Aktenzeichen 26 W (pat) 14/19
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2015 108 145
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2020 unter Mitwirkung der Richter Kätker als Vorsitzender sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 vom 30. Mai 2017 und 18. Januar 2019 aufgehoben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen worden ist hinsichtlich der Waren der
Klasse 18: Brieftaschen; Reisekoffer; Taschen; Überzüge aus Pelz; Überzüge aus Tierhäuten; Regenschirme; Spazierstöcke; Beschläge für Geschirre;
Klasse 22: Bänder zum Binden oder Umwickeln, nicht aus Metall; Zelte; Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material; Netze;
Klasse 25: Konfektionskleidung; Babywäsche; Schuhwaren; Hüte; Wirkwaren; Handschuhe [Bekleidung]; Halstücher; Hüftgürtel; Hochzeitskleider; Badeanzüge.
Insoweit wird die Marke aufgrund des Widerspruchs aus der international registrierten Marke IR 1 231 145 gelöscht.
Gründe
I.
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Die Wort-/Bildmarke
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ist am 23. November 2015 angemeldet und am 22. Februar 2016 unter der Nummer 30 2015 108 145 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 18: Leder, roh oder teilweise bearbeitet; Brieftaschen; Reisekoffer; Taschen; Überzüge aus Pelz; Überzüge aus Tierhäuten; Regenschirme; Spazierstöcke; Beschläge für Geschirre; Wurstdärme; Tierhäute;
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Klasse 22: Tauwerke; Fischnetze; Bänder zum Binden oder Umwickeln, nicht aus Metall; Zelte; Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material; Polstermaterial [Verpackung], ausgenommen aus Gummi oder Kunststoff; Gespinstfasern [roh]; Fahrzeugplanen; Segel; Netze;
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Klasse 25: Konfektionskleidung; Babywäsche; Schuhwaren; Hüte; Wirkwaren; Handschuhe [Bekleidung]; Halstücher; Hüftgürtel; Hochzeitskleider; Badeanzüge.
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Gegen diese Marke, deren Eintragung am 24. März 2016 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus ihrer international registrierten Marke IR 1 231 145
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die seit dem 27. Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland Schutz genießt für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 9: Optical apparatus and instruments, eyeglasses, sunglasses, spectacles, frames, goggles for sports; protection devices for personal use against accidents, irradiation and fire; cases for electronic diaries, for photographic apparatus, for glasses, for compact discs, DVD and video cassettes, for laptops, for telephones and mobile telephones, for smartphones; covers for mobile telephones, for smartphones, for tablet computers and for electronic and/or computer products; calculating machines; pocket calculators; cases for calculators; USB flash drives;
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Klasse 16: Printed matter, including stationery articles, decalcomanias (transfers), bookmarkers, tickets, tag labels, cards, business cards, greetings cards, invitations, stickers, gift vouchers cards, writing or drawing books, diaries, memo blocks, note pads; posters, calendars, photographs; printed publications, books, periodicals, manuals and handbooks, magazines, newspapers, newsletters, catalogues, brochures and pamphlets; articles for the correspondence, including writing papers and envelopes; sets of stationery material, articles and instruments for writing and drawing, namely pens, ball-point pens, fountain pens, felt-tip markers, permanent markers, highlighters, highlighting markers, rollerball pens, felt-tip pens; pencils, chalk, crayons, cases for pens and for drawing, daily and weekly planners, ring binders, folders for drawing, loose-leaf binders, gift wrapping paper; shopping bags of paper; plastic materials for packaging; gift bags of paper or plastic;
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Klasse 18: Rucksacks; backpacks; school bags, shoulder bags for carrying infants, bags, shopping bags; travelling bags and duffel bags for travel; bags and holdalls for sports; handbags; bags for campers; beach bags; backpacks for hiking and climbing, satchels, briefcases, pocket wallets; purses; key cases; hip bags; suitcases; umbrellas, trunks; walking sticks; overnight suitcases; vanity cases, gift garment bags for clothing, wheeled bags, wheeled backpacks and wheeled suitcases;
