Aktenzeichen 26 W (pat) 571/18
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2017 102 021.3
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. August 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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FLEXI-GURT
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ist am 28. Februar 2017 unter der Nummer 30 2017 102 021.3 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 18: Gepäck, Taschen, Brieftaschen; Bauch-, Hüft- und Taillentaschen, Taschen und Beutel zum Tragen am Bauch, an der Hüfte oder an der Taille, Beuteltaschen, Freizeittaschen, Gurttaschen, Gurtbeutel, Gürteltaschen, Mehrzweck-sporttaschen, Sportbeutel, Sporttaschen, Taschen und Beutel zur Aufbewahrung von Schlüsseln und anderen persönlichen Dingen, Taschen und Beutel mit einem Tragegurt, Umhängetaschen, am Körper getragene Taschen und Beutel, Taschen und Beutel mit Startnummernhalter;
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Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Gepäck, Taschen, Brieftaschen, Bauch-, Hüft- und Taillentaschen, Taschen und Beutel zum Tragen am Bauch, an der Hüfte oder an der Taille, Beuteltaschen, Freizeittaschen, Gurttaschen, Gurtbeutel, Gürteltaschen, Mehrzwecksporttaschen, Sportbeutel, Sport-taschen, Taschen und Beutel zur Aufbewahrung von Schlüsseln und anderen persönlichen Dingen, Taschen und Beutel mit einem Tragegurt, Umhängetaschen, am Körper getragene Taschen und Beutel, Taschen und Beutel mit Startnummernhalter.
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Mit Beschluss vom 27. August 2018 hat die Markenstelle für Klasse 18 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Bestandteil “FLEXI” als umgangssprachliche Abkürzung des Wortes “flexibel” für “biegsam, elastisch, beweglich, anpassungsfähig” leicht erkennbar sei. Unter einem “Gurt” sei ein starkes, breites Band zum Halten/Tragen oder ein breiter Gürtel zu verstehen. Der Verkehr entnehme dem Anmeldezeichen, dass die damit gekennzeichneten Waren über einen Gurt verfügten, der flexibel in der Länge eingestellt oder individuell an den Bauch- oder Taillenumfang des Trägers angepasst werden könne. Damit handele es sich um eine reine Beschaffenheits- und Eigenschaftsangabe. Bei den Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 besage die angemeldete Wortkombination lediglich, dass diese Waren zum Kauf angeboten würden. Die beiden vom Anmelder genannten Wortmarken “FLEXI” (978954) und “Flexi” (301 56 434) seien vor fast 20 bzw. 40 Jahren eingetragen worden, so dass sie nach heutiger Rechtsprechung und Eintragungspraxis vielleicht anders beurteilt würden. Im Übrigen stünden diesen beiden Voreintragungen mehr als 20 rechtskräftig zurückgewiesene Wortmarken mit dem Bestandteil “flexi” oder mit “flexi” in Alleinstellung gegenüber.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, die angemeldete Wortkombination sei grammatikalisch ungewöhnlich, aufgrund des Bindestrichs unüblich und lexikalisch nicht nachweisbar. Diese Wortneuschöpfung sei den inländischen Verkehrskreisen nicht geläufig und weise keinen verständlichen Bedeutungsgehalt auf. Wegen der typischerweise für Verniedlichungen verwendeten Endung auf “i” werde “FLEXI” lediglich als humorvolle Anspielung auf das Wort “flexibel” verstanden. Weder der Bestandteil “FLEXI” noch das Element “GURT” beschrieben Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, so dass kein Freihaltebedürfnis bestehe. Zum Verständnis eines “flexiblen GURTes” gelange der Verkehr erst durch mehrere gedankliche Zwischenschritte. Im Hinblick auf eine gewisse Originalität und Prägnanz komme dem Anmeldezeichen daher ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu.
