Aktenzeichen 30 W (pat) 550/18
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2012 020 826
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. August 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Akintche und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die am 19. März 2012 angemeldete Wortmarke
2
Damia
3
ist am 23. Mai 2012 unter der Nummer 30 2012 020 826 u.a. für die Waren und Dienstleistungen
4
“Klasse 03: Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
5
Klasse 05: Babykost; medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Wundpuder
6
Klasse 18: Taschen; Wickeltaschen; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
7
Klasse 20: Möbel; Hochstühle für Kinder; Wippen für Babys; Lauflernhilfen für Babys und Kleinkinder; Reisebetten für Kinder und Babys; Wiegen; Wickelauflagen; Wickelunterlagen; Wickeltische; Matratzen; Laufgitter für Kleinkinder
8
Klasse 30: feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Schokoriegel, Schokoladenprodukte; Süßwaren; Zuckerwaren, Bonbons, Sahnebonbons, Milchkakao, Milchschokolade (Getränk); Schokoladengetränke; Karamellgetränke
9
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05, 10, 12, 18, 20, 21, 25, 28, 29, 30 und 32″
10
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 22. Juni 2012.
11
Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Widersprechende zu 1. international unter der Nummer IR 894 064 registrierten Marke
12
deren internationale Registrierung für die Union am 25. Juli 2007 erfolgte und die Schutz für die Waren
13
“Klasse 30: Bonbons, sucre candi, guimauve, bonbons aux amandes, bonbons aux fruits secs, loukoums, halva (friandises à base d’huile de sésame), caramel, cacao, chocolat, miel”
14
beansprucht, wobei der Widerspruch auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klasse 30 und die zu Klasse 35 beanspruchten “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klasse 30” beschränkt ist,
15
sowie weiterhin aus insgesamt drei für die Widersprechende zu 2. registrierten Marken, nämlich aus der für Waren
16
“Babywindeln, Babywindeleinlagen und Babyslips, nämlich aus Papier und/ oder Textilstoffen”
17
seit dem 27. Juni 1985 eingetragenen Wortmarke 1 078 671
18
Mamia
19
sowie aus der für die Waren
20
“Klasse 03: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für Kinder;
21
Klasse 16: Windeln”
22
seit dem 4. Januar 2005 registrierten Unionsmarke 003 419 447
23
MAMIA
24
und aus der vormals u.a. für die Waren
25
“Klasse 09: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton;
26
Klasse 20: Möbel, Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Kunststoffen; Matten für Babylaufgitter”
27
und aktuell noch für die Waren
28
“Klasse 09: Babyüberwachungsgeräte;
29
Klasse 20: Kinderhochstühle, Wickelauflagen”
30
seit dem 2. Juli 2011 registrierten Unionsmarke 009 488 701
31
MAMIA
32
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit zwei Schriftsätzen vom 19. Dezember 2012 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke IR 894 064 sowie der Widerspruchsmarken 1 078 671 Mamia und UM 003 419 447 MAMIA und mit weiterem Schriftsatz vom 24. Juli 2016 auch die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke UM 009 488 701 MAMIA bestritten.
33
Die Widersprechende zu 1. hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke IR 894 064 u.a mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 eine eidesstattliche Versicherung des Vorstandsvorsitzenden der Markeninhaberin, Herrn T…, vom 25.01.2017 sowie Rechnungen und Abbildungen von Messeauftritten vorgelegt.
34
Die Widersprechende zu 2. hat zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken 1 078 671 Mamia und UM 003 419 447 MAMIA mit Schriftsatz vom 14. März 2013 eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers, Herrn D…, sowie Produktabbildungen und Rechnungen, und mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2017 eine eidesstattliche Versicherung des Herrn N… vom 28. November 2017 nebst Abbildungen von Werbeanzeigen, Verpackungsmustern und Rechnungen vorgelegt. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke UM 009 488 701 MAMIA hat die Widersprechende zu 2. mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2016 eidesstattliche Versicherungen der Frau I… vom 22. November 2016 und vom 28. November 2016 und des Herrn H… vom 22. November 2016 und vom 28. November 2016 sowie Abbildungen von Werbeanzeigen, Verpackungsmustern und Rechnungen vorgelegt.
35
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 5. Juni 2018 unter Zurückweisung der weitergehenden Widersprüche die angegriffene Marke teilweise gelöscht, und zwar
36
– aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR 894 064
37
für die Waren und Dienstleistungen
38
“Klasse 30: feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Schokoriegel, Schokoladenprodukte; Süßwaren; Zuckerwaren, Bonbons, Sahnebonbons, Milchkakao, Milchschokolade (Getränk); Schokoladengetränke; Karamellgetränke
39
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klasse 30″
40
– aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 078 671 Mamia
41
für die Waren und Dienstleistungen
42
“Klasse 03: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
43
Klasse 05: medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Wundpuder
44
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05″
45
– aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 003 419 447 MAMIA für
46
“Klasse 03: Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
47
Klasse 05: Babykost; medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Wundpuder
48
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05″
49
– aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 488 701 MAMIA
50
für
51
“Klasse 18: Taschen; Wickeltaschen
52
Klasse 20: Möbel; Hochstühle für Kinder; Wippen für Babys; Lauflernhilfen für Babys und Kleinkinder; Reisebetten für Kinder und Babys; Wiegen; Wickelauflagen; Wickelunterlagen; Wickeltische; Matratzen; Laufgitter für Kleinkinder
53
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 18, 20″
54
da insoweit eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den jeweiligen Widerspruchsmarken bestehe.
55
Zur Begründung hat die Markenstelle im Einzelnen ausgeführt:
56
Hinsichtlich der Widerspruchsmarke IR 894 064 habe die Widersprechende zu 1. auf die statthafte, jedoch nur in Bezug auf den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässige Einrede der Nichtbenutzung eine rechtserhaltende Benutzung für “gefüllte Fruchtkaubonbons, Karamellbonbons und mit Schokolade gefüllte Karamellbonbons” hinreichend glaubhaft gemacht. Diese ließen sich zwanglos unter die Warenangabe “Bonbons” der Widerspruchsmarke subsumieren. Nach den Grundsätzen der erweiterten Minimallösung sei eine Benutzung auch für diesen Warenoberbegriff anzuerkennen.
57
“Bonbons” seien mit den “Süßwaren; Zuckerwaren, Bonbons, Sahnebonbons” der angegriffenen Marke identisch.
58
Eine durchschnittliche bis hochgradige Ähnlichkeit liege in Bezug auf “Speiseeis” und “feine Backwaren und Konditorwaren” vor. Weiterhin seien “Bonbons” auch zu “Schokoriegel, Schokoladenprodukte” und “Milchkakao, Milchschokolade (Getränk); Schokoladengetränke; Karamellgetränke” ähnlich.
59
Eine Ähnlichkeit bestehe auch zu den “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klasse 30”, da es im Bereich der Süßwaren branchenüblich sei, dass Hersteller (z.B. HUSSEL, Viba) in größerem, die Verkehrsauffassung prägendem Umfang auch den Handel mit derartigen Waren betrieben.
60
Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei daher in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen ein deutlicher Abstand zwischen den Vergleichszeichen erforderlich, um eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden. Diesen halte die angegriffene Marke jedoch bereits in schriftbildlicher Hinsicht nicht ein. Denn beide Marken verfügten unter Berücksichtigung verkehrsüblicher Wiedergabeformen der angegriffenen Wortmarke, insbesondere bei einer Schreibweise in Großbuchstaben “DAMIA” über eine nahezu identische Umrisscharakteristik, da sie in vier von fünf Buchstaben sowie am Wortanfang und -ende übereinstimmten und zudem auch die abweichenden Buchstaben “L” und “I” im Schriftbild hochgradig ähnlich seien.
61
Unerheblich sei, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Wort-/Bildmarke handele. Denn bei der undeutlichen Umrahmung des Wortbestandteils der Widerspruchsmarke handele es sich um eine für den Schutzumfang völlig bedeutungslose Zutat, welche als eine aus einer Kopie herrührende Umrahmung, die gar nicht als Bestandteil der Marke gedacht sei, erscheine. Ein isolierter schriftbildlicher Vergleich des in üblicher Schriftart gefassten Wortbestandteils der Widerspruchsmarke mit der angegriffenen Marke sei daher gerechtfertigt.
62
Ob darüber hinaus die Marken einander auch in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht ähnlich seien, könne dahingestellt bleiben, da bereits die Übereinstimmung in einer Richtung ausreiche, um die Verwechslungsgefahr zu bejahen.
63
Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Wortmarke 1 078 671 Mamia sei zunächst von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen.
