Aktenzeichen 26 W (pat) 503/20
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 004 637.0
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. August 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Das Wortzeichen
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Ginberry
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ist am 26. Februar 2019 unter der Nummer 30 2019 004 637.0 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren der Klassen 30, 32 und 33 angemeldet worden.
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Mit Beschluss vom 12. November 2019 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren der
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Klasse 30: Pralinen mit und ohne Füllung;
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Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).
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Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete englischsprachige Wortkombination, bestehend aus der Bezeichnung „Gin“ für eine meist farblose Spirituose mit Wacholder (Wacholderbranntwein) und „berry“ für Beere, lasse sich insgesamt übersetzen mit „Beeren-Gin“ oder „Gin mit Beeren“. Die allgemeinen Verbraucherkreise würden darunter mit Beerenobstbestandteilen, -auszügen oder -geschmacksstoffen versehene alkoholische Getränke bzw. Pralinen mit einer entsprechenden alkoholischen Füllung verstehen. Diese eindeutige Sachaussage über Art und Beschaffenheit der zurückgewiesenen Waren, die analog zu den bekannten alkoholischen Getränken „GinSour“ oder „GinTonic“ sprachüblich gebildet sei, weise nicht die notwendige Unterscheidungskraft auf.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie vertritt die Ansicht, das Anmeldezeichen sei eine ungewöhnliche und interpretationsbedürftige Wortneuschöpfung, weil es allenfalls mit „Ginbeere“ zu übersetzen sei, die es nicht gebe. Als vager, mehrdeutiger und phantasievoller Begriff für Verbraucher ohne englische Sprachkenntnisse sei es daher nicht warenbeschreibend. Eine Sachaussage habe die Markenstelle lediglich in mehreren Gedankenschritten ermittelt, was unzulässig sei. Die beanspruchte Wortkombination weise genauso wie „Baby-Dry“ (EuGH GRUR 2001, 1145), „DOUBLEMINT“ (EuG T-193/99), „Multiflux“ (30 W (pat) 66/16), „MICROMASTER“ (30 W (pat) 512/12) und „pedifit“ (25 W (pat) 94/12) eine der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung auf, die zudem kein bekannter Ausdruck der englischen Sprache sei. Ferner sei die Unionswortmarke „GINBERRY“ (002 784 791) im Jahre 2004 eingetragen worden.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 12. November 2019 aufzuheben.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 22. Juni 2020 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagenkonvolute 1 bis 5, Bl. 21 – 119R GA) darauf hingewiesen worden, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „Ginberry“ als Marke steht in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher im Ergebnis zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert keinen weiteren Nachweis, dass und in welchem Umfang das fragliche Zeichen bereits im Verkehr bekannt ist oder bereits tatsächlich zur Beschreibung der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen verwendet wird. Vielmehr genügt es, dass es zu diesen Zwecken verwendet werden kann (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 30 – Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT, GRUR 2004, 674 Rdnr. 98 – Postkantoor; GRUR 2010, 534 – PRANAHAUS). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT).
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Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 23 – 25 – Bostongurka; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht das angemeldete Wortzeichen „Ginberry“ ausschließlich aus einer zur unmittelbaren Beschreibung der versagten Waren der Klassen 30 und 33 geeigneten Angabe.
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aa) Von den beschwerdegegenständlichen Produkten werden sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch der Lebensmittel-, Süßwaren- und Getränkefachhandel sowie der Gastronomiefachverkehr angesprochen.
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bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den englischen Wörtern „Gin“ und „berry“ zusammen.
