Aktenzeichen 28 W (pat) 517/14
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 000 578
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein, die Richterin Uhlmann und den Richter am Landgericht Dr. Söchtig am 25. Juli 2016
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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DIGITAL MELTING
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ist am 29. Januar 2014 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die folgenden Waren und Dienstleistungen der
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„Klasse 7: Maschinen, insbesondere computergesteuerte Maschinen zur Herstellung von dreidimensionalen Objekten durch additive Fertigungsverfahren; Teile und Bestandteile von allen vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 7 enthalten; Zubehör für alle vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 7 enthalten.
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Klasse 9: Computerprogramme, insbesondere für die Erstellung dreidimensionaler Objekte durch additive Fertigungsverfahren; Software, insbesondere für die Steuerung von Maschinen zur Herstellung von dreidimensionalen Objekten durch additive Fertigungsverfahren; Teile und Bestandteile von allen vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten; Zubehör für alle vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten.
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Klasse 17: Kunststoffmaterial, insbesondere zur Verwendung bei der Herstellung von dreidimensionalen Objekten durch additive Fertigungsverfahren; Teile und Bestandteile von allen vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 17 enthalten; Zubehör für alle vorstehend genannten Waren, soweit in Klasse 17 enthalten.
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Klasse 40: Materialbearbeitung (Herstellung von Teilen durch additive Fertigungsverfahren); Auftragsfertigung von dreidimensionalen Objekten für Dritte, insbesondere durch additive Fertigungsverfahren; Auskünfte und Beratung in Bezug auf vorstehend genannte Leistungen, auch über das Internet (soweit in Klasse 40 enthalten).“
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angemeldet worden.
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Mit Beschluss vom 5. Mai 2014 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 7, nach vorangegangener Beanstandung vom 25. März 2014, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sowie wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
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Zur Begründung hat es in seinem Beschluss vollumfänglich auf die Ausführungen im Beanstandungsbescheid vom 25. März 2014 verwiesen, zu denen die Anmelderin sich inhaltlich nicht geäußert hat. In diesem hat es ausgeführt, das Anmeldezeichen bestehe aus dem allgemeinverständlichen Wort „digital“ und dem englischsprachigen Begriff „melting“. Dieser werde im Deutschen mit „schmelzen“ bzw. „Schmelze“ übersetzt.
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Sofern die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit „DIGITAL MELTING“ gekennzeichnet seien, stelle die Bezeichnung lediglich einen Sachhinweis auf Art, Bestimmung oder Thematik dar. So könne es sich bei Waren der Klasse 7 um Maschinen und Anlagen handeln, die der Herstellung von Produkten mit Hilfe eines digital gesteuerten Schmelzprozesses dienten. Für die Steuerung des Produktionsprozesses würden die in Klasse 9 beanspruchten Waren benötigt. Das zur Herstellung benötigte Kunststoffmaterial finde Verwendung als Formmasse in dem mit der angemeldeten Marke beschriebenen Herstellungsprozess. Die Klasse 40 enthalte Dienstleistungen unter Nutzung des beschriebenen Herstellungsverfahrens bzw. befasse sich thematisch damit.
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Dieser klar sachbeschreibende Begriffsinhalt in Bezug auf die von dem Anmeldezeichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen stehe der Eintragung des Zeichens entgegen. Die sich als Sachbezeichnung eignende Wortkombination sei im Interesse der Mitbewerber freizuhalten. Der ohne Weiteres erkennbare Sinngehalt stehe dem Verständnis des Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis entgegen.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, seinerzeit firmierend unter FIT Fruth Innovative Technologien GmbH, vom 6. Juni 2014, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 7, vom 5. Mai 2014 aufzuheben.
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Zur Begründung führt sie aus, auch wenn es sich bei dem Zeichenbestandteil „MELTING“ um die englische Bezeichnung für „das Schmelzen“ bzw. „die Schmelze“ handele, sei das Anmeldezeichen für die von ihm beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibend. Dies, da dem Begriff „DIGITAL MELTING“ kein eindeutiger Begriffsinhalt zugeordnet werden könne. Die inländischen Verkehrskreise könnten die englischsprachige Wortfolge beispielsweise mit „Digitalschmelzen“ oder aber mit „Digitales Schmelzen“ übersetzen. Unklar sei jedoch die jeweilige Bedeutung dieser Begriffe. „Digitalschmelzen“ könne beispielsweise bedeuten, dass es sich um einen Schmelzvorgang handele, der „digital“ erfolge, wobei es aber auch insoweit an der erforderlichen Klarheit fehle. „Digitalschmelzen“ könne beispielsweise die Bedeutung haben, dass der Übergang von festen in den flüssigen Aggregatszustand nicht kontinuierlich, sondern in diskreten Schritte erfolge. „Digitales Schmelzen“ könne hingegen bedeuten, dass der Fortschritt des Schmelzvorgangs auf „digitale“ Weise angezeigt werde. Allerdings könne hiermit auch ein Schmelzvorgang bezeichnet werden, der anhand digitaler (bzw. digitalisierter) Muster oder Vorlagen erfolge.
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Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, dass das Anmeldezeichen die von ihm erfassten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibe, handele es sich hierbei nicht um eine freihaltebedürftige Angabe. Da die Wortfolge „DIGITAL MELTING“ mehrere Bedeutungen aufweisen könne, sei bei einer Alleinstellung der Bezeichnung ihr Begriffsinhalt stets unklar, was der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehe.