64
Eine Anlehnung an den Begriff “Mama” oder eine Verkürzung von “Mamma Mia” werde der Verkehr jedenfalls nicht unmittelbar und ohne gedankliche Analyse erkennen. Dies in Bezug auf “Mamma Mia” umso weniger, als dieser italienischsprachige Ausruf im Deutschen in einer anderen Bedeutung benutzt werde. Die vorgenannten Begriffe würden daher durch die Widerspruchsmarke Mamia in hinreichend verfremdender Art und Weise abgewandelt bzw. miteinander verschmolzen, so dass der Verkehr darin einen Phantasiebegriff erkenne.
65
Auf die in zulässiger Weise erhobene und sich auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG beziehende und insoweit auch zulässige Einrede der Nichtbenutzung habe die Widersprechende durch die vorgelegten Benutzungsunterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für “Einweg-Babywindeln” für beide Benutzungszeiträume hinreichend glaubhaft gemacht. Diese ließen sich zwanglos unter den Warenoberbegriff “Babywindeln” der Widerspruchsmarke subsumieren.
66
Diese seien mit den Waren “Babywindeln; Babyhosenwindeln” der angegriffenen Marke identisch und in Bezug auf “Wundpuder” wegen des überaus naheliegenden Ergänzungsverhältnisses ohne Weiteres ähnlich. Auch zu den Waren “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” sowie “medizinische Badezusätze und -salze” bestehe noch eine verwechslungsrelevante Ähnlichkeit aufgrund eines Ergänzungsverhältnisses etwa zur Vorbeugung oder Behandlung von gereizter oder wunder Haut bei Babys/Kindern, die Windeln tragen.
67
Eine Ähnlichkeit der “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03 und 05” sei ebenfalls zu bejahen, da Händler, insbesondere Drogeriemärkte, in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anböten.
68
In Bezug auf diese Waren/Dienstleistungen halte die angegriffene Marke den zur Vermeidung von unmittelbaren Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke Mamia in klanglicher Hinsicht nicht ein.
69
Die sich gegenüberstehenden Wortmarken Damia und Mamia seien klanglich durchschnittlich ähnlich. Die beiden Marken wiesen – abgesehen von den Anfangsbuchstaben – völlige Übereinstimmung in dem Lautbestand “amia” und damit eine identische Vokalfolge, Silbenzahl und einen einheitlichen Sprech- und Betonungsrhythmus auf. Unter den gegebenen Umständen könne der Unterschied in den klangschwachen Anfangsbuchstaben “D” gegenüber “M” nicht als ausreichend angesehen werden, um Verwechslungen im Bereich ähnlicher bis identischer Waren/Dienstleistungen in markenrechtlich erheblichem Umfang auszuschließen. “D” und “M” seien zwar unterschiedlichen Lautgruppen zuzuordnen, jedoch vermittelten beide kein markantes Klangbild, so dass der Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen verwechselbar ähnlich sei. Ob darüber hinaus die Marken einander auch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht ähnlich seien, könne dahingestellt bleiben, da bereits die Übereinstimmung in einer Richtung ausreiche, um die Verwechslungsgefahr zu bejahen.
70
Der Widerspruch aus der Unionsmarke 003 419 447 MAMIA sei gemäß § 125 b Nr. 1 i.V.m. §§ 42 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zulässig und in Bezug auf die o.g. Waren und Dienstleistungen begründet.
71
Auf die sich auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG beziehende und insoweit ebenfalls zulässige Einrede der Nichtbenutzung habe die Widersprechende durch die vorgelegten Benutzungsunterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für “Einweg-Babywindeln” und “Baby-Pflegetücher” hinreichend glaubhaft gemacht. Diese würden von den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Warenangaben “Windeln” und “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für Kinder” umfasst. Nach den Grundsätzen der erweiterten Minimallösung sei eine Benutzung der Widerspruchsmarke für “Babywindeln” und weiterhin für “Hautpflegemittel für Kinder” anzuerkennen.
72
Diese seien mit den “Babywindeln; Babyhosenwindeln” und “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” der angegriffenen Marke identisch.
73
Ohne Einfluss auf die Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden “Windeln” sei hier die Zuordnung der Windeln bei der Widerspruchsmarke zur Klasse 16. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Widerspruchsmarke umfasste die Klasse 16 “Babywindeln aus Papier oder Zellstoff”, die nunmehr unter die Warenangabe “Babywindeln” der angegriffenen Marke in Klasse 5 fielen.
74
Die Widerspruchswaren seien zudem ohne Weiteres ähnlich zu “medizinische Badezusätze und -salze”, da diese eine dermatologische Wirkung haben könnten und damit die “Hautpflegemittel für Kinder” ergänzen würden. Dies gelte auch für “Wundpuder” wegen des überaus naheliegenden Ergänzungsverhältnisses zu “Babywindeln”. Weiterhin bestehe zwischen “Hautpflegemittel für Kinder” und “Babykost; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke” eine mittlere bis enge Ähnlichkeit, da insoweit Überschneidungen im stofflichen Bereich und im Verwendungszweck möglich seien. Eine Pflege und Verbesserung der Haut mit Vitaminen, Probiotika, Ölen, Kieselsäure, Mineralien u.v.m. erfolge nicht nur direkt über die Haut, sondern auch durch Nahrungsergänzungsmittel, mit denen die angegriffenen Waren angereichert sein könnten. Letztlich seien auch “Parfümeriewaren, ätherische Öle, Haarwässer; Zahnputzmittel; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” noch ähnlich mit “Hautpflegemittel für Kinder”, da sie in diesen enthalten sein könnten. Eine Ähnlichkeit der “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03 und 05” sei ebenfalls zu bejahen, da Händler, insbesondere Drogeriemärkte, in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anböten.
75
Da auch die Widerspruchsmarke UM 003 419 447 MAMIA aus den zu der bis auf die Schreibweise identischen Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia genannten Gründen sowohl über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge und beide Marken jedenfalls in klanglicher Hinsicht zumindest durchschnittlich ähnlich seien, halte die angegriffene Marke den zur Vermeidung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Markenabstand zu der Widerspruchsmarke jedenfalls insoweit nicht ein, als sich beide Marken auf den o.g. identischen bzw. ähnlichen Waren begegnen können.
76
Auch der Widerspruch aus der Unionsmarke 009 488 701 MAMIA sei gemäß § 125 b Nr. 1 i.V.m. §§ 42 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG in Bezug auf die obengenannten Waren und Dienstleistungen teilweise begründet.
77
Insoweit habe die Widersprechende zunächst auf die sich zwar auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG beziehende, jedoch nur in Bezug auf den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevante Einrede der Nichtbenutzung eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für “baby monitors” (= Babyüberwachungsgeräte), “high chairs” (= Kinderhochstühle) und “changing mats” (= Wickelauflagen) hinreichend glaubhaft gemacht.
78
Die mit der Marke versehenen “Babyüberwachungsgeräte” ließen sich unter die Warenangaben “Signalapparate und -instrumente” und “Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton” der Widerspruchsmarke subsumieren, “Kinderhochstühle” würden von dem beanspruchten Warenoberbegriff “Möbel” der Widerspruchsmarke umfasst und bei “Wickelauflagen” handele es sich um “Waren … aus … Kunststoffen” der Klasse 20. Nach den Grundsätzen der erweiterten Minimallösung sei eine Benutzung auch für die Waren “Klasse 9: Überwachungsinstrumente und -apparate” und “Klasse 20: Stühle; Einrichtungsgegenstände aus Kunststoff zum Schutz von Oberflächen” anzuerkennen.
79
Dabei seien “Stühle” identisch mit “Möbel; Hochstühle für Kinder” und “Einrichtungsgegenstände aus Kunststoff zum Schutz von Oberflächen” identisch mit “Wickelauflagen; Wickelunterlagen”.
80
Die zu Klasse 20 für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren “Stühle”, welche hier entsprechend der glaubhaft gemachten Benutzung gerade die Kinderhochstühle umfassten, seien ohne Weiteres ähnlich mit anderen speziellen Kindermöbeln und Sitz- oder Stehhilfen, nämlich “Wippen für Babys; Lauflernhilfen für Babys und Kleinkinder; Reisebetten für Kinder und Babys; Wiegen; Wickeltische; Laufgitter für Kleinkinder”. Sie wiesen Übereinstimmungen im Verwendungszweck, in ihrer Funktion und den Materialien auf und der Verkehr sei daran gewöhnt, dass Hersteller dieser speziellen Kinderausstattungen die gesamte Palette dieser Waren bedienten.
81
Eine verwechslungsrelevante Ähnlichkeit bestehe auch zwischen den Waren “Einrichtungsgegenstände aus Kunststoff zum Schutz von Oberflächen”, welche hier entsprechend der glaubhaft gemachten Benutzung gerade die Wickelauflagen umfassten, und “Wickeltaschen; Taschen”, da Wickeltaschen immer eine Kunststoffwickelauflage als grundlegende Ausstattung enthielten und “Taschen” als Oberbegriff “Wickeltaschen” umfassen würden. Ebenso sei eine Ähnlichkeit gegenüber “Matratzen” gegeben wegen möglicher Übereinstimmungen bei den Füllstoffen als auch den Bezugsmaterialien (PVC etwa bei Matratzen für Wasserbetten, aufblasbaren Matratzen).
