Aktenzeichen 26 W (pat) 523/19
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2015 034 552
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. März 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Wort-/Bildmarke (rot, schwarz, weiß)
2
ist am 16. April 2015 angemeldet und am 26. Juni 2015 unter der Nummer 30 2015 034 552 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Schallplatten; CDs; DVDs; andere digitale Aufzeichnungsträger; Datenträger sowie andere Aufzeichnungsträger aller Art; CDs; CD-ROMs, DVDs, Hör- und Videokassetten; Ton-, Bild- und Datenträger mit Musik, Sprache und Programmen für die Datenverarbeitung; Computerprogramme; CD- und DVD-Player, Empfangsgeräte [Ton-, Bild-], Funkempfänger und Funkmasten; Fernsehapparate; Radioapparate; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 16: Papier, Pappe [Karton]; Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Einweg-Papierartikel; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Aufkleber [Sticker], Booklets, Eintrittskarten, Bleistifte und Kugelschreiber, Flyer, Kalender, Karten, Kataloge, Plakate, Prospekte, Schreibgeräte, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Merchandising-Artikel aus den vorgenannten Waren; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 25: Merchandising-Artikel und Werbegeschenke in Form von Bekleidungsstücken, insbesondere Shirts, Kopfbedeckungen, Cappys; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 28: Merchandising-Artikel und Werbegeschenke in Form von Spielen, Spielzeug, Turn- und Sportartikeln; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 30: Merchandising-Artikel und Werbegeschenke in Form von Süßigkeiten, nämlich Bonbons, Zuckerwaren, Schokolade, Gummibärchen und andere Fruchtgummis, Nougat, Marzipan, Gebäck und Kekse, Konfekt;
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Klasse 35: Werbung, insbesondere Rundfunk- und Fernseh-Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Unternehmensberatung; Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Sammeln von Informationen in Computerdatenbanken; Sponsorensuche, Verkaufsförderung für Dritte; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verteilung von Werbematerial [Flugblättern, Prospekten, Drucksache, Warenproben]; Werbung durch Werbeschriften; Verfassen von Werbetexten; Werbung mit Marken und Hörmarken; Zusammenstellung von Daten in Computerbanken; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 38: Telekommunikation; Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Ausstrahlung von Comedy-Sendungen in Rundfunk und Fernsehen; Ausstrahlung von Kabelsendungen; Verbreitung von digitalen Rundfunkprogrammen; Mobilfunk-dienste; Personenrufdienste [Rundfunk, Telefon oder mit anderen Mitteln elektronischer Kommunikation]; Sammeln und Liefern von Nachrichten [Presseagenturen]; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; elektronisches Übermitteln von Informationen über Waren und Dienstleistungen; elektronische Datenübermittlung; Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk [Dienstleistung eines Online-Anbieters]; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte; Dienstleistungen eines Internetproviders, nämlich Telekommunikationsdienstleistungen; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 39: Verkehrsinformationsdienstleistungen; Auskünfte in Bezug auf die Verkehrssituation, auf Verkehrsstaus sowie auf Straßen- und Verkehrsbedingungen; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 41: Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten; Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Radio- und Fernsehunterhaltung, Hörfunkproduktion und Filmproduktion; Produktion von Sendungen für Rundfunk und Fernsehen; Produktion von Musik und Filmen; Erstellen von redaktionellen Beiträgen, nämlich von Texten, Moderations- und Comedy-Beiträgen; Betrieb von Tonstudios; Bereitstellen von elektronischen Publikationen; Erstellen von Bildreportagen; Verfassen und Herausgabe von Texten; Layout-Gestaltung, Onlineangebotene Spieldienstleistungen; Vermietung von Tonaufnahmen; Organisation und Veranstaltung von Konzerten; Organisation und Veranstaltung von Events; Organisation und Veranstaltung von Partys; Organisation und Veranstaltung von Musikveranstaltungen aller Art; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Workshops; Dienstleistungen eines Verlages [ausgenommen Druckarbeiten]; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
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Klasse 42: Designerdienstleistungen; Entwicklung und Design von Marken, insbesondere von Hörmarken; Entwurf, Entwicklung und Installation von Computersoftware; Verschlüsselung digitaler Bilder; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten.
13
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 31. Juli 2015 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widersprüche erhoben
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1. aus der Wort-/Bildmarke
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die am 9. Juni 2011 angemeldet und am 22. Juli 2011 unter der Nummer 30 2011 031 639 in das beim DPMA geführte Register eingetragen worden ist für Waren der
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Klasse 30: Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladenwaren (soweit in Klasse 30 enthalten);
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Klasse 32: alkoholfreie Getränke, ausgenommen Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer; entalkoholisierte Getränke;
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Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).
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und
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2. aus der Wortmarke
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ROTKÄPPCHEN
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die am 12. Dezember 2013 angemeldet und am 25. Februar 2014 unter der Nummer 30 2013 068 983 in das beim DPMA geführte Register eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 4: Technische Öle; technische Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungsmittel; Staubbenetzungsmittel; Staubbinde-mittel; Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoffe]; Leuchtstoffe; Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke;
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Klasse 8: Handbetätigte Werkzeuge und Geräte; Messerschmiedewaren *; Gabeln und Löffel; Hieb- und Stichwaffen; Rasierapparate;
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Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen; Juwelierwaren; Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren; Zeitmessinstrumente;
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Klasse 16: Papier, Pappe [Karton]; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;
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Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme; Sonnenschirme; Spazierstöcke; Peitschen; Pferdegeschirre; Sattlerwaren;
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Klasse 20: Möbel; Spiegel; Bilderrahmen;
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Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme; Schwämme; Bürsten und Pinsel [ausgenommen für Malzwecke]; Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlwolle; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas [mit Ausnahme von Bauglas]; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;
30
Klasse 24: Webstoffe; Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bettdecken; Tischdecken;
31
Klasse 25: Bekleidungsstücke *; Schuhwaren *; Kopfbedeckungen;
32
Klasse 29: Fleisch; Fisch; Geflügel; Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Kompotte;
33
Klasse 31: Samenkörner; land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; lebende Tiere; frisches Obst; frisches Gemüse; Sämereien; natürliche Pflanzen; natürliche Blumen; Futtermittel; Malz;
34
Klasse 34: Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer;
35
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen alkoholische und nichtalkoholische Getränke, Lebensmittel, Kerzen, Messer und Bestecke, Geräte und Behälter für Haushalt und Küche, Juwelierwaren, Uhren, Druckereierzeugnisse, Taschen, Koffer, Geldbörsen und Regenschirme, Möbel und Einrichtungsgegenstände, Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Haushaltstextilien, Tabak und Raucherartikel;
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Klasse 39: Transportwesen; Verpackung von Waren; Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen;
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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten;
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Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.
39
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat am 18. August 2016 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1.) bestritten. Die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung ihres Direktors Sales & Marketing W… vom 6. Oktober 2016 und Benutzungsunterlagen vorgelegt.
