Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 38/18

80331,80333,80335,80336,80337,80339,80469,80538,80539,80634,80636,80637,80638,80639,80686,80687,80689,80796,80797,80798,80799,80801,80802,80803,80804,80805,80807,80809,80933,80933,80935,80937,80939,80992,80993,80995,80997,80999,81241,81243,81245,81247,81249,81369,81371,81373,81375,81377,81379,81475,81476,81477,81479,81539,81541,81543,81545,81547,81549,81667,81669,81671,81673,81675,81677,81679,81735,81737,81739,81825,81827,81829,81925,81927,81929,85540,92275,,,,

Aktenzeichen  29 W (pat) 38/18

Datum:
10.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BPatG
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:100221B29Wpat38.18.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 074 459.6
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Februar 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
2
Multiwear
3
ist am 21. Dezember 2010 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 9: Arbeitsschutzbekleidung; Schutzbrillen, Schutzmasken, Gehörschutz, nämlich Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz [Gehörschutz in Kopfhörerform];
5
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
6
Klasse 35: Waren- und Dienstleistungspräsentation; Zusammenstellung von Waren, nämlich von dem Arbeitsschutz dienende Waren, insbesondere Schutzbekleidung, Schutzschuhwaren sowie Waren im Zusammenhang mit Augen-, Haut- und Gehörschutz und von Büroartikeln für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Merchandising [Verkaufsförderung]; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte, auch im Rahmen von e-commerce; Groß- und Einzelhandels-dienstleistungen im Zusammenhang mit Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz dienende Waren, insbesondere Schutzbekleidung, Schutzschuhwaren sowie Waren im Zusammenhang mit Augen-, Haut- und Gehörschutz stehende Waren; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit Sanitärprodukten, Fußmattenreinigungsgeräten und -mitteln, Hygieneartikeln, Verbandsmaterial, Bürobedarf;
7
Klasse 37: Wiederaufbereiten in Form von Waschen, Pflegen, Glätten, Instandhalten und/oder Sterilisieren von Textilwaren; Vermietung von Textilwaren (ausgenommen Bekleidungsstücke) für Putz- und Reinigungszwecke, soweit in Klasse 37 enthalten, insbesondere von Putztüchern, Maschinenputztüchern;
8
Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Bringen und Holen von Textilwaren;
9
Klasse 45: Vermietung von Bekleidungsstücken.
10
Mit Beschlüssen vom 16. Dezember 2015 und vom 4. September 2018, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1, 5 MarkenG teilweise, nämlich mit Ausnahme der oben fett gedruckten Dienstleistungen zurückgewiesen.
11
Zur Begründung ist ausgeführt, dem angemeldeten Wortzeichen fehle im Umfang der Zurückweisung jegliche Unterscheidungskraft, da es einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweise. Bei dem angemeldeten Zeichen handele es sich um einen aus dem Bestimmungswort “Multi” und dem Grundwort “wear” sprachüblich zusammengesetzten Begriff. “Wear” stehe für “Kleidung, Bekleidung” und als Verb für (Kleidungsstücke) “anhaben, tragen, anziehen” bzw. (Dinge) “gebrauchen” oder “benutzen”. Dabei beziehe sich “wear” nicht nur auf Kleidungsstücke, sondern z. B. auch auf Brillen und andere (am Körper tragbare, bekleidungsnahe bzw. –ähnliche) Gegenstände. Das in einer Vielzahl von Warensektoren gebräuchliche Bestimmungswort “Multi” bedeute “viel, vielfältig, mehrfach” und konkretisiere das Anmeldezeichen um die weitere sachbezogene Aussage, dass es sich um entsprechend vielfältig, also im vielerlei Hinsicht multifunktional nutzbare Stücke handele. Das angesprochene Publikum, hier die allgemeinen Verkehrskreise, aber auch das unternehmerische Publikum, verstünden die Bedeutung der Wortzusammensetzung ohne weiteres. In Bezug auf die in Klasse 25 beanspruchten Waren sei “Multiwear” ein werbender Sachhinweis auf eine vielseitige und multifunktionale Verwendung der so gekennzeichneten Waren. Nicht nur Bekleidungsstücke im engeren Sinne, sondern auch Schuhe und Kopfbedeckungen würden von dem Begriff “wear” umfasst und somit in der aufgezeigten Weise beschrieben. Auch “Arbeitsschutzbekleidung” und andere Arbeitsschutzutensilien, wie z. B. Schutzbrillen und Gehörschutz, würden “getragen” und daher durch “Multiwear” im Sinne einer vielfältigen multifunktionalen Tragbarkeit beschrieben. Auch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35, 37 und 45 enthalte “Multiwear” eine beschreibende Sachangabe dahingehend, dass sie sich auf vielfach verwendbare Kleidungsstücke und entsprechende Accessoires bezögen. Der angemeldete Begriff sei weder mehrdeutig noch sei zum Verständnis ein erheblicher Interpretationsaufwand erforderlich. Eine gewisse begriffliche Unschärfe stünde der Beurteilung des Zeichens als nicht unterscheidungskräftig nicht im Wege.