82
Eine Ähnlichkeit der “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 18 und 20” sei ebenfalls zu bejahen, da Warenhäuser für Baby- und Kinderausstattung in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anböten, z.B. babywalz, baby-kids-world.
83
Da die Widerspruchsmarke 009 488 701 MAMIA ebenso wie die vorgenannten identischen bzw. sich nur durch die Schreibweise unterscheidenden Wortmarken 1 078 671 Mamia und UM 003 419 447 MAMIA über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge und eine zumindest in klanglicher Hinsicht jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit zu der angegriffenen Marke aufweise, halte die angegriffene Marke den zur Vermeidung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Markenabstand zu der Widerspruchsmarke 009 488 701 MAMIA in Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen nicht ein.
84
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie geltend macht, dass die Abweichungen zu der Widerspruchsmarke IR 894 064 in jeder Hinsicht ausreichten, um eine Verwechslungsgefahr auch insoweit zu vermeiden, als sich beide Marken auf identischen Waren begegnen könnten.
85
Schriftbildlich sei ein Auseinanderhalten der relativ kurzen und überschaubaren Zeichen Damia und in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der markanten figürlichen Abweichungen zwischen den Buchstaben “L” und “I” gewährleistet, wobei das Widerspruchszeichen auf die Großschreibung festgelegt sei, so dass der in dem Buchstaben “L” enthaltene Querstrich ein zusätzliches auffälliges Unterscheidungsmerkmal darstelle.
86
Klanglich sorge die unterschiedliche Silbenzahl der zweisilbig wie “DAM-LA” und dreisilbig wie “Da-mi-a” artikulierten Markenwörter und die Abweichung in der den klanglichen Gesamteindruck maßgeblich beeinflussenden Vokalfolge für einen ausreichenden Abstand, wobei auch der begriffliche Anklang der angegriffenen Marke an einen weiblichen Vornamen zur Unterscheidung beitrage.
87
Bei den übrigen Widerspruchsmarken 1 078 671 Mamia, UM 003 419 447 MAMIA und UM 009 488 701 MAMIA sei zunächst davon auszugehen, dass diese aus den bereits vor der Markenstelle im Einzelnen dargelegten Gründen aufgrund ihrer Anlehnung an den Begriff “Mama” – von dem sich die Widerspruchsmarken nur durch die zur Herbeiführung der Schutzfähigkeit notwendige Einfügung des Vokals “I” unterschieden – bzw. als Verkürzung der auch im Inland bekannten und gebräuchlichen Wortfolge “Mamma Mia” lediglich über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügten.
88
Ferner liege auch in Bezug auf die von der Löschung betroffenen Waren und Dienstleistungen eine die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen begründende Zeichenähnlichkeit nicht vor. Angesichts der Kürze und leichten Erfassbarkeit der sich gegenüberstehenden Markenwörter reiche die markante Abweichung am zudem regelmäßig stärker beachteten Wortanfang “D” gegenüber “M” trotz des zahlenmäßigen Übergewichts von Übereinstimmungen aus, um für eine hinreichend sichere Unterscheidung zu sorgen (Hinweis auf Entscheidungen 27 W (pat) 64/07 – MAXON/DAXON, 27 W (pat) 547/14 – CHINO/SHINO).
89
Zudem bestehe jedenfalls bei einigen der gelöschten Waren und Dienstleistungen ein jedenfalls geringerer Grad an Ähnlichkeit als von der Markenstelle angenommen.
90
So könne entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht von einer Ähnlichkeit der bei der Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia zu berücksichtigenden Waren “Babywindeln” zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “medizinische Badezusätze und -salze” ausgegangen werden. Diese Waren stünden in keiner Verbindung zueinander, da sie sowohl von unterschiedlichen Herstellern als auch am Point of Sale in unterschiedlichen Abteilungen angeboten würden. Entsprechendes gelte auch im Verhältnis zwischen “Babywindeln” und den von der Löschung betroffenen Waren der Klasse 03 der angegriffenen Marke.
91
Bei der Widerspruchsmarke UM 003 419 447 MAMIA könne eine für die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen ausreichende Ähnlichkeit zwischen den Waren “Hautpflegemittel für Kinder” auf Seiten der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “Babykost; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke” und “Parfümeriewaren, ätherische Öle, Haarwässer; Zahnputzmittel; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” nicht damit begründet werden, dass eine Pflege der Haut nicht nur direkt über die Haut, sondern auch durch Nahrungsergänzungsmittel erfolge. Denn gerade bei Babys und Kindern gehe der Verkehr nicht davon aus, dass Nahrungsergänzungsmittel zum Zwecke der Hautpflege eingesetzt werden. Wenn überhaupt, werde damit eine ausgewogene Ernährung sichergestellt, die jedoch nicht der Hautpflege, sondern der Behebung etwaiger Mangelerscheinungen diene. Vor allem aber werde Babynahrung durch spezielle, auf diesem Markt aktive Anbieter hergestellt und angeboten wie zB die Firmen “Hipp”, “Holle” oder “Alete”, die ihrerseits keine Hautpflegepräparate anböten. Insoweit bestünden keine Überschneidungen.
92
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
93
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juni 2018 aufzuheben, soweit die angegriffene Marke 30 2012 020 826 aufgrund der Widersprüche aus den Marken IR 894064, 1 078 671 Mamia, UM 003 419 447 MAMIA und UM 009 488 701 MAMIA gelöscht worden ist und die Widersprüche aus den vorgenannten Marken auch insoweit zurückzuweisen.
94
Die Widersprechenden zu 1. und 2. beantragen,
95
die Beschwerde zurückzuweisen.
96
Die Widersprechende zu 1. macht geltend, dass allein die Abweichung zwischen “I” und dem “L” einer nahezu identischen Umrisscharakteristik im Schriftbild beider Markenwörter nicht hinreichend entgegenwirke. Diese verfügten auch nicht über eine unterschiedliche Silbenzahl. Wie der Vorname “Tania” oder “Tanja” bestehe auch Damia aus zwei Silben und werde auf der ersten betont. Selbst wenn Damia dreisilbig artikuliert würde, käme dem aufgrund der Übereinstimmungen im Übrigen keine entscheidende Bedeutung zu, zumal die sich gegenüberstehenden Zeichen auch nicht als Kurzzeichen eingestuft werden könnten. Die angegriffene Marke verfüge auch über keinen zur Unterscheidung beitragenden begrifflichen Anklang. In Wechselwirkung mit der hohen Warenähnlichkeit/Identität und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei eine Verwechslungsgefahr daher nicht auszuschließen.
97
Die Widersprechende zu 2. macht geltend, dass angesichts der Übereinstimmungen der angegriffenen Marke mit den Widerspruchsmarken Mamia/MAMIA in vier von fünf Buchstaben, in der schriftbildlichen Umrisscharakteristik bzw. – was das Klangbild betrifft – im Sprech- und Betonungsrhythmus sowie der Vokalfolge allein die Abweichung am Wortanfang einer beachtlichen Ähnlichkeit nicht entgegenwirken kann.
98
Unter Zugrundelegung einer von der Markenstelle zutreffend angenommenen durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken könne eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf die von der Löschung betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht verneint werden. Eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Ähnlichkeit bestehe entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke insbesondere in Bezug auf die bei den vorgenannten Widerspruchsmarken zu berücksichtigenden “Babywindeln; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für Kinder” und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” und “Babykost; medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Wundpuder”. Denn Baby- und Kleinkinderprodukte/-artikel würden branchenüblich unter ein und derselben Marke angeboten und vertrieben. So werde zB von der Drogeriemarktkette “Rossmann” unter der Marke “Babydream” ein breites Spektrum an Produkten für Babys und Kleinkinder angeboten, von Windeln über Badezusätze und -öle, Pflegecremes, Wundpuder bis hin zu Obstbrei und Zahnpflegeartikeln. Vergleichbares gelte für die Drogeriemarktkette “dm” und ihre Marke “babylove” sowie die Marke “Beauty Baby” der Firma “Müller”.
99
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
100
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats die zulässigen Widersprüche aus den Marken IR 894 064 , 1 078 671 Mamia, UM 003 419 447 MAMIA und UM 009 488 701 MAMIA in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang begründet sind.
101
A. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für die gegen diese Eintragung erhobenen Widersprüche gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG n. F.) weiterhin die Vorschrift des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (im Folgenden “MarkenG”).
102
B. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Nr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 – UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 – Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).
103
C.