40
Mit Beschluss vom 3. Januar 2019 hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes eine Verwechslungsgefahr verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1.) könne dahingestellt bleiben, weil es an einer Markenähnlichkeit fehle. Die Widerspruchsmarke zu 1.) sei für Schaumwein und Sekt eine bekannte Marke. Diese Bekanntheit strahle aber nicht auf die Widerspruchswaren der Klasse 30 “Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladenwaren (soweit in Klasse 30 enthalten)” aus. Insoweit sei die Widerspruchsmarke nur durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Da die Widerspruchswaren der Klasse 30 zu den angegriffenen Waren und Dienstleistungen entfernt ähnlich seien, halte die angegriffene Marke den erforderlichen normalen Abstand ein, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Der Wortbestandteil “ROTKÄPPCHEN” präge die jüngere Marke nicht. Die über 15 Jahre alte City Plus-Entscheidung des BGH (GRUR 2003, 880) sei nicht anwendbar, weil die Bekanntheit der älteren Marke sich auf alkoholische Getränke beschränke. Die angegriffene Marke werde mit “Radio Rotkäppchen” sowie mit “Wolf” oder “mit Wolfsmaul” benannt, so dass sie sich klanglich und begrifflich deutlich von dem einfachen Wortelement “Rotkäppchen” unterscheide. Dies gelte wegen der zahlreichen Bildelemente der jüngeren Marke auch in visueller Hinsicht. Mangels Prägung der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil “ROTKÄPPCHEN” werde diese mit der Widerspruchsmarke auch nicht gedanklich in Verbindung gebracht. Der Widerspruchsmarke zu 2.) komme aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nur eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Es bestehe teilweise eine hochgradige Ähnlichkeit der Vergleichswaren und -dienstleistungen. Die Waren “Papier, Pappe [Karton]; Druckereierzeugnisse” sowie die Dienstleistung “Unterhaltung” seien in beiden Verzeichnissen identisch enthalten. Der dadurch bedingte deutliche Abstand werde ebenfalls eingehalten. Die angegriffene Marke werde aus Vereinfachungsgründen mit “Radio Rotkäppchen” benannt, was phonetisch nicht zu überhörende Unterschiede in der Silben- und Buchstabenzahl begründe. Da die Wortbestandteile keine Synonyme seien, fehle es auch an einer begrifflichen Ähnlichkeit. Visuell seien die Kollisionsmarken erheblich unterschiedlich. Schließlich bestehe aus den vorgenannten Gründen auch keine Gefahr einer gedanklichen Verbindung.
41
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, dem Wortbestandteil “ROTKÄPPCHEN” komme als eigentliches Kenn- und Markenwort sowie wegen seiner optischen Hervorhebung durch Farbe und Schriftgestaltung in der angegriffenen Marke eine prägende oder zumindest selbständig kennzeichnende Stellung zu, während das Wortelement “radio” wegen seines beschreibenden Charakters zurücktrete. Trotz der Unterschiede durch weitere abweichende Wortbestandteile und die Grafik bestehe eine bildliche, klangliche und konzeptionelle Markenähnlichkeit. Die seit 1895 für Schaumweine eingetragene Wortmarke “ROTKÄPPCHEN” (8311) werde für (alkoholfreien) Sekt, Wein, weinhaltige Getränke und alkoholische Mischgetränke benutzt. Wegen der Geschichte der Sektmarke “Rotkäppchen” werde auf die vorgelegte Schrift von Ralf Kahmann “Eine prickelnde Geschichte – Die Rotkäppchen Sektkellerei 1856 – 2006” verwiesen. “Rotkäppchen” sei 2015 die bekannteste Sektmarke im deutschen Lebensmitteleinzelhandel gewesen und habe dort 2014 einen Marktanteil von 36,4 % gehabt. Als Marktführer im Bereich alkoholischer Getränke verfüge sie wegen überragender Bekanntheit über gesteigerte Kennzeichnungskraft (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 18.9.2018 – 2-03 O 288/17 – MINI). Die gestärkte Kennzeichnungskraft der älteren Marke schlage auf die Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren Kombinationsmarke durch (vgl. BGH GRUR 2003, 880 – City Plus). Unter der Marke “ROTKÄPPCHEN” vertreibe sie in ihrem Sektshop in F… auch Süßwaren, nämlich Sekttrüffelpralinen. Selbst bei nur durchschnittlicher Kennzeichnungskraft bestehe eine hohe Markenähnlichkeit, soweit die Vergleichswaren und -dienstleistungen zumindest durchschnittlich ähnlich seien. Die jüngere Marke werde auf das kennzeichnungskräftige Markenwort “Rotkäppchen” verkürzt (vgl. BPatG 27 W (pat) 65/13 – Antenne Bayern Weihnachtstrucker/Weihnachtstrucker), dessen Sinngehalt durch die farbigen Bildelemente noch unterstrichen werde. Die vom Senat angeführten Radiosender seien mit der angegriffenen Marke nicht vergleichbar, weil sie kein kennzeichnungskräftiges Markenwort aufwiesen. Laut Internetbeschreibung handele es sich bei dem Radiosender “Radio Rotkäppchen” nicht um einen auf Märchen spezialisierten Kindersender, sondern um einen Musiksender für das erwachsene Publikum. Auch dem Waren-/Dienstleistungsverzeichnis der jüngeren Marke sei eine derartige Spezialisierung nicht zu entnehmen. Identität oder große Ähnlichkeit bestehe zwischen den gegenseitigen Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 30, 35, 39 und 41. Die Widerspruchsmarken würden in Rundfunk- und Fernsehsendungen als Sponsor genannt und für Unterhaltungsdienstleistungen benutzt, die mit denen eines Radiosenders sehr große Berührungspunkte aufwiesen oder mit diesen gar identisch seien. Seit 1993 begeistere die Konzertreihe unter der Marke “Rotkäppchen Sektival” im Lichthof der Sektkellerei jedes Jahr zahlreiche Besucher mit einem unterhaltenden Programm. Auf ihrer Homepage www.rotkaeppchen.de stelle die Widersprechende derartige Events vor, wie auch die “Rotkäppchen Nacht der Chöre”. Ferner sei Sekt ein steter Begleiter derartiger Aktivitäten. Große Berührungspunkte bestünden auch zwischen Süßigkeiten und alkoholischen Getränken, weil erstere nicht selten mit alkoholischen Getränken gefüllt oder unter Verwendung derartiger Produkte hergestellt seien. Aufgrund der Bekanntheit von “ROTKÄPPCHEN” als Marktführer im Bereich alkoholischer Getränke, begebe sich die Inhaberin der angegriffenen Marke in die Sogwirkung der Widerspruchsmarken und nutze durch den Imagetransfer deren Unterscheidungskraft aus. In zahlreichen vergleichbaren Fällen hätten das Bundespatentgericht und das Gericht der Europäischen Union eine Verwechslungsgefahr angenommen, wie z. B. in “ART KOSMOS/KOSMOS” (BPatG 29 W (pat) 73/13); “ALFREDO´S GALLERY alla Scrofa Roma/L´ORIGINALE ALFREDO (EuG T-97/15); “ABSACKER of Germany/ABSACKER” (EuG T-304/12); “APLI-AGIPA/AGIPA” (EuG T-522/11); “ACNO FOCUS/FOCUS” (T-466/08); “ARTESA NAPA VALLEY/ARTESO” (EuG T-35/08); “Acumed/AQUAMED ACTIVE” (EuG T-575/08); “FOCUS RADIO/FOCUS MILENIUM” (EuG T-357/07).
