Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Flügelsymbol (Bildmarke)/Flügelsymbol (Unionsbildmarke)” – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne

Aktenzeichen  28 W (pat) 518/19

Datum:
6.11.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:061119B28Wpat518.19.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
§ 125b Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markeneintragung 30 2016 024 973
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schwarz und des Richters Dr. Söchtig
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bildmarke
2
ist am 23. August 2016 angemeldet und am 5. Oktober 2016 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für nachfolgende Waren eingetragen worden:
3
Klasse 3:
4
Parfümeriewaren; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarwässer;
5
Klasse 14:
6
Edelmetalle und deren Legierungen; Juwelierwaren; Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren; Zeitmessinstrumente;
7
Klasse 25:
8
Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen.
9
Gegen diese Eintragung, die am 4. November 2016 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin am 20. Januar 2017 aus ihrer am 12. November 1998 eingetragenen Unionsbildmarke 225 714
10
Widerspruch eingelegt. Die Beschwerdeführerin hat ihren Widerspruch dahingehend beschränkt, dass er sich nur gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 14 richtet. Die Widerspruchmarke ist für die nachfolgenden Waren eingetragen:
11
Klasse 9:
12
Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, elektrische, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Brillen und Brillengestelle;
13
Klasse 14:
14
Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmeßinstrumente.
15
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 14, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 29. Oktober 2018 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den sich gegenüberstehenden Waren der Klasse 14 bestehe Identität. Ferner verfüge die Widerspruchsmarke über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Soweit die Beschwerdeführerin auf Grund einer fast 130 Jahre andauernden Benutzung und Bewerbung eine daraus resultierende Bekanntheit und eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft ihrer Widerspruchsmarke geltend gemacht habe, könne dem nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin habe nämlich nur Unterlagen vorgelegt, die eine Verwendung des Unternehmenskennzeichens oder der Wort-/Bildmarke „Longines“ in Kombination mit der Widerspruchsmarke erkennen ließen. Zwar könne eine Marke eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit grundsätzlich auch durch Benutzung als Teil einer anderen Marke erlangen. Hiervon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, da sich die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen nur auf die Gesamtbezeichnung bezögen.
16
Soweit sich die Beschwerdegegnerin auf eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke berufen habe, da die Flügeldarstellungen verbraucht seien, könne dies im Ergebnis dahinstehen, da auch bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.
17
Die grafischen Elemente der Vergleichsmarken differierten beträchtlich. Zwar stellten beide Marken Flügelelemente im weitesten Sinne dar, jedoch gingen diese bei der Widerspruchsmarke ineinander über und seien flacher herausgearbeitet sowie am äußeren Rand vierfach abgesetzt, während die jüngere Marke drei jeweils breitere und deutlich abgegrenzte Federpaare erkennen lasse. Der auffälligste Unterschied bestehe in dem zentralen Bestandteil, welcher bei der angegriffenen Marke ein schwarzes Dreieck mit drei weißen, in der Mitte sich treffenden und einen Propeller andeutenden Linien, bei der älteren Marke hingegen eine stilisierte Sanduhr darstelle. Auch wenn man darin keine Sanduhr zu erkennen vermöge, weiche die Darstellung des Vierecks mit einem zentralen Andreaskreuz, dessen Linien horizontal mit zwei weiteren, parallel zur Außenlinie verlaufenden Strichen verbunden seien, deutlich von der Grafik der jüngeren Marke ab, weshalb eine visuelle Verwechslung ausgeschlossen werden könne und zwar auch, worauf sich die Widersprechende berufe, bei sehr kleinen Wiedergaben wie auf dem Ziffernblatt eine Uhr.
18
Angesichts der erheblich divergierenden zentralen grafischen Elemente sei auch kein identischer Sinngehalt ersichtlich, nach dem beide Bildzeichen benannt werden könnten.
