Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Law++” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  25 W (pat) 520/18

Datum:
8.8.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:080819B25Wpat520.18.0
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 102 004.3
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. August 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
Law++
3
ist am 27. Februar 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 9: Softwarepakete für Computer; Software;
5
Klasse 42: Softwareerstellung; Softwaredesign und -entwicklung; Softwaredesign; Erstellung von Internet-Websites; Erstellung und Wartungsarbeiten für Webseiten;
6
Klasse 45: Überwachung von gewerblichen Schutzrechten; Rechtsberatung bezüglich geistigen Eigentumsrechten; Rechtsberatung.
7
Die Markenstelle für Klasse 42 hat die unter der Nummer 30 2017 102 004.3 geführte Anmeldung mit Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes vom 24. Oktober 2017 wegen fehlender Unterscheidungskraft und dem Bestehen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung aus den Bestandteilen „Law“ und „++“ zusammengesetzt sei. Das Wort „Law“ („Recht, Gesetz“) gehöre zum Grundwortschatz der englischen Sprache und sei für den angesprochenen Verkehr unmittelbar verständlich. Der zweite Zeichenbestandteil „++“ werde vom angesprochenen Verkehr ohne weiteres im Sinne von „Plus“, „Mehr“ oder „Vorteil“ verstanden und sei daher nicht geeignet, den Sinngehalt des Wortes „Law“ ausreichend zu verfremden. Der angesprochene Verkehr werde die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 9 lediglich als Sachhinweis auf den Inhalt der so bezeichneten Software verstehen. Rechtliche Zusammenhänge und Vorgänge wie beispielsweise Fristen, vollstreckbare Ausfertigungen oder Gerichtskosten könnten nämlich auch in Softwarepaketen dargestellt werden. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 und 45 seien inhaltlich unmittelbar auf das Recht bezogen. Das angemeldete Zeichen eigne sich insoweit zur unmittelbaren Beschreibung des Gegenstandes dieser Dienstleistungen, so dass neben dem Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehe.
8
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Entgegen der Auffassung der Markenstelle stünden der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung keine Eintragungshindernisse entgegen. Das doppelte Pluszeichen werde vom angesprochenen Verkehr nicht als anpreisende oder werbliche Aussage verstanden. Vielmehr sei unklar, wie dieser Zeichenbestandteil aufzufassen sei. Weiterhin führe die ungewöhnliche Kombination des englischen Wortes „Law“ mit dem doppelten Pluszeichen zu einem Verfremdungseffekt, der die Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens begründe. Der Sinngehalt des doppelten Pluszeichens sei „krass“ übertrieben, was dem angesprochenen Verkehr eine hinreichende Eigenart signalisiere. Darüber hinaus sei bereits eine Vielzahl vergleichbarer Marken in das Register des DPMA eingetragen worden, die eine Kombination eines beschreibenden Begriffs mit dem doppelten Pluszeichen darstellten. Dies belege, dass der Zeichenbestandteil „++“ in Kombinationszeichen dazu führe, dass das Zeichen in seiner Gesamtheit vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werde. Nachdem der Sinngehalt des doppelten Pluszeichens unklar sei, könne das angemeldete Zeichen auch nicht die Art oder Beschaffenheit der beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 42 und 45 beschreiben, so dass der Eintragung auch kein Freihaltebedürfnis entgegenstehe.
9
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
10
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Oktober 2017 aufzuheben.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 42, den dem Anmelder mit der Ladung vom 5. Juli 2019 erteilten rechtlichen Hinweis nebst Anlagen, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen. Der Anmelder hat gemäß § 69 Nr. 1 MarkenG einen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt, zu der er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist.
II.
12
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung Law++ als Marke steht für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
13
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).