Widerspruch aus der Marke IR 894 064
104
Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen teilt der Senat zunächst die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen der angegriffenen Marke 30 2012 020 826 Damia und der Widerspruchsmarke IR 894 064 der Widersprechenden zu 1. eine unmittelbare markenrechtliche Verwechslungsgefahr gemäß §§ 119, 124, 107, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B Nr. 1 PVÜ in dem von der Markenstelle angenommenen Umfang besteht, so dass die Markenstelle insoweit zu Recht die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat (§§ 119, 124, 107, 114, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
105
1. Auf die seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 erhobene Einrede mangelnder Benutzung findet gemäß §§ 119, 124, 107, 114, 116 Abs. 1, 115 Abs. 2 MarkenG die Bestimmung des § 43 Abs. 1 MarkenG Anwendung. Da eine international mit Benennung der Europäischen Union registrierte Marke gemäß Art. 189 Abs. 2 UMV einer Unionsmarke gleichsteht (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 125 b Rdnr. 41), ist ferner § 125b Nr. 4 MarkenG zu beachten, wonach § 43 Abs. 1 MarkenG ebenfalls anwendbar ist, jedoch mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke gemäß Art. 18 UMV tritt.
106
Maßgebend ist dabei vorliegend § 43 Abs. 1 MarkenG in seiner bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung mit den beiden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (a.F.) maßgeblichen Benutzungszeiträumen, weil der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 erhoben wurde (§ 158 Abs. 5 MarkenG).
107
a. Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, dass die seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 undifferenziert erhobene und sich daher auf beide nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede mangelnder Benutzung nur in Bezug auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum statthaft ist, nicht jedoch in Bezug auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraum. Denn für den Beginn der Benutzungsschonfrist einer international mit Wirkung für die Union registrierten Marke ist nach Art. 203 UMV das Datum der Veröffentlichung gemäß Art. 190 Abs. 2 UMV maßgebend. Diese erfolgte vorliegend am 30. August 2007, so dass die fünfjährige Benutzungsschonfrist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 22. Juni 2012 noch nicht abgelaufen war. Ohne weiteres zulässig ist die Einrede jedoch in Bezug auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor Entscheidung über den Widerspruch.
108
b. Deshalb oblag es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG i.V.m. Art. 18 UMV hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände für den Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies betrifft den Zeitraum vom 20. August 2015 bis zum 20. August 2020.
109
Nach Art. 18 UMV muss die Marke in der Union ernsthaft benutzt worden sein. Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren (oder Dienstleistungen), für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren (oder Dienstleistungen) einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428, Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Rn. 70 – VITAFRUIT). Nach der europäischen Spruchpraxis ist davon jedenfalls auszugehen, wenn die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (vgl. EuGH GRUR 2008, 343, 346, Nr. 74 – Il Ponte Finanziaria SpA/HABM).
110
c. In Anwendung dieser Grundsätze ist mit der Markenstelle davon auszugehen, dass die Widersprechende mit der mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Vorstandsvorsitzenden der Widersprechenden zu 1., Herrn T…, vom 25. Januar 2017 sowie den weiteren Unterlagen eine wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für “Bonbons” in der Union und speziell auch in Deutschland glaubhaft gemacht hat.
111
Zwar sind die in der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung für die Jahre 2012 bis 2016 für Deutschland ausgewiesenen jährlichen Absatzzahlen von mit dem Markenwort “DAMLA” beschrifteten Bonbontüten von … bis zu … Stück sowie die in diesem Zeitraum mit diesen Bonbontüten erzielten Umsätze im Gebiet
112
der Union von jährlich … USD bis zu … USD aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs für den derzeit relevanten Benutzungszeitraum nur insoweit noch verwertbar, als es die Angaben für das Jahr 2016 mit : verkauften Bonbontüten sowie einem Jahresumsatz von … USD in der gesamten EU betrifft. Vor dem Hintergrund, dass rechtserhaltende Benutzungshandlungen nicht den gesamten Benutzungszeitraum ausfüllen müssen, ist jedoch allein mit den im Jahr 2016 erzielten Verkaufszahlen sowie Umsätzen – welche durch die vorgelegten Rechnungen für das Jahr 2016 gestützt werden – eine nach Art, Zeit, Ort und Umfang wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Nutzung der Widerspruchsmarke in der Union und speziell auch in Deutschland für verschiedene Arten und Sorten von “Bonbons” belegt, wobei rechtlich bereits der in Deutschland erzielte Umsatz eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die gesamte Union nach sich zieht. Denn insoweit reicht die Benutzung in einem einzigen Mitgliedstaat jedenfalls dann aus, wenn sie intensiv und umfangreich erfolgt ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 125 b Rn. 44 m. w. N.).
113
Die in der eidesstattlichen Versicherung für den genannten Benutzungszeitraum und damit auch explizit für das Jahr 2016 als Verwendungsform in Bezug genommenen Abbildungen von Produktverpackungen belegen aus den von der Markenstelle zutreffend dargelegten Gründen, auf die der Senat vollumfänglich Bezug nimmt, eine funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke iS von Art. 18 UMV als Produktmarke für verschiedene, von der Markenstelle im einzelnen benannte Arten und Sorten von “Bonbons” in einer den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändernden Form.
114
Seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke wurden auch keine Einwände gegen die Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung erhoben.
115
d. Es ist daher von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für “Bonbons” auszugehen. Für diese Waren beansprucht die Widerspruchsmarke auch konkret Schutz, so dass diese bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen sind (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).
116
2. Ausgehend davon besteht hinsichtlich der aufgrund des Widerspruchs aus dieser IR-Marke gelöschten Waren und Dienstleistungen aus den von der Markenstelle zutreffend genannten Gründen, welche seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke mit der Beschwerde nicht angegriffen wurden, teilweise Identität und ansonsten eine (mittlere bzw. durchschnittliche) Ähnlichkeit.
117
a. Identität besteht zunächst zu den von der angegriffenen Marke zu Klasse 30 beanspruchten “Bonbons” und “Sahnebonbons” und zu den “Süßwaren; Zuckerwaren”, da diese oberbegrifflich auch “Bonbons” umfassen.
118
b. Eine durchschnittliche bis hochgradige Ähnlichkeit liegt auch in Bezug auf “Speiseeis” und “feine Backwaren und Konditorwaren” vor (vgl. Richter/Stoppel “Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen” 17. Aufl. S. 47/46; BPatG 24 W (pat) 221/98). Weiterhin sind “Bonbons” auch zu “Schokoriegel, Schokoladenprodukte” und “Milchkakao, Milchschokolade (Getränk); Schokoladengetränke; Karamellgetränke” ähnlich (vgl. Richter/Stoppel aaO S. 47; BPatG 25 W (pat) 16/09 – Chocomels/Chocmel).
119
c. Eine Ähnlichkeit zu den “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klasse 30” ist ebenfalls gegeben, da es im Bereich der Süßwaren branchenüblich ist, dass Hersteller in größerem, die Verkehrsauffassung prägendem Umfang auch den Handel speziell mit diesen Waren betreiben (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 9 Rn. 130).
120
3. Auf Seiten der Widerspruchsmarke IR 894 064 ist weiterhin von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang auszugehen.
121
Eine im Rahmen der Verwechslungsgefahr zu beachtende Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke ergibt sich auch nicht daraus, dass “DAMLA” als türkisches Wort für “Tropfen” (vgl. Langenscheidt, Online-Wörterbuch Türkisch-Deutsch zu “damla”) möglicherweise von türkischstämmigen oder jedenfalls der türkischen Sprache mächtigen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Form der Ware “Bonbons” interpretiert werden kann.
122
Die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren richten sich an allgemeine inländische Verbraucherkreise. Dass sie sich ausschließlich oder doch zumindest ganz überwiegend an eine spezielle Verbrauchergruppe, hier türkischsprachige Konsumenten, richten und daher allein oder zumindest maßgeblich auf deren Verständnis abzustellen ist (vgl. BGH GRUR 2015, 587, Rdnr. 23 ff. – Pinar), ist weder dargetan noch ersichtlich.
123
Demnach ist zur Bestimmung des maßgeblichen Verkehrsverständnisses in erster Linie auf die allgemeinen inländischen Verkehrskreise abzustellen, welche ganz überwiegend nicht über Türkischkenntnisse verfügen, die es zuließen, “DAMLA” als türkisches Wort für “Tropfen” zu erkennen (vgl. BPatG, Beschluss vom 14. Mai 2013, 28 W (pat) 61/11 – ipek/IPEK YUFKA). Diese werden das Markenwort “DAMLA” daher als einen reinen Phantasiebegriff wahrnehmen.
124
Aber auch wenn man zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke im Hinblick auf die erhebliche Zahl türkischsprachiger Menschen von einer gespaltenen Verkehrsauffassung ausgeht und daher zusätzlich das Verständnis türkischsprachiger Verkehrskreise im Inland berücksichtigt, steht dies einer Verwechslungsgefahr nicht entgegen. Kann nämlich auf Grund einer gespaltenen Verkehrsauffassung nur bei einem der verschiedenen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr bejaht werden, reicht dies für die Verwirklichung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aus (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Rdnr. 9 – Maalox/Melox-GRY).