42
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom 3. Januar 2019 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke wegen der Widersprüche aus den Marken 30 2011 031 639 und 30 2013 068 983 zu löschen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
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Im Amtsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, die Gestaltung und Phonetik der Vergleichsmarken sei derart unterschiedlich, dass ein Betrachter niemals zu der Annahme gelänge, dass die Marken aus ein und demselben Unternehmen stammten. Die Prägung der Wortfolge “radio ROTKÄPPCHEN” durch einen der beiden Bestandteile sei auszuschließen, da “radio” auf einen Radiosender hinweise und “ROTKÄPPCHEN” auf das bekannte Märchen. Sie, die Inhaberin der angegriffenen Marke, betreibe seit 1986 einen privaten Radiosender unter dem Label. Die angegriffene Marke solle für ein spezielles Spartenprogramm genutzt werden und weise daher eine ähnliche Schreibweise, Grafik und Farbgebung auf. Zwischen der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke zu 1.) sei lediglich die Klasse 30 in beiden Verzeichnissen vorhanden, deren Inhalte keine direkten Überschneidungen aufwiesen. Die dort von der jüngeren Marke beanspruchten Merchandising-Artikel in Form von Süßigkeiten seien Waren, bei denen das Logo der Anbieterin in werblicher Form aufgedruckt werde, so dass jeder sie eindeutig als Werbeprodukt erkenne. Derartige Waren würden von der Widersprechenden gar nicht unter ihrem Label angeboten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei nicht aufgrund Verkehrsbekanntheit gesteigert, sondern aufgrund der 102 vom DPMA eingetragenen Marken mit dem Bestandteil “Rotkäppchen” sogar erheblich geschwächt, so dass schon eine geringe Abweichung zwischen den Vergleichsmarken ausreiche, um jeglichen Irrtum über eine gemeinsame betriebliche Herkunft zu beseitigen. Im Verzeichnis der Widerspruchsmarke zu 2.) fänden sich nur in drei Klassen ähnliche Begriffe. Warenunähnlichkeit bestehe in Bezug auf die Widerspruchsprodukte der Klasse 25, da es sich bei den Waren der jüngeren Marke um Merchandising-Artikel handele. In der Klasse 41 der jüngeren Marke werde eine klare Abgrenzung dadurch vorgenommen, dass diese Dienstleistungen eindeutig auf den Radiosektor bezogen seien. Es liege fern, dass Waren aus dem Printbereich, Merchandising-Artikel aus dem Bekleidungsbereich oder Unterhaltungsangebote, die eindeutig auf den Radiosender bezogen seien, aus dem Hause der von der Widersprechenden betriebenen Sektkellerei stammten. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne oder eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Widerspruchsmarken sei ausgeschlossen, weil die Marke “Rotkäppchen” ausschließlich für Sekt-Produkte bekannt sei, durch den Zusatz “radio” eine erhebliche Branchendivergenz vorliege und der Verkehr nicht annehme, die Sektkellerei betreibe nun plötzlich einen Radiosender.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 1. Dezember 2020 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe.
47
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
49
Zwischen der angegriffenen Marke und der älteren Wort-/Bildmarke sowie der älteren Wortmarke “ROTKÄPPCHEN” besteht keine Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
50
Da es sich vorliegend um ein Verfahren über zwei Widersprüche handelt, die nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden sind, ist die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG). In Bezug auf die erhobene Nichtbenutzungseinrede sind gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG die Vorschriften der §§ 26, 43 Abs. 1 MarkenG ebenfalls in ihrer bis dahin geltenden Fassung anwendbar.
51
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.: EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 41 – 43 – Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Les Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2019, 1058 Rdnr. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.).
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I. Widerspruch aus der älteren Wort-/Bildmarke (30 2011 031 639)
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1. Auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für Weine, entalkoholisierte Weine und alkoholische Mischgetränke hinreichend glaubhaft gemacht.
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a) Die am 18. August 2016 erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist als zulässige Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG auszulegen.
55
aa) Da die Einrede der Nichtbenutzung undifferenziert erhoben wurde, ist davon auszugehen, dass sie beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassen soll, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (BGH GRUR 2008, 714 Rdnr. 23 – idw; GRUR 1998, 938 – DRAGON; lngerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 12; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 43 Rdnr. 30; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 3. Aufl., Rdnr. 560).
56
bb) Da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 22. Juli 2011 eingetragenen Widerspruchsmarke erst nach der am 31. Juli 2015 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke endete, nämlich erst am 22. Juli 2016, liegen die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht vor.
57
cc) Die Einrede ist aber nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig, weil die am 22. Juli 2011 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede am 18. August 2016 bereits länger als fünf Jahre eingetragen war.
58
dd) Bei einer solchen Fallgestaltung, bei der nur eine der beiden Nichtbenutzungseinreden Rechtswirkung entfalten kann, ist die undifferenzierte Erhebung der Einrede entsprechend §§ 133, 157 BGB im Zweifel dahingehend auszulegen, dass lediglich die im konkreten Fall ausschließlich rechtserhebliche Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhoben werden soll (vgl. BPatG 25 W (pat) 76/11 – Yosoja/YOSOI).
59
b) Die Widersprechende hat somit die Benutzung ihrer älteren Marke für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über die Beschwerde, also für den Zeitraum von März 2016 bis März 2021 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG im Inland nach Art, Dauer und Umfang glaubhaft zu machen.
60
c) Dies ist ihr für Sekt, Wein, alkoholische Mischgetränke (“Fruchtsecco”) sowie alkoholfreien Schaumwein durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Direktors Sales & Marketing der Widersprechenden, Herrn W…, vom 6. Oktober 2016 in Verbindung mit der gerichtsbekannten jahrzehntelangen und umfangreichen Benutzung lange vor dem Anmeldetag der jüngeren Marke, dem 16. April 2015, und der präsenten Fernsehwerbung bis zur Gegenwart auf diesem Warengebiet gelungen.