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Klasse 35: Retailing, wholesaling and online sales relating to optical apparatus and instruments, eyeglasses, sunglasses, spectacles, frames, goggles for sports, protection devices for personal use against accidents, irradiation and fire, cases for electronic diaries, for photographic apparatus, for glasses, for compact discs, DVD and video cassettes, for laptops, for telephones and mobile telephones, for smartphones, covers for mobile telephones, for smartphones, for tablet computers and for electronic and/or computer products, calculating machines, pocket calculators, cases for calculators, USB flash drives, printed matter, including stationery articles, decalcomanias (transfers), bookmakers, tickets, tag labels, cards, business cards, greetings cards, invitations, stickers, gift vouchers cards, writing or drawing books, diaries, memo blocks, note pads, posters, calendars, photographs, printed publications, books, periodicals, manuals and handbooks, magazines, newspapers, newsletters, catalogues, brochures and pamphlets, articles for the correspondence, including writing papers and envelopes, sets of stationery material, articles and instruments for writing and drawing, namely pens, ball-point pens, fountain pens, felt-tip markers, permanent markers, highlighters, highlighting markers, rollerball pens, felt-tip pens, pencils, chalk, crayons, cases for pens and for drawing, daily and weekly planners, ring binders, folders for drawing, loose-leaf binders, gift wrapping paper, shopping bags of paper, plastic materials for packaging, rucksacks, backpacks, school bags, shoulder bags for carrying infants, bags, shopping bags, travelling bags and duffel bags for travel, bags and holdalls for sports, handbags, bags for campers, beach bags, backpacks for hiking and climbing, satchels, briefcases, pocket wallets, purses, key cases, hip bags, suitcases, umbrellas, trunks, walking sticks, overnight suitcases, vanity cases, gift bags of paper or plastic, garment bags for clothing, wheeled bags, wheeled backpacks and wheeled suitcases.
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Mit Beschlüssen vom 30. Mai 2017 und 18. Januar 2019 hat die Markenstelle für Klasse 18 des DPMA den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die sich gegenüberstehenden Waren der Klasse 24 seien einander durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlich oder identisch. Zwischen den Waren der angegriffenen Marke der Klasse 18 und den diversen Taschen der Klasse 18 der Widerspruchsmarke bestehe Identität. Zu diesen seien die Waren der Klasse 25 der jüngeren Marke als ergänzende Waren zumindest durchschnittlich ähnlich, während die Waren der Klasse 22 entfernter ähnlich bis unähnlich seien. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Visuell unterschieden sich die Marken bereits durch die stark divergierende graphische Gestaltung. Während die jüngere Marke ihren Wortbestandteil „H.SEVEN“ in schwarzer, fetter, serifenloser, klarer und lesbarer Versalienschrifttype mit einem schwarzen, an den Ecken abgerundeten Rahmen umgebe, der ihr ein sehr klares, statisches, ruhiges Gepräge gebe, machten die Elemente der Widerspruchsmarke aufgrund ihrer zackigen, umrandeten, ineinander übergehenden graffitiartigen Gestaltung die Wortelemente schwer lesbar und vermittelten zusammen mit der vorangestellten Ziffer „7“ mit Stern im Inneren auch aufgrund ihrer unregelmäßigen Umrisse einen unruhigen, alternativen, anarchistischen Eindruck mit eher graphik- als wortartiger Wirkung. Das Klangbild der beiden Wortbestandteile sei nicht verwechselbar ähnlich. Die wegen des Punktes nach dem Buchstaben „H“ namensartig erscheinende angegriffene Marke werde bei deutscher Aussprache als „Ha Seven“, bei englischer Aussprache als „Ejtsch Seven“ artikuliert. Demgegenüber werde die Widerspruchsmarke als „Seven“ oder inklusive der vorangestellten Ziffer „7“ als „Seven Seven“ oder sogar „Seventy Seven“ ausgesprochen. Damit wiesen beide Marken in jeder Variante deutlich verschiedene Längen, Vokalfolgen und Silben auf. Begrifflich seien die Marken nicht zu verwechseln, weil sie keine Synonyme darstellten und der jüngeren Marke „H.SEVEN“ in ihrer Gesamtheit keine Bedeutung zukomme. Diese werde nicht von dem Bestandteil „SEVEN“ geprägt. Hierbei handele es sich um einen auch in Deutschland vorkommenden Familiennamen, dem ein abgekürzter Vorname in Form des einzelnen Buchstabens „H.“ vorangestellt sei. Zwischen den beiden Marken bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie vertritt die Ansicht, die sich gegenüberstehenden Waren seien identisch und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke infolge umfangreicher Benutzung mindestens durchschnittlich. Die beiden Marken seien klanglich, schriftbildlich und begrifflich ähnlich. Beide würden von dem Bestandteil „SEVEN“ geprägt. Dieser werde in der Widerspruchsmarke von der Ziffer „7“ und in der angegriffenen Marke von dem Buchstaben „H“, dem siebten Ton in der C-Dur-Tonleiter, jeweils unterstrichen. Die Hinzufügung einer einen Vornamen andeutenden Initiale reiche nicht aus, bei Übereinstimmung im Übrigen eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. In der angegriffenen Marke trete der Buchstabe „H.“ hinter dem normal kennzeichnungskräftigen und deutlich erkennbaren Bestandteil „SEVEN“ zurück.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Oktober 2019 sind die Verfahrensbeteiligten unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 – 3, Bl. 60 – 68 GA) darauf hingewiesen worden, dass die widerstreitenden Marken nur teilweise für verwechslungsfähig erachtet werden.