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Der Anmelder beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des DPMA vom 27. August 2018 aufzuheben.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Mai 2020 ist der Beschwerdeführer unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 7, Bl. 24 – 70 GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens “FLEXI-GURT” als Marke steht in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher im Ergebnis zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert keinen weiteren Nachweis, dass und in welchem Umfang das fragliche Zeichen bereits im Verkehr bekannt ist oder bereits tatsächlich zur Beschreibung der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen verwendet wird. Vielmehr genügt es, dass es zu diesen Zwecken verwendet werden kann (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 30 – Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT, GRUR 2004, 674 Rdnr. 98 – Postkantoor; GRUR 2010, 534 – PRANAHAUS). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT).
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Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 23 – 25 – Bostongurka; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht das angemeldete Wortzeichen “FLEXI-GURT” ausschließlich aus einer zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 18 und 35 geeigneten Angabe.
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aa) Von den vorstehend genannten Produkten und Diensten werden sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch Händler von Gepäckwaren, Taschen und ähnlichen am Körper getragenen Behältnissen angesprochen.
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bb) Das Anmeldezeichen setzt sich – durch den Bindestrich unmittelbar erkennbar – aus den beiden Bestandteilen “FLEXI” und “GURT” zusammen.
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aaa) Das Element “FLEXI” hat sich lexikalisch zwar nicht als Abkürzung des vom lateinischen “flexibilis” abstammenden Adjektivs “flexibel” im Sinne von “biegsam, elastisch, an veränderte Umstände anpassungsfähig, beweglich, veränderbar” und/oder des zugehörigen Substantivs “Flexibilität” mit den Bedeutungen “flexible Beschaffenheit; Biegsamkeit, Elastizität; Fähigkeit des flexiblen, anpassungsfähigen Verhaltens” belegen lassen (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, S. 619; Wahrig, DEUTSCHES WÖRTERBUCH, 7. Aufl. 2002, S. 483, Anlagenkonvolut 1 zum gerichtlichen Hinweis). Deren geläufige Abkürzung ist vielmehr “flex.” (vgl. Duden, Das Wörterbuch der Abkürzungen, 6. Aufl. 2011, S. 167; BPatG 25 W (pat) 552/17 – Flexcheck; 24 W (pat) 518/13 – Sani-Flex). Die einzigen weiteren Wörter mit dem Beginn “Flexi”, die in den Standardwörterbüchern verzeichnet sind, gehören zur Wortfamilie des sprachwissenschaftlichen und medizinischen Begriffs “Flexion” und haben damit im Bereich der hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Relevanz (Duden, a. a. O.; Wahrig, a. a. O.). Jedoch enthält “FLEXI” den charakteristischen Anfangswortstamm des geläufigen deutschen Eigenschaftswortes “flexibel” und dessen Wortfamilie “Flexibilität” und “Flexibilisierung”. Deshalb ist es in der Alltagssprache als Kurzform für das Adjektiv “flexibel” schon vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 28. Februar 2017, verwendet worden, z. B. in der offiziellen Benennung eines Gesetzgebungsvorhabens:
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“Das Flexirentengesetz – Mit Veröffentlichung des Flexirentengesetzes im Bundesgesetzblatt (BGBl.) vom 13.12.2016 haben die Bemühungen der Koalitionsparteien, einerseits das flexible Arbeiten …” (RVaktuell 1/2017, S. 7, s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis),
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im Bildungsbereich:
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“Experten halten ,Flexi-Abitur‘ nicht für praxistauglich – Mit ihrem Vorschlag zur flexiblen Schulzeit erntet Schulministerin … viel Kritik. … Vor allem an der praktischen Umsetzbarkeit einer flexiblen und individuell gestalteten Schulzeit zweifeln die Professoren. … Eine flexible Oberstufe … sei hingegen sinnvoll. …” (16. September 2016, https://www.derwesten.de, s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis),
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aber auch im Zusammenhang mit Schultaschen:
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– “Hoher Tragekomfort trifft auf flexible Details: Wie gut schneidet der Flexi Plus Schulranzen von Herlitz im Test 2016 ab?” (www.schultaschen-ratgeber.info/schulranzen/marken/herlitz/testbericht-flex-plus/, s. Anlagen-konvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis),
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und in Verbindung mit der Sicherung von Gepäck im Laderaum eines Autos:
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– ” … Schon bei der Premiere im Jahr 1993 stellte der freche Renault Twingo … die Welt auf den Kopf. … erfreut mit großzügigen Platzverhältnissen. … verfeinert … mit dem innovativen Flexicase-System. Das clevere Ablagesystem … bietet Platz … Die flexible Gepäcksicherung gehört zum Flexicase Programm und sorgt dafür, dass auch auf langen Touren alles an seinem Platz bleibt. …” (https://blog.renault.de/ich-packe-meinen-twingo-und-nehme-mit/, s. Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis).
