Aktenzeichen 29 W (pat) 534/11
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 020 905.7
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker sowie die Richterinnen Kortge und Uhlmann
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Juni 2011 wird aufgehoben.
Gründe
I.
1
Das Wort-/Bildzeichen (grün, weiß)
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ist am 9. April 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Dienstleistungen der
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Klasse 35:
4
Zusammenstellung und Präsentation von Produkten, die besondere soziale oder ökologische Kriterien erfüllen, insbesondere aus den Bereichen Lebensmittel, Babykost, alkoholischen und nichtalkoholischen Getränke, Haushaltswaren, Drogerieartikel, Gartenartikel, Baumarktartikel, Campingartikel, Spielwaren, Bekleidungsartikel, Schreibwaren, Elektroartikel, Telekommunikationsartikel, Reisen; Zusammenstellung und Präsentation von Informationen zum Thema Nachhaltigkeit; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Lebensmitteln, Babykost, alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken, Haushaltswaren, Drogerieartikeln, Gartenartikeln, Baumarktartikeln, Campingartikeln, Spielwaren, Bekleidungsartikeln, Schreibwaren, Elektroartikeln, Telekommunikationsartikeln, insbesondere Mobilfunkartikel;
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Klasse 39:
6
Veranstaltung, Vermittlung, Vertrieb und Vermarktung von Reisen, insbesondere Flugreisen, Autoreisen, Städtereisen, Kreuzfahrten;
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Klasse 41:
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Organisation und Durchführung von sportlichen und kulturellen Aktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen, insbesondere Verkostungen, Durchführung von Gewinnspielen.
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Mit Beschluss vom 28. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen setze sich aus den beiden sloganartigen Wortfolgen „Hallo Erde!“, „Gemeinsam für Mensch & Umwelt“ und der erläuternden Sachangabe „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ mit der Bedeutung „Initiative zur Erhaltung eines Systems in seinen wesentlichen Eigenschaften/Charakteristika“ zusammen. Die Grußformel „Hallo“ sei ein Ruf, mit dem man Aufmerksamkeit auf sich lenke. Das Wort „Erde“ habe die Bedeutung „irdische Welt, als das von der Menschheit bewohnte Gebiet“ und das Ausrufezeichen wirke verstärkend. Die Bezeichnung „Hallo Erde! – Gemeinsam für Mensch & Umwelt – Die Nachhaltigkeits-Initiative“ sei daher für die angesprochenen Endverbraucher nur ein werbeüblicher Hinweis auf eine gemeinsame Initiative zur Erhaltung der den Menschen und die Umwelt betreffenden Systeme der Erde als thematische Ausrichtung und Intention der angemeldeten Dienstleistungen. Dem Ausruf „Hallo Erde!“ komme nur die sachbezogene Bedeutung zu, dass die Initiative global ausgerichtet sei, also für Menschen und Umwelt auf der ganzen Erde etwas unternommen werden solle. Das angesprochene Publikum sei an zahlreiche vergleichbare Wortfolgen mit dem Begriff „Hallo“ und einer nachgestellten Sachangabe gewöhnt, wie z. B. „Hallo Umwelt“, „Hallo Zukunft“, „hallo-urlaub.de”, „Hallo-Klima.de“, „Hallo Natur Versand“, „Hallo Baby“ und „Hallo Europa“ (Internetbelege als Anlagen A1 bis A8, Bl. 29 – 36 VA). Die in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen „Zusammenstellung und Präsentation von Produkten, die besondere soziale oder ökologische Kriterien erfüllen, …“ dienten explizit der Präsentation entsprechender Produkte, so dass der Verbraucher annehmen werde, dass die mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Dienstleistungen zur Erhaltung der den Menschen und die Umwelt betreffenden Systeme der Erde beitragen solle. Auch in Bezug auf die in Klasse 35 angemeldeten „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen …“ vermittle das Gesamtzeichen, dass diese Dienstleistungen in irgendeiner Weise zur Erhaltung der den Menschen und die Umwelt betreffenden Systeme – etwa durch Einhaltung bestimmter Umwelt- oder Sozialstandards – beitrügen. Hinsichtlich der in derselben Klasse aufgeführten Dienstleistungen „Zusammenstellung und Präsentation von Informationen zum Thema Nachhaltigkeit“ komme dem angemeldeten Ausspruch eine Hinweiswirkung dahingehend zu, dass globale Aspekte in Bezug auf die Erhaltung der den Menschen und die Umwelt betreffenden Systeme in den Mittelpunkt gerückt würden. Für die Dienstleistungen der Klasse 41 „Organisation und Durchführung von sportlichen und kulturellen Aktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen, insbesondere Verkostungen, Durchführung von Gewinnspielen“ könne ebenfalls keine Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens angenommen werden. Denn es könne der sachbezogenen Bezeichnung des Mottos verschiedener Veranstaltungen und Aktionen dienen. Die aus klassischer grüner Schrift in einem rechteckigen Kasten bestehende grafische Gestaltung könne der angemeldeten Wortfolge keine betriebskennzeichnende Eigenart verleihen. Auch die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen könnten zu keiner anderen Beurteilung führen, weil es sich bei der Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens um eine einzelfallbezogene Rechts- und keine Ermessensfrage handele.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Juni 2011 aufzuheben.