12
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
13
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Dezember 2015 und vom 4. September 2018 aufzuheben.
14
Zur Begründung trägt sie vor, bei dem angemeldeten Zeichen handele es sich um keine Sachangabe. Die Bezeichnung “Multiwear” sei aus dem einer nicht lebendigen Sprache entstammenden Wort “Multi” und dem englischen Wort “wear” zusammengesetzt. Beide Bestandteile verfügten schon für sich genommen über unterschiedlichste Bedeutungen. Vor diesem Hintergrund könne das Zeichen “Multiwear” gar keine klare unmissverständliche Aussage, keinen sich auf den ersten Blick erschließenden Begriffsgehalt besitzen. Um zu einer beschreibenden Aussage in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu gelangen, müsse man, wie die Ausführungen der Markenstelle zeigten, eine analytische Interpretation vornehmen, die sich verbiete. Da es sich nicht um eine beschreibende Angabe handele, gebe es auch keinen sachlichen Grund, warum Wettbewerber gerade diese “Phantasiebezeichnung” benötigen sollten.
15
Nachdem die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 ihren (Hilfs- )Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, wurde der für den 14. Oktober 2020 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
16
Zur Ergänzung wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
17
A. Da der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen worden ist, und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).
18
B. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.
19
1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.
20
2. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens “Multiwear” als Marke steht hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher insoweit zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 und 5 MarkenG).
21
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas?, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch).
22
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 –grill meister).
23
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rn. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr– etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!).
24
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen nicht, da die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich sowohl um das unternehmerisch tätige Fachpublikum aus der Bekleidungsbranche als auch um den fachlich interessierten Endverbraucher handelt, in diesem Wortzeichen wegen der darin enthaltenen Sachaussage keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen werden.
25
a) Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Elementen “Multi” und “wear” zusammen.
26
Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 – BioID).
27
Das in der deutschen Sprache gebräuchliche, aus dem lateinischen stammende Präfix “Multi” bedeutet in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben “viel, vielfach, Vielfach…, mehrerer…, mehrfach, viel…/Viel…” (www.duden.de; BPatG, Beschluss vom 26.05.2011, 29 W (pat) 35/11 – Volks-Multispray; Beschluss vom 15.11.2006, 32 W (pat) 98/05 – MULTI MIX; Beschluss vom 12.04.2006, 28 W (pat) 22/05 – MultiTech; Beschluss vom 26.02.2003, 29 W (pat) 32/01 – MultiMessage). Im Zusammenhang mit Adjektiven wird es beispielsweise in den Worten “multimedial”, “multikulturell” oder “multidisziplinär” benutzt, bei Substantiven beispielsweise in den Worten “Multitalent”, “Multimillionär” oder “Multiinstrumentalist”.
28
Das englische Substantiv “wear” bedeutet u.a. “Kleidung, Bekleidung, das Tragen”, “die Abnutzung, der Verschleiß” (https://dict.leo.org/german-english/wear). Das Verb “(to) wear” bedeutet “(etwas, z. B. Kleidung) tragen, anhaben, aufhaben, abtragen, abnutzen” (https://dict.leo.org/german-english/wear).
29
Beide Begriffe sind für sich genommen beschreibend und dieser beschreibende Charakter geht durch die konkrete Zusammenfügung der Bestandteile nicht verloren, sondern führt auch in der Gesamtheit zu einer Sachangabe (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, 231 – BioID; GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD).
30
“Multi-” wird als Wortbildungselement mit dem Sachbegriff “wear” als Basiswort kombiniert, welcher dasjenige bezeichnet, was mehrfach/ vielfach vorhanden oder benutzbar ist oder viele/mehrere Eigenschaften haben kann (vgl. BPatG a. a. O. – MultiStar). Der Gesamtbegriff “Multiwear” erhält somit die Bedeutung “Mehrfach-, Vielfach-Kleidung” bzw. “Mehrfach-, Vielfach-Tragen”. Er handelt sich um eine sprachüblich zusammengesetzte Wortkombination, die sich in vergleichbar gebildete Zusammensetzungen wie Multifunktion, multipack, multiresistent (https://www.wort-suchen.de/woerterbuch/woerter-mit-multi-am-anfang), Multiform, Multimode, multitasking (https://www.buchstaben.com/Multi-am-anfang) ohne weiteres einreiht. Die Bedeutung “Mehrfach-, Vielfach-Kleidung” bzw. “Mehrfach-, Vielfach-Tragen” erschließt sich den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne weitere analytische Interpretation.