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aaa) Das in die deutsche Sprache eingegangene Substantiv „Gin“ ist die englische Kurzform für das niederländische Vorläufergetränk „Genever“, das vom französischen Wort „genévrier“ für Wacholder abstammt. Es bedeutet „wasserklarer englischer Wacholderbranntwein“ und ist Hauptbestandteil vieler Cocktails wie „Martini“ oder „Negroni“ und des Longdrinks „Gin Tonic“ ((https://www.duden.de/rechtschreibung/Gin; https://www.duden.de/rechtschreibung/Genever; https://de.wikipedia.org/wiki/Gin; vgl. auch BPatG 27 W (pat) 536/18 – Gin de Cologne). Der Agraralkohol für die Herstellung von Gin wird aus beliebigen kohlenhydrathaltigen Ausgangsstoffen gebrannt, meist Getreide oder Melasse. Gin erhält seinen charakteristischen Geschmack aus der Aromatisierung mit Gewürzen, darunter vor allem Wacholderbeeren und Koriander (https://de.wikipedia.org/wiki/Gin).
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bbb) Das Hauptwort „berry“ wird mit „Beere“ übersetzt und gehört zum englischen Grundwortschatz (Weis, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 2. Aufl. 1977, S. 22). Es wird aber auch im inländischen Sprachgebrauch bei Frucht- und Geschmacksangaben wie z. B. „strawberry“ (Erdbeere), „raspberry“ (Himbeere), „blueberry“ (Blaubeere) und „cranberry“ (Moosbeere) zunehmend statt des deutschen Begriffs verwendet. Das Verständnis des Bedeutungsgehalts von „berry“ wird zudem dadurch erleichtert, dass der Begriff in der Lautfolge „b – e – r“ erhebliche klangliche Annäherungen an das deutsche Wort „Beere“ aufweist. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass „berry“ von weiten Teilen des Verkehrs ohne weiteres verstanden wird (vgl. BPatG 25 W (pat) 194/09 – Berry Cassis; 25 W (pat) 77/09 – Berry Dessert).
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cc) In seiner Gesamtheit ist das Anmeldezeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 26. Februar 2019, als „Gin mit Beere(n)(aroma)“ oder als „Ginbeere“ im Sinne von „(Wacholder-)Beere für den Gin“ oder „in Gin eingelegte Beere“ verstanden worden.
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aaa) Wacholderbranntwein und Beeren verschiedener Sorten sind vor allem in Cocktailgetränken häufige Zutaten, aber auch fertigen mit Beeren oder Beerenaroma angereicherten Gin kann man käuflich erwerben, wie die später dargestellten Internetrecherchen belegen, so dass die beanspruchte Wortverbindung „Ginberry“ im Sinne von „Gin mit Beere(n)(aroma)“ aufgefasst werden kann.
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bbb) Es trifft zwar zu, dass es keine „Ginbeere“ als Fruchtbezeichnung gibt und die englische Übersetzung des Begriffs „Wacholderbeere“ „juniper berry“ lautet, aber zumindest den angesprochenen Fachkreisen, deren Verständnis allein ausschlaggebend sein kann (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 26 – Bostongurka; BPatG 26 W (pat) 507/17 – SMART SUSTAINABILITY; 24 W (pat) 18/13 – CID; 26 W (pat) 550/10 – Responsible Furniture; MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido), ist bekannt, dass Gin seinen Namen und seinen charakteristischen Geschmack vor allem aus der Aromatisierung mit Wacholderbeeren ableitet. Er wird daher den Gesamtbegriff „Ginbeere“ dahingehend verstehen, dass es sich um die maßgebliche „Beere für den Gin“, also die Wacholderbeere, handelt.
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ccc) Ferner ist es üblich, Beerenfrüchte, wie z. B. Preiselbeeren, Apfelbeeren (Aronia), Krähenbeeren und Brombeeren, in Gin einzulegen, weil dieser wie Doppelkorn oder Wodka den Geschmack der Früchte relativ unverändert lässt (https://www.experto.de/praxistipps/obst-und-beeren-nicht-ganz-jugendfrei.html; https://www.ginladen.de/beeren-und-fruechte; https://www.gartenjournal.net/fruechte-in-alkohol-einlegen), so dass die Bezeichnung „Ginbeere“ nur zum Ausdruck bringt, dass diese Beere in Gin eingelegt wurde.