61
d) Grundsätzlich können nur die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Im Rahmen der Integrationsfrage ist die Widersprechende aber auch unter Berücksichtigung der INJEKT/INJEX-Entscheidung des BGH (GRUR 2020, 871) nicht auf diese speziellen Produkte festzulegen. Bei einer weiten Warenpalette sind nach Zweck und Bestimmung der Waren selbständige Untergruppen zu definieren (EuGH, Urt. v. 16. Juli 2020 – C-714/18 Rdnr. 39 – 44 – ACTC/EUIPO [tigha/TAIGA]).
62
aa) Zwar kann die in der Vergangenheit vom Bundespatentgericht als “erweiterte Minimallösung” bezeichnete Rechtsprechung, wonach die Benutzung für eine Spezialware auch für einen umfassenderen, nicht zu breiten Warenoberbegriff rechtserhaltend wirkt (vgl. dazu BGH GRUR 2012, 64 Rdnr. 10 – Maalox/Melox-GRY; BPatG 25 W (pat) 79/12 – Tebo/TOBI; 30 W (pat) 37/13 – CIRKALM/BIKALM), in Kollisionsverfahren nicht mehr zur Anwendung kommen, da dies nach jüngster Auffassung des BGH eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bei der Prüfung der Kollisionslage darstellt und zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des Inhabers einer Marke mit weit gefassten Oberbegriffen gegenüber demjenigen führt, der die Eintragung von Anfang an auf die sodann benutzte Ware beschränkt hat (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 34 – INJEKT/INJEX). Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf gleichartige Waren (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 36 – INJEKT/INJEX). Ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen. Zum gleichen Warenbereich gehören Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen. Diese Kriterien sind auch für die Definition einer selbständigen Untergruppe wesentlich (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 44 – ACTC/EUIPO [tigha/TAIGA]). Die Zugehörigkeit zum gleichen Warenbereich ist aus Rechtsgründen enger zu verstehen als der Begriff der Warenähnlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 33 – INJEKT/INJEX; GRUR 2013, 833 Rdnr. 61 – Culinaria/Villa Culinaria).
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bb) Danach ist aber ebenso wie bei Anwendung der regelmäßig zu denselben Ergebnissen führenden “erweiterten Minimallösung” eine Benutzung der Widerspruchsmarke für alkoholische Mischgetränke, für die es keine umfassendere Untergruppe gibt, sowie für die nächsthöheren Untergruppen Weine und entalkoholisierte Weine anzuerkennen.
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e) Für die übrigen Widerspruchswaren der Klassen 30 bis 33 fehlt es an Vortrag und Glaubhaftmachungsmitteln. Allein die Vorlage einer Sortimentsübersicht vom 1. April 2016 sowie das Angebot von Sekttrüffelpralinen in ihrem Sektshop in F… reichen dafür nicht aus. Abgesehen davon, dass die eidesstattliche Versicherung des Direktors Sales & Marketing der Widersprechenden, Herrn W…, vom 6. Oktober 2016 keine diesbezüglichen Tatsachen enthält, fehlen auch jegliche Umsatz- oder Stückzahlen für den Verkauf von Sekttrüffelpralinen.
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2. Zwischen den rechtserhaltend benutzten Widerspruchswaren Weine, alkoholische Mischgetränke und entalkoholisierte Weine und den für die angegriffene Marke geschützten Produkte und Dienstleistungen besteht Unähnlichkeit.
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a) Dies gilt zunächst für die Produkte der Klasse 30 “Merchandising-Artikel und Werbegeschenke in Form von Süßigkeiten, nämlich Bonbons, Zuckerwaren, Schokolade, Gummibärchen und andere Fruchtgummis, Nougat, Marzipan, Gebäck und Kekse, Konfekt”.
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aa) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 – ZOOM). Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird.
68
bb) Die Vergleichswaren unterscheiden sich in ihren regelmäßigen Ausgangsprodukten und im Herstellungsverfahren und werden deshalb nicht von denselben Unternehmen produziert. Hersteller von “Bonbons, Zuckerwaren, Schokolade, Gummibärchen und andere Fruchtgummis, Nougat, Marzipan, Gebäck und Kekse, Konfekt” sind Unternehmen der Süßwaren-Branche, während Weine, alkoholische Mischgetränke und entalkoholisierte Weine von Kellereien und Brennereien erzeugt werden. Soweit Unternehmen diese Vergleichsprodukte gemeinsam vertreiben sollten, handelt es sich um Einzelfälle, die das Verkehrsverständnis über die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren nicht beeinflussen (vgl. BPatG 29 W (pat) 73/12 – ENERGIE erleben und verstehen PROJEKT 30/40/30/ENERGIE; 29 W (pat) 30/13 – FASHION TV/FASHION TV). Die beiderseitigen Waren weisen auch im Hinblick auf ihre Beschaffenheit als feste bzw. flüssige Erzeugnisse und in Bezug auf ihre regelmäßigen Vertriebsstätten deutliche Unterschiede auf. Auch wenn Süß- und Schokoladenwaren Alkohol enthalten können, geht der Verkehr nicht von denselben Produzenten oder von einer sonstigen gemeinsamen Produktverantwortung aus (BPatG 26 W (pat) 144/04 – DOPPELDECKER/Doppeldecker).
69
b) Die zu berücksichtigenden Widerspruchswaren Weine, alkoholische Mischgetränke und entalkoholisierte Weine weisen weder zu den für die jüngere Marke geschützten Waren der Klassen 9, 16, 25 und 28 noch zu den für die angegriffene Marke registrierten Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 39, 41 und 42 Berührungspunkte auf. Sie stimmen weder in der stofflichen Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks noch in ihrer Nutzung überein. Sie unterscheiden sich auch in der betrieblichen Herkunft.
70
Kellereien mögen zwar in ihren Räumlichkeiten auch Weinproben, Musik- oder andere Unterhaltungsveranstaltungen organisieren, so wie die Widersprechende ihr jährliches “Rotkäppchen Sektival” oder die “Rotkäppchen Nacht der Chöre”. In erster Linie sind sie aber die Anbieter des dort konsumierten (Schaum-)Weins. Als solche nimmt sie der Verbraucher auch wahr, womit die Überschneidungen dieser Waren und Dienstleistungen viel zu gering und zu selten sind, als dass von einer gemeinsamen Produkt- bzw. Dienstleistungsverantwortlichkeit ausgegangen werden könnte (vgl. Rspr. zu Brauereien: BPatG 28 W (pat) 165/04 – OKTOBIER-FEST/OKTOBERFEST-BIER; 28 W (pat) 246/02 – Alpkönig/Alpkönig; 26 W (pat) 49/16 – CRAFTWERK/Kraftwerk). Nichts anderes gilt für den Vortrag der Widersprechenden, sie trete als Sponsor von Rundfunk- und Fernsehsendungen auf. Den angesprochenen Verkehrskreisen ist nämlich ebenfalls bekannt, dass insbesondere bei Sportveranstaltungen Hersteller und Vertreiber von Waren zum Zwecke der Eigenwerbung das Ereignis in finanzieller und/oder sachlicher Hinsicht unterstützen (vgl. Koschnick, Standard Lexikon Werbung Verkaufsförderung Öffentlichkeitsarbeit, Band 2, 1996, Stichwort: Sponsoring). Ein Sponsor wird nicht mit dem eigentlichen Dienstleistungserbringer gleichgesetzt. Weder der Durchschnittsverbraucher noch der Fachverkehr hat die Vorstellung, ein Getränkehersteller würde eine Veranstaltung als Dienstleister für Dritte organisatorisch ausrichten (vgl. BPatG 29 W (pat) 30/13 – /FASHION TV).
