitaxel als Wirkstoff von Abraxane benennt, kann es zu der von ihr formulierten Frage “Ist nab-Paclitaxel ein anderer Wirkstoff als Paclitaxel?” gar nicht kommen. Vielmehr müsste hier die im Rahmen von Art. 3 (c) und (d) AMVO zu stellende Frage lauten: “Ist Paclitaxel ein anderer Wirkstoff als Paclitaxel?” und (wenig überraschend) mit “Nein” beantwortet werden. Aus diesem Grund ist auch das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Thema “Abgrenzung von Wirkstoffen” sowie die hierzu eingereichten Dokumente für die Entscheidung des vorliegenden Falles von vornherein nicht einschlägig, wie bspw. das von ihr vorgelegte EMA-Reflection Paper für die Bestimmung einer “new active substance“ (D50) oder die in der mündlichen Verhandlung referierten Entscheidungen (D55).
54
14. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die Vorstellung, man könne den maßgeblichen Wirkstoff in der Genehmigung bzw. der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels identifizieren, stehe auf schwankendem Grund, was im vorliegenden Fall bereits durch die Tatsache veranschaulicht werde, dass die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zwischen 2008 (dem Zeitpunkt der Zulassung) und 2013 wiederholt aktualisiert worden seien. Insoweit weist der Senat lediglich darauf hin, dass durch die betreffenden Aktualisierungen bzw. Änderungen in keiner Weise in Frage gestellt wurde, dass es sich bei dem in Abraxane enthaltenen Wirkstoff ausschließlich um Paclitaxel handelt.
55
15. Die von der Beschwerdeführerin eingereichte Genehmigung von Abraxane und die dazugehörigen Zulassungsunterlagen identifizieren somit als den in diesem Arzneimittel enthaltenen Wirkstoff ausschließlich Paclitaxel, der hier in einer bestimmten Formulierung vorliegt.
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16. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist die Fallgestaltung der vorliegenden Beschwerdesache mit der Entscheidung „Paliperidonpalmitat“ nicht vergleichbar. Dort ergab die Prüfung des Art. 3 (b) AMVO, dass durch die maßgebliche Genehmigung als der in dem Arzneimittel enthaltene Wirkstoff “Paliperidonpalmitat” identifiziert wurde. In der anschließenden Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 (c) und (d) AMVO war dann zu prüfen, ob Paliperidonpalmitat gegenüber Paliperidon (für das eine frühere Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel vorlag) als anderer Wirkstoff anzusehen war. Dies wurde vom Senat bejaht. Da die beiden Fälle somit völlig unterschiedliche Sachverhalte und Rechtsfragen betrafen, kann der vorliegende Beschluss schon deshalb kein Abweichen des Senats von seiner Entscheidungspraxis darstellen, wie dies die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat.
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17. Soweit die Beschwerdeführerin unter Vorlage zahlreicher Dokumente auf die vorhandenen therapeutischen Vorteile von Abraxane gegenüber vorbekannten Paclitaxelformulierungen verweist, stellen diese Vorteile eine erhebliche medizinische Weiterentwicklung dar. Bei der vorliegend gegebenen Fallgestaltung bleibt dieser Aspekt in zertifikatsrechtlicher Hinsicht jedoch ohne Auswirkung für die hier maßgebliche Frage, welcher Wirkstoff für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel zugelassen wurde.
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18. Dass “nab-Paclitaxel” – im Unterschied zur EMA – von der schweizerischen Zulassungsbehörde Swissmedic als neuer Wirkstoff eingeordnet wurde, ist für den vorliegenden Fall ebenfalls nicht entscheidungsrelevant. Auch wenn die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung insoweit vorgetragen hat, die schweizerische Behörde habe sich die in Abraxane enthaltene Substanz inhaltlich genauer betrachtet, als die EMA, muss für die Entscheidung der Beschwerdesache ausschließlich auf die von der Anmelderin vorgelegte Zulassung der Kommission abgestellt werden, mit der eben “Paclitaxel” für das Inverkehrbringen als Arzneimittel zugelassen wurde. Eine Abänderung dieser Zulassungsentscheidung ist ausschließlich im Rahmen der gegen sie gegebenen Rechtsbehelfe und einschlägigen Zulassungsänderungsverfahren (vgl. Verordnung (EG) Nr. 1234/2008) möglich, nicht jedoch im Schutzzertifikats-Erteilungsverfahren.