31
Eine schutzbegründende Zweisprachenkombination liegt entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht vor. Denn auch im Englischen ist das Präfix “Multi” in der Bedeutung “mehrfach” gebräuchlich (vgl. https://dict.leo.org/englisch-deutsch/multi; EuG, Urteil vom 30.12.2018, T-98/18 – MULTIFIT; EUIPO, Entscheidung vom 23.05.2007, R 1526/06-1 – MULTITOOLS, Entscheidung vom 12.04.2007, R1260/05-4 – Multiparking), so dass die angesprochenen Verkehrskreise “Multi” als der englischen Sprache zugehörig identifizieren werden. Zudem ist das Publikum an Sprachmischungen in der Werbesprache gewöhnt (vgl. BPatG, Beschluss vom 24.12.2018, 25 W pat) 530/18 – greenoffice meine grüne Versandapotheke; Beschluss vom 27.05.2003, 29 W (pat) 176/02 – rheuma-world).
32
Ausgehend hiervon werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge “Multiwear” als Ganzes ohne weiteres als schlagwortartigen Sachhinweis dahingehend verstehen, dass es sich um vielseitig verwendbare (Textil- und Schutz-Bekleidungs-) Waren handelt bzw. um Dienstleistungen, die eine vielseitige Verwendung dieser Waren ermöglichen.
33
b) Dies gilt in Bezug auf sämtliche beschwerdegegenständliche Waren und Dienstleistungen.
34
aa) Wie die Markenstelle ausgeführt hat, spricht man auch im Zusammenhang mit den der Arbeitsschutzbekleidung zugehörigen Waren der Klasse 9 davon, dass diese wie auch Schutzkleidung und Sicherheitsschuhe selbst “getragen” werden. Die Bezeichnung “multiwear” bringt auch für Atem-, Augen-, Kopf- und Gehörschutzprodukte nur zum Ausdruck, dass sie vielseitig tragbar bzw. einsetzbar sind oder dass es eine vielfältige Auswahl gibt.
35
bb) Gleiches gilt für “Bekleidungen, Schuhwaren, Kopfbedeckungen” der Klasse 25. Wie die von der Markenstelle übersandten Recherchebelege zeigen, werden Kleidungsstücke, die aufgrund ihres Schnittes oder ihrer Form auf verschiedene Art und Weise getragen werden können, wie z. B. Schals, die auch als Kopfbedeckung dienen, oder Wickelkleider, die sich der Figur anpassen, mit dem Attribut “Multiwear” beworben und angeboten (z. B. Multi wear dress, Multi wear clothing, Multi wear Headwear, Multi -wear style etc.).
36
cc) Die in Klasse 35 beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen beziehen sich auf “dem Arbeitsschutz dienende Waren” bzw. auf “Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen”, die vielseitig getragen und eingesetzt werden können. In der Regel bezieht sich der beschreibende Begriffsinhalt für Waren auch auf die entsprechenden Einzel- und Großhandelsdienstleistungen bzw. sonstigen Vertriebsdienstleistungen der Klasse 35 (vgl. BPatG, Beschluss vom 27.05.2014, 29 W (pat) 41/12 – CAMOMILLA; Beschluss vom 18.01.2012, 29 W (pat) 525/10 – fashion.de; Beschluss vom 23.11.2011, 29 W (pat) 196/10 – Küchenzauber). Denn zwischen diesen Tätigkeiten und den Waren, mit denen Handel getrieben werden soll, besteht eine funktionelle Nähe. Das angemeldete Zeichen gibt damit einen Hinweis auf die Branche, in der die Dienstleistungen erbracht werden sowie einen werbenden Hinweis auf die Vielfalt bzw. vielfältige Verwendbarkeit der Waren, die Gegenstand der Handelsdienstleistungen sind.
37
dd) Schließlich ist “Multiwear” auch für die in Klasse 37 und Klasse 45 beanspruchten Dienstleistungen ein Sachhinweis, da sowohl die Wiederaufbereitung von Textilwaren als auch die Vermietung von Bekleidungsstücken dem Zweck dienen, diese mehrfach zu verwenden.
38
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt keine die Unterscheidungskraft begründende Mehrdeutigkeit vor. Der Umstand, dass den Wortteilen “Multi” und “wear” abstrakt gesehen verschiedene Bedeutungsgehalte zukommen können, stellt den beschreibenden Aussagegehalt nicht in Frage. Denn zum einen ist die Bedeutung von Zeichenbestandteilen nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu sehen. Insoweit konkretisiert sich die Bedeutung der Begriffe “Multi” und “wear” im hier betroffenen Produktbereich der Bekleidungsbranche auf “Mehrfach/vielfach Tragen” und beschreibt damit die Art und die Bestimmung bzw. den Gegenstand der hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Selbst wenn mehrere Bedeutungen möglich sind, ist es ausreichend, wenn die angesprochenen Verkehrskreise – wie hier – einer von diesen möglichen Bedeutungen einen beschreibenden Charakter beimessen (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 15
39
– DüsseldorfCongress; GRUR 2014, 569 Rn. 20, 24 – HOT).
40
d) Das Anmeldezeichen stellt nach alledem lediglich eine anpreisende Sachaussage für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen dar und ist somit nicht geeignet, als individualisierender betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen.
41
3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.

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