71
c) Da sich die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich sind, ist eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.
72
3. Der Löschungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a. F. liegt ebenfalls nicht vor.
73
a) Die angegriffene Marke ist am 16. April 2015 angemeldet worden, so dass der Bekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden kann (§ 158 Abs. 2 MarkenG).
74
b) Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a. F. zu löschen, wenn sie mit einer prioritätsälteren, im Inland bekannten Marke identisch oder ähnlich ist, für unähnliche Waren und Dienstleistungen registriert und ihre Benutzung geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Widerspruchsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.
75
aa) Die Widerspruchsmarke ist gerichtsbekannt für alkoholische und entalkoholisierte Schaumweine eine im Inland bekannte Marke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a. F., deren Bekanntheit auf eng verwandte Produkte wie die rechtserhaltend benutzten anderen Weine und alkoholischen Mischgetränke ausstrahlt.
76
bb) Obwohl beide Kollisionsmarken das (Wort-)Element “Rotkäppchen” aufweisen, fehlt es vorliegend in Bezug auf die für die jüngere Marke geschützten Waren und Dienstleistungen an der erforderlichen gedanklichen Verknüpfung (vgl. EuGH GRUR 2009, 56 Rdnr. 60 – Intel Corporation/CPM United Kingdom; BGH GRUR 2019, 165 Rdnr. 18 – keine-vorwerk-vertretung).
77
aaa) Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Marken stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und – ohne dass dies erforderlich wäre – das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (EuGH GRUR Int. 2011, 500 Rdnr. 56 – TiMi KINDERJOGHURT/KINDER; GRUR 2009, 56 Rdnr. 41 f. – Intel/CPM; BGH GRUR 2020, 401 Rdnr. 29 – ÖKO-TEST I; GRUR 2015, 1214 Rdnr. 34 – Goldbären).
78
bbb) Schon wegen der gänzlich fehlenden Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit wird der angesprochene Verkehr die jüngere Marke nicht mit der für alkoholische und entalkoholisierte Schaumweine bekannten Widerspruchsmarke assoziieren.
79
ccc) Gegen eine solche gedankliche Verknüpfung spricht weiter die geringe Markenähnlichkeit.
80
(1) Denn der übereinstimmende Wortbestandteil “Rotkäppchen” in der angegriffenen Marke ist in roten Majuskeln in moderner Schriftart ausgestaltet und wird durch das größere, darüber angeordnete Wort “radio” und das den rechten Bildrand bildende Grafikelement in Form eines stilisierten Wolfs mit weit aufgerissenem Maul ergänzt und eingerahmt. Eine bildliche Ähnlichkeit scheidet daher aus.
81
(2) Aber auch klanglich ist nicht davon auszugehen, dass das im Vergleich zum Wortbestandteil “ROTKÄPPCHEN” größer dargestellte Wortelement “radio” vom Verkehr bei der Benennung der jüngeren Marke vernachlässigt wird. Denn für die meisten Waren und Dienstleistungen enthält es keine Sachaussage. Aber selbst bei Dienstleistungen eines Radiosenders entspricht es nicht den Kennzeichnungsgewohnheiten, das Wort “Radio” wegzulassen. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass Namen von Radiosendern fast immer aus dem Wort “Radio” bestehen, dem geografische Hinweise (Bayern, Bremen, Westdeutscher etc.), das Genre beschreibende Zusätze (Klassik, Aktuell) und/oder kennzeichnungskräftige Angaben hinzugefügt werden, wie nachfolgende Beispielsfälle zeigen:
82
– rbb INFOradio: ;
83
– radioeinsrbb: ;
84
– radio B2 Deutschlands Schlager-Radio (privat): ;
85
– radio horeb (privat): ;
86
– RADIO SCHLAGER PARADIES (privat): ;
87
– RADIO TEDDY – Macht Spaß! Macht schlau! (privat): ;
88
– RADIO 7 (privat): ;
89
– Radio Ton (privat): ;
90
– RADIO GALAXY – nur die beste neue musik: ;
91
– radio fantasy: ;
92
– Radio F 94,5: ;
93
– RADIO Alpenwelle: .
94
Deshalb hat er keinen Anlass, die jüngere Marke bei der Benennung auf den Begriff “Radio” zu verkürzen. Er wird vielmehr das zweite Wort “ROTKÄPPCHEN” benötigen, um den Radiosender zu konkretisieren. Vorliegend kann das Wortelement “ROTKÄPPCHEN” das Genre des Radiosenders angeben, nämlich eine Spezialisierung auf (Kinder-)Märchen. Abgesehen davon, dass es unerheblich ist, welche tatsächliche Verwendung die Markeninhaberin beabsichtigt, weil Vermarktungsstrategien und Werbekonzeptionen jederzeit geändert werden können (BGH GRUR 2009, 411 Rdnr. 12 – STREETBALL; BPatG 30 W (pat) 564/17 – SinusTracker), würde der von der Widersprechenden vorgetragene Umstand, dass es sich nicht um einen Kindersender, sondern um einen Musiksender für das erwachsene Publikum handelt, nichts daran ändern, dass der Verkehr den vorangestellten Begriff “radio” immer mitbenennen würde. Im Gegensatz zur dreiteiligen Bezeichnung des Radiosenders “Antenne Bayern Weihnachtstrucker” (BPatG 27 W (pat) 65/13), bei der eine Verkürzung auf das als Zweitkennzeichen erkennbare Element “Weihnachtstrucker” angenommen wurde, wird “ROTKÄPPCHEN” nicht als Zweitkennzeichen wahrgenommen, weil sich “radio” in Alleinstellung nicht als Erstkennzeichen eignet.
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(3) Da sich die Bezeichnung eines Radiosenders und eine bekannte Märchenfigur gegenüberstehen, ist auch die begriffliche Ähnlichkeit sehr gering.