19
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 27. November 2018. Sie trägt vor, die ursprünglich normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch eine jahrzehntelange und intensive weltweite Benutzung, insbesondere auch in Deutschland, erheblich gesteigert worden. Die Widerspruchsmarke werde in enger Verbindung mit der Wortmarke „LONGINES“ und in der Regel räumlich unter dieser verwendet, was die vorgelegten Unterlagen belegten. Bereits mit der Widerspruchsbegründung seien in Form der Anlagen W 1 bis W 6 zahlreiche Unterlagen vorgelegt worden, aus denen die große Bekanntheit der Marke „LONGINES“ für Uhren ersichtlich und zugleich die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke abzuleiten sei. Ausweislich der sogenannten Outfit-Studien des Spiegel-Verlages, die als Anlagen W 1 bis W 3 dem Schriftsatz vom 6. Juni 2017 beigefügt waren, lägen die Bekanntheitswerte des Wortzeichens bzw. seiner Kombination mit dem Bildzeichen in den Jahren 2001, 2007 und 2013 bei 38 %, 39,9 % und 46,6 %. Es träfe zwar zu, dass sich im Unterschied zu der Studie aus dem Jahr 2001 (vgl. Anlage W 1) die beiden Untersuchungen aus den Jahren 2007 und 2013 (vgl. Anlagen W 2 und W 3) nicht ausdrücklich auch auf die Kombination aus Wort- und Bildzeichen bezögen. Dennoch ließen die verschiedenen Studienergebnisse in der Gesamtschau nur den Schluss zu, dass auch das Bildzeichen als solches in Deutschland zumindest eine erhebliche Bekanntheit genieße. Bei einem Wort, welches stets zusammen mit einem bestimmten Bild benutzt werde, könne es nicht anders sein, als dass die Bekanntheit des Wortzeichens die Bekanntheit auch des Bildzeichens zur Folge habe. Nicht zuletzt werde die Widerspruchsmarke auch in Alleinstellung verwendet und sei als solche bekannt. Im Ergebnis sei der Widerspruchsmarke daher eine erheblich erhöhte Kennzeichnungskraft beizumessen.
20
Die sich gegenüberstehenden Waren der Klasse 14 seien identisch.
21
Darüber hinaus sei auch von einer hochgradigen Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Deren Gesamteindruck werde jeweils geprägt durch ein stark abstrahiertes Formengebilde, bei dem der Betrachter in beiden Fällen eine Assoziation zu Flügeln herstellen dürfte. Bei beiden Marken seien die Flügel jedoch so abstrahiert, dass es sich nicht um eine auch nur an eine realistische Darstellung angelehnte Grafik handele. Bei beiden Marken würden rechteckige Formen untereinander gereiht, die an den Enden abgeschrägt seien und sich in ihrer Länge nach unten hin verjüngten. Weiterhin prägend sei, dass beide Bildmarken in ihrem Mittelpunkt eine geometrische Form aufwiesen, die durch Linien, die genau zu den Ecken der Form reichten, unterteilt seien. Beide die Flügel unterteilenden Elemente seien abstrakt und wiesen keine figurative Form auf. Sie seien nicht nur von ihrem Charakter, also der abstrakten, auf geometrische Formen zurückgehenden Machart gleich, sondern auch unmittelbar verwechslungsfähig.
22
Die beiden Marken seien nicht nur bei einem Vergleich der Formen als solcher hochgradig ähnlich, sondern auch bei einem Vergleich der hierdurch naheliegend hervorgerufenen Assoziationen. Der Betrachter sehe einmal ein abstraktes Flügelpaar mit einem Dreieck mit Trennstrichen und einmal ein abstraktes Flügelpaar mit einem Viereck mit Trennstrichen. Der Gedanke an die Front einer Propellermaschine liege somit in beiden Fällen nahe.
23
Selbst wenn man, unzutreffenderweise, eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ablehnen wollte, bestünde die Gefahr einer gedanklichen Verknüpfung der beiden Bildmarken. Durch die bereits dargestellte Ähnlichkeit der Marken werde der Eindruck hervorgerufen, dass zwischen den Inhabern eine (organisatorische, geschäftliche oder wirtschaftliche) Verbindung bestehe.
24
Abschließend weist die Beschwerdeführerin noch darauf hin, dass die 5. Beschwerdekammer der EUIPO in einem korrespondierenden Verfahren eine zuvor ergangene gegenteilige Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufgehoben habe und die jüngere Markenanmeldung für sämtliche Waren der Klasse 14 zurückgewiesen habe (vgl. Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 14. August 2019).
25
Die Beschwerdeführerin beantragt,
26
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 29. Oktober 2018 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke DE 30 2016 024 973 für die Waren der Klasse 14 auf Grund des Widerspruchs aus der Marke UM 225 714 anzuordnen.
27
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
28
die Beschwerde zurückzuweisen.
29
Sie verweist auf den in einem Parallelverfahren ergangenen Beschluss des Senats in der Sache 28 W (pat) 528/18. Ferner führt sie aus, die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Entscheidung des EUIPO überzeuge nicht, weshalb sie gegen diese auch mittlerweile Klage beim Gericht der Europäischen Union erhoben habe. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die Klagschrift gemäß der Anlage LSG 5 zum Schriftsatz vom 16. Oktober 2019.