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Auch fehle es dem Anmeldezeichen nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Markenbestandteile „DIGITAL“ und „MELTING“ jeweils für sich betrachtet schutzunfähig wären, so enthalte doch ihre Zusammenstellung in dieser Form einen fantasievollen Überschuss, so dass die Unterscheidungskraft nicht verneint werden könne. In dem Anmeldezeichen „DIGITAL MELTING“ liege schon allein wegen dessen nicht üblicher, ungewöhnlicher Zusammensetzung eine über das reine Wortverständnis hinausgehende und als Unterscheidungsmittel von Waren und Dienstleistungen dienende Aussage, die es verbiete, der Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
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Am 1. Oktober 2014 hat die F… Innovative Technologien in F… AGumfirmiert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die Beschwerde ist unbegründet, da der Eintragung des Anmeldezeichens die Schutzhindernisse sowohl der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als auch des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.
1.
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Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, Rdnr. 24 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006).
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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 – Link economy; GRUR 2009, 952, Rdnr. 10 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2001, 1143 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 – TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 – FUSSBALL WM 2006).
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Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze fehlt dem Anmeldezeichen jegliche Unterscheidungskraft.
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Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den beiden Begriffen „digital“ und „melting“ zusammen und ist im Englischen sprachüblich gebildet. Zwar mag der Begriff „digital“ mehrere Bedeutungen aufweisen, jedoch handelt es sich bei dem angemeldeten Zeichen selbst um einen Fachbegriff zur Bezeichnung von Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Objekten mittels eines Schmelzverfahrens unter Verwendung digitaler Daten (additive Fertigung), was Rechercheergebnisse des Senats belegen, welche der Beschwerdeführerin mit gerichtlichem Hinweis vom 23. Juni 2016 übersandt worden sind.
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Diese digitalen additiven Prozesse werden in Abhängigkeit der eingesetzten Rohmaterialien klassifiziert, wobei sich aus Figur 1.1 auf Seite 338 von Anlage A3 (Hinduja/Fan, Proceedings of the 35th International MATADOR Conference 2007) ergibt, dass hierunter auch Schmelzverfahren fallen.
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Der Artikel „Schicht für Schicht zum individuellen Implantat“ der Zeitschrift MED engineering (Ausgabe 11.12.2012, Anlage 1) beschreibt bereits über ein Jahr vor der Anmeldung des in Rede stehenden Zeichens additive Fertigungsverfahren auf der Basis eines 3D-Datensatzes, bei denen Metall- oder Kunststoffteile entweder mittels „Laserschmelzens“ („Laser Melting“) oder „Elektronenstrahlschmelzens“ („Electron Beam Melting“) bearbeitet werden. Das Unternehmen EOS wiederum beschreibt in seinem Artikel „Additive Fertigung, Laser-Sintern und industrieller 3D Druck – Vorteile und Funktionsprinzipien“ (unter www.eos.info – Anlage 2), dass im Rahmen des darin dargestellten additiven Fertigungsverfahrens ein starker Laserstrahl Pulver schmilzt. Aus der „Übersicht der aktuellen 3D-Druckverfahren“ (unter „www.3druck.com“, Anlage 4) ist ersichtlich, dass es sich bei dem 3D-Druck mittels geschmolzener Materialien („Fused Filament Fabrication (FFF)“ bzw. „Fused Deposition Modeling (FDM)“, um eine der populärsten Methoden des 3D-Drucks handelt. Dass die meisten 3D-Drucker sich letztgenannten Verfahrens bedienen ist schließlich Gegenstand der Veröffentlichung unter „www.flutlicht.biz“ (Anlage 5).
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Die maßgeblichen inländischen Fachkreise verstehen daher das angemeldete Zeichen „DIGITAL MELTING“ als einen Fachbegriff für additive Fertigungsverfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Objekten mit Hilfe digitaler Daten zur Steuerung eines Schmelzvorgangs.
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Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft steht der Eintragung des Anmeldezeichens für sämtliche von der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen entgegen.
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Dies gilt zunächst für die Waren der Klasse 7, da das Anmeldezeichen dazu geeignet ist, den konkreten Verwendungszweck der in dieser Klasse genannten „Maschinen“ (resp. „Teile“ sowie „Zubehör“ derselben) zu beschreiben. Entsprechend verhält es sich auch hinsichtlich der in Klasse 9 beanspruchten „Computerprogramme“ bzw. entsprechender „Software“ (resp. „Teile“ sowie „Zubehör“ derselben). Das in Klasse 17 beanspruchte „Kunststoffmaterial“ (resp. „Teile“ sowie „Zubehör“ desselben) kann wiederum zur Herstellung entsprechender Objekte mittels eines „digitalen Schmelzverfahrens“ verwendet werden. Für die „Materialbearbeitung“ bzw. die „Auftragsfertigung von dreidimensionalen Objekten für Dritte“ (Klasse 40) kann das Zeichen auf die Art der Materialbearbeitung bzw. der Auftragsfertigung mittels eines „digitalen Schmelzverfahrens“ hinweisen. Die darüber hinaus in der nämlichen Klasse beanspruchten Dienstleistungen „Auskünfte und Beratung“ können sich wiederum auf den vorgenannten Herstellungsprozess beziehen, weshalb das Anmeldezeichen insoweit als Gegenstandsangabe anzusehen ist.
2.
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Auf Grund des rein beschreibenden Charakters des Anmeldezeichens für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen steht der Eintragung darüber hinaus auch das Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) entgegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf obige Ausführungen verwiesen.
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Lediglich ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte – vermeintliche – Mehrdeutigkeit des Anmeldezeichens an vorstehend Gesagtem nichts zu ändern vermag. Bei Vorliegen einer Mehrdeutigkeit einer Wortzusammensetzung ist diese nämlich auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR, 2003, 450 – DOUBLEMINT), wovon vorliegend auszugehen ist (s. o.).