125
4. Die Vergleichszeichen weisen ferner eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit auf.
126
a. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 23 – MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 – coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/ Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 – AIDA/ AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rdn. 268 m. w. N.).
127
b. Auf Seiten der Widerspruchsmarke ist dabei allein der Wortbestandteil “DAMLA” zu berücksichtigen, und zwar nicht nur in klanglicher Hinsicht, sondern auch beim schriftbildlichen Vergleich beider Marken, da es sich bei dem Bildelement in Form einer viereckigen Umrahmung um eine nicht ins Gewicht fallende graphische Ausgestaltung bzw. Verzierung handelt und auch die Ausgestaltung des Wortbestandteils der Widerspruchsmarke in Serifenschrift nur unwesentlich von der druckschriftlichen Wiedergabe der angegriffenen Marke abweicht (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 506, 509 – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2008, 254, 257 – THE HOME STORE; Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 460).
128
c. Die danach miteinander zu vergleichenden Markenwörter “DAMLA” und Damia kommen sich im Schriftbild so nahe, dass eine (jedenfalls) durchschnittliche Zeichenähnlichkeit nicht in Abrede gestellt werden kann. Beide Markenwörter stimmen in vier von fünf Buchstaben überein, insbesondere auch am in aller Regel stärker beachteten Wortanfang “Da-/DA”. Sie unterscheiden sich nur im jeweils vierten Buchstaben “L” bzw. “i”. Diese weisen aber ebenfalls sowohl bei druckschriftlicher Wiedergabe in Großbuchstaben (“I/L”) wie auch in Kleinbuchstaben (“i/l”) aufgrund der Übereinstimmung in der bei beiden Buchstaben vorhandenen senkrechten Linie eine weitgehend übereinstimmende und bei Einbindung in die Markenwörter schwer zu unterscheidende Umrisscharakteristik auf. Die geringfügigen Abweichungen wirken daher einer weitgehenden visuellen Übereinstimmung und damit einem verwechselbar ähnlichen schriftbildlichen Gesamteindruck beider Markenwörter nicht hinreichend entgegen. Dem Umstand, dass die Widerspruchsmarke anders als die angegriffene Marke nur aus Versalien besteht, kommt dagegen aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nur eine geringfügige Bedeutung zu, weil er daran gewöhnt ist, dass ihm identische Wörter sowohl in gewöhnlicher Schreibweise mit großem Anfangsbuchstaben als auch ausschließlich in Großbuchstaben entgegentreten (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 259, Rn. 72 – Candecor/CANEACOR sowie BGH GRUR 2015, 607, 608, Rn. 21, 22 – Uhrenankauf im Internet).
129
Auch wenn berücksichtigt wird, dass Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß präziser wahrgenommen werden können als dem Klang nach, weil das Schriftbild sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, sind die schriftbildlichen Übereinstimmungen vorliegend zu ausgeprägt, als dass eine zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit verneint werden könnte. Dies gilt umso mehr, als die Vergleichszeichen im Verkehr nicht gleichzeitig nebeneinander aufzutreten pflegen, sondern ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl. u. a. EuGH GRUR Int 1999, 734 Nr. 26 Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/ TISSERAND; GRUR 2003, 1047 – Kellogg`s/Kelly`s).
130
Die schriftbildlichen Übereinstimmungen beider Marken werden auch nicht dadurch reduziert, dass es sich bei dem Markenwort “DAMLA” der Widerspruchsmarke um das türkische Wort für “Tropfen” handelt, da dies – wie bereits dargelegt – dem überwiegenden Teil der inländischen Verkehrskreise mangels hinreichender Kenntnisse der türkischen Sprache nicht bekannt ist. Ebenso trägt die Bedeutung von “Damia” als im Inland kaum bekannter Vorname nicht zur Unterscheidung bei (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 308).
131
Zudem bieten begriffliche Abweichungen keine Unterscheidungshilfe, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich – wie hier – angesichts der fast vollständig übereinstimmenden Umrisscharakteristik der beiden Markenwörter ohne weiteres verlesen können, so dass ihnen begriffliche Unterschiede bzw. ein begrifflicher Anklang einer Marke überhaupt nicht zum Bewusstsein kommen (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 312).
132
5. Ausgehend davon kann in der Gesamtabwägung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken jedenfalls insoweit nicht verneint werden, als sich beide Marken auf zumindest durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen können, was vorliegend in Bezug auf die von der Markenstelle gelöschten und beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen
133
“Klasse 30: feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Schokoriegel, Schokoladenprodukte; Süßwaren; Zuckerwaren, Bonbons, Sahnebonbons, Milchkakao, Milchschokolade (Getränk); Schokoladengetränke; Karamellgetränke;
134
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klasse 30″
135
der Fall ist, so dass die angegriffene Marke 30 2012 020 826 Damia in diesem Umfang aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR 894 064 zu löschen ist.
136
D.
Widerspruch aus der
Unionsmarke
003 419 447 MAMIA
137
Zutreffend ist die Markenstelle weiterhin davon ausgegangen, dass auch zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke UM 003 419 447 MAMIA der Widersprechenden zu 2. hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen
138
“Klasse 03: Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
139
Klasse 05: Babykost; medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Wundpuder
140
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05″
141
eine unmittelbare Verwechslungsgefahr iS von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, so dass die Markenstelle auch insoweit zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
142
1. Die von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 auch gegenüber dieser Widerspruchsmarke zulässigerweise erhobene Einrede mangelnder Benutzung erstreckt sich mangels Differenzierung auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 MarkenG, da die am 4. Januar 2005 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 22. Juni 2012 bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen war.
143
a. Der Widersprechenden oblag es demnach, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke glaubhaft zu machen, somit für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juni 2012, sowie für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, somit vom 20. August 2015 bis 20. August 2020.
144
b. Ausgehend von den zuvor unter C.1.b. dargelegten Anforderungen an die rechtserhaltende Benutzung einer Unionsmarke hat die Widersprechende zu 2. (bereits) mit den von ihr mit den Schriftsätzen vom 14. März 2013 und vom 18. Dezember 2017 vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sowie den weiteren Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA in der Union für beide Zeiträume für unter die eingetragenen Waren(ober)begriffe “Windeln” und “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für Kinder” fallende “Einweg-Babywindeln” und “Baby-Pflegetücher” hinreichend glaubhaft gemacht.
145
aa. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, belegen hinsichtlich des nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraums die in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden zu 2., Herrn D…, versicherten jährlichen Absatzzahlen von … bis zu … Windelpacks je Größensorte und von … bis zu … Baby-Pflegetücherpacks in den Jahren 2007 bis 2012 sowie die weiterhin dazu vorgelegten Rechnungen eine nach Art, Zeit, Ort und Umfang wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Benutzung der Bezeichnung MAMIA für “Einweg-Babywindeln” und “Baby-Pflegetücher”. Dies ist seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren nicht in Zweifel gezogen worden.
146
Unerheblich ist, dass die Benutzung der Marke jedenfalls nicht allein durch die Inhaberin der Widerspruchsmarke, sondern ausweislich der eidesstattlichen Versicherung durch andere, jedoch mit ihr im A…-Konzern verbundene Unternehmen erfolgte, so dass ohne weiteres von einer Benutzung mit Zustimmung der Widersprechenden zu 2. ausgegangen werden kann.
147
Die mit der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung vorgelegten und in der eidesstattlichen Versicherung in Bezug genommenen Verpackungsmuster und Werbeprospekte mit Abbildungen entsprechender Verpackungen von Windelpacks und Baby-Pflegetücherpacks, auf denen die Kennzeichnung “mamia” deutlich erkennbar ist, belegen auch eine funktionsgerechte Verwendung der Widerspruchsmarke.
148
Die Verwendung des Zeichens MAMIA in einer anderen Schrifttype und -farbe mit farbiger Unterlegung und Kleinschreibweise (“mamia”) ist zwar keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form, da damit ein Wechsel von einer Wortmarke zu einer Bildmarke verbunden ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 211); jedoch handelt es sich dabei um typische werbemäßig ausgestaltete Gebrauchsgraphiken, die die Unterscheidungskraft der eingetragenen Wortmarke MAMIA gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a UMV nicht berühren.
149
In quantitativer Hinsicht ist mit diesen für die Bundesrepublik Deutschland, der gemessen am Bruttoinlandsprodukt größten Volkswirtschaft in Europa, glaubhaft gemachten erheblichen Verkaufs- und Umsatzzahlen von einer ernsthaften Benutzung für die genannten Waren in der Union auszugehen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 – OMEL/ONEL; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 312, 314 – NEWS; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 172, 173 – ZAPPA; BPatG 24 W (pat) 35/07 – Stradivari; 30 W (pat) 1/10 – TOLTEC/TOMTEC).