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Die Widersprechende hat daraufhin ihre Beschwerde teilweise zurückgenommen und diese beschränkt auf die Waren der
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Klasse 18: Brieftaschen; Reisekoffer; Taschen; Überzüge aus Pelz; Überzüge aus Tierhäuten; Regenschirme; Spazierstöcke; Beschläge für Geschirre;
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Klasse 22: Bänder zum Binden oder Umwickeln, nicht aus Metall; Zelte; Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material; Netze;
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Klasse 25: Konfektionskleidung; Babywäsche; Schuhwaren; Hüte; Wirkwaren; Handschuhe [Bekleidung]; Halstücher; Hüftgürtel; Hochzeitskleider; Badeanzüge.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 18 vom 30. Mai 2017 und 18. Januar 2019 aufzuheben und die Marke aufgrund des Widerspruchs aus der international registrierten Marke IR 1 231 145 für die genannten Waren der Klasse 18, 22 und 25 zu löschen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hat sich weder im patentamtlichen noch im gerichtlichen Verfahren geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde ist nach der teilweisen Rücknahme der Beschwerde im vollen Umfang begründet.
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Zwischen der angegriffenen Marke und der international registrierten Marke besteht bezüglich der noch verfahrensgegenständlichen Waren der Klassen 18, 22 und 25 die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 125b Nr. 1, 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
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Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 19 – BioGourmet m. w. N.).
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1. Ausgehend von der maßgeblichen Registerlage sind die Waren und Dienstleistungen, die für die Widerspruchsmarke bzw. die angegriffene Marke registriert sind, teilweise identisch oder über- bis unterdurchschnittlich ähnlich.
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a) Zwischen den beiderseitigen Waren der Klasse 18 „rucksacks; backpacks; school bags, shoulder bags for carrying infants, bags, shopping bags; travelling bags and duffel bags for travel; bags and holdalls for sports; handbags; bags for campers; backpacks for hiking and climbing, satchels, briefcases, pocket wallets; purses; key cases; hip bags; suitcases; umbrellas, trunks; walking sticks; overnight suitcases; vanity cases, gift garment bags for clothing, wheeled bags, wheeled backpacks and wheeled suitcases“ auf der einen Seite und den Waren „Brieftaschen; Reisekoffer; Taschen; Regenschirme; Spazierstöcke“ auf der anderen Seite besteht Identität. Das Gleiche gilt für die Waren der Klasse 22 „Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus textilem Material“, die auch als Taschen bezeichnet werden können, sowie für „Netze“, aus denen Taschen bestehen können (s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).