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Sie vertritt die Ansicht, schon die Wortfolge „Hallo Erde!“ sei ungewöhnlich, weil der Adressat des Grußes ein Planet sei, mit dem eine Konversation denklogisch ausgeschlossen sei. Die Bezeichnung habe keinen sinnvollen Inhalt und falle dadurch auf. Vom Publikum werde zudem ein gewisser Interpretationsaufwand verlangt. Über den ursprünglichen Wortsinn hinaus könne das Wort „Erde“ im Sinne von „Umwelt“, „Boden“ oder „Natur“ verstanden werden. Im Zusammenhang mit dem Wort „Hallo“ und dem Ausrufezeichen bringe der Satz ein Gewahrwerden für die Belange der Umwelt zum Ausdruck. Damit sei die Wortfolge nicht als Gruß an die Erde, sondern als Aufforderung an das Publikum zu verstehen, ökologisch zu handeln und dies in die Kaufentscheidung mit einzubeziehen. Durch die wechselnden Adressaten und die dadurch entstehende unterschiedliche Aussage werde diese Wortfolge mehrdeutig, was eine hohe Eigentümlichkeit und Originalität begründe. Ein gedankliches In-Verbindung-Bringen der Bezeichnung mit Produkten, die ökologische Kriterien erfüllten, könne keine beschreibende Bedeutung begründen. Es sei vielmehr Ausdruck der Kommunikationsfunktion der Wortfolge, mit der ein solches Image transportiert werde. Damit besitze schon der Wortbestandteil „Hallo Erde!“ allein die erforderliche Unterscheidungskraft. Das gelte aber erst recht für das Gesamtzeichen, das einen hinreichend eigenwilligen und prägnanten Charakter habe. Die auf drei Zeilen verteilte Wortfolge in hellgrünen Buchstaben werde von einem rechteckigen Rahmen in derselben Farbe umfasst, so dass ein einem Stempel ähnliches Aussehen erreicht werde. Der Text der ersten Zeile „Hallo Erde!“ werde der oberen Stellung und der Größe wegen als Hauptbestandteil wahrgenommen und sei vom Senat bereits als schutzfähig anerkannt worden (29 W (pat) 535/11 – Hallo Erde!). Jedenfalls werde das Wort-/Bildzeichen als Einheit betrachtet und sei trotz der längeren Wortfolge in dieser Gesamtheit schutzfähig. Ferner sei das identische Zeichen für identische Dienstleistungen vom HABM eingetragen worden (009876111), was als Faktor in die Entscheidung einfließen könne. Vergleichbare deutsche Voreintragungen seien „Hallo“ (804941), „Hallo Future“ (39818016), „Hallo Deutschland“ (39733089), „Hallo“ (39852230) und „Hallo Pizza“ (30465152).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
15
Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG steht in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
1. a)
16
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228, 229 Rdnr. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 – Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2012, 1044, 1045 Rdnr. 9 – Neuschwanstein). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 – Link economy; a. a. O. – Neuschwanstein).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. – Link economy). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch).
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Ausgehend hiervon haben Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006).
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Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Rdnr. 23 – TOOOR!; a. a. O. 855 Rdnr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 – BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; 674, 678 Rdnr. 97 – Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 – BIOMILD); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (EuGH MarkenR 2007, 204, 209 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; GRUR 2006, 229, 230 Rdnr. 29 – BioID).