150
bb. Für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum belegen die eidesstattliche Versicherung des Zentraleinkäufers Herrn N…, der A1… GmbH & Co. OHG vom 28. November 2017, welche u.a. Absatzzahlen von … bis … Windelpacks je Größensorte für das Jahr 2016 bzw. … bis … Stück je Größensorte für das Jahr 2017 mit dazu gehörigen Umsatzzahlen von mehreren … Euro sowie von bis zu … Baby-Pflegetücherpacks für 2016 bzw. ca. … Stück für 2017 mit den dazugehörigen Umsatzzahlen von jährlich ca. … € (2016) bzw. … € (2017) ausweist, sowie die weiterhin dazu vorgelegten Rechnungen, dass die Widerspruchsmarke MAMIA in diesen Jahren für “Einweg-Babywindeln” und “Baby-Pflegetücher” in einer nach Art, Zeit, Ort und Umfang insgesamt wirtschaftlich sinnvollen Weise und damit ernsthaft durch Unternehmen der A…-Gruppe im Einverständnis mit der Inhaberin der Widerspruchsmarke benutzt worden ist.
151
Die mit der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung vorgelegten und in der eidesstattlichen Versicherung in Bezug genommenen Verpackungsmuster und Werbeprospekte mit Abbildungen entsprechender Verpackungen von Windelpacks und Baby-Pflegetücherpacks, auf denen die Kennzeichnung “mamia” deutlich erkennbar ist, belegen aus den obengenannten Gründen auch für die in den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum fallenden Jahre 2016/2017 eine funktionsgerechte Verwendung der Widerspruchsmarke.
152
cc. Es ist daher auf Seiten der Widerspruchsmarke von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für “Einweg-Babywindeln” und “Baby-Pflegetücher” auszugehen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).
153
c. Im Rahmen der Integrationsfrage ist die Widersprechende entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs GRUR 2020, 871 – INJEKT/INJEX v. 6. Februar 2020 nicht auf diese ganz speziellen Produkte festzulegen.
154
Zwar kann die im Löschungs(klage)verfahren entwickelte und in der Vergangenheit vom Bundespatentgericht als “erweiterte Minimallösung” bezeichnete Rechtsprechung, wonach die Benutzung für eine Spezialware auch für einen umfassenderen, nicht zu breiten Warenoberbegriff rechtserhaltend wirkt (vgl. dazu BGH GRUR 2012, 64, 65 Nr. 10 – Maalox/Melox-GRY; BPatG 25 W (pat) 79/12 v. 22. Mai 2014 – Tebo/TOBI; 30 W (pat) 37/13 v. 21. Mai 2015 – CIRKALM/BIKALM; Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O, § 26 Rdnr. 277 m. w. N.), in Kollisionsverfahren wie dem patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht mehr zur Anwendung kommen, da dies nach Auffassung des BGH zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des Inhabers einer Marke mit weit gefassten Oberbegriffen gegenüber demjenigen führt, der die Eintragung von Anfang an auf die sodann benutzte Ware beschränkt hat, und im Übrigen auch eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bei der Prüfung, ob eine Kollisionslage vorliegt, bewirkt (vgl. BGH GRUR 2020, 871, Rn. 34 – INJEKT/INJEX). Vielmehr ist danach der Schutz der Klagemarke oder der Widerspruchsmarke auf die konkret benutzten Waren beschränkt. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf gleichartige Waren (vgl. BGH aaO Rn. 36).
155
Ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen. Zum gleichen Warenbereich gehören gemeinhin Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen (vgl. BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 61 – Culinaria/Villa Culinaria; Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 281).
156
Danach ist aber ebenso wie bei Anwendung der von der Markenstelle noch praktizierten – und regelmäßig zu den denselben Ergebnissen führenden (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 280) – “erweiterten Minimallösung” eine Benutzung der Widerspruchsmarke für “Babywindeln” und weiterhin für “Hautpflegemittel für Kinder” anzuerkennen, da “Baby-Pflegetücher” regelmäßig mit kosmetischen Hautlotionen Getränkt sind und der Hautpflege dienen.
157
2. Ausgehend von dieser Benutzungslage können sich die Vergleichszeichen in Bezug auf die von der Löschung betroffenen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Markeüberwiegend auf identischen bzw. durchschnittlich ähnlichen Waren/Dienstleistungen und ansonsten zwar unterdurchschnittlichen, aber für eine Verwechslungsgefahr immer noch hinreichend ähnlichen Waren begegnen.
158
a. So besteht zwischen den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden “Babywindeln” und “Hautpflegemittel für Kinder” und den von der angegriffenen Marke beanspruchten “Babywindeln; Babyhosenwindeln” und “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” Identität, da diese oberbegrifflich “Babywindeln” und “Hautpflegemittel für Kinder” umfassen.
159
b. Zutreffend ist die Markenstelle weiterhin davon ausgegangen, dass die bei der Widerspruchmarke zu berücksichtigenden Waren jedenfalls durchschnittlich ähnlich zu den Waren “medizinische Badezusätze und -salze” sind, da diese eine dermatologische Wirkung haben können und damit die “Hautpflegemittel für Kinder” ergänzen. Ein solches Ergänzungsverhältnis besteht ferner zwischen den “Babywindeln” der Widerspruchsmarke und der von der angegriffenen Marke beanspruchten Ware “Wundpuder”.
160
c. Eine durchschnittliche Ähnlichkeit der bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren ist auch in Bezug auf “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03 und 05” der angegriffenen Marke zu bejahen, da Händler, insbesondere Drogeriemärkte, in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten (vgl. BGH GRUR 2014, 378, Rn. 39 – OTTO CAP).
161
d. Weiterhin besteht entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke zwischen “Hautpflegemittel für Kinder” und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “Parfümeriewaren, ätherische Öle, Haarwässer; Zahnputzmittel; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder” jedenfalls keine ausgeprägte Warenferne, da diese mit der Haut in Berührung kommen und in ihrer stofflichen Beschaffenheit speziell für die Pflege von Kinder- oder Babyhaut konzipiert sein können und tatsächlich auch angeboten werden (vgl. dazu BPatG 26 W (pat) 571/10 v. 23. März 2011 – Mama-Glück; veröffentlicht auf der Internetseite des BPatG). Dies gilt insbesondere auch für “Parfümeriewaren”, da hierzu auch Seifen gehören, die speziell zur Reinigung von Kinder- oder Babyhaut angeboten werden (vgl. BPatG aaO – Mama-Glück), sowie für “Zahnputzmittel”, da diese insoweit einen dermatologischen Bezug aufweisen können, als sie dem Schutz und/oder der Pflege der Mundschleimhaut dienen können.
162
e. Keine ausgeprägte Warenferne besteht auch zwischen “Hautpflegemittel für Kinder” und den Waren “Babykost; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke” der angegriffenen Marke. Denn diese können – wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat – durchaus auch der Hautpflege dienen und in Abstimmung oder Kombination mit Körperpflegemitteln angewendet oder eingenommen werden (z. B. bei Akne, Allergien), so dass auch insoweit Berührungspunkte im Verwendungszweck oder als sich ergänzende Produkte vorliegen (vgl. BPatG 24 W (pat) 111/04 – USAMA/Humana), welche die Annahme einer jedenfalls unterdurchschnittlichen Ähnlichkeit rechtfertigen.
163
3. Mit der Markenstelle ist weiterhin davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA auch unter Berücksichtigung der eingetragenen Waren über eine von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt.
164
a. Zwar weist die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hin, dass sich MAMIA formal von der im vorliegend relevanten Warenbereich als Zielgruppenangabe schutzunfähigen Bezeichnung “MAMA/Mama” als Kosewort für “Mutter” nur durch die Einfügung des Vokals “I” in der zweiten Silbe unterscheidet. Jedoch verkennt sie, dass gerade dieser zusätzliche Vokal das maßgeblich durch die Doppellautfolge “MA” geprägte Klang- wie auch Schriftbild von “MAMA” in erheblicher Weise, nämlich sowohl hinsichtlich der klangtragenden Vokalfolge als auch im Sprech- und Betonungsrhythmus bzw. – was das Schriftbild betrifft – in der Umrisscharakteristik verändert und verfremdet, so dass das Widerspruchszeichen MAMIA in seiner Gesamtheit einen hinreichend phantasievollen Charakter aufweist und ihm der Verkehr allenfalls nach einigen interpretatorischen Überlegungen und gedanklichen Zwischenschritten einen Hinweis auf “MAMA” entnimmt.