96
cc) Es erfolgt aber auch kein Imagetransfer. Wegen der erheblichen Branchendivergenz denken die Verbraucher bei der Kombination “radio ROTKÄPPCHEN” an einen Radiosender, nicht aber an das für Schaumwein bekannte Produktkennzeichen. Für sie gibt es auch keine Anhaltspunkte anzunehmen, die bekannte Sektkellerei betreibe nun auch noch einen eigenen Radiosender unter Verwendung einer völlig fremden, von der bekannten Gestaltung massiv abweichenden Grafik. Die Widerspruchsmarke ist zudem der Titel bzw. Titelschlagwort eines weltberühmten Märchens und hat damit eine eigenständige Bedeutung, die ohne Zusammenhang mit Schaumweinprodukten keinen Gedanken an die ältere Marke nahelegt.
97
II. Widerspruch aus der älteren Wortmarke “ROTKÄPPCHEN” (30 2013 068 983)
98
1. Ausgehend von der Registerlage sind die Vergleichswaren und –dienstleistungen der Klassen 16, 25, 35, 39 und 41 teilweise identisch, teilweise weit überdurchschnittlich und teilweise überdurchschnittlich ähnlich, während zu den für die jüngere Marke eingetragenen Waren “Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe; Einweg-Papierartikel” der Klasse 16 und den angegriffenen Produkten der Klassen 9, 28, 30, 38 und 42 Unähnlichkeit besteht.
99
a) Die für die jüngere Marke registrierten Waren der Klasse 16 “Papier, Pappe [Karton]; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel [ausgenommen Möbel]” sind im Verzeichnis der Widerspruchsmarke in Klasse 16 identisch enthalten. “Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Kunststoff” werden vom Oberbegriff der Widerspruchswaren “Verpackungsmaterial aus Kunststoff” identisch umfasst. Dies gilt auch für die angegriffenen Waren “Aufkleber [Sticker]; Booklets, Eintrittskarten, Flyer, Kalender, Karten, Kataloge, Plakate, Prospekte, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher”, bei denen es sich um Druckereierzeugnisse handelt. “Bleistifte und Kugelschreiber, Schreibgeräte” sind Büroartikel, so dass auch insoweit Identität vorliegt. “Merchandising-Artikel aus den vorgenannten Waren; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten” sind genauso einzustufen, weil sie von den entsprechenden Oberbegriffen der Widerspruchsmarke umfasst sind. Wegen des gleichen Verwendungszwecks besteht überdurchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den angegriffenen Produkten “Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe” und den Widerspruchswaren “Verpackungsmaterial aus Kunststoff”. Die speziellen Warenkategorien “Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe; Einweg-Papierartikel” weisen keine Ähnlichkeit zu den Widerspruchsprodukten auf.
100
b) Identität liegt bei den Vergleichswaren in Klasse 25 vor, weil die angegriffenen Waren “Merchandising-Artikel und Werbegeschenke in Form von Bekleidungsstücken, insbesondere Shirts, Kopfbedeckungen, Cappys; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten” von den für die ältere Marke geschützten Oberbegriffen “Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen” umfasst sind.
101
c) Die angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35 “Werbung, insbesondere Rundfunk- und Fernseh-Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Sammeln von Informationen in Computerdatenbanken; Verkaufsförderung für Dritte; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verteilung von Werbematerial [Flugblättern, Prospekten, Drucksache, Warenproben]; Werbung durch Werbeschriften; Verfassen von Werbetexten; Werbung mit Marken und Hörmarken; Zusammenstellung von Daten in Computerbanken; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten” werden von den Widerspruchsdienstleistungen “Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten” umfasst, so dass insoweit Dienstleistungsidentität gegeben ist. Die für die jüngere Marke registrierten Dienste “Unternehmensberatung; Sponsorensuche; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten” weisen eine weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit zu den vorgenannten Widerspruchsdienstleistungen auf, weil sie regelmäßig im Zusammenhang mit ihnen erbracht werden und denselben Zweck verfolgen.
102
d) Von Identität der gegenüberstehenden Dienstleistungen in Klasse 39 ist auszugehen, weil sämtliche von der jüngeren Marke beanspruchten Dienste “Verkehrsinformationsdienstleistungen; Auskünfte in Bezug auf die Verkehrssituation, auf Verkehrsstaus sowie auf Straßen- und Verkehrsbedingungen; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen im Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten” unter den weiten, für die ältere Marke geschützten Oberbegriff “Transportwesen” fallen.
103
e) Dies gilt auch für sämtliche angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 41. Die angegriffenen Dienste “Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten” sind identisch im Verzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Alle anderen für die jüngere Marke in dieser Klasse geschützten Dienstleistungen fallen unter die Oberbegriffe “Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten” der Widerspruchsmarke, so dass auch insoweit Identität gegeben ist.
104
f) Bei den angegriffenen Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 28, 30, 38 und 42 liegt Unähnlichkeit vor. Produkte und Dienstleistungen dieser Klassen sind im Verzeichnis der Widerspruchsmarke zu 2.) nicht enthalten. Zu den Widerspruchswaren der Klassen 4, 8, 14, 16, 18, 20, 21, 24, 25, 29, 31, 34, 35, 39, 41 und 42 weisen sie keine hinreichenden Berührungspunkte auf.
105
2. Die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Vergleichswaren und -dienstleistungen der Klassen 16, 25, 39 und 41 richten sich an den Papier- und Schreibwarenfachhandel, den Fachverkehr der Bekleidungsbranche, gewerbliche Kunden sowie an breite Endverbraucherkreise, wobei insoweit auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee), während von den Dienstleistungen der Klasse 35 ausschließlich ein unternehmerisch tätiges Publikum angesprochen wird. Niedrigpreisigen Papier-, Schreib- und Textilwaren begegnen die inländischen Verkehrskreise regelmäßig eher mit geringer Aufmerksamkeit (BPatG 26 W (pat) 52/16 – MUT/MUTTI; 26 W (pat) 92/13 – CARIBEA/CARIB), während hochpreisigen Produkten in diesem Bereich sowie Unterhaltungs-, Transport-, Werbe- und Geschäftsführungsdienstleistungen eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
106
3. Der Widerspruchsmarke “ROTKÄPPCHEN” kommt für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Vergleichswaren und -dienstleistungen der Klassen 35 und 39 eine normale und in Bezug auf die Klassen 16, 25 und 41 eine geringe Kennzeichnungskraft zu.
107
a) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchstabe a]; BGH a. a. O. Rdnr. 41 – INJEKT/INJEX). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 29 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX).
108
b) “ROTKÄPPCHEN” ist ein europäisches Märchen sowie Titelgestalt bzw. Titelfigur eines der im deutschsprachigen Raum bekanntesten Märchen der Brüder Grimm, das in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm als “Rothkäppchen” an Stelle 26 des ersten Bandes steht, der 1812 erschienen ist. Das Märchen geht durch mündliche Weitergabe über Jeannette und Amalie Hassenpflug auf ältere französische Quellen zurück (https://de.wikipedia.org/wiki/Rotkäppchen).