20
Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von (sloganartigen) Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind (EuGH GRUR 2010, 228, 231 Rdnr. 36 – Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, 1029 Rdnr. 32 u. 36, 1030 Rdnr. 44 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH a. a. O. Rdnr. 9 – Die Vision). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH a. a. O. – Die Vision). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 56 – Vorsprung durch Technik). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 – Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2009, 949 f. Rdnr. 12 – My World).
b)
21
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt bereits die in der obersten Zeile des Wort-/Bildzeichens größenmäßig hervorgehobene sloganartige Wortfolge „Hallo Erde!“, die den Hauptbestandteil bildet. Sie ist aufgrund ihrer Kürze prägnant, einfach gehalten und eingängig. Trotz der ergänzenden Zusätze „Gemeinsam für Mensch & Umwelt“ und „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ ist sie in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen entgegen der Ansicht der Markenstelle mehrdeutig und regt zum Nachdenken an, ohne dass ein beschreibender Begriffsinhalt für die beanspruchten Dienstleistungen oder ein enger beschreibender Bezug zu ihnen erkennbar ist. Damit verfügt das Anmeldezeichen über die erforderliche Eigenart, um von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unternehmenshinweis für die in Rede stehenden Dienstleistungen aufgefasst zu werden.
aa)
22
Zu den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen zählen hier sowohl der Handel als auch der Endverbraucher.
bb)
23
Die optisch im Vordergrund stehende Wortfolge in der ersten Zeile setzt sich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache, nämlich „Hallo“ und „Erde“, sowie einem Ausrufezeichen am Ende zusammen.
24
aaa)
25
Als Grußformel bzw. als ein Ruf, der Aufmerksamkeit erregen soll (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]), ist der Bestandteil „Hallo“ in der Alltags- und der Werbesprache weit verbreitet und in Verbindung mit Ortsangaben gebräuchlich, um einen regionalen Bezug zum Ausdruck zu bringen (BPatG 29 W (pat) 76/02 – hallo Deutschland).
26
bbb)
27
„Erde“ ist der dichteste, fünftgrößte und der Sonne drittnächste Planet unseres Sonnensystems mit einem Durchmesser von über … km und einem Alter von etwa … Mrd. Jahren (http://de.wikipedia.org/wiki/Erde). Mit „Erde“ werden aber auch der „Erdboden“ bzw. das „Erdreich“, „ein bestimmtes Metalloxid“, „fester Boden bzw. Untergrund“, ein „begrenztes Gebiet, Land, zu dem eine emotionale Beziehung besteht“ oder die „irdische Welt als das von der Menschheit bewohnte Gebiet“ bezeichnet (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).
28
ccc)
29
Das Ausrufezeichen am Ende der Wortfolge ist ein Schlusszeichen, das zur Kennzeichnung besonders eindringlich gemeinter, mit Nachdruck zu betonender Wörter und Sätze dient.
30
ddd)
31
In dieser Gesamtbedeutung werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge „Hallo Erde!“ im Sinne einer nachdrücklichen Begrüßung des Planeten „Erde“ oder der „irdischen Welt im Sinne eines von der Menschheit bewohnten Gebietes“ verstehen. Da Adressat des Grußes ein Planet oder die irdische Welt ist, mit denen eine Konversation ausgeschlossen ist, macht dieser Satz keinen Sinn und wirkt daher ungewöhnlich.
cc)
32
Der in der zweiten Zeile angeführte Slogan „Gemeinsam für Mensch & Umwelt“ ruft dazu auf, dass mehrere Personen zugunsten von Mensch und Umwelt zusammenwirken sollen.
dd)
33
Der Zusatz „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ in der dritten Zeile setzt sich aus den Begriffen „Nachhaltigkeit“ und „Initiative“ zusammen.
34
aaa)
35
Unter „Nachhaltigkeit“ versteht man ein ökologisches „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“ (www.duden.de).
36
bbb)
37
Der Begriff „Initiative“ weist auf einen Zusammenschluss mehrerer natürlicher und/oder juristischer Personen zur Erreichung eines gemeinsamen [größer angelegten Ziels] hin (www.duden.de).
38
ccc)
39
In ihrer Verbindung beschreibt die Wortkombination „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ einen Zusammenschluss mehrerer Personen zur gemeinsamen Erreichung des Erhalts eines sich auf natürliche Weise regenerierenden Systems.
ff)
40
Der Slogan „Gemeinsam für Mensch & Umwelt“ wird durch den Zusatz „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ dahingehend erläutert, dass sich alle zugunsten der Menschen und der Umwelt zusammenschließen sollen, um das gemeinsame Ziel des Erhalts eines sich auf natürliche Weise regenerierenden Systems erreichen zu können.
gg)
41
Diese für die angesprochenen Verkehrskreise verständliche Aufforderung ändert aber nichts an der sinnlosen und daher nach wie vor eigentümlich wirkenden, an den Anfang gestellten Grußformel „Hallo Erde“. Über die Dienstleistungen wird damit noch keine konkrete Aussage getroffen. Es bedarf weiterer Überlegungen auf Seiten des Verbrauchers, um die ungewöhnliche Grußformel mit den beiden anderen Wortfolgen derart gedanklich zu verbinden, dass sie eine sinnvolle Sachaussage bilden, was aber schon allein aufgrund der Unstimmigkeit von „Hallo Erde!“ nicht gelingen kann.