165
b. Auch mögliche Assoziationen an den italienischsprachigen Ausruf “Mamma mia” sind entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geeignet, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu beeinträchtigen. Denn weder handelt es sich bei MAMIA um ein nachweisbares Kurzwort für “Mamma mia” noch erschließt sich dem Verkehr ein Verständnis der Widerspruchsmarke als Zusammenziehung der Begriffe “Mam(ma)(M)ia” sofort und ohne weiteres; dies umso weniger, als der Wortfolge “Mamma mia” seiner Bedeutung nach – worauf die Markenstelle zutreffend hinweist – kein beschreibender Aussagehalt in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren zukommt. Aber selbst soweit er diese Verknüpfung erkennt, wird er den ihm als Kurzwort nicht bekannten Begriff MAMIA als phantasievolle Abwandlung dieser Redewendung betrachten.
166
c. Der Widerspruchsmarke kann dann aber in ihrer Gesamtheit eine von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden, wenngleich ihr Schutzumfang insoweit einer Einschränkung unterliegt, als dieser sich gegenüber der beschreibenden Angabe “MAMA” (und nur gegenüber dieser Angabe, vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 202) nach dem Maß der Eigenprägung gegenüber dieser Angabe (hier: Einfügung des Vokals “I” in der zweiten Wortsilbe) bestimmt.
167
4. Die Vergleichszeichen kommen sich ferner bereits im Klangbild so nahe, dass jedenfalls eine mittlere (durchschnittliche) Zeichenähnlichkeit nicht verneint werden kann.
168
a. Die angegriffene Marke sowie die Widerspruchsmarke MAMIA weisen – abgesehen von den Anfangsbuchstaben – völlige Übereinstimmung in der Lautfolge “-amia/-AMIA” auf. Zwar werden Unterschiede am Wortanfang im Allgemeinen stärker beachtet als die übrigen Markenteile. Doch gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann eine alleinige Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr häufig nicht ausschließen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 281). So liegt der Fall auch hier. Die Vergleichszeichen Damia und MAMIA stimmen im Klangbild bis auf die konsonantische Abweichung am Wortanfang der angegriffenen Marke vollkommen überein, insbesondere in der das Gesamtklangbild beider Markenwörter tragenden Vokalfolge “a-i-a/A-I-A” sowie in der Silbenzahl und weisen einen identischen Sprech- und Betonungsrhythmus auf. Demgegenüber vermitteln die abweichenden Anfangskonsonanten D und M beide kein markantes Klangbild. Gegenüber den weitreichenden Übereinstimmungen beider Markenwörter in der Lautfolge “-amia” treten sie jedenfalls nicht so prägnant hervor, dass sie die weitgehend übereinstimmende Gesamtstruktur im Klangbild und den daraus sich ergebenden weitgehenden Gleichklang beider Markenwörter nachhaltig beeinflussen und eine hinreichend sichere Unterscheidung der Markenwörter ermöglichen könnten.
169
b. Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht aus Rechtsgründen eingeschränkt, weil – wie bereits dargelegt – der Schutzumfang der Widerspruchsmarke insoweit einer Einschränkung unterliegt, als dieser sich gegenüber der beschreibenden Angabe “MAMA” nach dem Maß der Eigenprägung gegenüber dieser Angabe (hier: Einfügung des Vokals “I” in der zweiten Wortsilbe) bestimmt. Eine Beschränkung des Schutzumfangs auf die schutzbegründende Eigenprägung besteht nämlich nur gegenüber der zugrundeliegenden schutzunfähigen Angabe und schließt eine (ansonsten gegebene) Zeichenähnlichkeit aus, wenn sich die Übereinstimmungen beider Marken auf diesen Bereich konzentrieren. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. So lehnt sich die angegriffene Marke Damia nicht an den beschreibenden Begriff “MAMA” an, sondern stellt ein reines Phantasiewort dar. Vor allem jedoch stimmen die Vergleichszeichen gerade auch in der die Eigenprägung der Widerspruchsmarke gegenüber der beschreibenden Angabe begründenden Lautfolge “-mia/-MIA” überein.
170
c. Hinreichend deutliche, der Verwechslungsgefahr entgegenwirkende begriffliche Unterschiede sind in den Vergleichszeichen nicht enthalten. Insbesondere liegt für den Verkehr bei der Widerspruchsmarke MAMIA aus den bereits dargelegten Gründen ein begriffliches Verständnis iS von MAMA oder gar als Verkürzung von “Mamma mia” nicht nahe. Vielmehr stehen sich Kunst- bzw. Phantasiewörter gegenüber, die so weder in der Umgangs- noch in der Fachsprache vorkommen.
171
d. Mögen die beiden Markenwörter danach aufgrund ihrer konsonantischen Abweichung am Wortanfang in ihrer Gesamtheit auch nicht hochgradig ähnlich sein, so sind die Gemeinsamkeiten im Klangbild beider Markenwörter jedoch zu ausgeprägt, als dass jedenfalls eine durchschnittliche Ähnlichkeit der Zeichen in Frage gestellt werden könnte. Insoweit ist auch zu beachten, dass der Verkehr die Marken in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. u. a. EuGH GRUR Int 1999, 734 Tz. 26 – Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2003, 1047 – Kellogg`s/ Kelly`s).
172
5. Unter Beachtung einer durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist dann aber in der Gesamtabwägung eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht nur in Bezug auf identische und durchschnittlich ähnliche Waren/Dienstleistungen anzunehmen, sondern auch insoweit, als sie sich auf unterdurchschnittlich ähnlichen Waren begegnen können. Somit hat die Markenstelle die angegriffene Marke zu Recht nicht nur für die im Identitäts- und durchschnittlichen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen
173
“Klasse 03: Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
174
Klasse 05: medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Wundpuder
175
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05″,
176
sondern auch hinsichtlich der zwar unterdurchschnittlich, für eine Verwechslungsgefahr aber noch hinreichend ähnlichen Waren
177
“Klasse 05: Babykost; Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke”
178
gelöscht.
179
E.
Widerspruch aus der Unionsmarke
009 488 701 MAMIA
180
Aus den von der Markenstelle zutreffend dargelegten Gründen besteht auch Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der Unionsmarke 009 488 701 MAMIA und der angegriffenen Marke in Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen
181
“Klasse 18: Taschen; Wickeltaschen
182
Klasse 20: Möbel; Hochstühle für Kinder; Wippen für Babys; Lauflernhilfen für Babys und Kleinkinder; Reisebetten für Kinder und Babys; Wiegen; Wickelauflagen; Wickelunterlagen; Wickeltische; Matratzen; Laufgitter für Kleinkinder
183
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 18, 20″,
184
so dass die Markenstelle auch insoweit zu Recht die Teillöschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
185
1. Hinsichtlich des Widerspruchs aus dieser Marke ist die Markenstelle zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die insoweit erhobene Nichtbenutzungseinrede nur in Bezug auf den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum statthaft ist, da für die am 2. Juli 2011 eingetragene Widerspruchsmarke 009 488 701 MAMIA zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 22. Juni 2012 die fünfjährige Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen war.
186
Deshalb oblag es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum vom 20. August 2015 bis zum 20. August 2020 darzulegen und glaubhaft zu machen.
187
a. Zwar sind die in den eidesstattlichen Versicherungen der Frau I… und des Herrn H… für Großbritannien benannten Absatz- und Umsatzzahlen für “Babyüberwachungsgeräte”, “KinderHochstühle” und “Wickelauflagen” für den genannten Benutzungszeitraum nur insoweit relevant, als sie das Jahr 2016 betreffen, da allein dieses Jahr noch vollständig in den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevanten Zeitraum fällt. Hinsichtlich des Jahres 2015 ist dies nicht der Fall, da insoweit nicht erkennbar ist, in welchem Jahresabschnitt die entsprechenden Verkäufe getätigt bzw. Umsätze erzielt wurden.
188
Allerdings reichen vor dem Hintergrund, dass rechtserhaltende Benutzungshandlungen nicht den gesamten Benutzungszeitraum ausfüllen müssen, bereits die im Jahr 2016 erzielten Verkaufszahlen sowie Umsätze in quantitativer Hinsicht ohne weiteres aus, um von einer nach Art, Zeit, Ort und Umfang insgesamt wirtschaftlich sinnvollen und damit ernsthaften Benutzung der Unionsmarke für diese Waren auszugehen, zumal die Zahlen für das Jahr 2015 ebenfalls für eine kontinuierliche und ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke sprechen und damit als weiteres Indiz für eine rechtserhaltende Benutzung herangezogen werden können. Gestützt werden die Angaben letztlich auch durch die mit den eidesstattlichen Versicherungen vorgelegten Rechnungen, soweit sie aus dem Jahr 2016 stammen.
189
b. Die Verwendung des in den vorgenannten Unterlagen der Widersprechenden zu findenden Zeichens MAMIA in einer anderen Schrifttype und -farbe mit farbiger Unterlegung und Kleinschreibweise (“mamia”) ist zwar ebenfalls keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form, da damit ein Wechsel von einer Wortmarke zu einer Bildmarke verbunden ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 211); jedoch handelt es sich dabei – ebenso wie bei der Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA – um typische werbemäßig ausgestaltete Gebrauchsgraphiken, die die Unterscheidungskraft der eingetragenen Wortmarke MAMIA gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a UMV nicht beeinträchtigen.