30
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
31
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem angegriffenen Beschluss eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG zwischen den Vergleichsmarken verneint.
32
1. Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 – PICARO/PICASSO; BGH GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 ESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2012, 1040, Rdnr. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235, Rdnr. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905, Rdnr. 12 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859, Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60, Rdnr. 12 – coccodrillo m. w. N.). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. – Barbara Becker; GRUR Int. 2010, 129, Rdnr. 60 – Aceites del Sur-Coosur SA/Koipe Corporación SL; BGH GRUR 2013, 833, Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; a. a. O. – pjur/pure).
33
Für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Bildmarken gelten die allgemeinen Grundsätze. Sie können dann als ähnlich angesehen werden, wenn zum einen hinreichende Gemeinsamkeiten in der konkreten bildlichen Ausgestaltung zu unmittelbaren Verwechslungen führen können. Zum anderen kann ein den Vergleichsmarken innewohnender identischer Sinngehalt dazu führen, dass die Marken im Verkehr gleich benannt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, 2019, § 9, Rdnr. 316).
34
Ausgehend von diesen Grundsätzen stehen sich die Vergleichsmarken nicht in verwechslungsfähiger Art und Weise gegenüber.
35
2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
36
Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen. Beschreibende Anklänge der Marke in Verbindung mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie Schutz beansprucht, können die originäre Kennzeichnungskraft zwar schwächen. Bedarf es einiger Überlegungen, um den beschreibenden Gehalt der Marke zu erkennen, scheidet allerdings im Regelfall eine Reduzierung der Kennzeichnungskraft wegen einer Anlehnung an einen beschreibenden Begriff aus (vgl. BGH GRUR 2017, 75 – Wunderbaum II).
37
Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen vermögen eine Steigerung der von Hause aus bestehenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht zu belegen.
38
Alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Anlage W 5 zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 6. Juni 2017, betreffen das Wortzeichen „LONGINES“ in Alleinstellung oder in Kombination mit der Widerspruchsmarke, nicht jedoch letztgenannte in Alleinstellung. Die Ausführungen in der Anlage W 5 lassen wiederum keine Rückschlüsse auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft gerade der Widerspruchsmarke (dort als „geflügelte Sanduhr“ bezeichnet) zu, da sie sich nicht mit der Frage ihrer Bekanntheit in Alleinstellung befassen. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Outfit-Studien des Spiegel-Verlages (vgl. Anlagen W 1 bis W 3 zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 6. Juni 2017) haben nicht die Widerspruchsmarke in Alleinstellung zum Gegenstand, so dass aus ihnen keine Rückschlüsse auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft gezogen werden können. Soweit die Beschwerdeführerin einen solchen Rückschluss mittels eines „prozentualen Sicherheitsabschlages“ herzustellen versucht hat, wird dies durch keine nachvollziehbaren sachlichen Feststellungen getragen. Wird eine Marke lediglich als Teil einer Gesamtbezeichnung benutzt, haben sich nicht direkt auf die Marke beziehende Darlegungen zum Marktanteil, zu Umsätzen oder zur Werbung lediglich eine sehr eingeschränkte Aussagekraft. In diesem Fall ist es daher unerlässlich, die behauptete Verkehrsbekanntheit durch eine methodisch korrekt durchgeführte demoskopische Untersuchung zu untermauern (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., 2018, § 9, Rdnr. 170). Die Vorlage einer solchen Verkehrsbefragung ist die Beschwerdeführerin jedoch schuldig geblieben, so dass nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden kann.
39
3. Die verfahrensgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke in Klasse 14 und die Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 14 sind identisch.
40
4. Die miteinander zu vergleichenden Marken sind nicht unmittelbar verwechselbar.
41
Vorliegend stehen sich die angegriffene Marke
42
und die Widerspruchsmarke
43
gegenüber.
44
Vorab ist anzumerken, dass der Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen Fachleute wie auch mit Schmuck und Uhren vertraute Durchschnittsverbraucher gehören, hoch ist, da es sich bei den verfahrensgegenständlichen Waren regelmäßig um sehr hochpreisige Produkte handelt (vgl. hierzu BeckOK Markenrecht, 19. Edition, Stand: 01.10.2019, § 14, Rdnr. 342).
45
a) Auch, wenn beide Marken im Wesentlichen Flügelsymbole darstellen, weisen sie doch signifikante Unterschiede auf, die der Annahme einer bildlichen Ähnlichkeit entgegenstehen.