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19. Auch der Umstand, dass für diese Zulassung die Einreichung eines komplett neuen Zulassungsdossiers bzw. eines vollständigen Antrags gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG erforderlich war und das Inverkehrbringen des Arzneimittels damit letztlich unter denselben Bedingungen erfolgt ist, wie bei einem Arzneimittel, das einen neuen Wirkstoff enthalte, vermag hier kein anderes Ergebnis zu begründen. Denn der Gerichtshof hat klargestellt, dass dieser Aspekt in einem Fall, bei dem ein und derselbe Wirkstoff in zwei Arzneimitteln enthalten ist, für die nacheinander Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt wurden, für das Schutzzertifikats-Erteilungsverfahren nicht relevant ist (vgl. hierzu EuGH, GRUR Int 2012, 910, Rdn. 32 ff. – Neurim). Diese auf die Beantwortung der dortigen vierten und fünften Vorlagefrage gerichtete Feststellung wird auch nicht durch das Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs, vom 9. Juli 2020, infrage gestellt. Mit diesem Urteil wurde lediglich die in Beantwortung der ersten und dritten Vorlagefrage gerichtete Auslegung aufgegeben bzw. korrigiert, wonach der Schutzbereich des Grundpatents bei der Definition des Begriffs „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel“ im Sinne von Art. 3 (d) AMVO zu berücksichtigen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 9. Juli 2020, in der Rechtssache C-673/18 – Santen, Rdn. 53 GRUR-RS 2020, 15224, sowie auf der Curia-Homepage des Gerichtshofs veröffentlicht).
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20. Nachdem für den in Abraxane enthaltenen Wirkstoff Paclitaxel, der hier in einer neuen Formulierung vorliegt, bereits früher eine Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel für die Karzinom-Behandlung zugelassen wurde, stellt die vorgelegte Genehmigung nicht die erste Genehmigung i. S. v. Art. 3 (d) AMVO dar (vgl. EuGH, GRUR 2019, 603 – Abraxis).
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21. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, eine Zurückweisung der Beschwerde würde eine oder mehrere Rechtsfragen in “präzedenzloser Weise” beantworten, was zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit nur nach Vorlage an den EuGH erfolgen solle, ist unzutreffend. Die Beschwerdesache wirft – wie aufgezeigt – keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die nicht aus den gesetzlichen Quellen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweifelsfrei zu beantworten wären. Auch die Beschwerdeführerin hat keine in diesem Sinne offenen Rechtsfragen aufzeigen können. Aus dem Umstand, dass sie in ihrem Vorbringen die Erteilungsvoraussetzungen von Art 3 (b) bzw. von Art. 3 (c) und (d) AMVO nicht wie rechtlich erforderlich trennt, ergibt sich jedenfalls keine offene Rechtsfrage. Soweit sich die von ihr formulierten Rechtsfragen darüber hinaus teilweise für den vorliegenden Fall als nicht entscheidungsrelevant, sondern als hypothetisch erwiesen haben (Rechtsfragen 1, 2, 3 sowie die Teile der Rechtsfragen 5 und 6, die sich auf für die vorliegende Beschwerdesache nicht einschlägige Fallgestaltungen beziehen), musste ein Vorabentscheidungsersuchen bereits wegen fehlender Zulässigkeit unterbleiben (vgl. hierzu EuGH, Beschluss vom 5. September 2019, in der Rechtssache C-239/19, Eli Lilly and Company/Genentech, Rdn. 15 ff., veröffentlicht auf der Curia-Homepage des Gerichtshofs, sowie unter BeckRS 2019, 22614), da abstrakte, also für den konkreten Fall nicht entscheidungsrelevante Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens sein können.
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22. Die Erteilung von Schutzzertifikaten durch Patentämter anderer Mitgliedsstaaten bzw. die Anhängigkeit entsprechender Anmeldungen hat der Senat bei seiner Entscheidung miteinbezogen, diese Aspekte konnten jedoch ebenfalls kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH rechtfertigen. Der Gerichtshof knüpft das Kriterium der „Gefahr von Divergenzen“ ausschließlich an die Rechtsprechung an (vgl. EuGH, a. a. O., – Ferreira da Silva e Britto u. a., Rdn. 41) und nimmt nichtgerichtliche Organe wie Verwaltungsbehörden insoweit ausdrücklich aus (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 – Intermodal Transports BV, Rs. C-495/03, Rdn. 39, veröffentlicht unter BeckRS 2005, 70697). Das – soweit ersichtlich – einzige mit dem dortigen Parallelverfahren befasste (damals noch mitgliedsstaatliche) Gericht, hat ebenfalls festgestellt, dass Paclitaxel der Wirkstoff von Abraxane und Albumin ein Träger ist (vgl. High Court of Justice von England und Wales, Urteil vom 13. Januar 2017 – Abraxis, vgl. insbesondere Rdn. 55, veröffentlicht unter: https://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/Patents/2017/14.html).
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23. Die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde war ebenfalls nicht veranlasst, da keine der in § 100 Abs. 2 PatG genannten Voraussetzungen vorliegt. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt und der Senat will weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Bundespatentgerichts abweichen, noch von einer Amtsübung des DPMA (vgl. hierzu auch Schulte/Voß, PatG, 10. Auflage, § 100, Rdn. 15 ff.).