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dd) Damit hat sich das Anmeldezeichen bereits vor dem Anmeldetag in einer schlagwortartigen Sachaussage über Art und Beschaffenheit der zurückgewiesenen Waren erschöpft.
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aaa) Bei den Waren der Klasse 30 „Pralinen mit und ohne Füllung“ gibt die angemeldete Wortverbindung „Ginberry“ an, dass die Pralinen oder deren Füllung Wacholderbeeren, mit Gin getränkte Beeren oder Gin mit Beerenzusatz bzw. entsprechende Aromastoffe enthalten. Schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 26. Februar 2019, sind Pralinen mit Beeren oder anderen Früchten zusammen mit Gin hergestellt worden, wie eine Senatsrecherche ergeben hat:
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– Pralinen mit Brombeer und Gin, die alle begeistern… Von mir gibt es heute ein Rezept für Pralinen mit Brombeer und Gin. … (https://zartbitter-undzuckersuess.de/pralinen-mit-brombeer-und-gin/ mit Kommentar vom 21. November 2017, s. Anlagenkonvolut 4 zum gerichtlichen Hinweis);
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– Gin-Limetten-Trüffel (https://pfanntastisch.blog/tag/praline/, 22. März 2018);
30
– Bake your perfect Christmas: Gin and lemon truffles (https://www.dailymail.co.uk/femail/food/article-5105181/Bake-perfect-Christmas-Ginlemon-truffles.html, 24. November 2017).
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bbb) In Bezug auf die zurückgewiesenen Produkte der Klasse 33 „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ weist das Anmeldezeichen darauf hin, dass diese mit Wacholderbeeren angereichert oder aromatisiert worden sind oder neben Gin auch noch andere Beeren(-aromen) enthalten. Schon vor dem Anmeldetag sind Cocktails unter der Bezeichnung „Gin Berry“ angeboten worden, die u. a. aus Gin und beliebigen Beeren, Gin und Wacholderbeeren, Gin und Pfefferbeeren, Gin und Brombeeren sowie Heidelbeeren sowie Gin und Sirup aus schwarzen Johannisbeeren bestanden (s. Anlagenkonvolut 6 zum gerichtlichen Hinweis):
32
– „Hattgekocht – UNSERE KLEINE COCKTAIL SCHULE … habe ich hier die Rezepte … Gin Berry mit Roten Pfefferbeeren und Kradamom … (Foodblog vom 18. Januar 2017);
33
– „Mit einem neuen Cocktail 2018 eröffnete das Team erfolgreich das Jahr. Gin Berry war geboren.“;
34
– „Geselligkeit im Hinterhof … Die Speise- und Getränkekarte bietet immer mal wieder etwas Neues, diesmal den Cocktail „Gin Berry“. (https://www.op-online.de/region/rodgau/hinnerhoffest-dudenhofen- publikum-jung-8573491.html, 7. August 2017);
35
– „Gin Berry Fizz“ (https://giftigeblonde.com/2015/07/25/wirrettenwaszurettenist-an-der- beachbar-der-rettungstruppe-werden-heute-sommerdrinks-gerettet-hier-wird-gleich- doppelt-gerettet/, 25. Juli 2015);
36
– „Gin Berry Cocktail“
37
(https://www.apollo- remerhaven.com/files/seiteninhalt/download/apollo-menues-preise.pdf, März 2019);
38
– „Gin Berry“ (https://www.mycactus.lu/en/gin-berry-recipe/, 22. September 2018);
39
– „Gin-berry“ (https://rezepte.lemenu.ch/recipes/LM201809_64_A/gin-berry?locale=fr, 2018);
40
– „Gin Berry Cobbler“ (www.edinburghfoody.com/2015/02/06/cocktail-masterclass-at-all-bar- one/, 6. Februar 2015);
41
– „Gin Berry Bramble“ (https://provenderbrown.co.uk/blogs/news/eden-mill-mixology- cocktails-ready-to-pour-treats, 30. Mai 2017).