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b) Den Widerspruchswaren wenigstens durchschnittlich ähnlich sind die Waren der Klasse 22 „Bänder zum Binden oder Umwickeln, nicht aus Metall“. So gibt es spezielle Gurte, die um Koffer geschnallt werden, um ein versehentliches Öffnen zu vermeiden. Daneben können Bänder zum Verschließen von Taschen dienen. „Überzüge aus Pelz; Überzüge aus Tierhäuten“ werden zu Koffern und Taschen angeboten, um diese vor Umwelteinwirkungen oder Beschädigungen zu schützen. Insoweit handelt es sich um einander ergänzende Waren, die nebeneinander zum Kauf angeboten werden. Das Gleiche gilt für die Ware „Zelte“, da es spezielle Zelttaschen gibt (s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Ebenso ergänzen sich auch die Ware der Klasse 25 „Badeanzüge“ und „beach bags“ gegenseitig, da sie denselben Einsatzzweck, die Verwendung beim Baden, haben und nebeneinander verkauft werden. Zu Regenschirmen und Spazierstöcken ähnlich sind die Waren der Klasse 25 „Hüte; Handschuhe [Bekleidung]; Hüftgürtel“. Bei allen handelt es sich um klassische Accessoires, die aus demselben Material (Leder bzw. Kunststoff) bestehen können und in Kaufhäusern in derselben Abteilung angeboten werden.
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c) Zu den in Klasse 25 registrierten Bekleidungsstücken besteht eine unterdurchschnittliche Ähnlichkeit (BPatG 27 W (pat) 210/05 – jacadi/MACADI; 27 W (pat) 84/03 – Marco EL Diablo/DIAVOLO; 27 W (pat) 246/00 – BLUE BROTHERS/BLUES BROTHERS; 33 W (pat) 74/99 – CHEVY/CHEVY/CHEVROLET). Denn die Widerspruchswaren „rucksacks; backpacks; bags and holdalls for sports; handbags; bags for campers; backpacks for hiking and climbing” werden für einige verschiedene Sportbereiche und Freizeitaktivitäten wie Wandern, Trekking, Klettern, Radfahren, Tennis, Golfspielen, Reiten, Jagen oder Reisen häufig unter jeweils identischen Marken – wie beispielsweise “MAMMUT”, “BIG PACK”, “VAUDE”, “deuter”, “Lowe alpine”, “berghaus”, “LACOSTE”, “Nike”, “Adidas”, “Reebok”, “Bogner, “asics”, “CAMEL”, “THE NORTH FACE”, “Elch”, “Barbour”, “Jack Wolfskin”, “FRED PERRY”, “CHIEMSEE”, “Champion”, “O’NEILL”, “2ndsky”, “neighborhood N.Y.C”, “FREEMAN PORTER” – von denselben Unternehmen angeboten wie die Waren der angegriffenen Marke “Konfektionskleidung; Schuhwaren; Hüte; Wirkwaren; Handschuhe [Bekleidung]; Halstücher; Hüftgürtel; Badeanzüge”, weil die Waren unter dem weiten Oberbegriff “Konfektionskleidung” auch Sport- und Freizeitbekleidung enthalten können. Die Ähnlichkeit von Konfektionsbekleidung lässt sich aber darüber hinaus auch nicht auf Sportbereiche beschränken. Gemeinsame Verwendungszwecke beiderseitiger sich ergänzender Waren gibt es ebenso auf anderen Gebieten des täglichen Lebens. Sportliche Kleidung wird heutzutage regelmäßig in der Freizeit und teilweise während der Berufsausübung getragen. Rucksäcke und Taschen z. B. werden auch zum Reisen oder Einkaufen benutzt, und Lederwaren wie Gürtel o. ä. sieht der Verkehr üblicherweise als Accessoires für die Bekleidung an. Zudem erscheint es naheliegend, daß Unternehmen – neben gemeinsamen Verwendungszwecken der Waren – auf die ähnliche Verarbeitung bestimmter Materialien wie Leder oder Textilstoffe spezialisiert sein können, so daß es aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs für die Warenähnlichkeit keine maßgebliche Rolle spielt, ob eine Leder- oder Textilware ein Bekleidungsstück ist oder nicht (BPatG a. a. O. – CHEVY/CHEVY/CHEVROLET).
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2. Die sich gegenüberstehenden identischen und ähnlichen Waren der Vergleichsmarken in den Klassen 18, 22 und 25 richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den Durchschnittsverbraucher als auch an den entsprechenden Fachhandel. Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl dieser Waren wird abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem normalen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden (BPatG 26 W (pat) 520/14 – Finca del Toro).