109
aa) Das Markenwort “ROTKÄPPCHEN” kommt bei den im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Widerspruchswaren der Klasse 16 “Druckereierzeugnisse; Fotografien, der Klasse 25 “Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen” sowie den Dienstleistungen der Klasse 41 “Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten” daher als Themen-, Inhalts- oder Motivangabe in Betracht, so dass ihm insoweit nur geringe Kennzeichnungskraft zukommt.
110
bb) Für alle anderen im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Widerspruchswaren und -dienstleistungen weist die ältere Marke keine beschreibenden Anklänge auf, so dass die originäre Kennzeichnungskraft durchschnittlich ist.
111
c) Eine Schwächung der originären Kennzeichnungskraft kann nicht festgestellt werden.
112
aa) Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erwähnten 102 Treffer im Markenregister des DPMA mit dem Bestandteil “Rotkäppchen” (Anlage A3 zum Schriftsatz vom 16. Dezember 2015) reichen dafür nicht aus. Der Umstand, dass für gleiche oder benachbarte Warengebiete ähnliche Marken eingetragen worden sind, lässt vorliegend keinen Rückschluss auf eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke zu. Denn es sind nur 44 Marken mit dem (Wort-)Bestandteil “Rotkäppchen” eingetragen. Hinzu kommt, dass zahlreiche Marken einen zusätzlichen Wortbestandteil oder weitere Bildelemente aufweisen, so dass sie nicht vergleichbar sind. Ferner ist nicht ersichtlich, dass sie sich in einem vergleichbaren Warensegment bewegen.
113
bb) Hinzu kommt, dass eine Schwächung, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, voraussetzt, dass die Benutzung der Drittkennzeichen liquide, also unstreitig oder amtsbekannt, oder von der Inhaberin der angegriffenen Marke glaubhaft gemacht ist (BGH GRUR 2012, 930 Rdnr. 40 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2004, 433, 434 – OMEGA/OMEGA LIFE; GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet). Zur Benutzungslage der Drittmarken hat die Beschwerdegegnerin aber nichts vorgetragen.
114
d) Die gerichtsbekannte, gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für alkoholische und alkoholfreie Schaumweine (vgl. BPatG 29 W (pat) 9/15 – Grünkäppchen/Rotkäppchen; 26 W (pat) 553/10 – Märchenwein/Rotkäppchen) kann nur auf eng verwandte Produkte ausstrahlen, zu denen die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Widerspruchswaren und -dienstleistungen der Klassen 16, 25, 35, 39 und 41 nicht gehören.
115
4. Selbst bei identischen Vergleichswaren und -dienstleistungen, normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke und geringem Aufmerksamkeitsgrad wird der gebotene deutliche Abstand wegen geringer Markenähnlichkeit eingehalten.
116
a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH a. a. O. Rdnr. 58 – INJEKT/INJEX), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rdnr. 60 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 37 – BioGourmet). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rdnr. 35 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX).
117
b) In der Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken und “ROTKÄPPCHEN” sehr deutlich durch die auffällige grafische Ausgestaltung der jüngeren Wort-/Bildmarke und den Wortbestandteil “radio”, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden.
118
c) Eine Prägung der angegriffenen Marke durch das Element und damit eine Ähnlichkeit in (schrift-)bildlicher Hinsicht scheidet aus.
119
Die rote Farbe des in Majuskeln ausgeführten Bestandteils mag zwar zu einer deutlichen Abgrenzung zu den anderen, in schwarzer Farbe ausgeführten Markenbestandteilen führen. Allerdings wird dieser Unterschied dadurch aufgehoben, dass um alle Wortbestandteile ein Rahmen gezogen ist, der dem angesprochenen Verkehr eine Zusammengehörigkeit vermittelt, zumal der Wortbestandteil “radio” über dem Wortelement “ROTKÄPPCHEN” angeordnet und in einer doppelt so großen Schriftart ausgeführt ist. Auch wenn das den rechten Bildrand bildende Grafikelement in Form eines stilisierten Wolfs mit weit aufgerissenem Maul den Sinngehalt des Bestandteils bildlich unterstreicht, kann von dessen blickfangmäßigen Herausstellung in der angegriffenen Marke und damit von einem Vernachlässigen des vorangestellten und größeren Wortbestandteils “radio” in bildlicher Hinsicht nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu BPatG 25 W (pat) 78/05 – /ELCH).
120
d) Aber auch in klanglicher Hinsicht ist die Markenähnlichkeit unterdurchschnittlich.
121
aa) Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 30 – OTTO CAP).
122
bb) Es ist daher davon auszugehen, dass der Verkehr die angegriffene Marke mit “radio Rotkäppchen” benennt, weil ihr phonetischer Gesamteindruck nicht durch das Wortelement “ROTKÄPPCHEN” geprägt wird.
123
aaa) Gegen eine Prägung spricht schon die bereits erörterte (schrift-)bildliche Verklammerung sowie die Anordnung und die im Verhältnis zu “ROTKÄPPCHEN” doppelte Schriftgröße des Wortbestandteils “radio”, die letzteren optisch nicht in den Hintergrund treten lassen.
124
bbb) Die beiden Wortelemente der angegriffenen Marke sind zudem bei den Druckereierzeugnissen der Klasse 16 und den Unterhaltungsdienstleistungen der Klasse 41 gleichermaßen kennzeichnungsschwach, was einer Prägung des Gesamteindrucks durch eines der beiden Elemente ebenfalls entgegensteht (vgl. BPatG 30 W (pat) 7/18 – Endo Aktiv/ENDO-Klinik).
125
ccc) Bei den anderen im Identitäts-und Ähnlichkeitsbereich liegenden Vergleichswaren und -dienstleistungen der Klassen 25, 35 und 39 fehlt es an einem beschreibenden Charakter der beiden Wortelemente. Aber selbst wenn sie als Hinweis auf einen Radiosender wahrgenommen werden, wird das Wortelement “radio” nicht vernachlässigt, weil der Verkehr, wie bereits erörtert, daran gewöhnt ist, dass Namen von Radiosendern fast immer aus dem Wort “Radio” bestehen, dem geografische Hinweise (Bayern, Bremen, Westdeutscher etc.), das Genre beschreibende Zusätze (Klassik, Aktuell) und/oder kennzeichnungskräftige Angaben hinzugefügt werden.
126
ddd) Hinzu kommt, dass die Wortbestandteile aufeinander bezogen und zu einer sinngebenden Begriffseinheit verbunden sind, nämlich zur Bezeichnung eines Radiosenders.
127
cc) Phonetisch stehen sich daher die Markenwörter “radio Rotkäppchen” und “Rotkäppchen” gegenüber. Sie unterscheiden sich klanglich in der Silbenzahl, der Vokalfolge sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus sehr deutlich. Den sechs Silben der angegriffenen Marke steht die nur dreisilbige Widerspruchsmarke gegenüber. Auch der stärker beachtete Wortanfang mit dem Wort “radio” bewirkt eine deutliche klangliche Abweichung.