46
So befindet sich in der Widerspruchsmarke mittig ein weißes mit schwarzen Strichen durchzogenes zweidimensional erscheinendes Viereck, das aus zwei mal zwei jeweils verschieden großen Dreiecken und zwei gleich großen Vierecken besteht. Es soll laut den Ausführungen in der Anlage W 5 zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 6. Juni 2017 eine Sanduhr darstellen. Demgegenüber tritt in der Mitte der angegriffenen Marke ein schwarzes mit weißen Linien versehenes Dreieck hervor, welches wiederum in drei gleich große Dreiecke gegliedert ist, die in ihrer Gesamtheit einen dreidimensionalen, jedoch nicht an eine Sanduhr erinnernden Eindruck hervorrufen. Des Weiteren setzen die Flügel in der Widerspruchsmarke mittig links sowie rechts am Viereck an und breiten sich dann nach oben soweit aus, dass sie das Viereck überdecken. Im Gegensatz dazu sind in der angegriffenen Marke die Flügel an der unteren Spitze des Dreiecks und neben ihm angeordnet. Schließlich weist die Widerspruchsmarke auf jeder Seite jeweils vier schmal gehaltene miteinander verbundene Flügelschwingen auf. Dagegen enthält die jüngere Marke seitlich vom Dreieck jeweils drei breit und getrennt dargestellte Flügelschwingen. Diese Unterschiede fallen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Vergleichsmarken deutlich auf.
47
b) Auch eine Ähnlichkeit im Sinngehalt scheidet vorliegend aus.
48
Ausgehend von dem Grundsatz, dass aus schutzunfähigen Elementen keine Rechte hergeleitet werden dürfen, reicht die Gemeinsamkeit eines die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Motivs für die Annahme einer Ähnlichkeit nicht aus. Vielmehr ist der Schutz insoweit auf die jeweilige besondere Bildwirkung beschränkt. Entsprechendes gilt für Motive, die zwar ohne erkennbaren Sachbezug zu den Waren und Dienstleistungen stehen, gleichwohl aber wegen allgemeinen Gebrauchs als abgegriffen und verbraucht angesehen werden müssen. Auch insoweit besteht Schutz nur für die besondere Art der Darstellung, wobei selbst geringfügige Abweichungen ausreichen können, wenn der Verkehr durch einen vielfältigen Gebrauch von Abbildungen des fraglichen Motivs genötigt und gewöhnt ist, besonders auf Unterschiede zu achten. (vgl. BPatG 26 W (pat) 28/12 – Destillationsapparat, abrufbar unter „www.juris.de“).
49
Die Verwendung von Flügelmotiven ist auf dem Uhrenmarkt üblich, worauf die Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrem Schriftsatz vom 22. Mai 2018 unter Angabe einer Vielzahl von entsprechenden Verwendungsformen zutreffend hingewiesen hat. Auch unterscheiden sich die Vergleichsmarken deutlich, was bereits ausgeführt worden ist. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines identischen Sinngehaltes auf Grund der beiderseitigen Verwendung eines „Flügelsymbols“ würde einen Motivschutz begründen. Ein solcher ist dem deutschen Recht hingegen fremd (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 314 und 318).
50
5. Auch die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne scheidet vorliegend aus. Hierfür ist es nicht ausreichend, dass ein Zeichen geeignet ist, Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen zu wecken. Vielmehr müssen weitere besondere Umstände vorliegen, die dem Verkehr die Annahme von wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen nahelegen. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist daher grundsätzlich erforderlich, dass sich die ältere Marke zu einem im Verkehr bekannten Unternehmenskennzeichen entwickelt hat (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9, Rdnr. 538 f). Hiervon kann jedoch auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen nicht ausgegangen werden, da sie – wie oben ausgeführt – keine Hinweise darauf enthalten, dass die Widerspruchsmarke auf die Inhaberin der älteren Marke in besonderem Maße hinweist.
51
6. Ob und inwieweit das EUIPO in seiner von der Beschwerdeführerin vorgelegten Entscheidung in einem Parallelverfahren eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken bejaht hat, ist für vorliegendes Verfahren ohne Relevanz, da insoweit keine Bindungswirkung besteht. Im Übrigen hat die Beschwerdegegnerin diese Entscheidung mittels einer Klage zum Gericht der Europäischen Union angefochten, so dass die Entscheidung des EUIPO nicht in Rechtskraft erwachsen ist.
52
7. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

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