190
c. Es ist daher von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für “Babyüberwachungsgeräte” “KinderHochstühle” und “Wickelauflagen” auszugehen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), für die die Widerspruchsmarke nach der nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vorgenommenen Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses konkret noch Schutz beansprucht.
191
2. Ausgehend von dieser Benutzungslage können sich die Vergleichszeichen auf identischen und ansonsten ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.
192
a. So besteht zunächst Identität zu den von der angegriffenen Marke zu Klasse 20 beanspruchten Waren “Hochstühle für Kinder” sowie “Möbel”, da diese oberbegrifflich auch “Kinderhochstühle” umfassen. Identität besteht weiterhin zwischen den “Wickelauflagen” der Widerspruchsmarke und den Waren der Klasse 20 “Wickelauflagen; Wickelunterlagen” der angegriffenen Marke. Denn “Wickelauflagen” und “Wickelunterlagen” sind begrifflich weitgehend deckungsgleich, da eine “Wickelauflage” funktionell auch eine “Wickelunterlage” sein kann.
193
b. “KinderHochstühle” sind ohne Weiteres ähnlich mit anderen speziellen Kindermöbeln und Sitz- oder Stehhilfen wie den von der angegriffenen Marke beanspruchten “Wippen für Babys; Lauflernhilfen für Babys und Kleinkinder; Reisebetten für Kinder und Babys; Wiegen; Wickeltische; Laufgitter für Kleinkinder”. Sie weisen – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – Übereinstimmungen im Verwendungszweck, in der Funktion und der Materialbeschaffenheit auf. Zudem ist der Verkehr daran gewöhnt, dass speziell für Kinder bestimmte Einrichtungsgegenstände und Möbel von ein und demselben Hersteller angeboten werden. “Wickelauflagen” sind ferner aus den von der Markenstelle zutreffend genannten Gründen auch den weiteren von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “Wickeltaschen; Taschen” sowie “Matratzen” (wegen ähnlicher Funktion und auch möglicher Übereinstimmungen bei den Füllstoffen und Bezugsmaterialien) ohne weiteres und damit durchschnittlich ähnlich.
194
c. Eine Ähnlichkeit der auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren besteht auch zu den “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 18 und 20” der angegriffenen Marke, da Warenhäuser für Baby- und Kinderausstattung, in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten, z.B. baby-walz, baby-kids-world (vgl. BGH GRUR 2014, 378, 381, Rn. 39 – OTTO CAP).
195
3. Da die Unionsmarke 009 488 701 MAMIA ebenso wie die Unionsmarke 003 419 447 MAMIA aus den unter D. 2. und 3. genannten Gründen über eine von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt und beide Zeichen eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aufweisen, ist in der Gesamtabwägung von einer markenrechtlich relevanten unmittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken auszugehen, soweit diese sich auf im Identitäts- und durchschnittlichen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen begegnen können, so dass die Markenstelle die angegriffene Marke auch insoweit zu Recht teilweise gelöscht hat.
196
F.
Widerspruch aus der Marke
1 078 671
Mamia
197
Unbegründet ist die Beschwerde auch hinsichtlich der aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 078 671 Mamia angeordneten Teillöschung der angegriffenen Marke für die Waren und Dienstleistungen
198
“Klasse 03: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder
199
Klasse 05: medizinische Badezusätze und -salze; Babywindeln; Babyhosenwindeln; Wundpuder
200
Klasse 35: Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05″.
201
1. Einer Entscheidung über den Widerspruch steht zunächst nicht entgegen, dass die angegriffene Marke für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 003 419 447 MAMIA zu löschen ist und eine weitergehende Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 078 671 Mamia nicht mehr in Betracht kommt, nachdem die Widersprechende zu 2. keine Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle eingelegt hat.
202
Zwar wird ein zulässiger Widerspruch gegen eine eingetragene Marke im Falle einer durch die Markenstelle oder das Bundespatentgericht als Beschwerdegericht angeordneten bzw. bestätigten (Teil-)Löschung aufgrund einer weiteren Widerspruchsmarke desselben oder eines weiteren Widersprechenden im Allgemeinen als (im Umfang der angeordneten Löschung) “derzeit gegenstandslos” betrachtet.
203
Der Senat hält aber eine einer Aussetzung des Widerspruchsverfahrens entsprechend § 148 ZPO gleichkommende Erklärung des Widerspruchs als “derzeit gegenstandslos” jedenfalls dann nicht für angezeigt, wenn – wie vorliegend – eine Rechtskraft der angeordneten Löschung noch nicht eingetreten ist und nach dem Sach- und Streitstand über die Widersprüche abschließend entschieden werden kann, was vorliegend möglich ist. In diesem Fall ist der Senat berechtigt und aus prozessökonomischen Gründen entsprechend § 31 Abs. 1, Abs. 2 MarkenV auch gehalten, über den Widerspruch aus der weiteren Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia in vollem Umfang zu entscheiden.
204
2. Danach hat die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang besteht, so dass die Markenstelle die angegriffene Marke insoweit zu Recht auch aufgrund des Widerspruchs aus dieser Marke gelöscht hat (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
205
a. Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass die Widersprechende zu 2. auf die seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke zulässigerweise erhobene und sich auf beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 MarkenG erstreckende Einrede mangelnder Benutzung eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke aus den bei der bis auf die Schreibweise identischen Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA genannten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zwar nicht für “Baby-Pflegetücher” – für diese kann die Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia keinen Schutz beanspruchen –, jedoch für “Einweg-Babywindeln” für beide Benutzungszeiträume hinreichend glaubhaft gemacht hat. Auf Seiten der Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia ist daher ebenso wie bei der Unionsmarke 003 419 447 MAMIA von einer rechtserhaltenden Benutzung für “Babywindeln” auszugehen.
206
b. Diese sind zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren “Babywindeln; Babyhosenwindeln” identisch. Was die übrigen insoweit von der Löschung und damit beschwerdegegenständlichen Waren “Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Badezusätze und -salze; Mittel zur Körperpflege von Kleinkindern und Babys; alle vorgenannten Waren für Babys und Kinder; medizinische Badezusätze und -salze; Wundpuder” betrifft, kann offenbleiben, ob insoweit eine von der Markenstelle angenommene und von der Inhaberin der angegriffenen Marke in Abrede gestellte durchschnittliche Ähnlichkeit besteht. Jedenfalls können sich diese Waren – wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat – insoweit ergänzen, als die vorgenannten Waren zB zur Vorbeugung der Behandlung von gereizter oder wunder Haut bei Babys, die Windeln tragen, bestimmt und geeignet sein können. Zwischen diesen Waren besteht daher jedenfalls keine ausgeprägte Warenferne, sondern eine zumindest unterdurchschnittliche Ähnlichkeit.
207
Diese reicht aber im Rahmen der Gesamtabwägung vor dem Hintergrund, dass die Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia über eine von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt und zu der angegriffenen Marke ebenfalls eine jedenfalls durchschnittliche klangliche Zeichenähnlichkeit aufweist, zur Begründung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr auch insoweit aus.
208
Etwas anderes ergibt sich insoweit nicht aus der abweichenden Schreibweise der Widerspruchsmarke 1 078 671 Mamia gegenüber der ausschließlich in Großbuchstaben eingetragenen Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA, da eine abweichende Schreibweise sich nicht auf die Beurteilung der klanglichen Zeichenähnlichkeit auswirkt.
209
Eine Verwechslungsgefahr ist dabei nicht nur für die vorgenannten Waren, sondern auch hinsichtlich der von der Löschung betroffenen “Großhandels-, Einzelhandels- und Online-Versandhandelsdienstleistungen mit Waren des täglichen Bedarfs, nämlich mit Waren der Klassen 03, 05” zu besorgen, welche aus den bei der Widerspruchsmarke 003 419 447 MAMIA genannten Gründen eine im Rahmen der Gesamtabwägung zur Begründung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausreichende Ähnlichkeit zu “Babywindeln” aufweisen.
210
G. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke war daher zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, da die Inhaberin der angegriffenen Marke keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat, auch nicht hilfsweise (§ 69 Nr. 1 MarkenG).
211
Soweit die Widersprechende zu 2. mit Schriftsatz vom 18. August 2020 weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken 1 078 671 Mamia, UM 009 488 701 MAMIA und UM 003 419 447 MAMIA eingereicht hat, sind diese nicht entscheidungserheblich, da sich eine rechtserhaltende Benutzung der vorgenannten Widerspruchsmarken im entscheidungserheblichen Umfang bereits aus den von der Widersprechenden zu 2. vor der Markenstelle eingereichten Unterlagen ergab. Die mit Schriftsatz vom 18. August 2020 eingereichten Unterlagen sind daher nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.
212
H. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.