128
dd) Sollte der Verkehr auch das deutlich herausgestellte Bildelement mitbenennen, was nicht völlig ausgeschlossen werden kann, nämlich “radio ROTKÄPPCHEN und der böse Wolf” ist eine klangliche Ähnlichkeit vollständig ausgeschlossen.
129
e) Auch begrifflich sind die Vergleichsmarken gut auseinanderzuhalten, weil sich Markenwörter mit unterschiedlichem Sinngehalt gegenüberstehen.
130
f) Aus den vorgenannten Gründen ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in jeder Hinsicht ausgeschlossen.
131
5. Auch eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung ist zu verneinen.
132
a) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Eine solche Verwechslungsgefahr kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (BGH GRUR 2013, 1239 Rdnr. 45 – Volkswagen/Volks.Inspektion; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 69 – Culinaria/Villa Culinaria). So ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 30 – THOMSON LIFE; BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2014 – I ZR 37/14, Rdnr. 11; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2012, 930 Rdnr. 45 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2014, 1101 Rdnr. 54 – Gelbe Wörterbücher).
133
b) Zwar hat die jüngere Marke die Widerspruchsmarke “ROTKÄPPCHEN” vollständig aufgenommen, aber die Kombination mit dem Wortelement “radio” zur Bezeichnung eines Radiosenders sowie die grafische Verklammerung im Zusammenhang mit den relevanten Waren und Dienstleistungen, die keinerlei Bezug zu Schaumwein haben, bewirken, dass der Verkehr eine geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehung zur Widersprechenden nicht vermutet.
134
c) Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne wird auch angenommen, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen des Inhabers der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 31 – THOMSON LIFE; GRUR 2010, 933 Rdnr. 34 – Barbara Becker; BGH GRUR 2010, 646 Rdnr. 15 – OFFROAD; BGH GRUR 2006, 859 – Malteserkreuz).
135
d) Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil “radio” kein Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen der Inhaberin der jüngeren Marke ist.
136
e) Zwar kann eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der in das jüngere Gesamtzeichen übernommenen älteren Marke ebenfalls eine selbständig kennzeichnende Stellung bewirken.
137
aa) Weist ein Zeichen Ähnlichkeiten mit einer bekannten Marke auf, wird das angesprochene Publikum wegen der Annäherung an die bekannte Marke häufig annehmen, zwischen den Unternehmen, die die Zeichen nutzten, lägen wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen vor (BGH a. a. O. Rdnr. 47 – Volkswagen/Volks.Inspektion; WRP 2009, 616, 624 f. – METROBUS; GRUR 2003, 880, 881 – City Plus).
138
bb) Aber die Widerspruchsmarke verfügt für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen entweder nur über eine geringe oder nur über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, so dass der Verkehr nicht auf geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Unternehmen der Widersprechenden und der Inhaberin der angegriffenen Marke schließt.
139
6. Der Löschungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a. F. liegt ebenfalls nicht vor.
140
a) Bekanntheitsschutz gilt nicht nur bei Unähnlichkeit der Vergleichswaren und -dienstleistungen, sondern in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG auch im Bereich identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 37 – WUNDERBAUM II; GRUR 2015, 1114 Rdnr. 14 – Springender Pudel). Denn die Widersprechende ist in diesen Fällen noch schutzbedürftiger als in den vom Wortlaut der Vorschrift erfassten Fällen der Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH a. a. O. – WUNDERBAUM II; a. a. O. – Springender Pudel).
141
b) Die ältere Wortmarke “ROTKÄPPCHEN” ist jedoch nur für alkoholische und entalkoholisierte Schaumweine eine bekannte Marke, nicht aber für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen, so dass ein Sonderschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG a. F. schon an der Voraussetzung der Bekanntheit scheitert.
142
c) Zudem würde es wegen zu geringer Markenähnlichkeit an der erforderlichen gedanklichen Verknüpfung fehlen. Denn der übereinstimmende Wortbestandteil “Rotkäppchen” in der angegriffenen Marke ist mit dem übergeordneten Wortelement “radio” aufgrund des umschließenden Rahmens bildlich eng verklammert. Auch klanglich ist nicht davon auszugehen, dass das im Vergleich zum Wortbestandteil “ROTKÄPPCHEN” doppelt so groß dargestellte Wortelement “radio” vom Verkehr bei der Benennung der jüngeren Marke vernachlässigt wird, weil es für die meisten Waren und Dienstleistungen keine Sachaussage enthält und selbst bei Dienstleistungen eines Radiosenders aufgrund der Kennzeichnungsgewohnheiten in diesem Bereich nicht weggelassen wird. Es fehlt außerdem an einem Imagetransfer. Im Zusammenhang mit den im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 35, 39 und 41 denken die Verbraucher bei der Kombination “radio ROTKÄPPCHEN” nicht an das für Schaumwein bekannte Produktkennzeichen. Als Titel eines weltberühmten Märchens hat das Markenwort der Widersprechenden zudem eine eigenständige Bedeutung, die ohne Zusammenhang mit Schaumweinprodukten keinen Gedanken an die ältere Marke nahelegt.
143
7. Die von der Widersprechenden angeführten Entscheidungen des BPatG und des Gerichts der Europäischen Union rechtfertigen keine andere Entscheidung.
144
a) Die Fallgestaltung im Beschluss des BPatG zu “ART KOSMOS/KOSMOS” (29 W (pat) 75/13) ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Dort verfügte die Widerspruchsmarke für die relevanten – im Identitätsbereich liegenden – Waren über eine erhöhte Kennzeichnungskraft, während vorliegend nur eine geringe oder normale Kennzeichnungskraft der älteren Marke gegeben ist. Als eine übliche Bezeichnung eines Radiosenders liegt eine engere Verbindung zwischen den Wortelementen “radio” und “ROTKÄPPCHEN” vor als bei “ART” und “KOSMOS”, bei denen jede Gesamtbegrifflichkeit fehlte. Außerdem führt vorliegend die grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke deutlich von einer Assoziation mit der Widerspruchsmarke weg.
145
b) Auch die von der Widersprechenden genannte Entscheidung, in der der BGH eine Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke “D2-BestCityPlus” durch die Wortmarke “City Plus” aufgrund deren unterstellter gesteigerten Kennzeichnungskraft und damit eine Verwechslungsgefahr angenommen hat (GRUR 2003, 880 – City Plus), weicht von der vorliegenden Fallgestaltung ab, weil es an einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 2.) für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen fehlt.
146
c) Was die von der Beschwerdeführerin angeführten, aufgrund der Unionsmarkenverordnung ergangenen Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union betrifft, sind sie für nationale Verfahren unverbindlich (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. – Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH a. a. O. Rdnr. 30 – HOT; GRUR 2009, 778 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben). Das Recht der Unionsmarke ist ein autonomes, unionsrechtliches System, das vom nationalen Recht unabhängig ist.
III.
147
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.