Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “KRÄUTER WASSER” – zur Prüfung absoluter Schutzhindernisse – Begründung des DPMA enthält nur eine pauschale Behauptung – Erfordernis einer eingehenderen Prüfung – zur Begründungspflicht – Zurückverweisung an das DPMA – Kostenentscheidung – Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Aktenzeichen  26 W (pat) 17/20

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:260520B26Wpat17.20.0
Normen:
§ 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG
§ 61 Abs 1 S 1 MarkenG
§ 71 Abs 3 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 002 591.8
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2020 unter Mitwirkung der Richter Kätker als Vorsitzender sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2019 und 12. Dezember 2019 werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Das Wort-/Bildzeichen
2
ist am 6. Februar 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
3
Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke; Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.
4
Mit Beschlüssen vom 25. Juli 2019 und 12. Dezember 2019 hat die Markenstelle für Klasse 32 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Wortbestandteil des Anmeldezeichens setze sich analog zu den im Duden verzeichneten Begriffen „Kräutertee“, „Kräuterlikör“, „Kräuterschnaps“, „Kräuterbutter“ und „Kräuterkäse“ aus den Wörtern „Kräuter“ und „Wasser“ zusammen. Das Kompositum sei eine übliche Bezeichnung für ein mit Kräutern oder Kräuterauszügen versetztes Wasser. Für sämtliche beanspruchte Getränke enthalte es den Sachhinweis, dass diese aus mit Kräutern versetztem Wasser bestehen oder sich zum Mischen mit diesem eignen und somit hierfür bestimmt sein könnten. So gebe es Kräuterbiere, Kräuterlimonade und Kräutersaft. Die graphische Gestaltung des Zeichens sei üblich und könne ihm nicht zur nötigen Unterscheidungskraft verhelfen.
5
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um einen Neologismus, der in erster Linie von der Anmelderin verwendet werde. Der Begriff „Kräuter“ bezeichne unspezifisch Heilpflanzen, Küchenkräuter, Unkraut und krautige Pflanzen und existiere auch als Familienname. Seine Kombination mit dem Wort „Wasser“ stehe nicht im Duden und sei ungewöhnlich. Mit Kräutern verbinde man einen intensiven, würzigen und teilweise bitteren Geschmack. Sie würden deshalb typischerweise im Zusammenhang mit herzhaften Speisen verwendet. Bei Getränken mache man üblicherweise bei der Herstellung von Tees und Schnaps von ihnen Gebrauch. Wasser habe dagegen kaum Eigengeschmack und werde meist mit Früchten oder sonstigen süßen Geschmäckern kombiniert. Die Kombination von kaltem Wasser mit Kräutern erscheine daher zunächst wenig genießbar und ungewöhnlich, so dass der Eindruck des Wortes „Kräuterwasser“ über die Summe seiner Einzelbestandteile hinausgehe. Zudem sei das Anmeldezeichen jedenfalls aufgrund seiner graphischen Gestaltung unterscheidungskräftig.
6
Die Anmelderin beantragt sinngemäß
7
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2019 und 12. Dezember 2019 aufzuheben.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
9
Die nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
10
1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung auf eine ungenügend zwischen den einzelnen Waren differenzierende Begründung gestützt worden ist.
11
a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
12
b) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
13
c) Die Markenstelle hat nur pauschal behauptet, dass sämtliche in Klasse 32 beanspruchten Getränken aus mit Kräutern versetztem Wasser bestehen oder sich zum Mischen mit diesem eignen und somit hierfür bestimmt sein könnten. Diese Begründung greift erheblich zu kurz. Es hätte eingehender Prüfung bedurft, ob die einzelnen beanspruchten Waren nach den einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Bierverordnung in Verbindung mit dem Vorläufigen Biergesetz, der Mineral- und Tafelwasserverordnung und der Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung Kräuter oder Kräuterauszüge sowie Wasser enthalten dürfen. In dem Zusammenhang wird sich die Markenstelle auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Getränke eine täuschende Angabe im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG darstellt. Soweit die Markenstelle meint, dass alle oder einzelne Getränke mit Wasser vermischt getrunken werden, das mit Kräutern versetzt ist, bedarf es einer detaillierten Recherche, ob „Kräuterwasser“ käuflich zu erwerben ist und entsprechende Mischungen üblich sind.
14
Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensgegenständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
15
e) Da eine inhaltliche Auseinandersetzung der Markenstelle mit dem angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht erkennbar ist, sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende differenzierte Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren zu berücksichtigen, der eine zeitnahe Behandlung des vorliegenden, erst im Jahr 2019 anhängig gewordenen Verfahrens nicht zulässt.
16
Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob und gegebenenfalls für welche konkreten Waren ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist.
17
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.

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