42
Darüber hinaus ist auch schon vor dem Anmeldezeitpunkt die u. a. mit saftigen (roten) Beeren angereicherte Spirituose „Gin“ als „Gin Premium Berry“ oder „Red Berry Gin“ unmittelbar beschrieben worden (s. Anlagenkonvolut 1 zum gerichtlichen Hinweis):
43
– „Kinross Gin Berry 0,7l … Kinross Premium Berry Gin … Nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich überzeugt dieser Premium Gin, der neben klassischen Gin-Ingredenzien wie Wacholder und Koriander vor allem mit saftigen Beeren angereichert wurde …“ (Im Angebot von Amazon.de seit 28. Januar 2014);
44
– „Dreyberg Red Berry Gin – 40 % (1 x 0,7 l)“ (Im Angebot von Amazon.de seit 15. Januar 2016).
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ccc) Da die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es für die Begründung des Eintragungshindernisses wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang das angemeldete Wortzeichen als beschreibende Angabe bereits vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt oder verwendet wurde. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass das Zeichen diesem Zweck dienen kann.
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ee) Soweit das Anmeldezeichen offen lässt, ob die zurückgewiesenen Waren Wacholderbeeren, mit Gin getränkte Beeren oder Gin mit Beere(n) bzw. mit entsprechenden Aromastoffen enthalten, vermag dies nichts an der Eignung zur Merkmalsbeschreibung zu ändern. Denn die Annahme einer beschreibenden Bedeutung setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH a. a. O. – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten).
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ff) Auch wenn es sich bei dem Anmeldezeichen um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es an einer ungewöhnlichen Änderung, die hinreichend weit von der unmittelbar beschreibenden Angabe wegführt.
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aaa) Wie die Verwendungsbeispiele zeigen, hat sich schon vor dem Anmeldezeitpunkt die Wortkombination „Gin Berry“ zur Bezeichnung des entsprechenden Cocktails oder der entsprechenden Spirituose etabliert. Ferner ist der angesprochene Verkehr seit langen daran gewöhnt, dass insbesondere englische Getränke- und Cocktailnamen aus vorangestellter Bezeichnung der Basisspirituose und nachgestellter weiterer Zutat oder Geschmacksrichtung bestehen, wie die Senatsrecherche gezeigt hat (s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis):
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– „Gin Sour“ (https://www.gintlemen.com/gin-sour/, 22. Oktober 2017);
50
– „Gin Tonic galt als der Lieblingsdrink der Queen Mum (1900–2002). (https://de.wikipedia.org/wiki/Gin_Tonic);
51
– „Wodka Orange“ (https://www.kochwiki.org/wiki/Wodka_Orange, 7. Dezember 2017);
52
– „Wodka Energy“
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(https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wodka_Energy&oldid=
54
180881290,
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13. September 2018)
56
– „Wodka Lemon“ (http://www.cocktaildreams.de/cooldrinks/showrecipe.php?howcomments=on, 20. März 2008);
57
– „Wodka-Soda“ (https://www.jetzt.de/alkolumne/alkolumne-ein-plaedoyer-fuer-den-wodkasoda,13. Mai 2017)
58
– „Rum Cola“ (https://www.best-bottles.de/?s=rum+cola, 27. Dezember 2015).
59
bbb) Auch die der englischen Rechtschreibung zuwiderlaufende Zusammenschreibung der beanspruchten Wortkombination „Ginberry“ stellt keine der Struktur nach ungewöhnliche Veränderung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Orthografieabweichung oder eine Abwandlung, die in der Werbung üblich ist (BPatG 25 W (pat) 2/16 – findwhatyoulike; 26 W (pat) 122/09 – mykaraokeradio; 29 W (pat) 104/13 – edatasystems; 33 W (pat) 511/13 – klugeshandeln; 26 W (pat) 3/15 – dateformore). Die angesprochenen Verkehrskreise sind mit der zäsurlosen Aneinanderreihung von Wörtern schon aufgrund der Domainnamen im Internet vertraut, bei denen Leerzeichen unzulässig und Binnengroßschreibung unüblich sind.