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3. Der Widerspruchsmarke kommt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
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a) Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. a]; BGH, Beschl. v. 14. Januar 2016 – I ZB 56/14 Rdnr. 31 – BioGourmet). Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; BGH GRUR 2008, 905, 907 Rdnr. 16 – Pantohexal). Ist der Wortbestandteil einer Wort-/Bildmarke nicht unterscheidungskräftig, so kann dem Zeichen in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Einfache, werblich übliche graphische Gestaltungen sind allerdings regelmäßig nicht hinreichend unterscheidungskräftig (vgl. BGH a. a. O. – BioGourmet).
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b) Der Hauptbestandteil der Widerspruchsmarke ist das englische Zahlwort „Seven“, das dem deutschen Zahlwort „Sieben“ entspricht. Diesem vorangestellt ist ein weiterer Zeichenbestandteil, der als Buchstabe „T“ oder als Ziffer „1“ oder „7“ interpretiert werden kann, wobei die letzte Möglichkeit als die wahrscheinlichste erscheint. In ihrer Gesamtheit messen die beteiligten Verkehrskreise der Widerspruchsmarke den Bedeutungsgehalt „Sieben Sieben“ oder nur „Sieben“ zu, wenn sie die vorangestellte Ziffer 7 quasi nur als Abkürzung oder Wiederholung des nachfolgenden Zahlworts „Seven“ auffassen. Damit besitzt die Widerspruchsmarke in Bezug auf die registrierten Waren keinen beschreibenden Begriffsinhalt.
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c) Für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft infolge gesteigerter Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (st. Rspr.; EuGH GRUR 2005, 763 Rdnr. 31 – Nestlé/Mars; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 29 – Wunderbaum II). Diese Voraussetzungen müssen bereits im Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (vgl. BGH GRUR 2008, 903 Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO) und bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbestehen (BPatG GRUR-RR 2015, 468, 469 – Linien-/Balkendarstellung in gezacktem Muster). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Widersprechenden in keiner Weise. Sie hat lediglich pauschal eine umfangreiche Benutzung behauptet, ohne diese in irgendeiner Weise belegt zu haben.
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4. Zwischen den Vergleichsmarken besteht in klanglicher und begrifflicher Hinsicht Identität.
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a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsavers/Asda; BGH GRUR 2017, 914 Rdnr. 27 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 Rdnr. 19 – ZIRH/SIR; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – BioGourmet).
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b) Bereits in schriftbildlicher Hinsicht besteht eine wenigstens unterdurchschnittliche Ähnlichkeit. Zwar ist die Schriftart deutlich unterschiedlich, aber jeweils auch nicht besonders prägnant. Zudem verfügt die Widerspruchsmarke nicht über die einer ägyptischen Kartusche ähnliche Umrahmung der angegriffenen Marke. Das Verhältnis von Länge zu Höhe der beiden Marken und ist hingegen nahezu identisch. Die Widerspruchsmarke ist am Anfang und am Ende ähnlich abgerundet wie die Kartusche der jüngeren Marke. Der Hauptzeichenbestandteil ist in beiden Marken das Wort „SEVEN“, dem ein einzelner Buchstabe bzw. eine Ziffer vorangestellt ist.
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c) In klanglicher Hinsicht besteht Identität der beiden Marken.
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aa) Dabei orientiert sich der Verkehr bei Wort-/Bildzeichen meist am Wortbestandteil, da er die einfachste Art der Benennung darstellt (BGH GRUR 2013, 68 Rdnr. 16 – Castell/VIN CASTEL; GRUR 1999, 167, 168 – Carolus Magnus). Sind verschiedene Aussprache- oder Benennungsmöglichkeiten einer Marke naheliegend und wahrscheinlich, sind diese beim klanglichen Zeichenvergleich zu berücksichtigen (BPatG 29 W (pat) 31/13 – CARS/CARSI; 29 W (pat) 32/14 – TEE PEE/PEPEE; 29 W (pat) 517/15 – Esmara/elAMARA; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 275 und 280).
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bb) Ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird die angegriffene Marke allein mit dem Element „SEVEN“ wiedergeben. Für ihn liegt es nahe, die Gesamtmarke als eine Kombination von abgekürztem Vornamen und einem Familiennamen zu betrachten. Der vorhandene trennende Punkt dient erkennbar zur Verdeutlichung, dass es sich bei dem Einzelbuchstaben „H“ um die Initiale eines Vornamens handelt. Dieser tritt hinter dem normal kennzeichnungskräftigen und als Familiennamen erkennbaren Bestandteil „SEVEN“ zurück, der im Inland keinen Allerweltsnamen darstellt (s. Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis).