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bbb) Das aus dem Mittelhochdeutschen stammende Substantiv “Gurt” hat im Zusammenhang mit Tragebehältnissen die Bedeutung “[umgeschnalltes] starkes, breites Band zum Halten, Tragen o.Ä.” oder “breiter Gürtel [einer Uniform]”. Synonyme sind die Begriffe “Band, Gürtel, Koppel” (s. Anlagenkonvolut 5 zum gerichtlichen Hinweis; https://www.duden.de/rechtschreibung/Gurt).
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cc) In seiner Gesamtheit ist das Anmeldezeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 28. Februar 2017, im Sinne von “flexibler Gurt”, “veränderbares starkes, breites Band” oder “biegsamer, elastischer Gürtel” verstanden worden.
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dd) Damit hat es sich bereits vor dem Anmeldetag in einer schlagwortartigen Sachaussage über die Beschaffenheit und den Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft.
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aaa) Bei den mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Taschen und Beuteln der Klasse 18
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“Gepäck, Taschen, Brieftaschen; Bauch-, Hüft- und Taillentaschen, Taschen und Beutel zum Tragen am Bauch, an der Hüfte oder an der Taille, Beuteltaschen, Freizeittaschen, Gurttaschen, Gurtbeutel, Gürteltaschen, Mehrzwecksporttaschen, Sportbeutel, Sporttaschen, Taschen und Beutel zur Aufbewahrung von Schlüsseln und anderen persönlichen Dingen, Taschen und Beutel mit einem Tragegurt, Umhängetaschen, am Körper getragene Taschen und Beutel, Taschen und Beutel mit Startnummernhalter”
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geht der angesprochene Verkehr davon aus, dass sie mit einem Gurt ausgestattet sind, dessen Länge aufgrund elastischen Materials, über einen Regulierer oder auf andere Weise variiert werden kann oder dessen Flexibilität darin besteht, dass er sich aufgrund biegsamen Materials und/oder besonderer Form an den Körper anpassen kann. Die Flexibilität von Gürteln und Gurten ist schon vor dem Anmeldezeitpunkt besonders angepriesen worden (s. Anlagenkonvolut 6 zum gerichtlichen Hinweis):
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– “Eagle Creek UNDERCOVER MONEY BELT DLX Unisex – Wertsachenaufbewahrung” … Flach, unauffällig anschmiegsam – Angenehm zu tragende Dokumenten- und Geldtasche, die wichtige Reisedokumente unsichtbar unter deiner Kleidung verbirgt. Der elastische Bauchriemen ist ungedehnt maximal 100 cm lang. … mit folgender Kundenbewertung: “27.02.2015 … Flexibler Gurt, die beiden RV Fächer haben noch Unterteilungen.” (www.gobetrotter.de/eagle-creek-wertsachenaufbewahrung-unisex-undercover-m…);
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– “… KOFFERBAND: Flexibel einstellbar mit einer Länge von 184 cm, geeignet für jegliche Form von Gepäck bei der Reise … Im Angebot von Amazon.de seit: 12. Dezember 2016” (www.amazon.de/SET-Kofferband-Koffergurt-Kofferanhänger-Adressschild/dp/B01…);
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– ” … SINOKAL Gepäck Gürtel wurde aus 100% Polyester Gewebe, flexibel, robust, bunt und einzigartiges Design … Im Angebot von Amazon.de seit: 30. Oktober 2016″ (www.amazon.de/Gepäckgurt-SINOKAL-Kofferband-Farbenfroh-Koffergurt/dp/B01M…);
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– ” … Calligurt, der flexible Schultergurt. … Wer viel unterwegs ist und dabei stets seinen Laptop dabei hat, kennt sicher das Problem, dass ständig der Tragegurt der Laptoptasche am Boden hängt, wenn man die Tasche abstellt. … Der Calligurt besitzt eine Abrollvorrichtung, die den Tragegurt automatisch einrollt, sobald man die Tasche abstellt (www.trnd.com/de/toptrnd/calligurt?page = …, mit Kommentar von “D… vor 8 Jahren”).