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ccc) Ein merklicher Unterschied zwischen der Wortverbindung „Ginberry“ in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer warenbeschreibenden Bestandteile „Gin“ und „berry“ besteht nicht. Vielmehr geht der durch die Verbindung bewirkte Gesamteindruck über die bloße Aneinanderreihung beschreibender Begriffe nicht hinaus und erschöpft sich in deren bloßer Summenwirkung.
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2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann es dahinstehen, ob dem angemeldeten Wortzeichen darüber hinaus gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 1 MarkenG die Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren fehlt.
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3. Schließlich rechtfertigen weder die von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidungen noch die Voreintragungen eine andere Beurteilung.
63
a) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass sich die Wortmarke „Baby-Dry“ im Gegensatz zum vorliegenden Anmeldezeichen durch die grammatikalisch unkorrekte Nachstellung des Adjektivs unterscheidet. Soweit in der Entscheidung des EuGH zu „Baby-Dry“ (GRUR 2001, 1145) „eine übliche Art und Weise“ einer Beschreibung der Waren und/oder Dienstleistungen als Voraussetzung für ein Eintragungsverbot verlangt worden ist, ist diese Rechtsprechung seit langem ausdrücklich aufgegeben worden (vgl. EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 40 – 1000; so auch BPatG 25 W (pat) 593/12 – MORGEN FRUCHT; 30 W (pat) 23/05 – KUNST-MAHL). Schon in den dem Baby-Dry-Urteil nachfolgenden Entscheidungen des EuGH sind deutlich höhere Anforderungen an die Eintragungsfähigkeit von Wortneubildungen gestellt worden, nämlich ein merklicher Unterschied zu der bloßen Zusammenfügung beschreibender Bestandteile (EuGH a. a. O. – CELLTECH; a. a. O. – Postkantoor; a. a. O. – BIOMILD). Diesen Anforderungen wird das vorliegend Wortzeichen, wie bereits dargelegt, nicht gerecht.
64
b) Die „DOUBLEMINT“ Entscheidung des EuG (T-193/99) vom 31. Januar 2001 ist mit Urteil des EuGH vom 23. Oktober 2003 aufgehoben worden (GRUR 2004, 146).
65
c) Die BPatG-Beschlüsse zu „Multiflux“ (30 W pat 066/16), „MICROMASTER“ (30 W pat 512/12) und „pedifit“ (25 W pat 94/12) sind schon deshalb nicht übertragbar, weil vorliegend sowohl die Einzelbestandteile des angemeldeten Wortzeichens als auch die Kombination eindeutig warenbeschreibende Begriffe sind, während schon Einzelelemente der Wortmarken Multiflux“, „MICROMASTER“ und „pedifit“ und erst recht deren Verbindung interpretationsbedürftig sind. Sowohl die Begriffe „flux“ als auch „MICRO“ verfügen über mehrere unterschiedliche Bedeutungen und bei „pedi“ konnte gar kein klarer Sinngehalt ermittelt werden. Auch in der Gesamtbetrachtung stellten sie eine ungewöhnliche Wortneuschöpfung dar.
66
c) Die am 29. September 2004 für Waren der Klasse 29 „Pflanzenpräparate und Pflanzenextrakte zur Verwendung als diätetische Ergänzungsstoffe“ eingetragene Unionswortmarke „GINBERRY“ (002 784 791) ist nicht vergleichbar, weil sie sich auf gänzlich andere Produkte ohne Bezug zur Spirituose „Gin“ bezieht, und die botanische Bezeichnung für Wacholderbeere „juniper berry“ und nicht „Ginberry“ lautet. Im Übrigen sind die im Ausland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts oder vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) aufgrund der Unionsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse für Verfahren in anderen Mitgliedstaaten unverbindlich (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 63 – Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. – Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH a. a. O. Rdnr. 30 – HOT; GRUR 2009, 778 Rdnr. 18 – Willkommen im Leben).