14
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
15
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, ist sie aus dem Wortbestandteil „Law“, dem englischen Wort für „Recht“ bzw. „Gesetz“, und dem Zeichen „++“ zusammengesetzt. Dabei bereitet der Zeichenbestandteil „Law“ den angesprochenen Verkehrskreisen keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Der Begriff zählt zum Grundwortschatz der englischen Sprache und wird auch im inländischen Sprachgebrauch in bestimmten Redewendungen verwendet (wie z. B. in dem Begriff „Law-and-Order-Politik“). Der Verkehr wird daher den Zeichenbestandteil „Law“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen dahingehend verstehen, dass diese juristische Themen betreffen bzw. dass die angebotenen Waren und Dienstleistungen für Angehörige der rechtsberatenden Berufe bestimmt sind oder von diesen selbst angeboten werden. So gibt es im Bereich der Software und den damit zusammenhängenden Dienstleistungen Produkte, die spezifisch für den Einsatz in einer Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkanzlei bestimmt sind (sogenannte „Kanzleisoftware“). Insoweit stellt die Bezeichnung „Law“ zumindest einen engen beschreibenden Zusammenhang zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 her. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 45 betreffen den Kernbereich der Tätigkeit von Rechts- und Patentanwälten, so dass insoweit sogar von einem im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt des Zeichenbestandteils „Law“ auszugehen ist.
16
Das Plus-Zeichen wird in der Werbesprache (sowohl als Symbol als auch als ausgeschriebenes Wort) einzeln und in der Form eines doppelten Plus-Zeichens in den verschiedensten Produktzusammenhängen benutzt, um auf ein in irgendeiner Art und Weise verbessertes Produkt bzw. auf ein besonders gutes Produkt hinzuweisen (vgl. dazu die Entscheidungen des Bundespatentgerichts 30 W (pat) 530/14 – Stroke Unit Plus vom 15. Oktober 2015 und 28 W (pat) 503/10 – Premium Plus + vom 12. Mai 2010; die Entscheidungen sind über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich; im Übrigen wird auf die Rechercheunterlagen des Sentas Bezug genommen, die dem Anmelder mit der Ladung vom 5. Juli 2019 übersandt worden sind). Darüber hinaus kann das Symbol „++“ im Bereich der Software nicht nur auf „besonders gutes“ bzw. überarbeitetes oder aktualisiertes Produkt hinweisen. Es kann auch als sachlicher Hinweis auf einen Zusammenhang des Softwareprodukts mit der weit verbreiteten Programmiersprache „C++“ verstanden werden. Entsprechende Zeichenkombinationen wie beispielsweise „Visual J++“ werden in der Softwarebranche üblicherweise benutzt, um darauf hinzuweisen, dass die Software in der Programmiersprache „C++“ geschrieben ist, mit dieser kompatibel ist oder dass ein sonstiger, die Eigenschaften des Softwareprodukts betreffender Zusammenhang besteht (insoweit wird auf die Rechercheunterlagen des Sentas Bezug genommen, die dem Anmelder mit der Ladung vom 5. Juli 2019 übersandt worden sind).
17
Ausgehend hiervon wird zumindest der für sich genommen bereits ausreichend maßgebliche Fachverkehr aus dem Bereich der Software und der IT-Dienstleistungen die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 unmittelbar als einen werblich-beschreibenden Hinweis auf ein verbessertes und/oder auf der Computersprache C++ basierendes Softwareprodukt verstehen, wobei sich die Software inhaltlich mit rechtlichen Themen befasst bzw. für die Anwendung in der Rechtspraxis, insbesondere in Rechtsanwaltskanzleien bestimmt ist. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 45 wird der Verkehr das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit lediglich als werblich-beschreibenden Hinweis auf eine „besonders gute Rechtsberatung“ verstehen und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis.
18
Soweit der Anmelder auf verschiedene, nach seiner Auffassung vergleichbare Voreintragungen im Markenregister verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass eine dahingehende Praxis des DPMA bzw. des Bundespatentgerichts, dass Kombinationszeichen mit dem Bestandteil „++“ stets Unterscheidungskraft zukomme, nicht existiert. Entsprechende Anmeldungen sind, wie oben dargelegt, in der Vergangenheit als nicht unterscheidungskräftig mehrfach zurückgewiesen worden. Darüber hinaus entfalten Voreintragungen grundsätzlich keine Bindungswirkung. Insoweit ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47–51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 78 und Rn. 79 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische inländische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtsbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen des DPMA und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Gericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
19
2. Nachdem der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, kann die Frage, ob sie auch eine im Vordergrund stehende beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

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