43
Die in der Rechtsprechung des BGH angenommene besondere „Individualisierungsfunktion“ von Vornamen innerhalb vollständiger – aus Vor- und Familiennamen bestehender – Namen (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 – RAUSCH/ELFI RAUCH; BGH GRUR 2016, 749 Rdnr. 22 – Landgut A. Borsig) kann schon deshalb nicht auf bloße Einzelbuchstaben übertragen werden, weil sie für völlig verschiedene Vornamen stehen können und sich deshalb nicht zur eindeutigen Individualisierung eignen (vgl. BPatG 30 W (pat) 40/09 D.BOSS/BOSS; 24 W (pat) 2/02 – L. Gallino/GALILEO; 27 W (pat) 259/04 – CHEVALIER/J. Chevalier, CHEVALIER/J. Chevalier; 33 W (pat) 558/11 – Gustav M./Gustav). Abgesehen davon, dass der Verkehr dazu neigen wird, die jüngere Marke in klanglicher Hinsicht auf das ausgeschriebene Wortelement „SEVEN“ zu verkürzen, weil dieses sich leichter merken und benennen lässt als ein einzelner Buchstabe (BPatG 27 W (pat) 259/04 – CHEVALIER/J. Chevalier, CHEVALIER/J. Chevalier; 33 W (pat) 558/11 – Gustav M./Gustav; 26 W (pat) 170/96 – O.P.ANDERSON/Andresen; sic! RKGE 2006, 339 – s.Oliver/Olivia), sprechen auch die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der sich gegenüberstehenden Vergleichswaren für die Konzentration des Verkehrs auf den ausgeschriebenen Nachnamen und nicht auf den vorangestellten mit Punkt abgetrennten Einzelbuchstaben. Der Verkehr ist in der Mode-, Outdoor-, Handtaschen-, Rucksack- und Kofferbranche daran gewöhnt, dass Markennamen entweder einteilig sind (z. B. „Armani“, „Brax“, „Bally“, „Cavalli“, „Hudson“) oder Vor- und Nachname (z. B. „Bruno Banani“, „Calvin Klein“, „Daniel Hechter“, „Jil Sander“) ausgeschrieben sind. Vorangestellte, mit Punkt abgetrennte, als Vornameninitial erkennbare Einzelbuchstaben sind sehr selten vertreten. Bei einer Recherche des Senats konnten in den fraglichen Branchen nur sechs derartige Markennamen gefunden werden („J.W.Anderson“, „F.lli Campagnolo“, „s.Oliver“, „Y.A.S. Tall“, „J.Lindeberg“, „L.Credi“). Aufgrund dieser Kennzeichnungsgewohnheiten wird sich der Verkehr daher maßgeblich an dem Bestandteil „SEVEN“ hinter dem abgetrennten Vornameninitial als Herstellerangabe orientieren.
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cc) Die Widerspruchsmarke wird naheliegend als „sewen“ ausgesprochen, da auch hier die angesprochenen Verkehrskreise zur Verkürzung neigen und die vorangestellte Ziffer „7“ bei der Benennung weglassen werden.
45
dd) Es können sich somit die Aussprachen „sewen“ und „sewen“ gegenüberstehen. Es besteht daher klangliche Identität zwischen den beiden Marken.
46
d) Begrifflich sind die Vergleichsmarken ebenso identisch, da nur der in beiden Marken enthaltene Bestandteil „Seven“ einen wirklichen Sinngehalt hat und von den angesprochenen Verkehrskreisen problemlos mit dem Zahlwort „Sieben“ übersetzt und in Erinnerung behalten wird.
47
e) Unter Berücksichtigung der Identität der beiden Marken in klanglicher und begrifflicher Hinsicht, einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der älteren Marke besteht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht nur hinsichtlich der identischen und durchschnittlich ähnlichen, sondern auch der unterdurchschnittlich ähnlichen Vergleichswaren.
III.
48
Gründe für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG liegen nicht vor.