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Bei den beanspruchten tragbaren Aufbewahrungsbehältnissen spielt die Anpassbarkeit des Gurtes an Gepäckgut unterschiedlicher Formen und Ausmaße oder an die Bedürfnisse des Trägers mit seiner individuellen Statur und seinen Tragegewohnheiten eine wichtige Rolle. Da alle angemeldeten Taschen und Beutel mit Gurten am Körper getragen oder befestigt werden (können) (z. B. Tragegurte, Bauchgurte) oder mit Gurten verschlossen oder zusammengeschnürt werden (können) (z. B. Koffergurte), eignet sich das Anmeldezeichen zur unmittelbaren Beschreibung einer Eigenschaft der in Rede stehenden Waren der Klasse 18.
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bbb) Hinsichtlich der in Klasse 35 beanspruchten Einzelhandelsdienstleistungen mit den vorgenannten identischen Waren der Klasse 18 weist die angemeldete Wortkombination nur auf deren Gegenstand bzw. die Art der gehandelten Waren hin, nämlich auf ein spezialisiertes Sortiment von Produkten mit flexiblen Gurten.
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ccc) Da die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es für die Begründung des Eintragungshindernisses wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang das angemeldete Wortzeichen als beschreibende Angabe bereits vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt war oder verwendet wurde. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass das Zeichen diesem Zweck dienen kann.
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ee) Soweit das Anmeldezeichen die genaue Art der Flexibilität (Verstellbarkeit, Dehnbarkeit, Multifunktionsfähigkeit) offen lässt, vermag dies nichts an der Eignung zur Merkmalsbezeichnung zu ändern. Denn die Annahme einer beschreibenden Bedeutung setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten).
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ff) Auch wenn es sich bei dem Anmeldezeichen um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es an einer ungewöhnlichen Änderung, die hinreichend weit von der unmittelbar beschreibenden Merkmalsangabe wegführt. Wie die Begriffsbeispiele “Flexi-Rente” oder “Flexi-Abitur” zeigen, sind Wortbildungen mit der vorangestellten Kurzform “Flexi” und einem nachgestellten Substantiv sprachüblich gebildet. Die Schreibweise mit Bindestrich stellt schon deshalb keine Besonderheit dar, weil dieser zum einen nur die Zweiteiligkeit der Wortkombination hervorhebt und zum anderen anzeigt, dass ein Wortteil ausgelassen wurde, nämlich die Endung “bler” des Adjektivs für den ausgeschriebenen Gesamtbegriff “FLEXIBLER GURT” (https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/bindestrich). Auch die durchgehende Großschreibung kann keine Ungewöhnlichkeit bewirken, weil der Verkehr an die willkürliche und nicht den grammatikalischen Regeln folgende Groß- und Kleinschreibung von Wörtern in der Werbung gewöhnt ist (BGH GRUR 2008 710 Rdnr. 20 – VISAGE; BPatG 30 W (pat) 56/12 – IRLAB; 26 W (pat) 528/17 – EASYQUICK).
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2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 1 MarkenG die Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen fehlt.
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3. Schließlich rechtfertigen auch die vom Beschwerdeführer angeführten Voreintragungen keine andere Beurteilung.
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Abgesehen davon, dass die am 21. November 1978 erfolgte Eintragung der Wortmarke “FLEXI” (978954) und die am 3. Dezember 2001 vorgenommene Registrierung der Wortmarke “Flexi” (301 56 434) mehrere Jahrzehnte zurückliegen, in denen sich sowohl die Rechtsprechung als auch das Verkehrsverständnis geändert haben, sind diese Voreintragungen für Waren u. a. der Klasse 18 schon vom Aufbau her nicht vergleichbar, weil sie nur über das Element “flexi” in Alleinstellung, nicht aber auch über den erläuternden Zusatz “Gurt” verfügen.