42
Um bei den in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen „Zusammenstellung und Präsentation von Produkten, die besondere soziale oder ökologische Kriterien erfüllen … und … von Informationen zum Thema Nachhaltigkeit“ die Grußformel „Hallo Erde!“ als Aufforderung an das Publikum zu verstehen, sich beim Einkauf umweltbewusst, naturschützend und sozial zu verhalten, bedarf es auch unter Berücksichtigung der beiden sinnhaften Zusätze „Gemeinsam für Mensch & Umwelt“ und „Die Nachhaltigkeits-Initiative“ eines hohen Interpretationsaufwandes (BGH GRUR 2012, 1143, 1144 Rdnr. 10, 17 – Starsat).
43
Die sloganartige Gesamtbezeichnung eignet sich auch für die übrigen beanspruchten Dienstleistungen nicht als beschreibender Hinweis.
44
aaa)
45
Für die in Klasse 35 im Gegensatz zu den Zusammenstellungs- und Präsentationsdienstleistungen nicht näher erläuterten „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich von Lebensmitteln, Babykost, alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken, Haushaltswaren, Drogerieartikeln, Gartenartikeln, Baumarktartikeln, Campingartikeln, Spielwaren, Bekleidungsartikeln, Schreibwaren, Elektroartikeln, Telekommunikationsartikeln, insbesondere Mobilfunkartikel“ macht die Kennzeichnung erst nach mehreren Gedankenschritten einen eindeutigen Sinn. Es muss nämlich hinzugedacht werden, dass die im Groß- und Einzelhandel angebotenen Produkte unter Einhaltung bestimmter Umwelt-, Sozialstandards oder Nachhaltigkeitskriterien hergestellt und deren Erwerb daher den Erhalt sozialer und ökologischer Systeme auf der Erde zu fördern geeignet sein können (vgl. BGH a. a. O. – Starsat).
46
bbb)
47
Eine beschreibende Aussage dahingehend, dass Gegenstand der mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Dienstleistungen in Klasse 39 „Veranstaltung, Vermittlung, Vertrieb und Vermarktung von Reisen, insbesondere Flugreisen, Autoreisen, Städtereisen, Kreuzfahrten“ Reisen sind, die besonders umweltschonend und energiesparend durchgeführt werden, ist völlig fernliegend.
48
ccc)‘
49
Für die in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen „Organisation und Durchführung von sportlichen und kulturellen Aktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen, insbesondere Verkostungen, Durchführung von Gewinnspielen“ gilt das Gleiche.
2.
50
Unabhängig davon, träte jedoch auch die Überlegung des Senats hinzu, dass es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das Wort-/Bildzeichen, auch wenn es aufgrund der bei Umweltfragen naheliegenden grünen Farbgebung und der rechteckigen, schlichten Einrahmung einfach gestaltet ist, bei den Dienstleistungen, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Herkunftshinweis verstanden wird (BGH a. a. O. 1047 Rdnr. 20 – Neuschwanstein, GRUR 2010, 825, 827 f. Rdnr. 22 f. – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 1100 Rdnr. 28 – TOOOR!). Nach der ebenfalls zu berücksichtigenden Entscheidung des EuGH „Darstellung eines mit gestrichelten Linien umsäumten Winkels“ (MarkenR 2012, 488 ff.) besteht aber keine Verpflichtung, die Prüfung der Unterscheidungskraft auf andere Verwendungsarten des angemeldeten Zeichens zu erstrecken, als diejenige, die das Amt oder der Senat aufgrund seiner Sachkunde auf diesem Gebiet als die Wahrscheinlichste erkennt.
51
Als herkunftshinweisende Handlungen kommen vorliegend in Betracht die Anbringung des Wort-/Bildzeichens am Geschäftslokal sowie die Benutzung auf Gegenständen, die bei der Erbringung der Dienstleistung zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen (BGH a. a. O. Rdnr. 28 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2008, 616 Rdnr. 13 – AKZENTA). Dabei handelt es sich aus der Sicht des Senats, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, auch um die wahrscheinlichsten Verwendungsformen. Bei ihnen kann das angemeldete Wort-/Bildzeichen daher als Hinweis auf die betriebliche Herkunft aufgefasst werden.
3.
52
Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede stehenden Dienstleistungen kann bei dem Anmeldezeichen auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.